Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) der wichtigste Mittelgeber für die Forschung in Deutschland. Gefördert werden vorwettbewerbliche, praxisnahe Innovationen auf verschiedensten Feldern, häufig in interdisziplinären Verbundprojekten. Durch die begrenzte Laufzeit der Förderung mangelt es oft an der Verwissenschaftlichung der Projekterfahrungen nach Ablauf der Förderung. Der von Kauffeld und Rothenbusch vorgelegte Band stellt sich dieser Aufgabe und präsentiert die Ergebnisse von fünf Verbundprojekten des Programms „Zukunft der Arbeit: Mittelstand – innovativ und sozial“, die vom BMBF und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gemeinsam gefördert wurden. Bis auf eine Ausnahme (Kap. 9) sind alle Beiträge von Forschenden aus Projekten der Förderlinie verfasst.

Das verbindende Thema ist die Frage nach den Kompetenzen, die Beschäftigte angesichts der umfassenden Digitalisierung von Arbeitsprozessen jetzt und künftig benötigen. Es werden erprobte Werkzeuge zu deren Analyse, Erwerb und Entwicklung vorgestellt. Dabei wird konkret aus verschiedenen Domänen – Industrie, Bau, Handwerk, Pflege – berichtet. Der Band ist in drei Abschnitte gegliedert, die das Erkennen von Weiterbildungsbedarfen, die Akquise externen Wissens sowie das Lernen am Arbeitsplatz behandeln. Die Navigation in der Online-Ausgabe ist sehr komfortabel, Zusammenfassungen, Abbildungen und Referenzen sind leicht auffindbar, innerhalb der Texte werden Querverweise eingesetzt. Der Stand der Forschung wird umfassend entlang hochwertiger Quellen abgebildet. Der komplette Band steht als Open Access kostenfrei zur Verfügung.

1 Kapitel 1: Kompetenzen in der digitalisierten Arbeitswelt – eine Vision für die Personalentwicklung

Der von den Herausgeberinnen verfasste Einführungsbeitrag ordnet das Vorhaben angemessen ein, sowohl hinsichtlich der Spannweite des Themas zwischen den Analyseebenen Mensch, Technik und Organisation als auch in der historischen Genese betrieblicher Weiterbildung (vgl. Abb. 1.1). Er bietet einen Überblick über die enthaltenen Beiträge, fasst die Anforderungen an die betriebliche Kompetenzentwicklung schlüssig zusammen und erörtert die Frage des Transfers zwischen Lernen und Arbeiten.

2 Kapitel 2: Entwicklung von Selbstorganisationskompetenzen in der Industrie 4.0

Die Fähigkeit zur Selbstorganisation gilt als Schlüsselkompetenz der neuen Arbeitswelt. Die Autoren stützen ihre Überlegungen auf das MTO-Modell, um die notwendigen Kompetenzen an Schnittstellen im Einsatz von Assistenzsystemen zu beleuchten. Sie belegen drei zentrale Kompetenzbedarfe: Lernbereitschaft, Offenheit für Veränderungen und ergebnisorientiertes Handeln. Tätigkeitsspezifisch kommen bei der internen Logistik Selbstmanagement und Problemlösungsfähigkeit hinzu, in der Montage die Kompetenzanforderungen Teamfähigkeit und Organisationsfähigkeit. Die Datenlage ist breit und nachvollziehbar in die Argumentation eingebettet. Die Literaturstudie lässt eine transparente Suchstrategie vermissen. Der festgestellte Mangel an Studien zu Kompetenzanforderungen auf der Fertigungsebene muss ein wenig relativiert werden: Studien zu Teamarbeit und Kommunikation, Führungsfähigkeiten oder Problemlöse- und Entscheidungsfindung (Menez et al., 2016; Butollo et al., 2019 u. a.) werden hier nicht hinzugezogen. Die Beschreibung der Kompetenzfeststellung ist hingegen sehr detailliert und profund. Im insgesamt schlüssigen Kapitel wäre ein deutlicherer Bezug zu KMU wünschenswert.

3 Kapitel 3: Alles unter einem Dach? Einstellungen und erforderliche Kompetenzen für die erfolgreiche Nutzung von BIM-orientierten digitalen Technologien in KMU am Beispiel von Koop-3D

Das Building Information Modeling (BIM) ist ein Sammelbegriff für die umfassende Digitalisierung in der Bauplanung und -durchführung. Es verspricht, die Zusammenarbeit der Gewerke zu verbessern, Ressourcen effizienter einzusetzen und Bauvorhaben besser zu dokumentieren und zu kommunizieren. Es stellt aber auch so hohe Anforderungen, sowohl technisch als auch in der Anwendung, dass viele, gerade kleine Bauunternehmen und Architekturbüros sich schwer damit tun und dadurch bspw. an öffentlichen Ausschreibungen nicht oder nur eingeschränkt teilhaben können. Der Beitrag betrachtet eine solche Anwendung (Koop-3D) aus der Sicht von Expert:innen aus der Praxis. Sie fokussieren auf die Frage der Akzeptanz und Aneignung dieser neuen Technologie durch potenzielle Nutzer:innen. Die Befragung erfolgt mit standardisierten Skalen online, eine Videovignette, die die Funktion von Koop-3D demonstriert, wurde vorangestellt. In offenen Frageformaten wurde nach den vermutlich benötigten Kompetenzen für die Anwendung des Werkzeugs gefragt. Kulturelle Aspekte des Baugewerbes in KMU werden durch diese Methodik allerdings nicht erfasst. Es handelt sich insgesamt um eine solide deskriptive Studie, die konkrete Ansatzpunkte für die Implementierung des digitalen Werkzeugs im Baugewerbe aufzeigt. Eine interessante Erweiterung der Studie wäre es, im Stil der Aktionsforschung die Implementierung des Tools in kontrastierenden Fällen zu begleiten.

4 Kapitel 4: Technologieakzeptanz in der Digitalisierung der ambulanten Pflege – eine Fallstudie

Die vorgestellte Studie beschäftigt sich mit der pflegespezifischen Technologieakzeptanz am Beispiel einer sensorbasierten Textilmatte in der ambulanten Pflege. Ziel der Studie war es, ein besseres Verständnis von Technologieakzeptanz und deren Einflussfaktoren in der ambulanten Pflege zu erhalten. In der Einführung werden Problemfelder in der ambulanten Pflege erläutert, allerdings sehr knapp gehalten. Für ein tiefgreifenderes Verständnis wäre es sinnvoll gewesen, die aktuelle IST-Situation näher zu betrachten. Hier könnten sich die Autor:innen auch konkreter auf die aktuelle Forschung beziehen. Auch die Vorstellung des Technologieakzeptanzmodells von Fred Davis fällt sehr knapp aus, Funktion und Aufbau des Modells kommen zu kurz. Es erfolgt eine direkte Überleitung zum erweiterten Modell nach Kothgassner et al. (Technology Usage Inventory), auf dessen Grundlage die Interviewstudie basiert. Positiv hervorzuheben sind die detaillierte Darstellung der Interviewstudie. Dadurch können die Analyse und die Ergebnisse gut nachvollzogen werden. Insbesondere die ausgewählten Interviewzitate fördern die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Reflektion der Ergebnisse, die eine gute Verbindung zu der vorherigen Forschung schafft.

5 Kapitel 5: Ein Modell zur Beteiligungsqualifizierung in der Pflege

Während die bisherigen Beiträge die Bedarfserkennung behandelten, geht es in den folgenden um den Erwerb neuen, externen Wissens in Arbeitssystemen. Die erste Studie, angesiedelt in der Altenpflege, stellt einen Qualifizierungsansatz vor, der es Pflegekräften ermöglichen soll, aktiv an der Entwicklung und Einführung neuer Technologien mitzuwirken. Forschungserfahrungen des Rezensenten und Studien zeigen, dass Technik (z. B. Pflegeroboter) häufig ohne Anforderungsanalysen am Arbeitsplatz entwickelt und eingeführt wird, sodass diese ein Fremdkörper im Arbeitsprozess bleibt und eher neue Belastungen erzeugt als Erleichterung bringt (vgl. Haubold et al. 2020, GIO 51(3); Obst et al. 2022, Kramer et al. 2022, beide GIO 53(3)). Dieser Beitrag aus dem Projekt „DigiKomp-Ambulant“ geht von einer Analyse der Pflegearbeit generell aus und beschreibt die neuen Anforderungen durch deren Digitalisierung. Das arbeitswissenschaftlich gut fundierte Modell wird schlüssig erläutert, es beruht auf langjährigen Vorarbeiten der Autorengruppe. Die konkreten Einblicke in dessen praktische Erprobung machen es anschaulich und leicht auf unterschiedliche Domänen adaptierbar – ein aus praktischer wie theoretischer Hinsicht lesenswerter Beitrag.

6 Kapitel 6: Integrale Betrachtung agiler Innovationsmethoden für den Kompetenzaufbau

Die beiden folgenden Texte entstammen dem Projekt „InnoDiZ“ (steht für: „Selbstorganisiertes Innovationsmanagement im digitalen Zeitalter“).

Der erste der beiden Beiträge geht davon aus, dass agile Arbeitsweisen mit ihren Werten, Prinzipien und Methoden einen geeigneten Rahmen für Innovationsprozesse in KMU bieten. Diese Sicht erkennt an, dass es mit Agilität nicht nur um Methoden, sondern auch um Haltungen und Organisationskultur geht. Hierzu wird mit der Integralen Landkarte ein ganzheitliches Modell vorgelegt, das auf in der Organisationsberatung bewährte Vorarbeiten (z. B. Ken Wilber) zurückgeht. Der Text enthält sogar einen direkten Link zu dieser Dienstleistung mit Preisangabe, Forschung und Beratung können hier schon leicht verwechselt werden. Dennoch – das Modell wird sorgfältig und transparent erklärt und bildet die Grundlage für eine Fallstudie, in der die für diesen Ansatz benötigten Kompetenzen in sechzehn KMU erschlossen und trainiert werden. Eines dieser Unternehmen wird als Fallstudie über einen OE-Prozess zur Etablierung des Design Sprints detailliert vorgestellt. Dadurch wird das Vorgehen greifbar. Abschließend ordnet der Beitrag die Erfahrungen aus der Erprobung entlang treffender psychologischer Theorien passend ein (Handlungsregulationstheorie, Selbstbestimmungstheorie der Motivation).

7 Kapitel 7: Kompetenzen für das Innovationsmanagement. Ergebnisse und Erfahrungen aus KMU

Die Projektgruppe „InnoDiZ“ unterscheidet sog. „W-Module“ und „P-Module“ (W für Wissen, P für Praxistransfer). Als „W-Module“ wurde eine Blended-Learning-Applikation zur Unterstützung des Innovationsmanagements in KMU und der dazu benötigten Kompetenzen konzipiert und erprobt. Man geht dabei von der Annahme aus, dass digitale Lernplattformen mit Interaktionsfunktionen („social blended learning“) die Weiterbildungsaktivität in KMU erhöhen können. Entlang eines einfachen linearen Modells des Innovationsmanagements (Strategische Orientierung, Ideengewinnung, Ideenbewertung, Ideenumsetzung) werden Bedarfe erfragt und Lernmodule entwickelt. Bei der begleitenden Evaluation mit sechzehn KMU bleibt unklar, wie genau das System eingeführt wurde, und wie das Erhebungsinstrument aufgebaut war (häufig ist von „offenen Fragen“ die Rede). Auch fehlt es an konkreteren Einblicken in die Praxis und Domänen der beteiligten KMU. Beide Teilprojekte sind spannend und lesenswert, das Verhältnis zwischen Agilität, Organisationsentwicklung und Kompetenzentwicklung ist aber nur teilweise schlüssig – insbesondere da Kompetenzen im Unterschied zu Wissen oder Fertigkeit „W“ und „P“ integrieren sollten.

8 Kapitel 8: Arbeiten und Lernen auf dem industriellen Shopfloor 4.0

Die vier verbleibenden Beiträge behandeln Aspekte des Lernens am Arbeitsplatz. Zunächst werden Ergebnisse des Projektes „ESKODIA“ dokumentiert. Nach einer kurzen Begründung der Notwendigkeit, Kompetenzentwicklung in die betriebliche Praxis zu integrieren, werden die Richtlinie des VDI/VDE zur lernförderlichen Arbeitsgestaltung und die didaktischen Ansätze der Arbeitspädagogik als konzeptionelle Rahmung des Beitrages vorgestellt. Einige aktuelle Methoden und digitale Medien zum arbeitsintegrierten Lernen werden ausführlich an betrieblichen Beispielen beschrieben. Das erste Kapitel ist mit Neuorientierung der Personalentwicklung für den Shopfloor überschrieben. Damit werden ein hoher Anspruch formuliert und Erwartungen geweckt. Im Fazit wird der Beitrag schließlich selbstbewusst als Rahmenwerk einer Lernförderlichen Arbeitsgestaltung klassifiziert. Zur Relativierung sei hier nur auf den in dritter Auflage 2022 erschienen Band von Peter Dehnbostel zur Betrieblichen Bildungsarbeit verwiesen, der ausführlich und mit umfangreichen Quellenangaben die Grundlagen der lernförderlichen Arbeitsgestaltung bereits referiert. Der Verdienst des Beitrages ist die fundierte und praxisorientierte Vorstellung von Konzepten und Methoden der „Lernförderlichen Arbeitsgestaltung“. Die Grundlegung des Ansatzes anhand der entsprechenden VDI/VDE-Richtlinie fördert sicherlich die Akzeptanz der Konzeption in den Industrieunternehmen.

9 Kapitel 9: Management wirksamer agiler Lernprozesse mithilfe digitalisierter Personaleinsatzplanung in KMUs

Der Artikel entstammt als einziger nicht der Forschungslinie des BMBF, sondern wurde als Gastbeitrag aufgenommen. Die Autoren plädieren für eine Institutionalisierung informellen Lernens und fordern „Managementinstrumente, um [..] nachprüfbare und bestenfalls messbare informelle Lernelemente zu gestalten“, die sich „zeitgleich für ein strategisches Controlling konfliktfrei in das unternehmerische Zielsystem integrieren lassen“. Sie möchten zeigen, wie dieses Spannungsfeld zwischen individuellen und kollektiven Lernbedürfnissen und managerieller Personaleinsatzplanung in einem agilen Setting mit Hilfe des Operations Research überbrückt werden kann. Zunächst werden entlang zahlreicher Quellen Überlegungen zum informellen Lernen angeboten, die plausibel klingen, aber verschleiern, dass informelle Praxis sich formaler Planung entzieht bzw. als geplante Praxis nicht mehr informell wäre. Anschließend werden ökonomische Überlegungen über das Primat von Markt- oder von Ressourcenorientierung angestellt. Schließlich wird das agile Manifest auf irreführende Weise interpretiert, es eröffne zu viele Freiheitsgrade und eigne sich folglich nicht für die unternehmerische Praxis. Dem Agilen Manifest aber liegt weder explizit noch implizit ein solches Freiheitsideal zu Grunde, es fordert stattdessen eine disziplinierte Kommunikation und Kollaboration im komplexen Produkterstellungsprozess. Die Argumentation der Autoren wirkt insgesamt konstruiert, um die Notwendigkeit einer KI-gestützten Personaleinsatzplanung ins passende Narrativ zu setzen.

Dieser Eindruck verstärkt sich bei der Vorstellung des Tools zur Personaleinsatzplanung. Der Ansatz des „Resource Constrained Project Scheduling“ erinnert eher an klassisches Projektmanagement als an agiles. Hier wechselt der Beitrag in eine mathematische und informatische Sprache und Methodik. Im Ergebnis stellen sich die Autoren eine „klar strukturierte“ und gleichzeitig flexible Personaleinsatzplanung vor, „in der Barcamp und Hackathon für den Lernprozess Austausch sowie Lean Coffee und Working Out Loud (WOL) für den Lernprozess Reflexion“ einander in errechneten Zeitfenstern abwechseln. Unter dem Strich passt der Beitrag im Duktus und Inhalt nicht zu den übrigen, der Eindruck ist eher, dass eine herkömmliche, wenn auch anspruchsvolle Ressourcenplanung in einen dafür nicht passenden sozialen und psychologischen Rahmen gesetzt wird.

10 Kapitel 10: Erfahrungsgeleitetes Lernen in Virtual Reality-Umgebungen: Möglichkeiten der digital gestützten Kompetenzentwicklung im Arbeitsprozess

Der Beitrag basiert auf den konzeptionellen Überlegungen und Ergebnissen des Verbundprojektes „aStar – Kompetenzentwicklung in einer VR/AR-basierten Umgebung zur Arbeitsgestaltung“. Anhand von VR/AR-gestützten Lernszenarien sollten Kompetenzen von Konstrukteuren und Instandhaltern von Krananlagen erfahrungsgeleitet weiterentwickelt werden. Das Ziel war, die in Problemlösungsprozessen gewonnenen Erfahrungen der Instandhalter den Konstrukteuren des Herstellers so verfügbar zu machen, dass sie Herausforderungen und Unwägbarkeiten von Tätigkeiten in der Instandhaltung bereits bei Entscheidungen zur technischen Gestaltung der Anlagen berücksichtigen können. Über die vielen verfügbaren Ansätze der Nutzung von Technologien der Virtual Reality in der beruflichen Aus- und Weiterbildung hinaus wird hier der Anspruch verfolgt, aus der Analyse realer Arbeitsprozesse abgeleitete virtuelle Arbeitsumgebungen als gemeinsam verfügbare Erfahrungsräume zu gestalten. Hervorzuheben ist das ausgesprochen differenzierte Verständnis von beruflicher Erfahrung als besondere Ressource für eine sensible Integration impliziten und expliziten Wissens in eine VR-basierten Lernumgebung. Die Entwicklung, Anwendung und Evaluation der Anwendung wird anhand eines Praxisbeispiels schlüssig und nachvollziehbar dargestellt, ebenso die betrieblichen Einsatzszenarien und der weitergehende Forschungsbedarf. Hinsichtlich der Identifizierung von Herausforderungen und individueller Lösungen im Service der Krananlagen ist jedoch nicht deutlich geworden, inwieweit auch narrative Methoden eingesetzt wurden oder werden könnten, um das implizite Wissen der Fachkräfte zu erschließen.

11 Kapitel 11: Digitale Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe in kleinen und mittleren Unternehmen: Beurteilung des LeWiT-Tools durch Nutzende, Führungskräfte, Personaler*innen und Trainer*innen

Im abschließenden Beitrag stellen die Autorinnen das digitale Tool zur Unterstützung des Lerntransfers und Wissensweitergabe (kurz: LeWiT-Tool) vor. Es wurde im Rahmen des Projektes IN-DIG‑O entwickelt und dient zur Förderung des Lerntransfers. Wiederholt heben sie die Herausforderungen und Hürden hervor, die KMUs auf der Suche nach geeigneten Qualifizierungsmaßnahmen begegnen. Die Autorinnen betonen an dieser Stelle, dass es umso wichtiger ist, vorhandenes Wissen in KMUs optimal zu nutzen und den Lerntransfer zu fördern. Es folgt eine theoretische Einführung in die Thematik des Lerntransfers. Dabei beziehen sich die Autorinnen auf Faktoren, die den Lerntransfer beeinflussen. Mittels Praxisbeispielen wird ein konkretes Verständnis ermöglicht. Weiterhin setzen sich die Autorinnen mit der Wissensweitergabe und mit der ergebnis- und prozessbezogenen Evaluation auseinander. Auch hier ist ein roter Faden klar erkennbar. Anzumerken an der Stelle ist jedoch, dass Rothenbusch et al. bei ihren Erläuterungen nur auf die positiven Aspekte der Wissensweitergabe eingehen. Hürden oder Herausforderungen (bspw. fehlende Offenheit Wissen zu teilen) werden nicht aufgegriffen. Des Weiteren wird eine Vignettenstudie vorgestellt, in der das LeWiT-Tools empirisch untersucht wird. Positiv ist die transparente Darstellung der Durchführung und Auswertung der Studie anzumerken. Die Autorinnen reflektieren kritisch die Ergebnisse und schlagen weitere alternative Untersuchungsansätze vor.

Insgesamt sind die Beiträge zum Lernen im Arbeitsprozess trotz anregender Argumentation – mit einer Ausnahme – relativ weit von der konkreten Arbeit in Unternehmen und beruflichen Domänen entfernt. Insbesondere Rückmeldungen von den beteiligten Praxispartnern und Unternehmen zu deren weiteren Anwendung der in den Projekten zahlreich implementierten Lösungen wären aufschlussreich gewesen.

12 Quintessenz

Der Band bietet einen breit gefächerten Überblick über den State of the Art wissenschaftlich fundierter und praktisch umsetzbarer Ansätze der betrieblichen Aus‑, Fort- und Weiterbildung. Der Fokus auf KMU und die Domänen Bau, Pflege, Instandhaltung ist schlüssig und wertvoll, wenn auch nicht in allen Beiträgen konsequent umgesetzt. Gleichzeitig wirkt die Auswahl der Ansätze, Technologien und Methoden zwischen Lernmanagementsystemen, VR-Anwendungen und KI-basierten Algorithmen für Lernintervalle im Arbeitsprozess recht bunt und beliebig.

Er dokumentiert damit auch die Erträge der vom BMBF derzeit favorisierten Förderstrategie in der Arbeitsforschung. Gleichzeitig bieten die Texte viele Anknüpfungspunkte für eine intensivere wissenschaftliche Integration, Synthese und methodische Weiterentwicklung. Dazu bedarf es einer vergleichenden und fall- bzw. projektübergreifenden Sekundäranalyse der Befunde. Diese beginnen mit einer regen Rezeption, Leserinnen und Leser aus Forschung und Praxis seien dazu herzlich eingeladen.

Michael Dick und Nathalie Weisenburger, unterstützt durch Saskia Kasseck, Carina Kröber, Dominik Modrzynski, Wilhelm Termath und Darlin-Lauren Wachsmuth.