Netzwerke gewinnen in unserer Gesellschaft eine immer größere Bedeutung – das gilt nicht nur für soziale Netzwerke im Internet wie Facebook oder Xing, sondern auch im Hinblick auf die steigende Anzahl von Organisationen, die sich zu Netzwerken zusammenschließen. Dieser Trend wird sich in Zukunft fortsetzen. Die Kooperation in Netzwerken kann gerade in ausdifferenzierten Märkten ein wichtiges Mittel sein, um Kompetenzen zu bündeln, Kunden zu gewinnen und als Einzelakteur einer Verdrängung durch größere Konkurrenten entgegenzuwirken. Die Spanne der unterschiedlichen Kooperationsbeziehungen zwischen den beteiligten Organisationen reicht von Interessengemeinschaften über Arbeitsgemeinschaften (z. B. in der Baubranche) und strategischen Allianzen (prominente Beispiele finden sich im Flugverkehr oder in der Automobilbranche) bis hin zu Organisationsnetzwerken im engeren Sinne. Damit sind soziale Strukturen gemeint, die ein Potenzial für mögliche Kooperationen bereitstellen und die bei Bedarf in fallweise unterschiedlicher Form aktiviert werden.

Das vorliegende Heft befasst sich mit Organisationsnetzwerken unter dem besonderen Fokus der Frage, welche Herausforderungen sich bei der Beratung solcher Netzwerke stellen. Die Beratung von Organisationsnetzwerken ist ein relativ neues und zukunftsträchtiges, aber bislang kaum beschriebenes oder erforschtes Feld. Während sich die Literatur häufig auf regionale Cluster als besonders typisches Beispiel organisationaler Netzwerke konzentriert, finden sich mittlerweile netzwerkartig organisierte Kooperationsformen unterschiedlichster Ausprägung in zahlreichen Bereichen, von der Industrie über NGOs bis hin zu Weiterbildungsorganisationen. Der Anspruch eines Themenheftes kann weder in einer systematischen, lehrbuchartigen Durchdringung des Themas noch in einer erschöpfenden Behandlung aller erdenklichen Anwendungskontexte der Beratung von Netzwerken liegen. Vielmehr geht es darum, ausgehend von den typischen Problemlagen von Organisationsnetzwerken die Bandbreite und Vielfalt des Themas aufzuzeigen. Deswegen finden sich im vorliegenden Heft neben Beiträgen zu Organisationsnetzwerken im engeren Sinne auch Facetten, die in der bisherigen Diskussion kaum berücksichtigt wurden.

Der Beitrag von Stefan Bauer-Wolf und Harald Payer stellt grundlegende Überlegungen zu Organisationsnetzwerken und ihrer Beratung vor. Die Autoren schärfen zunächst die Unterscheidung zwischen Organisation, Kooperation und Organisationsnetzwerk und arbeiten auf der Basis dieser Unterscheidung die Spezifika von Netzwerken heraus. In dem Kontinuum zwischen Netzwerk, Kooperation und Organisation, so ihre These, sind stets die Widersprüche zwischen Offenheit versus Geschlossenheit, Komplexität versus Überschaubarkeit, Eigenständigkeit versus Abhängigkeit, gemeinsame Interessen versus Partikularinteressen, Kooperation versus Konkurrenz, zeitlich befristet versus zeitlich unbefristet sowie loser versus fester Kopplung von Akteuren und Aktivitäten angelegt. Diese Widersprüche sichtbar und bearbeitbar zu machen sehen die Autoren als Kernaufgabe der Beratung. Im weiteren Verlauf des Artikels werden fünf wichtige Felder bei der Beratung von Organisationsnetzwerken dargestellt: Die Kooperations- und Netzwerkkompetenz der Netzwerkknoten, die Gestaltung und das Management von Kooperationen, die Organisation der Vernetzung, die Gestaltung von Kommunikation im Netzwerk und die Gestaltung von Lernarchitekturen im Netzwerk. Bauer-Wolf & Payer schließen mit einer Reihe von Thesen zur Beratung von Netzwerken und mit einer kurzen illustrierenden Darstellung von vier ausgewählten Netzwerken aus der Kreativwirtschaft, der Lebensmittelbranche, dem Bildungsbereich und der regionalen Wirtschaftsentwicklung.

Lars Burmeister und Leila Steinhilper beleuchten das Themenfeld „Netzwerke und Beratung“ aus zwei Perspektiven. Zum einen stellen sie Voraussetzungen, Erfolgsfaktoren und Stolpersteine sowie Architekturelemente der Beratung von Organisationsnetzwerken vor und verdeutlichen ihr Konzept an einem Fallbeispiel. Zum anderen ist ihr Artikel ein sehr persönlicher und offener Einblick in die Herausforderungen, Widersprüche und Spannungsfelder der Arbeit in Netzwerken: Die Autoren berichten am Beispiel von Königswieser & Network, wie sich die Arbeit in einem Beratungsnetzwerk „von innen“ darstellt.

Stephan Duschek, Frank Lerch und Jörg Sydow beschäftigen sich mit einem bedeutsamen Anwendungsfeld: der Netzwerkberatung in Clustern. Die Autoren zeigen vier Ebenen von Netzwerkbeziehungen von Clustern auf: die organisationale Ebene, die Netzwerkebene, die Clusterebene und die Ebene des organisationalen Feldes. Aufbauend auf diesem Modell entwickeln sie einen reflexiven Mehrebenenansatz der Netzwerkberatung in Clustern. Diese konzeptuellen Überlegungen werden durch Beobachtungen und Forschungsergebnisse aus dem optischen Cluster in der Region Berlin-Brandenburg ergänzt.

Der Ausgangspunkt von Marion Keils Überlegungen zum Thema Netzwerkberatung ist eine Kooperationsform, die in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat: Virtuelle internationale Teams sind keine Organisationsnetzwerke im engeren Sinne, weisen aber viele Merkmale von Netzwerken auf und stellen die Beratung vor ähnliche Herausforderungen. Keil präsentiert die Ergebnisse einer Studie zu virtuellen internationalen Teams und leitet daraus Erfolgsfaktoren für das effiziente Management und Führen von virtuellen internationalen Teams ab. Der Artikel schließt mit Überlegungen zur Beratung virtueller internationaler Teams, Kooperationen, Organisationsnetzwerke und Communities.

Frank Lasogga und Falko von Ameln nehmen die Kooperation bei Großschadensfällen in den Blick. Auf der Basis von über 100 Interviews mit Vertretern der beteiligten Organisationen (z. B. Leitstelle, Feuerwehr und Rettungsdienste) identifizieren sie sieben typische Problemfelder der Kooperation bei Großschadensereignissen und analysieren die dort auftretenden Problemlagen aus organisationstheoretischer und organisationspsychologischer Sicht. Diese Analyse führt zu einem Mehrebenenmodell interorganisationalen Lernens, das die Ebenen der Einzelperson, der Einzelorganisation und des organisationalen Netzwerkes verbindet und dabei auch latente Dimensionen einbezieht. Abschließend wird ein Zyklus von Praxis, Reflexion und Lernen in der Kooperation bei Großschadensereignissen entworfen, der an kritischen Stellen durch externe Beratung moderiert und begleitet wird.

Im Gesamtbild zeigen die Beiträge, dass die Beratung von Organisationsnetzwerken und verwandten netzwerkartig organisierten Kooperationen bei aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Praxiskontexte vor einer gemeinsamen Herausforderung steht, nämlich der Gestaltung der Dialektik von Differenzierung und Integration, der Vereinbarung gemeinsamer Ziele und der Schaffung von Commitment gegenüber diesen Zielen in einem komplexen sozialen System, in dem erwartungskonformes Handeln nicht wie in einer Organisation als Bedingung der Mitgliedschaft vorausgesetzt werden kann. Die Bedeutsamkeit dieser Rolle des Beraters als Mitgestalter einer Soziodynamik, in der gegenseitige Erwartungen stets neu ausgehandelt werden müssen, wird in Zukunft nicht nur in Organisationsnetzwerken weiter wachsen.