1 Einleitung

Vermögen ist eine zentrale Ungleichheitsdimension unserer Zeit. In Deutschland besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung rund 35 Prozent des gesamten Vermögens (Schröder et al. 2020a), während rund jede fünfte Person kein Vermögen besitzt oder verschuldet ist (Grabka und Halbmeier 2019). Wenngleich die hohe Konzentration von Vermögen in Deutschland sowohl im internationalen Vergleich als auch historisch betrachtet keinen Sonderfall darstellt (Albers et al. 2020; Pfeffer und Waitkus 2021), wird der starke Anstieg der Vermögenskonzentration der vergangenen Jahre in vielen Ländern als handfestes Verteilungsproblem diskutiert (Savage 2014). Denn Vermögen korreliert mit gesellschaftlichem Prestige und politischer Macht (Winters 2011) und steht in Widerspruch zu den Idealen einer meritokratischen Gesellschaft, da es nur zum Teil aus selbst erarbeitetem und gespartem Einkommen besteht, das noch am ehesten als legitim angesehen wird (Sachweh und Eicher 2018).

Insbesondere am oberen Rand der Verteilung wird Vermögen über Generationen hinweg vermehrt, vererbt und reproduziert (Barone und Mocetti 2020; Pfeffer und Killewald 2017). Ein gewisser Grundstock an Kapital ermöglicht via Kapitaleinkommen und Zinseszins potenziell eine selbstverstärkende Vermögensakkumulation (Piketty 2014). Doch nicht nur für den oberen Rand der Klassenstruktur hat Vermögen eine hohe Relevanz: Seit den 1970er-Jahren hat der Druck auf die europäischen Wohlfahrtsstaaten deutlich zugenommen. Sinkende Staatsausgaben haben dabei überproportional Investitionen in soziale Infrastrukturen wie Familie, Bildung und Arbeitsmarktpolitiken getroffen (Streeck 2013, S. 98 ff.). In Kombination mit stagnierenden und teilweise sinkenden Reallöhnen haben die zunehmende Privatisierung und Vermarktlichung von Wohlfahrtsleistungen (Leisering 2012) Verschiebungen hin zu privaten Investitionen und zu einem strategischen Vermögensaufbau begünstigt (Prabhakar 2009; Deutschmann 2008). Im politisch von New Labour inspirierten „privatisierten Keynesianismus“ (Crouch 2009) des Finanzmarktkapitalismus hat daher der Aufbau von Vermögen in Form von Wohneigentum, Finanzrücklagen und privaten Versicherungen bis weit in die Mittelschichten hinein wichtige Funktionen für die soziale Absicherung und Statusreproduktion übernommen (Mertens 2017). Dies ist insbesondere für die angelsächsischen Länder gezeigt worden (z. B. Prabhakar 2009; Adkins et al. 2021), aber auch in Deutschland wird eine kreditbasierte Sozialpolitik zunehmend relevant (Mertens 2015). Auch in Bezug auf den Finanzmarkt stellen SoziologinnenFootnote 1 eine zunehmende Bereitschaft zur Verschuldung und Spekulation bis weit in die Mittelschichten hinein fest (Deutschmann 2008; Schimank 2010; Windolf 2008). Entsprechend hat sich die sogenannte „rentier function“ substanziell in kapitalistischen Gesellschaften festgesetzt (Adkins et al. 2020, S. 5), da der Wertanstieg verschiedener Vermögenskomponenten deutlich mehr ökonomische Rendite einbringen kann als das Einkommen aus eigener Arbeit (Adkins et al. 2021; Jordà et al. 2019).

Aus soziologischer Sicht ist es von zentraler Bedeutung, diese steigende Relevanz von Vermögen und bestimmten Vermögensformen nicht nur als Ergebnis veränderter sozialstruktureller Lagen zu analysieren, sondern auch zu untersuchen, inwiefern diese Vermögensunterschiede selbst als Klassenunterschiede verstanden werden können. Obgleich die Bedeutung von Vermögensungleichheiten unbestritten ist, fehlt der Vermögensforschung bislang eine systematische Anbindung an die soziologische Klassenanalyse. Der Großteil der empirischen Arbeiten zu Vermögen und zur Vermögensverteilung fokussiert vor allem auf Ungleichheiten im NettovermögenFootnote 2 zwischen verschiedenen demografischen Gruppen (für einen Überblick siehe Killewald et al. 2017). Nur wenige empirische Analysen diskutieren hingegen, wie die steigende Relevanz von Vermögen die Klassenstruktur gegenwärtiger Gesellschaften selbst verändert hat (z. B. Duvoux und Papuchon 2022; Hansen und Toft 2021) bzw. welche Funktionen verschiedene Formen von Vermögen für die Statusreproduktion übernommen haben (ebd.; Hansen und Wiborg 2019; Waitkus und Groh-Samberg 2019; Toft 2018). Denn die zentralen Komponenten des Vermögens wie Betriebsvermögen, Immobilienvermögen, Finanzvermögen und Schulden werden sowohl auf direktem als auch indirektem Weg von einer zur nächsten Generation weitergegeben und tragen damit zur Statusreproduktion bei (Hällsten und Pfeffer 2017; Pfeffer und Killewald 2017).

Die Nichtanbindung der Vermögensforschung an soziologische Klassentheorien ist insofern verwunderlich, als insbesondere das (Nicht‑)Eigentum an Produktivvermögen seit Marx lange als zentrale Grundlage der Klassengegensätze in kapitalistischen Gesellschaften galt. Obwohl dieser grundlegende Konflikt zwischen Kapital und Arbeit auch heute nicht überwunden ist, fokussieren Analysen zu Vermögen und Reichtum zumeist ausschließlich auf die ökonomischen Eliten (z. B. Kantola und Kuusela 2019; Savage 2015), während der Großteil der empirischen Klassensoziologie bei der Analyse ökonomischer Ungleichheiten entlang der Sozialstruktur nach wie vor auf Einkommens- oder Berufsklassenschemata zurückgreift. Für die Analyse von Vermögensungleichheiten eignen sich diese jedoch weniger, da Einkommen aus Arbeit und Vermögen nur moderat korrelieren (Killewald et al. 2017). Dementsprechend sollte die Untersuchung von Vermögensungleichheiten als Klassenungleichheiten neue Perspektiven und Ansätze verfolgen, die über den Fokus auf Arbeitsmärkte, Einkommensungleichheiten oder die Vermögensakkumulation durch Eliten hinausgehen. So hat sich um den Begriff der „patrimonial middle class“ (Piketty 2014, S. 260 ff.) bzw. der „global wealth middle class“ (Alvaredo et al. 2018) eine Revitalisierung der Debatte um Besitz- bzw. Eigentumsklassen entwickelt, die jedoch noch in den Kinderschuhen steckt und vor allem auf die liberalen angloamerikanischen Ökonomien fokussiert (Adkins et al. 2020, 2021), in denen insbesondere dem Immobilien- und Finanzvermögen eine größere Rolle für die Statussicherung zukommt als etwa in Deutschland (Davies und Shorrocks 2000; Pfeffer 2011).

An diesem Punkt setzt der vorliegende Beitrag an: Er unternimmt einen ersten Versuch, Vermögensungleichheiten als Klassenungleichheiten zu diskutieren und empirisch zu illustrieren. Er greift dabei auf zwei etablierte Ansätze und einen zu diesem Zweck neu entwickelten Ansatz zur Konzeptualisierung von Ungleichheiten aus klassenanalytischer Perspektive zurück. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern ein berufsbasierter Ansatz bzw. ein „employment-aggregate approach“ (Crompton 1999), ein eigentumsbasierter oder ein portfoliobasierter Ansatz geeignet sind, die Vermögensdifferenzen entlang der Sozialstruktur zu veranschaulichen, und zwar nicht nur die vertikalen Unterschiede bei der Größe der Vermögen, sondern auch die horizontalen Unterschiede bei der Zusammensetzung der Vermögen.

Mit Aage B. Sørensen (2000, S. 1525 ff.) lassen sich Klassenkonzepte je nach Grad ihrer theoretischen Ambitionen in „nominal concepts“, „life conditions concepts“ und „exploitation concepts“ unterscheiden. „Nominal concepts“ unterteilen Populationen nach Einkommen, beruflichem Prestige oder sozioökonomischem Status in Gruppen, bilden also Mengenklassen auf dem Papier (so wie die reichsten Top 1 % bei Piketty 2014Footnote 3). Diese Unterteilungen nehmen im Grunde eine willkürliche Abgrenzung anhand von diversen Stratifizierungsgradienten vor und basieren nicht auf beobachtbaren und sich voneinander abgrenzenden Gruppen. Im Unterschied dazu beanspruchen „life conditions“-Konzepte, Aussagen über empirisch existierende, beobachtbare Gruppen zu treffen, die nachweisbare, an bestimmte Merkmale gebundene Grenzen aufweisen und, wie im Fall von Jürgen Kockas „ökonomischen Klassen“ (1980, S. 104), eine gleichartige ökonomische Position teilen und daraus resultierende latente oder manifeste gemeinsame Interessen haben können, die gegebenenfalls gewerkschaftliche und politische Formen der kollektiven Organisation nach sich ziehen. Diesem Konzept folgt auch ein Großteil der Berufsklassenforschung. „Exploitation concepts“ zielen hingegen auf Konfliktgruppen mit ökonomisch fundierten, inhärent antagonistischen Klasseninteressen, was sie zu sozialen Klassen werden lässt, die in direkter Auseinandersetzung zueinander stehen und offen oder versteckt einen Klassenkampf führen. Dementsprechend gehört zu diesen Klassen auch die Formierung von kollektiven Identitäten durch die Bildung von Organisationen, Klassenbewusstsein und Solidarität (Wright 2015).

Da das Ziel des Artikels in einer sozialstrukturellen Deskription von Vermögensungleichheiten aus klassenanalytischer Perspektive besteht und dementsprechend Klasse vor allem über die sozioökonomische Lage definiert wird, bleibt er primär einem „life conditions“-Konzept verhaftet. Das heißt nicht, dass der Besitz oder Nichtbesitz von Vermögen kein antagonistisches Ausbeutungsverhältnis implizieren könne. Und es heißt auch nicht, dass die extreme Ungleichheit bei den Finanz- oder Immobilienvermögen kein Klassenbewusstsein bei den Besitzlosen oder Besitzenden stimulieren könne.Footnote 4 Eine Analyse des Zusammenhangs von ökonomischer Lage, Vermögen, Klassenbewusstsein und Klassenhandeln geht jedoch über das begrenzte Erkenntnisinteresse dieses Artikels hinaus und muss daher anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben.

Der Artikel ist wie folgt aufgebaut: Zunächst werden nacheinander die drei in der Untersuchung verfolgten analytisch-empirischen Perspektiven auf Klasse diskutiert: das Berufsklassenkonzept, das Eigentums- bzw. Besitzklassenkonzept und das in Anlehnung an Bourdieus Kapitaltheorie entwickelte Konzept der Portfolioklassen (Abschnitte 2 bis 4). Dabei wird in den jeweiligen Abschnitten kurz auf die Entstehung der Ansätze, ihre primäre empirische Verwendung sowie ihre Eignung eingegangen, Vermögensdifferenzen klassensoziologisch abzubilden. Daran anknüpfend wird die Datenbasis erläutert, die für die empirischen Deskriptionen der Perspektiven herangezogen wird. In Abschnitt 5 wird die jeweilige Operationalisierung der Klassenschemata vorgestellt sowie die Methode der „latent class analysis“ (LCA) beschrieben, die zur Identifikation der ökonomischen Kapitalportfolios und Portfolioklassen verwendet wird. Im Anschluss folgt die empirische Deskription der Vermögen und verschiedenen Vermögenskomponenten anhand der drei genannten Perspektiven (Abschnitt 6). Eine Diskussion der Ergebnisse beschließt den Beitrag. Hier wäge ich noch einmal die Vor- und Nachteile der drei Perspektiven ab und gebe einen Ausblick, welche theoretischen und empirisch-analytischen Schritte in weitergehenden Untersuchungen folgen könnten und sollten.

2 Berufsklassen bzw. Arbeitsmarktpositionen und Vermögensungleichheiten

Wie erwähnt haben sich die Ungleichheitsforschung im Allgemeinen und die Klassenanalyse im Besonderen lange Zeit hauptsächlich auf den Zugang zu und die ökonomischen Folgen von Arbeitsmarktpositionen bzw. Berufen konzentriert (Crompton 1989; Savage 2015; Desmond und Wilmers 2019). Diese Dominanz von sogenannten Berufsklassenschemata oder arbeitsmarktbasierten KonzeptenFootnote 5 in der soziologischen Ungleichheitsliteratur ist das Ergebnis einer Annäherung von marxistischen und weberianischen Gesellschafts- und Klassenanalysen (siehe allgemein Giddens 1973; Wright 1980; Goldthorpe et al. 1980), die auf der grundlegenden und anhaltenden Rolle des Klassenkonflikts zwischen Kapital und Arbeit in fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaften insistiert haben (Savage 2021). Wenngleich die kontroversen Diskussionen zwischen den marxistischen und weberianischen Positionen um die genaue Dynamik des Konflikts anhielten, wurde die Messung der Klassenpositionen mittels der individuellen Position auf Arbeitsmärkten Anfang der 1980er-Jahre zur sozialwissenschaftlichen Norm. Insbesondere das weberianisch geprägte EGP-Schema von John H. Goldthorpe und Kolleginnen ist seitdem zum Standardmodell für die vergleichende Klassenanalyse geworden (Erikson und Goldthorpe 1992; Goldthorpe 2007).Footnote 6 Kapital, Vermögen und Eigentum wurden in den soziologischen Klassenanalysen eher randständig behandelt, was zum Teil auch an den relativ moderaten ökonomischen Ungleichheiten bis in die 1980er-Jahre hinein lag (Savage 2015). Vermögen wurde maximal in Form von Produktivvermögen zur Unterscheidung der Kapitalistinnen und Kleinbürgerinnen von den Arbeiterinnen herangezogen.Footnote 7

Wenn man aus einer „employment-aggregate“-Perspektive Vermögensunterschiede verstehen will, muss implizit angenommen werden, dass Vermögensungleichheiten in weiten Teilen auf die ungleiche Entlohnung auf Arbeitsmärkten zurückgeht. Die höheren Vermögen z. B. von Managerinnen müssten das Ergebnis ihrer hohen Entlohnung auf Arbeitsmärkten sein, inklusive ihrer Bezahlung in Aktienoptionen (Nau 2013; Mohan und Ruggiero 2003). Dies gilt analog für die sogenannten „professionals“, die sich aufgrund ihrer höheren Gehälter Häuser und Eigentumswohnungen kaufen können (Adkins et al. 2020; Wind et al. 2017; Desmond und Wilmers 2019). Die zunehmende Verschuldung am unteren Rand der Vermögensverteilung, wie etwa bei den einfachen Dienstleistungsberufen und anderen Teilen der Arbeiterinnenschaft, wäre entsprechend das Resultat einer geringen bzw. stagnierenden Entlohnung dieser Berufsklassen.

Gegen diese berufs- und arbeitsmarktbasierte Kopplung der Vermögensungleichheiten an die Einkommen aus Arbeit lässt sich stichhaltig einwenden, dass die Korrelation zwischen Vermögen und Arbeitseinkommen, wie bereits erwähnt, tatsächlich eher moderat ist. Am stärksten ausgeprägt ist sie in der Mitte der Einkommensstruktur (Skopek et al. 2012). Die Verschuldung am unteren Rand der Einkommenshierarchie und die hohen Vermögen am oberen Rand korrelieren dagegen vergleichsweise gering mit dem aktuellen Einkommen. Auch mit Blick auf andere sozioökonomische Maße von Ungleichheit, wie etwa dem Erfolg im Bildungssystem und Berufsleben (Hällsten und Thaning 2021), zeigt sich, dass das Vermögen eine relativ unabhängige und eigenständig wirksame Dimension ist und nicht als ausschließliches Ergebnis der jeweiligen Arbeitsmarktposition des Individuums aufgefasst werden kann. Zudem spielt die intergenerationale Transmission von Vermögen eine erhebliche Rolle, die sozialstrukturell erheblich variiert. So ist es beispielweise gut erforscht, dass der Eintritt in die Selbstständigkeit vom vorhandenen Vermögen der Eltern abhängig ist (Hurst und Lusardi 2004). Auch der Ein- und Aufstieg in prestigereiche und gut bezahlte Professionen ist in vielen Ländern nur möglich durch die tatkräftige Unterstützung der „bank of mum and dad“ (Toft und Friedman 2021).

Der in den empirischen Analysen von Vermögensungleichheiten vorherrschende methodologische Individualismus stellt ein grundsätzliches und nicht leicht zu lösendes Problem dar. Zum einen werden Vermögen nicht nur von Individuen, sondern auch von Familien, Firmen und Organisationen etc. gehalten und sind daher komplexer, sozialer, langlebiger und umfassender als das relativ leicht messbare Einkommen aus eigener Arbeit (Savage 2021). Dennoch untersucht die empirische Klassensoziologie zumeist individuelle Positionen auf Arbeitsmärkten bzw. im sogenannten „dominance approach“ die Position des jeweiligen Haushaltsvorstandes (Erikson 1984; Beller 2009) – der in der Regel ein Mann ist. Entsprechend haben in der Klassenanalyse lange Zeit nicht nur Frauen weniger Beachtung gefunden, sondern alle Personen, die nicht erwerbstätig waren (siehe Crompton 1989, 2008). Zum anderen hat sich jedoch in empirischen Untersuchungen gezeigt, dass individuelle Vermögen in Familien nicht notwendigerweise gepoolt werden und der „gender wealth gap“ auch innerhalb von Haushalten zu finden ist (Grabka et al. 2015), genauso wie zwischen Frauen und Männern entlang der Berufsklassenstruktur (Waitkus und Minkus 2021), was gegen eine Haushaltsperspektive spricht. Die Frage, ob man Vermögensungleichheiten als Klassenungleichheiten besser auf der Haushalts- oder der Individualebene analysiert, ist also nicht so eindeutig zu beantworten.

Genauso ist auch die Frage, welches Berufsklassen- bzw. arbeitsmarktbasierte Konzept sich besonders gut eignet, Vermögensungleichheiten abzubilden, noch nicht hinreichend diskutiert und abschließend geklärt worden. Das EGP-Schema wie auch Wrights Konzeption fokussierten zum Beispiel vor allem auf die Unterscheidung zwischen Mittelschichten und Arbeiterinnenklassen. Damit vernachlässigten sie jedoch beide eine genauere Differenzierung der Klassen am oberen Rand (siehe dazu etwa Savage 2015) – also genau dort, wo die Vermögen in der Regel besonders stark konzentriert und die Vermögensformen vielfältig sind. Zudem hat die jüngere Kritik an Golthorpes und Wrights Klassenmodellen darauf hingewiesen, dass sie die zentralen Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur der letzten Jahrzehnte, wie z. B. die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen, die Ausweitung des Dienstleistungssektors auf Kosten der verarbeitenden Industrie und das steigende Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung, nicht adäquat abbilden können (Oesch 2006, S. 27 ff.; Hertel 2016).

Daniel Oesch hat mit Blick auf diese kritischen Einwände eine Weiterentwicklung des EGP-Modells vorgeschlagen, das insbesondere auf der oberen Ebene der Berufsstruktur sowohl die Gruppe der Selbstständigen mit und ohne Betriebsvermögen als auch die der bessergestellten abhängig Beschäftigten weiter ausdifferenziert. In seinem 17-Klassen-Schema unterteilt Oesch die Selbstständigen in vier Kategorien: große Unternehmerinnen, selbstständige Professionen, kleine Unternehmerinnen bzw. Gewerbetreibende mit bis zu neun Angestellten und Kleinunternehmerinnen ohne Angestellte (Oesch 2006, S. 59 ff.). Auch die bessergestellten abhängig Beschäftigten differenziert Oesch auf der oberen Ebene deutlich mehr als das EGP-Klassenschema, indem er Goldthorpes (1982, 1995) Dienstklasse im Anschluss an Kriesi (1989) und andere anhand von drei Arbeitslogiken und zwei „marketable skill levels“ in technische Expertinnen und Technikerinnen, höhere und mittlere Managerinnen sowie soziokulturelle Professionen und Semi-Professionen unterteilt. Diese horizontale Ausdifferenzierung nach der Arbeitslogik und vertikale Ausdifferenzierung nach „marketable skills“ verwendet Oesch auch für die unteren Berufsklassen zur Unterscheidung der qualifizierten Fachkräfte von den geringer qualifizierten und ungelernten Beschäftigten in der Produktion, im Büro und im Dienstleistungsbereich (zum vollständigen Klassifikationsschema siehe Abbildung 1).

Abb. 1
figure 1

Das 17-Klassen-Schema von Oesch, mit Beispielberufen (Quelle: Oesch 2006, S. 68, eigene Übersetzung). Die Zahlenangaben zu den Beschäftigten unter 1. und 3. wurden angepasst. Die Klassen, zwischen denen gestrichelte Linien eingezeichnet sind, werden im kompakteren 8‑Klassen-Schema jeweils zu einer Klasse zusammengefasst (siehe unten Abschnitt 5).

Oeschs horizontale Unterscheidung der Berufsklassen nach der in ihrem Tätigkeitsfeld vorherrschenden Arbeitslogik liefert einen interessanten und theoretisch begründbaren Hinweis darauf, warum die Vermögensakkumulation in manchen Klassen nicht nur stärker ausgeprägt sein könnte als in anderen, sondern auch mit Präferenzen für bestimmte Vermögensformen einhergeht. So hat Oesch (2008) an anderer Stelle gezeigt, dass sich Managerinnen in ihren Wohlfahrts- und politischen Orientierungen sowohl von technischen Professionen als auch von soziokulturellen Professionen unterscheiden. Laut Oesch (2006, S. 65; siehe auch Müller 1999, S. 143, und Kriesi 1989) sind Managerinnen in ihrer Arbeitsorientierung den jeweiligen Arbeitgeberinnen gegenüber loyal, da ihre Arbeit direkt vom Erfolg der Organisation, bei der sie beschäftigt sind, abhängt, was zu einem persönlichen Interesse an Gewinnmaximierung führe. Im Unterschied dazu verlassen sich die im Durchschnitt höher gebildeten soziokulturellen Professionen mehr auf ihre sozialen Fähigkeiten und ihr Wissen in einer Vielzahl von Kontexten, was diese Gruppe weniger abhängig von einer bestimmten Arbeitgeberin macht. Die technischen Professionen wiederum orientieren sich an ihrer jeweiligen Berufsgruppe und der Autonomie ihres Fachs (Oesch 2006, S. 55; vgl. auch Kriesi 1989; Savage et al. 1992). Dementsprechend könnte man erwarten, dass Managerinnen aufgrund ihrer stärkeren finanziellen Erfolgsorientierung nicht nur mehr Vermögen, sondern auch andere Vermögenskomponenten besitzen als Angehörige soziokultureller Professionen, da ein Teil ihrer Vergütung in Form von finanziellen Vermögenswerten – etwa in Form von Boni – erfolgen kann. Während technische Professionen in ihrer Vermögensorientierung den Kleinunternehmerinnen und Selbstständigen näherstehen, sind soziokulturelle Professionen möglicherweise weniger geneigt, Finanzvermögen zu akkumulieren, weil sie ihre vergleichsweise hohen Einkommen lieber in anderen Vermögenswerten anlegen und in ihrer Lebensführung stärker kultur- und weniger risiko- und profitorientiert sind als etwa Managerinnen (siehe auch Waitkus und Minkus 2021 für dieses Argument).

Im empirischen Teil des Beitrages soll daher auf der Grundlage des Oesch’schen Klassenschemas exemplarisch untersucht werden, inwiefern sich die Berufsklassen in Deutschland sowohl in der Höhe ihrer Nettovermögen als auch in der Verteilung verschiedener Vermögenskomponenten unterscheiden und ob sich die ggf. feststellbaren unterschiedlichen Vermögenszusammensetzungen als Ausdruck horizontal differenzierter berufsgruppentypischer Investmentstrategien interpretieren lassen.

3 Vermögenseigentum als Klassengegensatz

Anders als bei der Berufsklassenanalyse, die den Klassendiskurs seit spätestens den 1970er-Jahren dominiert, ist in die Diskussion zu den Eigentumsklassen erst mit Pikettys Analysen zur Vermögensungleichheit (2014) wieder mehr Bewegung geraten, wie unter anderem die an ihn anschließenden Beiträge von Fessler und Schürz (2018) oder Adkins et al. (2021) belegen. Die Forschungen zu Eigentums- bzw. Besitzklassen fokussieren dabei entweder auf Wohneigentum als zentrale Ungleichheitsachse (vgl. etwa ebd.), auf verschiedene Formen des Finanzvermögens bzw. „credit scores“ (Hager 2014, 2015; Nau 2013; Fourcade und Healy 2013) oder klassisch marxistisch auf Betriebsvermögen und die Rolle von Kapitalistinnen bei der Verstärkung der Vermögensungleichheiten (Carney und Nason 2018; Smith et al. 2019).

Im Unterschied zu einzelnen konkreten Vermögensformen, wie Immobilien- oder Finanzvermögen, kann das Nettovermögen bestenfalls als nominelle und nicht als ökonomisch und sozial relationale Kategorisierung von Klasse herangezogen werden (Savage 2014). Die z. B. mittels Dezentil- oder, wie im Fall der Top 1 % bei Piketty, mittels Perzentilgrenzen geschaffenen Klassen stellen statistische Artefakte dar und markieren keine sozialen Zugehörigkeiten, Gruppengrenzen und Machtbeziehungen (siehe Wright 2014). Aber auch die Frage, ob verschiedene Formen des Finanz- oder Immobilienvermögens bereits genuine Klassenzugehörigkeiten und Gruppenidentitäten indizieren, bleibt in der Klassensoziologie umstritten. Denn auch in Bezug auf verschiedene Vermögensformen sind Gruppenunterschiede schwerer zu definieren als z. B. bei den Berufsklassen: Ist man etwa nach einem kreditfinanzierten Kauf einer Immobilie bereits Hauseigentümerin oder erst nach vollständiger Tilgung des Kredites? Diese scheinbar nur technische Frage verweist auf die methodologische Grundproblematik, auf welche Gruppenidentitäten die Rede von Eigentums- und Vermögensklassen eigentlich rekurriert und ob der Begriff der Eigentumsklassen, wie oben anhand der „exploitation concepts“ umrissen, nur ökonomisch antagonistischen Klassen und Klassenbeziehungen vorbehalten bleiben soll.

Die Eigentumsklassenanalyse ist theoretisch vor allem von Aage B. Sørensen revitalisiert worden (2000, vgl. auch 1996, 2005). Ihm zufolge basieren Klassen auf ungleichen Eigentumsrechten. Sein Verständnis von ökonomischen Eigentumsrechten geht über Rechte im juristischen Sinne hinaus. Sie werden von ihm in Anknüpfung an Barzel (1997) definiert „as the ability to receive the return on an asset, directly or indirectly through exchange“ (Sørensen 2000, S. 1525). Sein Begriff der Eigentumsrechte bezeichnet also jedwede Kapazität, über ein materielles oder immaterielles Gut gewinnbringend zu verfügen, wobei die Erträge in der Regel monetäre sind, aber auch soziale und psychologische sein können. Diese Rechte können durch kollektives oder individuelles Handeln verändert und geteilt werden, zum Beispiel in Form von Aktienbesitz (ebd., S. 1533). Dieses weite Verständnis impliziert, dass die meisten Menschen über ein gewisses Maß an Eigentumsrechten an Vermögen verfügen, selbst wenn es nur in der Fähigkeit besteht, die eigene Arbeitskraft zum Tausch gegen Lohn anzubieten (ebd., mit Verweis auf Barzel 1997, S. 105). Die Gesamtheit der Eigentumsrechte, die ein Individuum oder eine Gruppe von Menschen auf sich vereinen kann, entspricht ihrem Gesamtvermögen, das als Humankapital – also in Form verschiedener Fertigkeiten und Fähigkeiten –, als physisches Kapital – wie Betriebsvermögen aus Unternehmerinnentum – oder als Finanzkapital akkumuliert werden kann.

Die Vermögensakkumulation kann aber auch direkt aus den Markt- und Arbeitsverhältnissen heraus erfolgen, und zwar in der Regel als „economic rent“ auf bestimmte monopolistische Positionen auf Arbeitsmärkten in Form eines erhöhten Einkommens (Sørensen 2000, S. 1540). Sørensen definiert solche Extra-Renten als „advantage [...] gained from effectively being able to control the supply of assets“ (ebd., S. 1535). Die auf Sørensen aufbauende Ungleichheitssoziologie hat solche Renten vor allem in Bezug auf soziale Schließungstendenzen auf Arbeitsmärkten, etwa durch Lizensierungen, diskutiert (siehe z. B. Jackson und Grusky 2018; Weeden und Grusky 2014). Jedoch kann man unter diesen Renten auch arbeitsmarktunabhängige Gewinne durch den Besitz monopolisierter Assets verstehen. Wie z. B. der Wohnungsmarkt in Großstädten zeigt, werfen Immobilien, die durch die allgemeine Marktentwicklung verknappt und aufgewertet werden, ökonomische Zusatzrenten ab (Desmond und Wilmers 2019).

Relevant für Sørensens auf Eigentumsrechten beruhende Klassentheorie ist vor allem die Unterscheidung zwischen temporären Renten („quasi rents“) und dauerhaften Renten („enduring rents“): Die meisten Renten im Kapitalismus sind ihm zufolge temporärer Art, da sie im Wettbewerb auf kapitalistischen Märkten schnell sinken und nicht selten zerstört werden, wenn andere Akteure mit äquivalenten rentengenerierenden Eigentumsrechten auf den Markt kommen und ihre Konkurrenten womöglich verdrängen (Sørensen 2000, S. 1549). Nichtsdestotrotz können auch diese Renten zu einer enormen Vermögensbildung und zu dauerhaften ökonomischen Vorteilen führen (ebd., S. 1555).Footnote 8 „Enduring rents“ hingegen sind laut Sørensen zentral für die Bildung sozialer Klassen, da sie auf dauerhaften Eigentumsrechten beruhen und langfristige und verfestigte Vorteile garantieren (ebd., S. 1541). Entsprechend erfolgt nach dieser Logik Ausbeutung durch eben jene Klassen, die im Besitz von Assets sind, die dauerhafte Renten zu Lasten jener generieren, die diese Assets nicht besitzen, wobei von antagonistischen Klasseninteressen nur dann gesprochen werden kann, wenn sich ein System der Erwirtschaftung von „enduring rents“ auf Kosten mindestens einer abhängigen Klasse etabliert hat (ebd., S. 1535).

Wie lässt sich das Konzept nun auf verschiedene Vermögensformen übertragen? Nach der obigen Definition der Eigentumsrechte durch Sørensen kann man sagen, dass Vermögen grundsätzlich immer mit einer „economic rent“ einhergeht, da jeder Vermögensbesitz im Tausch einen Ertrag generieren kann, zumindest in der temporären Form von „quasi rents“. Doch welche Vermögensformen ermöglichen die Generierung von dauerhaften Renten? Am wenigsten umstritten ist, dass das Betriebsvermögen eine solche rentengenerierende Vermögensform darstellt und – bei erfolgreicher Behauptung des Unternehmens am Markt – eine massive Vermögensakkumulation erlaubt. Doch Unternehmerinnen können auch Finanzvermögen in Form von Anteilen und Aktien ihrer eigenen Unternehmen besitzen, was nicht nur die Grenze zwischen Betriebs- und Finanzvermögen verwischt, sondern dieses Finanzvermögen auch substanziell vom Finanzvermögen großer Teile der Mittelschichten unterscheidet. Diese investieren zwar auch vermehrt in Aktienbesitz (Fligstein und Goldstein 2015; Goldstein und Tian 2022), können dabei aber im Unterschied zu professionellen Spekulantinnen oder gar den globalen Anlageriesen des „asset manager capitalism“ (Braun 2021) weniger auf „enduring rents“ aus Finanzanlagen setzen, da sie bei den Spekulationen am Finanzmarkt häufig sowohl zu spät ein- als auch zu spät aussteigen und dabei oft große Verluste hinnehmen müssen (Schimank 2010). In einer Art „kollektivem Buddenbrooks-Effekt“ (Deutschmann 2008) bringt Aktienbesitz für Mitglieder der Mittelklassen daher tendenziell bestenfalls eine „quasi rent“, während die „enduring rents“ durch Aktien und Anleihenbesitz eher am oberen Rand der Vermögensverteilung zu finden sind (Hager 2014, 2015).

Auch bei der Diskussion um „housing classes“ und darum, ob Immobilienbesitz mit dauerhaften oder temporären Renten einhergeht, scheidet sich die Klassensoziologie an der Demarkationslinie zwischen einer eher marxistischen oder eher weberianischen Perspektive. Für den Marxisten Erik Olin Wright etwa begründet die bloße Tatsache, dass es Hauseigentümerinnen und Wohnungslose gibt, noch kein Eigentumsverhältnis und auch keine ausbeuterische Klassenbeziehung zwischen ihnen. Erst wenn Wohneigentümerinnen leerstehende Zimmer gegen häusliche Dienstleistungen tauschen, werden deren Eigentumsrechte zur Grundlage von sozialen Macht- und Klassenbeziehungen. An diesem Punkt wird die Beziehung der Hauseigentümerin zum häuslichen Dienstpersonal ausbeuterisch, da sie auf der direkten Aneignung fremder Arbeit beruht, und somit zu einem antagonistischen Klassenverhältnis (Wright 1997, S. 17). Entsprechend wäre ein rein geldvermitteltes Mietverhältnis zwischen Hauseigentümerinnen und Mieterinnen in diesem strengeren marxistischen Verständnis kein soziales Ausbeutungs- und antagonistisches Klassenverhältnis mehr. Das Machtverhältnis zwischen Vermieterinnen und Mieterinnen wandelt sich zu einem asymmetrischen Marktverhältnis, da Vermieterinnen die Miete der Marktlage entsprechend im Rahmen der jeweiligen Gesetzgebung festsetzen können und Mieterinnen wenig rechtliche Handhabe haben, dagegen vorzugehen. Als Alternativen bleiben ihnen allein die Suche nach einer günstigeren Mietwohnung, einer Untermiete oder im schlimmsten Fall die Wohnungslosigkeit. Die Aneignung von fremder Arbeit und die Erzielung von Extra-Renten erfolgt auf Wohnungsmärkten auf eine indirektere Weise, die nicht auf direkter Ausbeutung beruht, sondern über die Miete und die Marktmacht der Immobilienbesitzerinnen über das knappe Gut Wohnung vermittelt wird, die Ärmere systematisch benachteiligt. So zeigen z. B. Desmond und Wilmers (2019), dass Vermieterinnen in den USA mit Wohnungen in nicht selten ethnisch segregierten ärmeren Stadtvierteln im Durchschnitt mehr Profit machen als mit Wohnungen in Mittelschichtsnachbarschaften, da sie für erstere Risikoaufschläge einpreisen. Es sind also nicht nur Arbeits-, sondern auch Wohnungsmärkte Orte potenzieller Ausbeutung (ebd., S. 1094 ff.).

Die in jüngerer Zeit erneut auflebende Besitzklassen-Debatte hat diese Perspektive für Immobilienmärkte aufgegriffen und zum Teil zugespitzt.Footnote 9 So gehen z. B. Adkins und Kolleginnen (2021) in ihrer Fallstudie über die Dynamik des Immobilien- und Wohnungsmarktes in Sydney, das zu den unerschwinglichsten Städten in der Welt gehört, sogar so weit zu argumentieren, dass der ungleiche Immobilienbesitz den Kern der aktuellen Klassengegensätze bilde. Sie unterscheiden in ihrem „asset-based class scheme“ zwischen (I) Investorinnen (mit diversifiziertem Kapitalportfolio aus Immobilien-, aber auch Finanz- und Betriebsvermögen), (II) Hauseigentümerinnen ohne Hypotheken, (III) Hauseigentümerinnen mit Hypotheken, (IV) Mieterinnen und (V) Wohnungslosen (ebd., S. 564 f.). Dass gerade Immobilienvermögen eine zentrale Rolle bei der Genese von Klassengegensätzen spielen, begründen sie damit, dass die Immobilienpreise in den vergangenen Jahrzehnten deutlich stärker gestiegen sind als die Einkommen (ebd., S. 551 ff.; siehe auch Jordà et al. 2019; Knoll et al. 2017). Insbesondere in den liberal-kapitalistischen anglo-amerikanischen Gesellschaften sei der Immobilienbesitz daher als Indikator für die Klassenlage heute aussagekräftiger als die Position in der Berufsstruktur (Adkins et al. 2020; Desmond und Wilmers 2019). In eine ähnliche Richtung argumentieren auch Fessler und Schürz (2018): Vermögen sei heute das relevante Kriterium für die Unterscheidung ökonomischer Klassen, weshalb man Vermögensungleichheiten als Klassenungleichheiten verstehen müsse. In ihrer Drei-Klassen-Lösung verorten sie die Kapitalistinnen – die im Grunde den Investorinnen von Adkins et al. entsprechen – am oberen Rand der Verteilung, die Immobilienbesitzerinnen darunter und die Mieterinnen am unteren Ende, sodass sich auch hier eine einfache pyramidenhaften Struktur gegenwärtiger Klassengesellschaften ergibt. Während Fessler und Schürz ihr Modell mit Daten aus den USA und Europa illustrieren, wurde das von Adkins et al. (2021) entwickelte Klassenmodell bisher noch nicht in einer quantitativen Datenanalyse umgesetzt und getestet. Im empirischen Teil des Beitrages werde ich anhand deutscher Daten beide Konzepte miteinander verknüpfen, um die Stratifizierung der Vermögen auf der Grundlage eines einfachen Modells von drei Besitzklassen zu beschreiben, die vor allem auf der Grundlage des Eigentums bzw. Nicht-Eigentums an Immobilien gebildet wurden.

4 Vermögensportfolios in bourdieuscher Perspektive

Nach wie vor kann keine klassensoziologische Analyse an den theoretischen Innovationen vorbeigehen, die Pierre Bourdieu seit den 1960er-Jahren aus anthropologischer und kultursoziologischer Perspektive entwickelt hat. Bourdieu hat bekanntlich eine erweiterte, praxis- und habitustheoretische Konzeption der Klassenanalyse vorgelegt, die nicht nur auf die berufs- oder eigentumsbezogene Analyse von sozialen Ungleichheiten abstellt, sondern in einem umfassenderen Sinne Praxen symbolischer Distinktion sowie Homologien zwischen sozialräumlichen Positionen, Habitus und Lebensstilen untersucht. Seine Verknüpfung der Analysen von Klassenpositionen und von distinkten Lebensstilen entspringt dabei einer kreativen Neuinterpretation der Weber’schen Unterscheidung zwischen ökonomisch bestimmten Klassen und kulturell und sozial bestimmten Ständen (vgl. Bourdieu 1985, 1987b). Bourdieu interpretiert Klassen und Stände bzw. Statusgruppen als „nominelle Einheiten“, die im Wesentlichen keine alternativen Schichtungstypen darstellen, sondern als ökonomische und symbolische Dimensionen sozialer Gruppenbildung zwei Seiten derselben Medaille darstellen, die nur zu analytischen Zwecken getrennt werden (Bourdieu 1983a, S. 58 f.). Unterschiede in Status und Lebensstil sind Ausdruck und Katalysator von Unterschieden der ökonomischen Klassenposition im sozialen Raum. Entsprechend gewinnt Bourdieu sein heuristisches Gesamtschema der Klassenstruktur – den sozialen Raum (Bourdieu 1985, 1989) – aus einer Korrespondenzanalyse von Geschmacks- und Lebensstil-Indikatoren. In den Raum der Lebensstile plottet Bourdieu dann objektive Lagemaße für das kulturelle und ökonomische Kapital als den zwei zentralen Dimensionen zur Bestimmung der individuellen Klassenlage im Raum der sozialen Positionen (grafisch Bourdieu 1987a, S. 212 f.).

Ähnlich wie Wrights (1985) Fokus auf „assets“ integriert Bourdieus Perspektive auf Klasse und Stratifizierung verschiedene Kapitalien als zentrale Verteilungsmechanismen (Savage et al. 2005). Unter dem Gesamtvolumen des Kapitals versteht Bourdieu die „Summe aller effektiv aufwendbaren Ressourcen und Machtpotentiale“ (Bourdieu 1987a, S. 196). Kapital wird definiert als akkumulierte Arbeit, entweder in materiell vergegenständlichter oder „in verinnerlichter, ‚inkorporierter‘ Form“ (Bourdieu 1983b, S. 183). Die für die Konstitution des sozialen Raums zentralen Kapitalformen sind, wie gesagt, das ökonomische und kulturelle Kapital. Deren Volumen, Zusammensetzung und Veränderung im zeitlichen Verlauf dienen der Bestimmung von Klassenpositionen und Laufbahnen im sozialen Raum. Während das kulturelle Kapitel in drei Formen existiert – in objektivierter, institutionalisierter und inkorporierter Form –, besteht ökonomisches Kapital schlichtweg in Geld und sämtlichen Formen von Eigentum und Besitz, die direkt in Geld konvertierbar und in der Regel in Form von Eigentumsrechten institutionalisiert sind (ebd., S. 185). Entsprechend ist nicht die Produktionssphäre allein und direkt für klassenspezifische Orientierungen und Handlungen verantwortlich, sondern diese ergeben sich in einem längeren Prozess aus den durch den Umfang und die Zusammensetzung des ökonomischen und kulturellen Kapitals maßgeblich beeinflussten Prägungen und Erfahrungen durch die familiale Herkunft, die Bildungslaufbahn und das berufliche Umfeld, den daraus hervorgehenden Habitusformen und den ihnen entsprechenden individuellen Lebensstilen und Geschmackspräferenzen. Diese Orientierungen können auch zu einer Art Klassenbewusstsein führen, müssen es aber nicht.

Die von Bourdieu inspirierte Klassensoziologie hat sich vor allem auf das kulturelle Kapital (Lareau und Weininger 2003; Prieur und Savage 2013), den Raum der Lebensstile und die kulturellen Praktiken der Reproduktion von sozialen Ungleichheiten konzentriert (Bennett et al. 2009; Blasius et al. 2020). Viel weniger Beachtung gefunden hat hingegen das ökonomische Kapital, obwohl Bourdieu selbst wiederholt von einer tendenziellen Dominanz des ökonomischen über das kulturelle Kapital in kapitalistisch geprägten Gesellschaften gesprochen hat (Bourdieu 1998), wenngleich, wie gesagt, diese Dominanz nicht bedeutet, dass sich die Klassenlage kausal und allein aus der jeweiligen Ausstattung mit ökonomischem Kapital ableiten ließe. Im Zuge der Revitalisierung der Vermögensungleichheitsforschung hat sich jedoch mittlerweile vor allem im skandinavischen Raum eine lebhafte, durch Bourdieu inspirierte soziologische Perspektive auf Vermögensungleichheiten etabliert. Forscherinnen dieser Richtung argumentieren, dass – analog zum Einfluss der vertikalen und horizontalen Differenzierung des ökonomischen und kulturellen Kapitals auf deren Reproduktion – die Vermögensakkumulation und intergenerationale Vermögensweitergabe nicht nur zwischen den Klassen, sondern auch innerhalb der Klassen divergent erfolgen und zur Reproduktion von Klassenlagen und zur Vermögenskonzentration beitragen (für die oberen Klassen siehe etwa Toft 2018; Flemmen et al. 2017). Entsprechend gibt es erste explorative Versuche, Vermögen als zentralen Bestandteil des ökonomischen Kapitals systematisch in die Klassenanalyse zu integrieren, jedoch immer in Kombination mit ergänzenden Indikatoren für das kulturelle Kapital. Laut dieser Perspektive ist Reichtum bzw. Vermögensbesitz nicht nur ein Ergebnis der Klassenzugehörigkeit bzw. Klassenlage, sondern ein konstitutives Element von Klasse selbst (zum Beispiel Savage et al. 2013; Waitkus und Groh-Samberg 2019; Custers und Engbersen 2022).

Eine an Bourdieu anknüpfende Perspektive auf klassenspezifische Ungleichheiten im Vermögen kann insofern hilfreich sein, als dessen breite Definition von ökonomischem Kapital die Integration verschiedener Formen und Bestandteile des ökonomischen Kapitals erlaubt, also nicht ausschließlich auf Arbeitsbeziehungen und auf Einkommen aus Arbeit beschränkt bleiben muss. In diesem Beitrag soll daher neben dem Einkommen aus Arbeit das Vermögen in seinen verschiedenen Komponenten und seiner Zusammensetzung als konstitutives Element in die Klassenanalyse einbezogen und als ökonomisches Kapitalportfolio untersucht werden, um unser Verständnis darüber zu erweitern, wie die verschiedenen Vermögenskomponenten über die Sozialstruktur verteilt sind. Es sollen also nicht nur, wie bei den oben diskutierten eigentumsbasierten Klassenkonzepten, einzelne Vermögensbestandteile erfasst, sondern die verschiedenen Vermögensformen und ihr relatives Gewicht innerhalb des gesamten ökonomischen Kapitalportfolios selbst zur Grundlage der Konstruktion von Klassen gemacht und mittels einer latenten Klassenanalyse Portfolioklassen gebildet werden.

Diese Perspektive erlaubt ähnlich wie das differenziertere Berufsklassenmodell von Oesch einen genaueren Blick auf horizontale Klassendifferenzierungen bei den Vermögensportfolios. So kann man erwarten, dass sich analog zur horizontalen Differenzierung des sozialen Raumes nach der Zusammensetzung des ökonomischen und kulturellen Kapitals innerhalb bestimmter Klassenlagen divergierende Kapitalportfolios identifizieren lassen. Hinter der gleichen Höhe des Nettovermögens können sich unterschiedliche Vermögensportfolios verbergen, und diese lassen erste Rückschlüsse auf mögliche Akkumulations- und Investitionsstrategien ihrer Besitzerinnen zu. Wenn bestimmte Klassen in ganz bestimmte Vermögenswerte investieren, können wir dies annäherungsweise als klassen- und klassenfraktionsspezifische Anlage- und Reproduktionsstrategien interpretieren, die einem sozialräumlich homologen Habitus entsprechen. Diese unterschiedlichen Reproduktionsstrategien können sich beispielsweise in der Bevorzugung vermeintlich sicherer Investments in ein Eigenheim oder in Versicherungen zeigen, in eher risikoreichen Investitionen in Aktien oder in der Aufnahme von Konsumschulden. Es kann aber auch Gruppen geben, die sich um eine Risikostreuung bemühen und daher einen Ausgleich zwischen risikoreichen und risikoärmeren Anlagestrategien herzustellen versuchen. Wenngleich diese Perspektive auf Portfolioklassen von Bourdieus Klassenkonzeption und Theorie des sozialen Raums inspiriert ist, geht es mir nicht darum, den gesamten sozialen Raum anhand der vertikalen und horizontalen Differenzierung des ökonomischen und kulturellen Kapitals zu vermessen (wie für Deutschland in Waitkus und Groh-Samberg 2019 geschehen; siehe auch Custers und Engbersen 2022; Savage et al. 2013), sondern um ein möglichst detailliertes Verständnis von ökonomischen Kapitalportfolios als disparate Perspektive auf Klasse und Vermögen, die bei den individuellen ökonomischen Vermögen selbst und deren Zusammensetzung ansetzt. Inwiefern die unterschiedlichen ökonomischen Kapitalportfolios sich klassenhabituell prägend auswirken, Praxen beeinflussen oder gar die Ausbildung von (sich möglicherweise sogar voneinander abgrenzenden) Klassenidentitäten befördern, ist bislang ein Desiderat der soziologischen Forschung und wird auch im vorliegenden Beitrag nicht behandelt.

5 Daten und Operationalisierung

Wie eingangs dargelegt, widmet sich der Beitrag der Frage, inwiefern eine berufsklassenspezifische, eine eigentumsbasierte oder eine portfoliobasierte Konzeptionalisierung von Vermögensungleichheiten besser geeignet sind, diese Ungleichheiten entlang der Sozialstruktur zu illustrieren und klassensoziologisch zu interpretieren. Berufsklassenbasierte Konzepte als die Zugpferde der Stratifizierungsliteratur dürften sich aufgrund ihrer Konzentration auf Arbeitsmärkte und der eher geringen Korrelation von Einkommen und Vermögen weniger dazu eignen, die in einem erheblichen Maße quer zu den Berufsklassen liegenden Vermögensunterschiede in einem Modell zu integrieren. Im Unterschied dazu sollten eigentumsbasierte Konzepte per definitionem besser in der Lage sein, insbesondere vertikale Vermögensunterschiede abzubilden. Die bourdieusche Perspektive auf ökonomische Kapitalportfolios wiederum sollte nicht nur vertikale Vermögensungleichheiten sichtbar machen, sondern vor allem eine nuancierte, horizontale Unterscheidung divergenter Vermögensportfolios erlauben. Im Folgenden erläutere ich zunächst die genutzten Daten, Messverfahren und Methoden, um dann im empirischen Abschnitt die auf der Grundlage der drei konzeptionellen Herangehensweisen gewonnenen Klassenlösungen vorzustellen und erste Antworten auf die Frage zu geben, welche dieser Lösungen für die empirische Vermögensungleichheitsforschung besonders relevant und aussagekräftig sind.

Um die drei Klassenmodelle zu testen, ziehe ich die Gesamtdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) heran (Goebel et al. 2019). Das SOEP hat zudem in einer gesonderten Hocheinkommensstichprobe sowohl auf der Individual- als auch auf Haushaltsebene für die Jahre 2002, 2007, 2012 und 2017 detaillierte und qualitativ hochwertige Daten über Nettovermögen und weitere Vermögenskomponenten erhoben (Schröder et al. 2020b). Das Untersuchungssample wurde auf Personen zwischen 20 und 64 Jahren begrenzt, die zum Zeitpunkt der Erhebung erwerbstätig waren. Da die Vermögensungleichheit in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau stabil ist, poole ich die Daten für die vier vorhandenen Erhebungsjahre. Ich nutze die Personengewichte, die mit dem SOEP geliefert werden.

Zur Messung der Berufsklassenpositionen verwende ich das Oesch-Schema. Die Operationalisierung von Oeschs Berufsklassenschemata erfolgt auf der Basis der ISCO-Codes. Anstatt auf das 17-Klassen-Schema stütze ich mich jedoch bei meiner Hauptanalyse auf die reduzierte 8‑Klassen-Version von Oesch (2006, S. 125, 2008, S. 338)Footnote 10 und unterscheide: (1) große Unternehmerinnen (mit 10 und mehr Beschäftigten) und selbstständige Professionen, (2) kleine Unternehmerinnen (mit weniger als 10 Beschäftigten), (3) technische Professionen, (4) Managerinnen, (5) soziokulturelle (Semi‑)Professionen, (6) Produktionsarbeiterinnen, (7) Büroangestellte und (8) Dienstleistungsarbeiterinnen.

Zur Modellierung der Eigentums- bzw. Besitzklassen nutze ich eine vereinfachte Version der Konzepte von Fessler und Schürz (2018) und Adkins et al. (2021), in der zunächst Mieterinnen von Eigenheimbesitzerinnen unterschieden werden.Footnote 11 Die kapitalistische Klasse bei Fessler und Schürz und die Investorinnen bei Adkins et al. integriere ich als große Unternehmerinnen mit 10 und mehr Mitarbeiterinnen in mein Modell, die darüber hinaus über Immobilienvermögen verfügen müssen. Diese Klasse der Kapitalistinnen / Investorinnen weist also ein diversifiziertes Vermögensportfolio in Form von Betriebs- und Immobilienvermögen auf.

Für die an Bourdieu angelehnte Perspektive auf ökonomische Kapital- und Vermögensportfolios zur Konstruktion von Portfolioklassen existiert bisher kein empirisch-analytisches Schema, auf das man zurückgreifen könnte. Zwar hat es, wie oben bereits erwähnt, Versuche gegeben, den sozialen Raum anhand der Portfolios an sozialem, ökonomischem und kulturellem Kapital mittels einer latenten Klassenanalyse neu zu vermessen (z. B. Savage et al. 2013; Waitkus und Groh-Samberg 2019; Custers und Engbersen 2022), eine rein auf ökonomische Kapitalportfolios fokussierte empirische Analyse von Portfolioklassen gibt es jedoch bisher nicht. Zur Bestimmung der Kapitalportfolios nutze ich ebenfalls die latente Klassenanalyse (LCA). Bei ihr handelt es sich um eine probabilistische Art der Clusteranalyse für kategoriale Variablen, mit der man dementsprechend auch spezifische Konfigurationen oder Portfolios von ökonomischem Kapital identifizieren kann (Vermunt und Magidson 2004). Die LCA ist in erster Linie eine explorative Methode, die eine substanzielle Interpretation der Ergebnisse erfordert, um das finale Modell abzuleiten. Formal gesehen ist die beste Cluster-Lösung erreicht, wenn die Informationskriterien das Minimum erreichen (Nylund et al. 2007). Darüber hinaus verwende ich den Test von Lo et al. (2001), um verschiedene Klassenlösungen miteinander zu vergleichen. Nichtsdestotrotz ist es unabdingbar, dass die Cluster-Lösung theoretisch fundiert und empirisch stabil und valide ist.

Ich integriere sieben kategorisierte Indikatoren für ökonomisches Kapital in die Analyse (siehe Abbildung 2 im Anhang): Einkommen aus Arbeit, Eigenheimbesitz, Besitz weiterer Immobilien, Finanzvermögen, Realvermögen ohne Immobilien, Versicherungen und Bausparverträge sowie Konsumschulden. Der Wert des selbstgenutzten Wohneigentums geht abzüglich der Hypothekenkredite separat vom Wert des sonstigen Immobilienbesitzes (Grundstücke, Ferien- und Wochenendwohnungen etc.) in die Analyse ein, um der Bedeutung von Mehrfachbesitz und von Immobilien als Investmentstrategie von Vermögenden gerecht zu werden (Kadi et al. 2020). Das weitere Realvermögen in Form von Betriebsvermögen und Gebrauchsvermögen geht ebenfalls separat in die Analyse ein. Finanzvermögen bzw. Geldanlagen in der Form von Aktien- und Anleihenbesitz sowie Sparguthaben, Spar- und Pfandbriefe habe ich ebenso wie Vermögen aus privaten Versicherungen (z. B. Lebens- und private Rentenversicherungen, Bausparversicherungen) als getrennte Vermögensbestandteile erfasst. Während sich Erstere eher am oberen Rand der Verteilung konzentrieren und tendenziell risikoreichere Investments darstellen, erfüllen Sparguthaben, Versicherungen und Bausparverträge eher Absicherungsfunktionen für größere Teile der Mittelschicht. Zu guter Letzt nehme ich Konsumschulden als Indikator für Verschuldungstendenzen auf, die nicht durch Hypothekenkredite bedingt sind. Sie sind tendenziell eher am unteren Rand der Vermögensverteilung zu finden. Die sich auf dieser Indikatorenbasis zeigenden LCA-Muster sind in Abbildung 2 im Anhang dargestellt. Basierend auf den Modellfit-Statistiken sowie der Interpretation der verschiedenen Klassenlösungen der LCA habe ich entschieden, dass eine 6‑Klassenlösung die verschiedenen ökonomischen Kapitalportfolios am besten abbildet (siehe Tabelle 5 im Anhang).Footnote 12

Einen Überblick über die drei Klassenlösungen und die Häufigkeitsverteilung der Klassen im Sample gibt Tabelle 6 im Anhang.

6 Deskription: Klasse und Vermögen

6.1 Berufsklassen und Vermögen

Ich beginne mit einer Beschreibung der durchschnittlichen Nettovermögen sowie der Immobilienvermögen, Finanzvermögen, Realvermögen (Betriebsvermögen und Gebrauchsvermögen) und Konsumschulden der von mir gebildeten acht Berufsklassen (siehe Tabelle 1).

Tab. 1 Vermögen und Einkommen nach Berufsklassen (Quelle: Eigene Darstellung. Gepoolte individuelle Vermögensdaten des SOEP 2002, 2007, 2012, 2017; v35; gewichtet)

Es zeigt sich, wenig überraschend, dass große Unternehmerinnen und selbständige Professionen deutlich vermögender sind als alle anderen Berufsgruppen. Sie sind im Schnitt doppelt so vermögend wie kleine Unternehmerinnen und vier Mal so vermögend wie Managerinnen und technische Professionen. Während die Angehörigen technischer Berufe ähnlich hohe Nettovermögen wie die Managerinnen haben, fallen die soziokulturellen Professionen schon merklich zurück: sie haben ein ähnlich hohes Nettovermögen wie Büroangestellte. Das niedrigste Nettovermögen findet sich, ebenfalls wenig überraschend, bei den Dienstleistungsarbeiterinnen. Schaut man sich die einzelnen Vermögenformen an, so zeigt sich, dass die beiden Klassen der Selbstständigen mit Abstand über die größten Realvermögen verfügen, was sich durch die Einbeziehung der Betriebsvermögen erklärt. Doch auch ihre Immobilienvermögen und Finanzvermögen sind im Vergleich zu den anderen Berufsklassen zum Teil deutlich höher, wobei bei den Finanzvermögen bereits zwischen den großen und den kleinen Unternehmerinnen eine erhebliche Lücke klafft. Bei den mittleren Klassen der privilegierten abhängig Beschäftigten weisen die Managerinnen und die technischen Professionen verhältnismäßig große Immobilien- und Finanzvermögen auf, während die soziokulturellen (Semi‑)Professionen etwas dahinter zurückfallen. Bei den drei Berufsklassen lässt sich eine horizontale Differenzierung bei der Zusammensetzung der Vermögen nicht wirklich erkennen. Wenngleich Managerinnen mehr Realvermögen besitzen als die Vertreterinnen technischer Professionen und insbesondere soziokultureller (Semi‑)Professionen, ist dieser Unterschied nicht gravierend. Genausowenig zeigt sich bei ihnen eine ausgeprägte Dominanz des Finanzvermögens gegenüber anderen Anlageformen.

Bei den privilegierten abhängig Beschäftigten bestehen also auf den ersten Blick sowohl in der Vermögenshöhe als auch in der Struktur der Portfolios verhältnismäßig geringe Differenzen. Disaggregiert man jedoch das 8‑Klassen-Schema von Oesch und nutzt stattdessen das 16-Klassen-Schema, das innerhalb der Berufsklassen weiter nach dem Qualifikationsniveau differenziert, zeigt sich, dass es durchaus auffällige Portfoliounterschiede gibt (siehe Tabelle 2): Während der Umfang des Immobilienvermögens von Personen im höheren Management, von technischen Expertinnen und soziokulturellen Professionen relativ nah beieinander liegt, weisen Erstere ein deutlich höheres Finanzvermögen und Realvermögen auf als die beiden anderen Berufsgruppen. Durch die Zusammenlegung von großen Unternehmerinnen und selbstständigen Professionen im 8‑Klassen-Schema werden die erheblichen Vermögensunterschiede innerhalb der Spitze verschleiert: Die selbstständigen Professionen bewegen sich in ihrem Nettovermögen auf dem Niveau der kleinen Unternehmerinnen mit bis zu neun Angestellten, jedoch mit deutlichen Unterschieden in der Portfoliostruktur: Während die Immobilienvermögen der beiden Klassen fast identisch sind, weisen die selbstständigen Professionen mehr Finanzvermögen als die kleinen Unternehmerinnen mit Angestellten auf; Letztere besitzen dagegen deutlich mehr Realvermögen (sprich Betriebsvermögen).

Tab. 2 Vermögen und Einkommen nach dem auf 16 Berufsklassen erweiterten Schema von Oesch (Quelle: Eigene Darstellung. Gepoolte individuelle Vermögensdaten des SOEP 2002, 2007, 2012, 2017; v35; gewichtet)

Mit einem feineren Berufsklassen-Schema ist es also durchaus möglich, ein differenzierteres Bild von den Vermögensverhältnissen der oberen Mittelschichten und selbstständigen Klassen innerhalb der Berufsstruktur zu gewinnen, das erste Rückschlüsse auf unterschiedliche Investmentstrategien zulässt. Für die mittleren Lagen wiederum stechen das auffällig niedrige Realvermögen bei den Technikerinnen und soziokulturellen Semi-Professionen ins Auge.

Für die zu drei Berufsgruppen zusammgefassten unteren Klassen zeigt das 8‑Klassen-Modell, dass die Büroangestellten deutlich mehr Vermögen besitzen als die Produktions- und die Dienstleistungsarbeiterinnen. Zudem weisen alle drei Berufsgruppen den höchsten Anteil an Personen auf, die kein oder ein negatives Vermögen besitzen.

Der bereits in anderen Untersuchungen belegte geringe Umfang der Vermögen in weiten Teilen der unteren Mittelklasse und der Arbeiterinnenschaft findet also auch in der vorliegenden Analyse ihre Bestätigung. Das 8‑Klassen-Modell weist aber nicht unerhebliche Limitationen auf: In ihm erscheinen die Unterschiede zwischen den sehr vermögenden und weniger vermögenden Klassen letzlich relativ gering bzw. geringer, als sie faktisch sind. Auch eine horizontale Differenzierung der Vermögensportfolios, aus der sich möglicherweise verschiedene Investmentstrategien ablesen lassen, ist mit diesem Modell kaum auszumachen (obwohl das „kleine“ Oesch-Schema schon differenzierter ist als z. B. das EGP-Schema). Hier erweist sich das 16-Klassen-Schema als überlegen. Um mit Berufsklassenschemata die vertikalen und horizontalen Vermögensungleichheiten sichtbar zu machen, bedarf es also einer hinreichend differenzierten Berufsklassentaxonomie und entsprechender Vermögensdaten. Gleichwohl unterschätzt auch ein solches differenzierteres Modell womöglich die realen Vermögensunterschiede, da es aufgrund seiner Berufs- und Arbeitsmarktorientierung jene Vermögenden nicht erfasst, die sich den Berufsklassen von Oesch nicht zuordnen lassen, weil sie z. B. bloß als Vermieterinnen, Investorinnen, Anlegerinnen, Rentnerinnen oder Finanzmarktkapitalistinnen ohne eigenes Unternehmen tätig sind. Hier kann eventuell das Eigentumsklassenmodell weiterhelfen.

6.2 Eigentumsklassen und Vermögen

Operationalisiert man das Vermögen anhand von Eigentumsklassen äquivalent zu den Vorschlägen von Fessler und Schürz (2018) und Adkins et al. (2021), so ergibt sich ein sehr viel drastischeres Bild von den Vermögensungleichheiten in Deutschland (siehe Tabelle 3). Die Kapitalistinnen und Investorinnen weisen mit Abstand das höchste Durchschnittsvermögen auf. Die Mieterinnen stehen dagegen ökonomisch ganz unten in der Vermögenshierarchie. 46 % von ihnen besitzen sogar kein oder ein negatives Vermögen. Auch ihr Finanzvermögen ist im Vergleich spärlich und ihr Einkommen aus Arbeit ziemlich gering. Betrachtet man das Vermögensportfolio dieser Gruppe, so setzt es sich größtenteils aus Finanzvermögen in Form von Sparguthaben zusammen. Im Unterschied zur Berufsklassenanalyse zeigt eine Operationalisierung nach Eigentumsklassen eine ausgeprägte vertikale Strukturierung derzeitiger Klassengesellschaften insbesondere bei zwei zentralen Formen von Vermögen: dem Immobilienvermögen und dem Realvermögen, in dem auch das Betriebsvermögen enthalten ist. Aber auch bei den Finanzvermögen setzen sich die Kapitalistinnen und Investorinnen deutlich von den anderen beiden Klassen ab.

Tab. 3 Vermögen und Einkommen nach Eigentumsklassen (Quelle: Eigene Darstellung. Gepoolte individuelle Vermögensdaten des SOEP 2002, 2007, 2012, 2017; v35; gewichtet)

Interessant ist zudem, dass die Eigenheimbesitzerinnen durchaus eine „wealth middle class“ bilden: Sie besitzen im Durchschnitt fast sieben Mal so viel Nettovermögen wie die Mieterinnen, und auch ihr Finanz- und Realvermögen ist beträchtlich. Die Kapitalistinnen wiederum weisen fast neun Mal so viel Vermögen auf wie die Eigenheimbesitzerinnen und fast 63 Mal so viel wie die Mieterinnen. Die „economic rent“ der Eigenheimbesitzerinnen ist also gerade im Vergleich zu den Mieterinnen nicht unerheblich, jedoch würde ein alleiniger Fokus auf das Immobilienvermögen als Determinante der Klassenlage die extreme Vermögenskonzentration am oberen Rand vernachlässigen, die sich vor allem aus dem hohen Realvermögen, aber auch dem hohen Finanzvermögen der Kapitalistinnen und Investorinnen ergibt. Die „economic rent“, die sich mit Betriebs- und Anlagevermögen erzielen lässt, scheint deutlich größer als die „economic rent“ aus Hausbesitz und erklärt die hohe Vermögenskonzentration am oberen Rand der Eigentümerinnenhierarchie.

6.3 Portfolioklassen und Vermögen

Bei der Analyse der relativen Dominanz verschiedener Formen des ökonomischen Kapitals in den Vermögensportfolios mittels der LCA ergaben sich, wie im Abschnitt 5 dargestellt, sechs verschiedene Portfolioklassen, die besonders in den mittleren Lagen sehr diversifiziert sind: die ökonomische Elite, die finanzialisierte, die Hauseigentümerinnen-, die Einkommens- und die verschuldete Mittelklasse sowie die Vermögensarmen (siehe Tabelle 4).

Tab. 4 Vermögen und Einkommen nach Portfolioklassen (Quelle: Eigene Darstellung. Gepoolte individuelle Vermögensdaten des SOEP 2002, 2007, 2012, 2017; v35; gewichtet)

Während die Gruppe der Vermögensarmen sowohl durch sehr niedrige Einkommen als auch geringe Vermögenswerte charakterisiert ist und über den mit Abstand höchsten Anteil an Vermögenslosen verfügt, bezieht die verschuldete Mittelklasse immerhin deutlich mehr Einkommen, weist aber starke Verschuldungstendenzen auf. Die Einkommensmittelklasse bezieht ein etwas unterdurchschnittliches mittleres Einkommen, besitzt etwas Immobilienvermögen und Finanzvermögen, aber fast kein Realvermögen und so gut wie keine Schulden. Die Hauseigentümerinnen-Mittelklasse wiederum zeichnet sich vor allem durch ein über den Durchschnitt liegendes Immobilien‑, Finanz- und Realvermögen aus. Die Einkommenssituation ist vergleichsweise komfortabel, genauso wie bei der finanzialisierten oberen Mittelklasse, deren Portfolio sich vor allem durch starke Investitionen in Finanzvermögen auszeichnet, gegen das das Realvermögen auffallend deutlich abfällt. Von den Relationen her zeigt sich bei ihr eine ähnliche Diskrepanz zwischen Finanz- und Realvermögen wie bei der Einkommensmittelklasse. In ihrem absoluten Vermögensniveau und vor allem in ihrer Portfoliostruktur unterscheidet sie sich aber erheblich von der Hauseigentümerinnen-Mittelklasse, obwohl beide Klassen ein ähnlich hohes Einkommen aus Arbeit erzielen. Es ist diese stärkere Finanzorientierung, die dieser Gruppe ihre Indizierung als besondere Portfolioklasse und ihre Bezeichnung verdankt. Gleichwohl spielen Finanzvermögen bis weit in die unteren Mittelschichten eine wenn auch sukzessiv abnehmende Rolle. Am oberen Ende der Portfolioklassen findet sich die ökonomische Elite mit einem durchschnittlichen Nettovermögen von über 700.000 Euro pro Kopf, das vor allem in Immobilen- und Realvermögen steckt, wobei im Realvermögen ein beträchtliches Betriebsvermögen enthalten sein dürfte. Doch auch ihr Finanzvermögen ist mehr als doppelt so hoch wie das der finanzialisierten oberen Mittelklasse.

Deutlich prägnanter als sogar bei der differenzierten Betrachtung der Berufsklassen zeigt sich im Portfolioklassenmodell, dass Personen mit einem ähnlichen Einkommensniveau durchaus erheblich unterschiedliche Portfoliostrukturen aufweisen können, die auf unterschiedliche Anlagestrategien und damit Reproduktionsstrategien hindeuten. Entsprechend sollte sich die empirische Analyse von Vermögensungleichheiten nicht nur auf die Höhe der Vermögen und Einkommen konzentrieren, sondern verstärkt auch die Zusammensetzung der Vermögen in den individuellen ökonomischen Kapitalportfolios in den Blick nehmen. Diese Zusammensetzung ist, wie die Zusammensetzung von ökonomischem und kulturellem Kapital im Bourdieu’schen Modell, von klassensoziologischer Relevanz, da sie auf zum Teil erhebliche horizontale Unterschiede bei den Vermögensverhältnissen und Reproduktionsstrategien innerhalb der Klassen aufmerksam macht, die einen ähnlichen sozioökonomischen Status haben. In diesem Sinne kann der spezifische Fokus auf Portfolioklassen den Blick auf die Vermögensverhältnisse der Berufs- und Eigentumsklassen ergänzen und schärfen.

Mit Blick auf die Portfolioklassen müssten in weiteren Untersuchungen insbesondere zwei Fragen näher beleuchtet werden: Handelt es sich bei ihnen weitgehend nur um Klassen auf dem Papier oder um sozialstrukturell divergente Gruppen, die mit ihren spezifischen Portfoliostrukturen auch langfristige und zielstrebig verfolgte ökonomische Reproduktionsstrategien verknüpfen? Und lässt sich auch in einer intergenerationalen Perspektive zeigen, dass bestimmte Vermögensportfolios und das Streben nach ihnen quasi habituell prägend wirken und nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial weitervererbt werden können, wie es zum Beispiel beim Hauseigentum und der Ausbildung des kleinbürgerlichen Hausbesitzerhabitus der Fall zu sein scheint (Bourdieu et al. 2002; siehe auch Lersch und Luijkx 2015)?

7 Diskussion und Fazit

Der Beitrag ging der Frage nach, wie eine sozialstrukturelle Deskription von Vermögensungleichheiten aus klassenanalytischer Perspektive aussehen kann. Die empirische Ungleichheitsforschung wird seit mehreren Jahrzehnten von Berufsklassenschemata dominiert. Auf dieser Grundlage ist ein eindrucksvoller Korpus an vergleichenden Mobilitäts- und Ungleichheitsanalysen entstanden. Die klassensoziologische Analyse von Vermögensungleichheiten steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Das ist zum einen der lange Zeit herrschenden schlechten Datenlage über Vermögen geschuldet. Zum anderen fehlt der quantitativen Ungleichheitsforschung oftmals eine Rückbindung an Theorien sozialer Ungleichheiten bzw. an die empirische Klassenanalyse (Killewald et al. 2017; Savage 2014).

Um diese Lücke ein Stück weit zu schließen, hat der Beitrag in einer ersten explorativen, deskriptiven Studie Vermögensungleichheiten in Deutschland aus drei verschiedenen Klassenperspektiven untersucht: einem berufsklassenbasierten, einem eigentumsbasierten und einem portfoliobasierten Ansatz. Bei der empirischen Illustration der Ansätze zeigte sich, dass der Berufsklassenansatz weniger dazu geeignet scheint, das Ausmaß und die Struktur von Vermögensungleichheiten zu veranschaulichen. Das auf acht Berufslassen reduzierte Oesch-Schema ist zwar durchaus in der Lage, die vertikale Stratifizierung von Vermögen nachzuzeichnen, vermag aber nicht die horizontale Differenzierung von Vermögensformen innerhalb der Klassen sichtbar zu machen, die sich als Ausdruck von verschiedenen Investmentstrategien im Rahmen einer klassenspezifischen Lebensführung deuten ließen. Mit dem erweiterten 16-Klassen-Schema erhält man aber bereits ein differenzierteres Bild von den zum Teil recht unterschiedlichen Vermögensstrukturen bei Berufsklassen in gleicher Klassenlage.

Entsprechend lohnt es sich, weiter nach anderen Konzepten Ausschau zu halten, die Vermögensungleichheiten und Portfoliostrukturen klassensoziologisch differenzierter erfassen können. Das eigentumsbasierte Klassenkonzept nach Fessler und Schürz (2018) und Adkins et al. (2021) erwies sich als besonders geeignet, die starken Vermögensungleichheiten zwischen den Kapitalistinnen / Investorinnen, Eigenheimbesitzerinnen und Mieterinnen aufzuzeigen. Diese einfache Dreiklassenlösung hat zudem den Vorteil, dass sie intuitiv nachvollziehbar und einfach zu operationalisieren ist. Jedoch hat das Konzept wiederum den Nachteil, dass es den Fokus auf eine kleine ökonomische Elite und die besonders stark ausgeprägten vertikalen Vermögensunterschiede beim Immobilien- und Realvermögen lenkt. Horizontale Unterschiede im Vermögensportfolio, die Rückschlüsse auf differenzierte Investmentstrategien zulassen, sind mit diesem Modell nicht zu erfassen. Deshalb liefert dieses Klassenschema gerade über die breite und die auch bei den Vermögensformen und Reproduktionsstrategien in sich differenzierte „wealth middle class“ keine Erkenntnisse.

Genau deshalb ist es den Versuch wert, gleich bei den Vermögensportfolios selbst anzusetzen. Hierfür bietet die Bourdieu’sche Perspektive auf das kulturelle und das ökonomische Kapital als zentrale Determinanten des sozialen Raums interessante Anknüpfungspunkte. Analog zu diesen Kapitalien lassen sich auch der Umfang und insbesondere die Zusammensetzung der Vermögenskomponenten untersuchen und zur Bildung von ökonomischen Portfolioklassen heranziehen. Damit vermeidet dieses Modell bereits vom Ansatz her eine zu einseitige Sicht auf die vertikale Stratifizierung der Vermögen. Die absolute und die relative Dominanz von bestimmten Vermögensformen innerhalb der Portfolios lassen wiederum Rückschlüsse auf divergierende Anlage- und Reproduktionsstrategien zu, die es vor allem innerhalb der Mitte und oberen Mitte der Einkommens- bzw. Vermögensverteilung gibt und die uns einiges über die Klassendynamiken im „privatisierten Keynesianismus“ verraten können.

Auch wenn das portfoliobasierte Klassenmodell einen vielversprechenden Ansatz darstellt, sind damit die anderen beiden Klassenkonzepte keineswegs obsolet. Sowohl die Berufs- als auch die Eigentumsklassen basieren auf bereits vorgegebenen kategorialen Unterscheidungen (Berufe, Eigentumsstatus), die einfach zu operationalisieren und replizieren sind. Die Portfolioklassen basieren hingegen auf einem datengetriebenen Verfahren und auf beobachteten Wahrscheinlichkeiten der Klassenzugehörigkeit, die nicht notwendigerweise über verschiedene Datensätze hinweg vergleichbar sind. Wie am Beispiel des 16-Klassen-Schemas vorgeführt, kann ein detailliertes Berufsklassenkonzept der einfachere Weg zur Operationalisierung auch von horizontalen Portfoliodifferenzen insbesondere innerhalb der mittleren Klassenlagen sein. Hier bedarf es weiterer empirischer Untersuchungen und theoretischer Überlegungen, warum bestimmte Berufsgruppen eher dazu neigen, in Hauseigentum als in Finanzeigentum zu investieren und inwiefern dies das Ergebnis divergierender institutioneller Kontexte oder berufsgruppentypischer Anlagestrategien ist.

Aber auch eigentumsbasierte Klassenkonzepte haben ihre Stärken und Vorzüge und bedürfen dringend mehr Aufmerksamkeit. Zwar ist es zuletzt zu einer Wiederbelebung der Debatte um Eigentumsklassen gekommen und um die Frage, welche Formen des Eigentums und Vermögens nun konstitutiv für heutige Klassengesellschaften und ihre Ungleichheitsdynamiken sind. Jedoch fehlen bisher genuin soziologische Beiträge, die z. B. die weite rententheoretische Perspektive von Sørensen (2000) aufgreifen und in empirische Untersuchungen umsetzen, die über die Erforschung der Rentengenerierung auf Arbeitsmärkten hinausgehen (vgl. v. a. Jackson und Grusky 2018; Red Bird und Grusky 2015; Weeden und Grusky 2014; für eine Perspektive auf Wohnungsmärkte siehe Desmond und Wilmers 2019). Inwiefern dauerhafte Renten auf verschiedene Vermögensformen die Klassenstruktur gegenwärtiger Gesellschaften verändert haben, stellt nach wie vor eine weitgehende Leerstelle in der empirischen Ungleichheitsforschung dar. Auch die hier vorgestellte Untersuchung enthält keine Daten zu den Einkommen bzw. Renten aus Vermögen und bietet bei allen drei Modellen nur Momentaufnahmen der individuellen Vermögensbestände in Deutschland. Entsprechend müssten längsschnittliche Untersuchungen über die Erträge spezifischer Vermögensformen – die es auf der Makroebene bereits gibt (Jordà et al. 2019; Knoll et al. 2017) – durchgeführt und um mikrosoziologische Untersuchungen zur Vermögensakkumulation bei bestimmten Berufs‑, Eigentums- oder Portfolioklassen ergänzt werden (siehe dazu Waitkus und Groh-Samberg 2018; Hansen und Toft 2021). Eine Klassensoziologie, die den Arbeitsmarkt z. B. durch den Immobilienmarkt als zentralen Ort der Verteilung von Lebenschancen ersetzt, würde aber ebenfalls ein verkürztes Verständnis der Multidimensionalität von Klassenlagen und Ungleichheiten aufweisen.

Mittelfristig wäre es darüber hinaus wünschenswert, die zum Beispiel im skandinavischen Raum besonders vorangetriebene Forschung zu kapitalspezifischen individuellen Laufbahnen in bestimmte Bildungswege, Berufe und Klassenpositionen hinein auch auf Deutschland anzuwenden (Toft 2018). Wenngleich die Vermögensdaten des SOEP mittlerweile in vier Wellen vorliegen und intergenerationale Analysen möglich machen, ist die Erforschung der intergenerationalen Transmission von kapitalspezifischen Reproduktionsstrategien bislang in Deutschland ein Desiderat geblieben. Neben der Disaggregation von Vermögen in seine verschiedenen Komponenten bedarf es zudem einer umfassenden Perspektive auf diese Komponenten entlang der Sozialstruktur und ihre Rollen in der jeweiligen Vermögensverteilung. So zeigen sich z. B. Verschuldungstendenzen in sehr verschiedenen ökonomischen Lagen und aus den unterschiedlichsten Gründen (Dwyer 2018): Konsumschulden finden sich in den verschiedensten Portfolios, treten aber sowohl am oberen wie am unteren Rand der Berufs- und Eigentumsklassen verstärkt auf. Technologien wie das Credit Scoring können dafür sorgen, dass zwischen verschiedenen Gruppen von Schuldnerinnen diskriminiert wird und sie eine Ungleichbehandlung erfahren (Fourcade und Healy 2013). Auch die Zunahme von Hypothekenlasten muss nicht zwangsläufig auf deren Ausweitung auf immer mehr Bevölkerungsgruppen zurückgehen (van Gunten und Navot 2018), sondern kann auch Ausdruck der Tatsache sein, dass die Ungleichheit innerhalb der Klasse der Hauseigentümerinnen steigt.

Die zunehmende Bedeutung einer kreditbasierten Sozialpolitik und von privaten Investitionen in die soziale Absicherung hat nicht nur weitreichende Konsequenzen für die sozioökonomisch differenzierten Chancen zum Vermögensaufbau. Steigende Wohnungsmieten und -kaufpreise in den größeren Städten bei gleichzeitig stagnierenden oder sogar sinkenden Reallöhnen bei den unteren Einkommensgruppen führen dazu, dass insbesondere die Arbeiterinnenschaft ökonomisch immer weiter benachteiligt wird (Grabka und Goebel 2017). Neben der Verdrängung durch Gentrifizierung (Desmond 2016; Grabka et al. 2019) und der wachsenden Verschuldung (Mertens 2017) stellt diese Verschiebung innerhalb der Sozialpolitik eine kumulative Benachteiligung von einkommensschwachen und vermögenslosen Haushalten ohne Ersparnisse dar, die nur durch eine massive Umverteilung von Vermögen sowie sozialisierten Wohlfahrts- und Wohnungsmärkten aufgehoben werden könnte. Die soziologische Analyse von Vermögensungleichheiten als Klassenungleichheiten bleibt also eine Daueraufgabe.