Zusammenfassung
Der Begriff „Ethische Kompetenz“ wird nach Ansicht der Autoren in der Praxis oft unscharf verwendet. Im Rahmen einer qualitativen Studie an Führungskräften in Banken werden Definitionsansätze für ethische Kompetenz mit der Theorie des geplanten Verhaltens (Fishbein und Ajzen) in Beziehung gesetzt. Dadurch kann, unter Berücksichtigung des Konzepts der „moralischen Verpflichtung“ (Kurland), „ethische Kompetenz“ genauer differenziert werden. Die Faktoren verhaltensspezifische Einstellung, kontextbezogene subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle werden als maßgeblich für das Verhalten in moralisch relevanten Situationen bestimmt. Es wird zudem aufgezeigt, welche Hypothesen sich für den Zusammenhang von ethischer Kompetenz und Arbeitszufriedenheit formulieren lassen.
Abstract
From the author’s point of view, the term “Ethical Competence” is often used rather vaguely in the field. In a qualitative study of bank managers, preliminary definitions of “Ethical Competence” are related to the “Theory of Planned Behavior” (Fishbein and Ajzen). This enables the authors to analyze “Ethical Competence” more precisely—taking the concept of “Moral Obligation” (Kurland) into consideration as well. Factors such as behavioral beliefs (attitude towards the behavior), normative beliefs (subjective norms) and control beliefs (perceived behavioral control) are seen as significant in behavior in morally relevant situations. In addition, the authors formulate a hypothesis concerning the correlation of Ethical Competence and job satisfaction.
Notes
Da in der Befragung absolute Vertraulichkeit zugesichert wurde, werden die Interviewteilnehmer/innen im Folgenden jeweils nur relativ allgemein charakterisiert.
http://www.changex.de/d_a01625.html, aufgerufen am 17.10.2008.
Der Ansatz der „Integrativen Wirtschaftsethik“, in dessen Kontext diese Äußerung zu stellen ist, ist aber nicht ganz unumstritten. So schreibt z. B. Buer (2008, S. 356) unter anderem: „Ulrich hat seine ethischen Grundpositionen schon vor über 25 Jahren festgelegt, vor allem unter dem Eindruck des Werks von Jürgen Habermas. Und Habermas ist nun mal Kantianer. D. h., er hängt einer Pflichtethik an.“ Der Anspruch, Normen in einem herrschaftsfreien Diskurs zu erarbeiten, erschwere das Geschäft: „Alles und jedes muss bedacht, ethisch reflektiert und in zahllosen Diskursen mit den berechtigten Interessen sämtlicher Stakeholder abgeglichen werden, ein unendliches Geschäft!“ Zudem kritisiert Buer (ebd., S. 357) eine angebliche „Zwei-Reiche-Lehre“ von Maak und Ulrich (2007), insofern zwischen Lebenswelt und Systemwelt unterschieden werde. Nach Buer greifen aber alle (!) Ansätze der Wirtschafts- bzw. Unternehmensethik zu kurz (ebd., S. 359), was er an der „Nagelprobe“ des „Umgangs mit dem Bösen“ festmacht (ebd., S. 360). Die genauere Beschreibung des „sogenannten Bösen“ kommt aber aus unserer Sicht hier ein wenig zu kurz, v. a. die Theologie hätte hier doch einiges zu ergänzen (vgl. z. B. Dembowski 1971; Halter 1988; Barth u. a. 1974; Zimmermann, Schmitz 2007).
Indem Maak & Ulrich hier auch den emotionalen Aspekt betonen („Einfühlungsvermögen“), scheint die des Öfteren an der Integrativen Wirtschaftsethik geäußerte Kritik eines reinen „Rationalismus“ nicht wirklich zu greifen. Einer Universalpragmatik im Sinne Habermas’ ist ja die Möglichkeit der Verständigung im Sinne eines empathischen Nachvollziehens geradezu inhärent. „Neueste Forschungen im Bereich der Emotionen und der Verbindung zwischen Emotion und Vernunft legen dies [nämlich: moralische Reife als Gerechtigkeitserwägung, Beziehungsorientierung und Fürsorglichkeit; die Verf.] ebenso nahe wie Adam Smiths bald 250 Jahre alte ‚Theorie der ethischen Gefühle‘“ (Maak und Ulrich 2007, S. 479).
„Ethische Entscheidungsfindung erfordert […] stets, die konkrete moralische Wirklichkeit zu durchbrechen, um über die Entscheidungselemente, die Handlungsoptionen und die möglichen Folgen und Nebenfolgen des Handelns zu reflektieren. Sie ist also als Prozess zu verstehen, wie man zu rational begründeten und damit legitimierbaren Entscheidungen gelangt“ (Maak und Ulrich 2007, S. 447).
„Bevor ein moralisches Dilemma gelöst werden kann, muss es allerdings auch als solches erkannt werden. […] Dilemmas tauchen hier [in spezifischen Organisationen; die Verf.] augenscheinlich deshalb nicht als solche auf, weil ethische Werte systematisch zugunsten von ökonomischen kompromittiert werden“ (Maak und Ulrich 2007, S. 453). Mehr zum Umgang mit moralischen Dilemmata ebd., S. 456 ff.
Gollenia (1999) hat in einer interessanten Dissertation untersucht, welche Rechtfertigungssysteme Angehörige verschiedener Berufe, z. B. Juristen, Ärzte, Wirtschaftler, bevorzugen.
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Richter, S., Henkens, C. & Ritt, S. Ethische Kompetenz. Organisationsberat Superv Coach 18, 413–428 (2011). https://doi.org/10.1007/s11613-011-0253-x
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