1 Vereinbarkeit der Konzepte von „Hochschule“ und „Marke“

Gegenwärtig öffnen sich Hochschulleitungen zunehmend dem Gedanken, dass „Marke“ und Hochschule durchaus miteinander vereinbar sind, ja, dass gerade die erfolgreichsten und bekanntesten Hochschulen sowohl durch ihre Geschichte und Reputation als auch durch explizite Strategien zur Marke geworden sind. Harvard University, Oxford College und andere weltweit bekannte Namen sind beredte Beispiele dafür.Footnote 1 Insbesondere im Hinblick auf die Studierendenwerbung deutscher Hochschulen im Ausland hat sich der DAAD des Themas angenommen und wiederholt Kongresse ausgerichtet, auf denen internationale Erfahrungen und Marketingstrategien von Hochschulen diskutiert werden.

Traditionell hat das deutsche Hochschulsystem Profilbildung und Markenentwicklung an Hochschulen wenig befördert. Zwar standen die bekannteren Universitäten zumeist in einem gewissen Ruf, z. B. eher „konservativ“ oder „links“ zu sein, in Fachkreisen wurden auch gewisse methodische Schulen mit bestimmten Hochschulen verbunden, doch war dies relativ unspezifisch und eher partikulär. Erst im letzten Jahrzehnt wurde das Konzept der grundsätzlich als vergleichbar angesehenen Universitäten aufgebrochen. Nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen heraus wurden in den letzten Jahren zunehmend auch Fächer gestrichen oder verlagert und thematische Schwerpunkte gebildet. Moderne Wissenschaft wird immer kostenintensiver, die Finanzierungen halten zudem mit den steigenden Studierendenzahlen nicht Schritt.

Inzwischen wird in der hochschulpolitischen Diskussion auf unterschiedlichsten Ebenen Profilbildung und horizontale Differenzierung gefordert.Footnote 2 Hochschulen sind aufgerufen, sich diesem Thema zu stellen. Strategisches Denken in Bezug auf die eigene Positionierung in Abgrenzung zu anderen ist unumgänglich geworden. Wenn dieser Prozess explizit gestaltet, gelebt und kommuniziert wird, bedeutet dies, eine Hochschulmarke aufzubauen.

2 Widerstände innerhalb der Hochschulen

Obwohl die Einsicht, dass sich die Hochschulen auf Wettbewerb einstellen und das eigene Profil schärfen müssen, vorhanden ist, bestehen zugleich große Widerstände dagegen, diese Zielerreichung über eine explizite Markenstrategie zu versuchen. Oft wird bei den diesen Widerständen zugrunde liegenden Befürchtungen Marke als bloßes Vehikel für Werbung verstanden, als trügerischer Schein, als bloße Verpackung ohne wirkliche Substanz.

Es werden etwa folgende Fragen gestellt: Was spricht überhaupt dafür, sich auf ein Feld einzulassen, das aus der Wirtschaft kommt? Die Marke ist ein Instrument der strategischen Unternehmensführung und soll dabei helfen, unternehmerische Ziele zu erreichen. Ist es nicht offensichtlich, dass Hochschulen etwas anderes sind als Wirtschaftsunternehmen? Welche Ziele verfolgen denn Hochschulen und mit welcher Strategie? Hochschulen bieten Unterricht an, und zunehmend lassen sie sich diesen auch bezahlen. Aber kann man Lehre, die aus der Tradition einer Einheit von Forschung und Lehre heraus entwickelt wird, als Dienstleistung auffassen? Universitäten erfüllen damit doch eine gesellschaftliche Aufgabe und erwirtschaften keinen Profit.

Ähnliches gelte auch für die an Universitäten betriebene Forschung. Und ist es nicht so, dass Forschung nicht berechenbar ist, dass gerade das Unerwartete das Revolutionierende ist und dass der wissenschaftliche Fortschritt nicht durch Konkurrenz und Abgrenzung, sondern durch Offenheit und Austausch erzeugt wird? Hat nicht schon gegenwärtig der wachsende Konkurrenzdruck Opportunismus und zunehmendes wissenschaftliches Fehlverhalten mit sich gebracht? Muss deshalb nicht jeglicher Planung und Strategie widersprochen werden?

Stehen das akademische Selbstverständnis und Markenstrategien nicht konträr zueinander? Marken verdichten, spitzen zu – und Markenkommunikation wiederholt immer wieder dieselbe Botschaft. Akademisches Denken differenziert, stellt immer wieder neu in Frage, ist erfolgreich durch Innovation, polarisiert oft, gewinnt ihre Bewegung durch Widerspruch. Viele Hochschulmitglieder haben Sorge, dass das Vermarktungsfähige durch eine Markenstrategie mehr unterstützt werden könnte als das Risikobehaftete, dass das Geld dort, wo die Rückflusserwartung am höchsten ist, eingesetzt wird. Manche Fächer sind marktfähiger als andere – zu letzteren zählen sich die Geisteswissenschaften. Aber auch innerhalb der Fächer unterscheiden sich Ausrichtungen und Schwerpunkte, und manche Qualifikation, die die Hochschule ausbildet, integriert sich nicht unmittelbar in den Arbeitsmarkt und ist doch von hoher Bedeutung für das Individuum und die Gesellschaft.

Haben Hochschulangehörige zu Recht Angst vor der mit Marke verbundenen Fokussierung, Profilierung und Differenzierung? Oder geht es ihnen vielmehr darum, sich gegen ein gemeinsames strategisches Fundament aufzulehnen, denn dann müssten sie sich in persönlichen Profilierungsangelegenheiten zurücknehmen?

Nicht selten konkurrieren die Fakultäten einer Hochschule untereinander und bestehen auf Eigenständigkeit gegenüber der Zentrale. Auf der Ebene der Fachbereiche hat gemeinhin das, was im Präsidium als Leitbild oder Profil formuliert wird, wenig Bedeutung. Oft besteht ein Spannungsfeld: Die Hochschule profiliert sich, der Fachbereich profiliert sich und der Studiengang auch noch und schließlich der Lehrstuhlinhaber/ die Lehrstuhlinhaberin und der/die in erheblichem Gegensatz zu den Kolleg/innen. Grundsätzlich ist es für eine Hochschule von Vorteil, profilierte Einheiten zu besitzen. Wichtig ist jedoch, dass die internen kompetitiven Profilierungen nicht im Widerspruch zur Gesamtstrategie der Hochschule stehen und diese damit unterlaufen.

Die Wissenschaftler/innen sind drei möglicherweise konkurrierenden Loyalitäten ausgesetzt: gegenüber der eigenen Karriere, dem eigenen Fach und zur eigenen Universität. In vielen Fällen ist die Beziehung zu den Fachkolleg/innen an anderen Standorten und den Fachorganisationen ungleich stärker als die zur eigenen Universität. Hinzu kommt, dass innerhalb der Universität die Kolleg/innen untereinander um Arbeitsausstattungen und Mittel aus dem Universitätsbudget konkurrieren. Will man eine erfolgreiche Markenstrategie an einer Hochschule entwickeln, muss man solche Strukturmerkmale und die daraus resultierenden Befürchtungen und Verhaltensweisen ernst nehmen. Grundsätzlich muss eine Balance zwischen wirtschaftlichem und akademischem Denken gehalten werden. Dies setzt Anerkennung der jeweiligen Beweggründe und Werteparameter voraus. Wenn eine der beiden Seiten unterläge, wäre das nicht gut für die Hochschule. Daher ist ein fortwährendes Aushandeln und Ausbalancieren der beiden Standpunkte nötig.

In einem ersten Schritt können die Sorgen vielleicht schon dadurch entkräftet werden, dass Einvernehmen darüber hergestellt wird, was Hochschulmarke gerade nicht sein darf: trügerisches Versprechen von Angeboten und Leistungen, die bei Studierenden zwar beliebt sind, aber nicht eingehalten werden können, vollmundige Botschaften, die nicht der Realität entsprechen, kurzfristiges Ausrichten an „modischen“ Themen oder Anbiederung an das, was als „Mainstream“ vermutet wird. Vielmehr sollte die Entwicklung einer Marke den Anlass bieten, sich mit den Stärken, Werten und Besonderheiten der eigenen Hochschule einerseits und mit den Entwicklungsfeldern und Herausforderungen andererseits auseinanderzusetzen. Indem die Aufmerksamkeit der Akteure auf den ganz eigenen Charakter der Hochschule gelenkt wird, entsteht auch eine gemeinsame Identität und ganz eigene Kraft, die alle Beteiligten stärkt und im besten Fall stolz macht. Der Prozess einer Markenentwicklung soll Energie erzeugen, der Hochschule dabei helfen, sich auf die Zukunft auszurichten und sich dabei auf das Wesentliche zu konzentrieren, um notwendige Ziele zu erreichen und langfristig das eigene Überleben zu sichern. Dabei geht es um Identität, eine Kraft, die von innen kommt, und um die Entwicklung der Hochschulkultur. Markenentwicklung ist vor allem Organisationsentwicklung. Denn was innen nicht brennt, kann außen nicht leuchten.

3 Wie funktionieren Marken? Markenentwicklung als Organisationsentwicklung

War Marke für viele Unternehmen bis vor ein paar Jahren lediglich ein Marketinginstrument, so ist sie heute oft ein essentieller Beitrag zur langfristigen Existenzsicherung. Doch was ist eine Marke und wie funktioniert sie? Marke ist zuvorderst ein Instrument der strategischen Unternehmensführung. Marke wirkt über Fokussierung von Aufmerksamkeit auf für eine Organisation wesentliche Aspekte. Marke macht damit einen entscheidenden Unterschied, gibt Orientierung und macht konsequente Entscheidungen möglich. Marke entsteht an der Schnittstelle zwischen „innen“ (Markenidentität) und „außen“ (Markenimage). Dabei ist Marke nichts Konstantes und wird ständig neu ausgehandelt. Kern der Marke ist die Markenidentität, weshalb eine Marke immer von innen nach außen entwickelt werden muss, um glaubwürdig zu sein. Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut einer Marke, denn nur dann wird eine Marke verhaltensrelevant. Durch Markenversprechen entstehen Markenerwartungen. Nur wenn diesen Erwartungen mit markenkonsistentem Verhalten entsprochen wird, entstehen authentische Markenerlebnisse (vgl. Grubendorfer 2012, S. 9).

Dieses Markenkonzept begründet den Anspruch, Markenentwicklung als Organisationsentwicklungsprozess zu verstehen und als solchen durchzuführen. Bevor irgendeine (Werbe-)Botschaft in irgendeinen Markt kommuniziert wird, gibt es eine ausführliche Nabelschau mit gehaltvoller Diskussion und dem klugen Abwägen verschiedener strategischer Optionen. Eine Markenpositionierung muss so gewählt werden, dass die Organisationsmitglieder darin etwas finden, zu dem sie auf Basis ihres Erlebens an der Hochschule „ja“ sagen können. Zugleich müssen sie bereit und in der Lage sein, die darin angelegten Versprechen zu halten.

Marken sind somit nicht einfach nur Image-Botschaften einer Organisation oder ihres Managements, sondern sie sind soziale Repräsentationen (Moscovici 1995) und als solche definiert und messbar durch die bei vielen konsensual aktivierten Assoziationen, semantischen Netze oder Wissensstrukturen. Damit wird eine Marke Wissensbestandteil eines Kollektivs, und das Ausmaß des Konsenses hängt vom Zugang zu Kommunikationssystemen und der Gruppenzugehörigkeit ab (Müller et al. 2002; Müller 2002).

4 Hochschulen als kommunikative Systeme

Das kommunikative System, in dem Hochschule verortet ist, hat mit der Durchsetzung des World Wide Web zuvor nie gekannte Dimensionen angenommen. Die rapide Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien hat die Wege zueinander auf einen Mausklick verkürzt. Die Reise um die Welt und der Besuch ihrer Bildungseinrichtungen kann in wenigen Tagen am Bildschirm unternommen werden. Studierende und Studienbewerber/innen machen sich mit Google, Facebook und dem Austausch in anderen sozialen Netzwerken eine Vorstellung davon, was sie von einer Hochschule erwarten können, bevor sie sich entscheiden. Sie nehmen Urteile auf und geben selber Urteile ab. Das Gleiche gilt für Wissenschaftler/innen, die sich auf eine Ausschreibung bewerben, und für potenzielle Bewerber/innen auf administrative Positionen. Potenzielle Kooperationspartner informieren sich gleichermaßen über die verschiedensten Kanäle. Sie machen Erfahrungen mit der Hochschule als Institution und mit konkreten Personen, Medien berichten, Absolventen vermitteln durch ihre Arbeit und durch ihre Berichte Eindrücke von der Arbeitsweise der Hochschule in Wirtschaft und Gesellschaft.

Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass sich im Zuge der Globalisierung die Auswahlmöglichkeiten für alle Zielgruppen einer Hochschule immens erweitert haben. Es ist nicht mehr ungewöhnlich, sich für ein Studium oder einen Arbeitsplatz irgendwo auf der Welt zu entscheiden. Kooperationen über Kontinente hinweg sind Alltag geworden. Studierende und ebenso Wissenschaftler/innen sind global informiert und global mobil. Sie können am anderen Ende der Welt studieren bzw. arbeiten und dennoch über Skype o.ä. in direktem Kontakt zu Familie und Freunden bleiben. Informationen über eine Hochschule sind weltweit verfügbar und werden auch weltweit abgerufen. Auf diese Art entstehen Bilder, soziale Repräsentationen in den Köpfen ihrer Stakeholder. Dazu zählen das wissenschaftliche Personal, Verwaltung, Studierende, Alumni, Unternehmen, andere Hochschulen, Forschungs- und Lehrinstitutionen, Verbände, Behörden sowie Öffentlichkeit und Medien. Ihre Vorstellungen und ihre Kommunikationen und Interaktionen konstituieren die Marke.

Eine Hochschule kann darauf verzichten, diesen Prozess aktiv mit zu beeinflussen, allerdings mit dem Risiko, ihre „Marke“ sich selbst zu überlassen. Denn sie entsteht in der Kommunikation und in den mentalen Repräsentationen ihrer Mitglieder und Außenstehender ohnehin. Marke entsteht an der Schnittstelle zwischen Innen und Außen, sie ist nichts Konstantes und wird bei jedem Kontakt wieder neu „ausgehandelt“. Marken sind deshalb sehr fragil und können binnen Sekunden großen Schaden nehmen, z. B. durch einen Skandal. Es ist wichtig, eine Marke bewusst zu führen, sie zu hegen und zu pflegen wie einen wertvollen Garten, der immer wechselnden Wettereinflüssen ausgesetzt ist. Hochschulen gewinnen, wenn sie sich diesen Mechanismen stellen. Im komplexen System der Markenbildung sollte die Hochschule der Hauptakteur sein, um wesentlich mit zu steuern, wie sie bei ihren Stakeholdern repräsentiert ist. Denn Marken lassen sich nur innen führen; das Image, das außen entsteht, ist nicht direkt beeinflussbar. Marke kann nach außen nur „kommuniziert“ werden. Dafür gilt es, eine Marke aufzubauen, die zum Ausdruck bringt, warum zukünftige Studierende und Wissenschaftler/innen die Universität wählen sollten, warum Alumni stolz sein können, mit dieser Universität in Verbindung gebracht zu werden, warum Unternehmen gerne deren Absolvent/innen einstellen, warum Institutionen mit dieser Hochschule Kooperationen anstreben und warum Medien und Gesellschaft positiv über sie berichten. Die stärkste Position in diesem Prozess hat die Hochschule dann, wenn sie sich darin mit größtmöglicher Authentizität und Klarheit bewegt und den Mut beweist, sich mit sich selbst zu beschäftigen, auf den Punkt zu bringen, wofür sie steht, mit allen Ecken und Kanten.

5 Ansatzpunkte für eine Markenidentität

Gute Forschung, Lehre und Innovationskraft sind Voraussetzungen für eine profilierte Hochschule – viele Hochschulen können dies für sich in Anspruch nehmen. Ebenso wichtig ist allerdings auch die innere Verfasstheit, die Hochschulkultur. Es muss herausgearbeitet werden, welches der besondere Spirit, die besondere Umgebung, der besondere Anspruch ist, durch die begeisternde Studienbedingungen geschaffen und hervorragende Leistungen erzeugt werden.

In Leitbildern haben sich die meisten Hochschulen zwar darüber Gedanken gemacht, was ihre Leitprinzipien sein sollen. Das Ergebnis ist jedoch – wie der stellvertretende Generalsekretär des Stifterverbandes, Volker Meyer-Guckel, unter dem Motto „Vielfalt an Akteuren, Einfalt an Profilen“Footnote 3 zusammenfasst, den Mühen nicht angemessen: Sie sind weitestgehend untereinander austauschbar. Und Austauschbarkeit ist das Gegenteil von Profil und Differenzierung und damit von Marke. Offensichtlich hat sich die Aufmerksamkeit besonders darauf gerichtet, was im Grundsatz allen Hochschulen gemeinsam ist und was darüber hinaus in den jeweiligen Länderhochschulgesetzen sowieso schon festgelegt ist.

Die Kernaufgabe aller Hochschulen ist es, Forschung zu betreiben und eine akademische Lehre zu gewährleisten. Für die Universitäten kommt hinzu die Aufgabe der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Grob ist das „Was“ daher schnell umrissen. Doch was konkret und wie, auf welche Art und Weise, durch welche Führung und für welche Zielgruppen sowohl unter den Studierenden bzw. Studieninteressierten als auch unter den anderen Stakeholdern, das macht den Unterschied, die Besonderheit, d. h. die Marke, aus.

Die Ansprüche an die hochschulische Ausbildung haben sich gegenüber dem letzten Jahrhundert in mehrfacher Hinsicht verändert. Während bis in die 1970er Jahre der Anteil der Studienanfänger/innen eines Jahrgangs unter 10 % lag, sind es jetzt fast 40 %. Damit sind die Motive für die Aufnahme eines Studiums sehr viel breiter angelegt. Die Gesellschaft hat sich zu einer „Wissensgesellschaft“ hin entwickelt. Die Berufsfelder, auf die akademische Lehre vorbereitet, haben sich deutlich differenziert und entfaltet. Damit sind erheblich mehr Zielgruppen involviert, der Kreis der tatsächlichen und potenziellen Stakeholder hat sich erweitert und ist vielgestaltiger geworden. Die Verfügbarkeit umfangreicher Wissensvorräte per Mausklick hat den Besitz und die Vermittlung von Faktenwissen in ihrer Bedeutung relativiert. Private Institutionen bieten international Studienmöglichkeiten an. Beides stellt die Lehre einerseits vor neue Herausforderungen und eröffnet andererseits neue Möglichkeiten der Profilbildung.

So wie die Bedarfe in Wirtschaft und Gesellschaft an die Qualifikation von Absolvent/innen innerhalb einer großen Bandbreite divers sind und auch die persönlichen Motivationen und Zielsetzungen für die Aufnahme eines Studiums, braucht eine Gesellschaft auch unterschiedliche Hochschulen. Daher bietet es sich für eine Hochschule an, sich darüber Gedanken zu machen, für welche Bedarfe sie die besten Antworten geben kann, welches ihre besonderen Stärken sind. Die intensive Hinwendung zu solchen Fragen ist auch ein nicht zu unterschätzendes Movens, vorhandene Qualitäten weiter auszubauen. Hochschulen in Metropolen haben andere Randbedingungen als Hochschulen in kleinen Städten, Hochschulen in einer Industrieregion wiederum andere als solche in einem industrieschwachen Umfeld, Hochschulen in einer agrarischen Umgebung andere als solche in einer Gegend mit attraktiven Freizeitmöglichkeiten, kleine Hochschulen andere als große. Jede dieser Randbedingungen kann für Profilierung eingesetzt werden. Bauliche Gegebenheiten, finanzielle Spielräume, die Mentalität der Bevölkerung in der Region sind ebenfalls von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Bisher wurden diese Unterschiede eher passiv hingenommen als in eine bewusste strategische Planung umgesetzt. Sie sind jedoch Ansatzpunkte für eine Positionierung, die einen Unterschied machen könnte.

6 Der Prozess der Markenentwicklung

Markenentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess. Bis eine starke Marke entstanden ist, die diejenigen Studierenden, Wissenschaftler/innen und Kooperationspartner findet und bindet, die optimal zur Hochschule passen, vergehen einige Jahre. Der Grundstein jedoch kann in wenigen Monaten gelegt werden.

Folgende Schritte gehören dazu: sich die eigenen Stärken (und Schwächen) bewusst machen, sich positionieren unter Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen und der Bedarfe in der Gesellschaft, Ziele festlegen und eine Strategie entwickeln. Des Weiteren geht es darum, zu analysieren, welche Botschaften nolens volens ausgesendet werden, welche Aufnahme diese bei den avisierten Zielgruppen finden und welches Bild in ihren Köpfen daraus entsteht. Schließlich gilt es, Ausdrucksformen zu finden, die bestmöglich das Selbstverständnis und die Ziele der Hochschule transportieren und die somit geeignet sind, zuverlässige Informationen zu übermitteln und belastbare Signale zu senden. Schließlich geht es um Zuspitzung von Hochschulstrategie und Kernaussage in einigen wenigen Sätzen. Als vorläufig letzter Schritt folgt die eventuelle Anpassung des Logos und des Corporate Design.

Markenentwicklung ist Führungsaufgabe, die jedoch nur unter frühzeitiger Einbeziehung der Mitglieder der Hochschule erfolgreich sein kann. Doch nicht nur diese, auch der Blickwinkel anderer Stakeholder ist von Belang. Denn die Kraft und Glaubwürdigkeit der Marke resultiert daraus, dass sie tatsächlich die „geteilte Kognition“ oder die Schnittmenge der Überzeugungen dieser Beteiligten und Zielgruppen aufgreift (Strack et al. 2008), und vor allem: dass sie in der Hochschule gelebt wird. Wenn sich die Hochschule der Tatsache bewusst ist, dass es bei Marke um ihre Identität und nicht in erster Linie um Marketing geht (Marketing kann nur ein zweiter Schritt sein), kann es hilfreich sein, bei der konkreten Entwicklung das Branding Know-how, das für Unternehmen entwickelt wurde, zu Hilfe zu nehmen.

7 Zehn Schritte zur Hochschulmarke

  1. 1.

    Ein abteilungsübergreifendes Mandat etablieren: Für den Projekterfolg ist es wesentlich, dass zentrale Akteure aus verschiedenen Abteilungen der Hochschule das Thema Marke gemeinsam anpacken wollen, z. B. Presse- und Kommunikationsabteilung, Personalabteilung, Abteilung Studium und Lehre. Dies sollte durch entsprechende Vorbereitung des Projekts gelingen.

  2. 2.

    Aufmerksamkeit der Hochschulleitung sichern: Das Thema Marke zu hinterfragen, ist so zentral für eine Organisation, dass die Leitungsorgane nicht ausgelassen werden dürfen.

  3. 3.

    Den aktuellen Standort bestimmen: Bestandsanalyse der Hochschulkultur durchführen – dazu auch bestehende Analysen nutzen, z. B. Mitarbeiterbefragungen, Studierendenbefragungen etc. Interviews mit Prof./nnen und Fokusgruppen mit Hochschulmitarbeiter/innen helfen dabei, wesentliche Charakteristika der aktuellen Organisationskultur zu beschreiben.

  4. 4.

    Promotoren einbinden: Um ein möglichst valides Analyseergebnis und die Anschlussfähigkeit in der Hochschule sicherzustellen, sollten die Ergebnisse der Interviews und Gruppen nachvollziehbar aufbereitet und Hypothesen daraus abgeleitet werden. Beides sollte einer Gruppe von Promotoren vorgestellt werden. Promotoren werden ausgewählt, um in ihrer Person innerhalb der Organisation für Kommunikation über Ziele und Ergebnisse des Markenprojekts zu sorgen und andererseits über die bisher in die Analyse einbezogenen Personen hinaus die Ergebnisse zu bewerten, zu ergänzen und zu priorisieren.

  5. 5.

    Eine Richtung für die Marke festlegen: Mit Blick auf die Hochschulstrategie und neue Entwicklungschancen, die sich in der Bestandsanalyse gezeigt haben, wird ein Korridor definiert, in dem die Hochschule als Marke positioniert werden sollte, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Innerhalb dieses Korridors können mehrere Optionen für eine Markenpositionierung entwickelt und ihre Konsequenzen für die Organisationsentwicklung beleuchtet werden.

  6. 6.

    Auf den Punkt bringen: Abgeleitet von der Marke und mit Blick auf den Zielkorridor wird die Markenpositionierung der Hochschule in einem kurzen und prägnanten Statement auf den Punkt gebracht. Dieses muss profilstark sein und einen Unterschied zu anderen Hochschulen deutlich machen. Es können auch weitere Markenbausteine entwickelt werden, wie z. B. ein separates Markenversprechen, Markenkern und Markenwerte.

  7. 7.

    Führungsverständnis ableiten: Eine Marke kann nicht stark werden ohne Führungskräfte und Mitarbeiter/innen, die diese Marke leben. Es ist deshalb wichtig, an dieser Stelle die Frage zu stellen, wie die Hochschule geführt werden muss, um die Marke mit Leben zu füllen, und worauf sich Führung fokussieren muss (zum Thema Leadership Branding vgl. Grubendorfer 2012).

  8. 8.

    Kommunikation und Erlebnisse: Die Markenpositionierung wird an alle relevanten Zielgruppen der Hochschule kommuniziert. Dazu werden alle zur Verfügung stehenden Kanäle und Plattformen genutzt. Der Hochschulauftritt nach außen wird angepasst, z. B. Website, Messen, Kongresse, Broschüren, Infomaterial etc. Um das zu schaffen, braucht es eine Kreativagentur, die auf Basis der Markenpositionierung ein Kreativkonzept für die Hochschule erstellt. Das kann so weit gehen, dass das komplette Design der Hochschule verändert wird – muss aber nicht.

  9. 9.

    Integration in Instrumente der Personalbeschaffung und -entwicklung: Ist die Marke und der damit verbundene Führungsanspruch klar formuliert, so lässt sich auch leicht die kulturelle Passung für Mitarbeiter/innen festlegen. Welche Menschen passen in ihren Werten und Einstellungen zur Hochschule und welche gar nicht? Die Erkenntnisse sollten bei Einstellungen und Beförderungen berücksichtigt werden.

  10. 10.

    Erfolgsmessung: Nach ungefähr zwei bis drei Jahren sollten sich die ersten Effekte sowohl innerhalb der Hochschule als auch bei externen Zielgruppen messen lassen. Eine Marke ist jedoch nie „fertig“, sie ist fragil und bedarf intensiver Pflege. Es braucht Verantwortliche innerhalb der Hochschule, die sich der Markenführung verpflichten.

Hochschulen sind keine Unternehmen und können doch von deren Expertise lernen. Denn auch sie müssen mit großen Budgets wirtschaften und zusätzliche Finanzierungen akquirieren, auch sie sind Arbeitgeber in beträchtlichem Umfang, auch sie stehen im internationalen Wettbewerb und müssen Angebote formulieren, die nachgefragt werden.

8 Anforderungen an eine Hochschulmarke

Wenn wir eingangs sagten, dass bei der Entwicklung der Hochschulmarke die Befürchtungen, die Mitglieder der Hochschule äußern, ernst genommen werden sollten, dann nicht nur aus dem Grunde, dass so die Gemüter beruhigt werden könnten. Eine Hochschulmarke wird sich von einer Marke aus der Konsumgüterindustrie unterscheiden. Die Hochschule lebt von der Vielfalt der Fachkulturen, der Kontroverse unterschiedlicher Auffassungen, dem individuellen Vorwärtspreschen und den Einfällen Einzelner. Daher muss eine Hochschulmarke mit Augenzwinkern, mit Respekt vor der Individualität, dem Querdenkertum entwickelt werden und diesem Platz lassen. Sie soll einen Rahmen bieten, aber kein enges Korsett. Sie darf nicht im Widerspruch zu der notwendigen „Diversity“ stehen. Wenn dies jedoch gelingt, kann Marke zum Energetikum der Hochschule und zum Zugpferd für eine selbstbewusste Weiterentwicklung werden.