1 Projektmanagement – Problemstellungen und neue Antworten

Unternehmen, aber zunehmend auch die Nonprofit Organisationen, sind in jüngster Zeit in eine vorher noch nicht gekannte Veränderungsdynamik hineingezogen worden. Auslöser dafür sind zum einen natürlich die Internationalisierungs- und Globalisierungsprozesse, andererseits die immer stärker spürbaren Effekte der aktuellen Wirtschaftskrise. Das macht hierarchische Durchgriffe notwendig, die vieles an Aufbauarbeit und Unternehmensentwicklung rückgängig machen bzw. zerschlagen, die Personalabteilungen werden von Personalentwicklung wieder auf Personalverwaltung zurückgestuft, und allenthalben ist eine Veränderung der Kultur zu beobachten, nicht unbedingt zum Besseren. Externe Beratungen, welche moderativ und als Inputgeber die Entwicklungsprozesse unterstützt haben, werden ausgesetzt, und wenn die Downsizings und Neukonfigurationen abgeschlossen sind, wird man wieder von vorne anfangen müssen bzw. können.

Ungeachtet dessen finden überall und in Permanenz Projekte statt, wohin man auch blickt. Selbst in den allerhierarchischsten Organisationen, im Militär etwa, tagen Ausschüsse, die notwendige Veränderungen der Organisation beraten. Anpassungsforderungen und Veränderungsdruck sind enorm. Gleichzeitig gibt es aber auch Bemühungen um die Kontinuität von Prozessen, zumindest kommen unterschiedliche Zeithorizonte ins Spiel. Nehmen wir z. B. als Analogie die Politik: Bekanntlich richtet sich das Agieren der politischen Funktionsträger nach den Legislaturperioden, man kalkuliert also von Wahl zu Wahl (bei den CEOs von Kontrakt zu Kontrakt). Wie man überhaupt Ambitionen realisieren kann, die über solche Perioden hinausgehen, lässt sich zu Recht fragen. Die Minister kommen und gehen, die Beamten bleiben, heißt es. (Das stimmt auch, wenn es gar keine Beamten mehr gibt, sondern nur mehr Verwaltungsangestellte.) Es ist also nicht unbedingt die erste Ebene der Hierarchie, die für Kontinuität sorgt.

In den letzten Jahren ist dies vor allem kritisch gesehen worden. Veränderungsambitionen scheitern am Beharrungsvermögen der Organisation, sagte man, und vielfach wurde hier das mittlere Management kritisiert. Nun rückt ein anders zu bewertender Aspekt dieser Verhältnisse in den Vordergrund, die beharrenden Kräfte werden zu Garanten für Kontinuität. Obwohl Projekte erfunden wurden, um organisatorische Effizienz zu erhöhen, also eher die zu hohe „Stabilität“ einer Organisation zu verflüssigen, sind sie neuerdings Pfeiler in der Brandung, an denen sich die Organisation festhalten kann. Denn Großprojekte mit längerer Zeitdauer etwa bedeuten, dass man als Organisation nicht ohne gravierende Selbstbeschädigung aus den Verträgen heraus kommen kann, unabhängig davon, wer gerade das Unternehmen leitet. Und an staatlichen Projekten, Gesundheitsreform z. B., verschleißen sich bekanntlich ganze Garnituren von Ministern.

Jedenfalls gibt es kaum eine Organisation, die nicht in irgendeiner Form Projekte macht oder mit Projekten zu tun hat. Was dies aber heißt, wenn man sich auf Projekte einlässt, ist den Organisationen nicht immer geläufig. Es entspricht dem weit verbreiteten funktionalistisch-technoiden und im Wesentlichen maschinenhaften (Selbst-)Verständnis von Organisationen, dass systematisch daran vorbei gesehen wird, wie sehr organisatorische Leitungsprozesse auf einem komplizierten Ineinander von Kommunikationen beruhen. Der Grund dafür ist die mit der Einführung von Projekten in einer Organisation verbundene Steigerung der Eigenkomplexität der Organisation. Projekte zu managen bedeutet daher, sich in möglichst überlegter Weise sozial-interaktiv durch verschiedene Situationen zu bewegen, was ein bestimmtes Maß an sozial-kommunikativen Fertigkeiten notwendig macht. Diesem Aspekt widmet sich der erste Beitrag (Ewald E. Krainz, Sozialkompetenz im Projektmanagement, eine unterschätzte Dimension. Plädoyer für einen gruppendynamischen Paradigmenwechsel). Zu bewältigen ist dabei vor allem die Systemdifferenz in der Projekte machenden Organisation selbst. Diese Systemdifferenz setzt Projekte ihrer Struktur und Systemlogik nach in Opposition zur hierarchisch strukturierten Linienorganisation, die als strukturelle Grundlage des Projekte Machens in jedem Fall gegeben ist. Bei „Sozialkompetenz“ nur an die Konsequenzen für das Agieren von den für Projekte verantwortlichen Personen zu denken würde das Problem halbieren. Denn wenn Projektmanagement gelingen soll, ist ein Sprung vom Individuellen zum Kollektiven zu bedenken und auch anzustreben, sowohl was Verhalten, als auch was Bewusstsein anlangt.

Damit aber wird die Gruppendynamik als Wissenschaft und als Sozialtechnik relevant. Denn was wir in den gruppendynamischen Trainingsgruppen an interaktiven Wechselwirkungen beobachten und reflektieren, zeigt paradigmatisch, wie reflexive Selbstbearbeitung zu einem kollektiven Bewusstsein dessen führt, in welcher Lage man sich befindet. Freilich muss das über bloßes sensitivity- oder skill-training hinausgehen bzw. sich um eine Organisationsdimension verlängern, um die Interferenz von Gruppen- und Organisationsprozessen zu verstehen und in der Folge zu beeinflussen. (An der Universität Klagenfurt kombinieren wir daher curricular Trainingsgruppen und Organisationslaboratorien.) So gesehen ist also Projektmanagement angewandte Gruppendynamik.

Dass sich mit der Etablierung von Projekten in einer Organisation ein zu bewältigendes Widerspruchsfeld aufbaut, wird auch im nächsten Beitrag (Maria Spindler, Über kulturelle Einbettung und strukturelle Innovationspotentiale von Projekten) deutlich. Kultur ist normalerweise etwas, was alle tun, aber kaum jemand weiß, warum. Unternehmenskultur ist ebenso latent wie uneinheitlich, meistens hat man mehrere Subkulturen. Die Managementenergie müsste sich nun darauf richten, Projekte nicht einfach nur durchzuführen, sondern die zu erwartenden Widrigkeiten aufzufangen und zu bearbeiten. Das fordert die vorhandenen Subkulturen heraus und mündet im besten Fall in eine Selbstverständnisdiskussion, die so etwas wie eine bewusste Gestaltung der Kultur zur Folge haben kann.

Auf eine bestimmte Weise wird der Gedankengang im nächsten Beitrag fortgesetzt (Steffen Scheurer & Michael Ribeiro, Die neue Rolle des Projektmanagements – Mit dem richtigen Projektmanagement-Assessment zu Wettbewerbsvorteilen). Ausgehend von der Überlegung, dass ein „strategischer Fit“ eines Unternehmens es notwendig macht, dass das Projektmanagement einen Anschluss an Prozesse der Strategiefindung braucht, beschreiben die Autoren ein methodisches Instrumentarium, wie diese Passung überprüft werden kann. Auch hier geht die Argumentation in die Richtung einer Erhöhung der Selbstreflexionsfähigkeit von Organisationen.

Der darauf folgende Beitrag (Gerhard Krejci, Projektmanagement mit virtuellen Teams?) fokussiert ein Phänomen, das viele international agierenden Unternehmen beschäftigt, die unterschiedliche Standorte haben, nämlich die Möglichkeiten des Kooperierens auf Distanz. Eingeleitet durch die elektronischen Kommunikationsmedien hat die Vorstellung um sich gegriffen, man könne „virtuelle Teams“ zusammenstellen, die ebenso erfolgreich sein müssten wie face-to-face-Gruppen. Der Beitrag zeigt, dass dem nicht so ist, zumindest nicht, wenn man unter „Team“ etwas anderes versteht als einige irgendwie elektronisch zusammen geschaltete und von einer Zentrale aus ferngesteuerte Personen.

Mit den nächsten beiden Aufsätzen begeben wir uns in die politische Arena der Organisation von Öffentlichkeit. Im Beitrag von Winfried Süßenbacher (Die Zukunft einer Gemeinde, ein Projekt zur Leitbildentwicklung und –umsetzung) wird ein von der Landesverwaltung angebahntes Projekt zur Gemeindeentwicklung beschrieben, das in großer Nähe zu politischen Vorgängen, regionalen wie überregionalen, abgelaufen ist. Wie hilft man einer von Abwanderung bedrohten, nach außen hin misstrauischen Gemeinde aus einer schon depressiven Grundstimmung heraus. Moderationstechnisch gesehen muss man findig sein, da kann schon einmal ein Flipchart auf einem Hirschgeweih im Wirtshaus hängen.

Community development geht nur mit Bürgerbeteiligung, das ist klar. Nicht jede Bürgerbeteiligung aber ist auch „bestellt“ worden. Den Abschluss bildet ein Beitrag, der direkt im politischen Feld angesiedelt ist (Peter Lackner & Ruth Lerchster, Asylanten auf der Saualm. Der Staat hat Projekte, die Zivilgesellschaft hat Gegenprojekte). Wir befinden uns in Kärnten, dem Land, in dem ein über die Landesgrenzen hinaus bekannter und – mindestens teilweise – wegen seiner Rechtslastigkeit berüchtigter Landeshauptmann (analog Ministerpräsident) wirkte. Obwohl Kärnten ein Fremdenverkehrsland ist, gibt es hier eine xenophobe Grundstimmung gegen Migranten und Asylwerber, die von den regierenden Kräften auch nach dem spektakulären Ableben des Landeshauptmannes (mitternächtlicher Verkehrsunfall in alkoholisiertem Zustand bei 180 km/h im Ortsgebiet) weiter gepflegt wird. Anhand einiger übler Vorfälle, die die Unterbringung von Asylsuchern in einer weit abgelegenen Quasi-Isolation betrafen, formierte sich eine Welle zivilen Ungehorsams, was zur mehr oder weniger illegalen privaten Unterbringung von Asylwerbern führte. Der Beitrag zeigt, dass vielleicht einiges besser gelaufen wäre, hätte die Widerstandsbewegung mehr in Projektmanagementkategorien gedacht.

„Projektmanagement – Probleme und neue Antworten“, so lautet der Titel dieses Heftes. Sozialkompetenz, Kulturbearbeitung, Self-assessment, Selbstreflexion, Organisationsbewusstsein – das sind Reflexions- und Beschreibungshorizonte, die in der Projektmanagementliteratur unüblich sind. Dennoch aber, und das lässt sich allen Beiträgen entnehmen, sind sie für eine gelungene Organisationsentwicklung unerlässlich. Weder hierarchisch-dirigistisch, noch irgendwie manipulativ lassen sich langfristige Veränderungen erzielen. Wie unter einem Brennglas verdichtet sich diese Problematik in Projekten. Dass Widerspruchsbearbeitung etwas mit Konflikten zu tun hat, ist im politischen Feld sofort evident, wie vor allem der letzte Beitrag zeigt. Dass dies mit gewissen Abstrichen auch für unternehmensinterne Projekte und die dort berührten Widersprüche gilt, ist für viele ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke.

Der interessierten Leserschaft wünsche ich eine anregende Lektüre.

Ewald E. Krainz

Universität

Klagenfurt, Österreich

E-mail: ewald.krainz@uni-klu.ac.at