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Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß. Max Weber zur Moral der Vornehmheit

Passion – feeling of responsibility – sense of proportion. Max Weber on the morality of nobility

Passion, sens des responsabilités, discernement. Max Weber sur la morale de la distinction

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Zusammenfassung

Unter Bezugnahme auf eine Vielzahl von Quellen – als Grundlage der Ausführungen dienen etwa Notizen in Webers Handexemplar von Georg Simmels Essay über Schopenhauer und Nietzsche – wird in diesem Aufsatz Max Webers Beschäftigung mit der „Moral der Vornehmheit“ behandelt. Im ersten Schritt wird aufgezeigt, dass Weber diese Moralkonzeption mit großem Interesse rezipiert. Im zweiten Schritt wird dargelegt, wie Weber sie in seinen Schriften zum Thema macht. Im dritten Schritt wird, u. a. mit Sicht auf den Vortrag über Politik als Beruf, die These untermauert, dass die Moral der Vornehmheit für Weber ein Charakteristikum des durch „echtes Führertum“ ausgezeichneten Politikers darstellt.

Abstract

Based on a variety of primary sources, such as handwritten marginalia in Weber’s copy of Georg Simmel’s essay on Schopenhauer and Nietzsche, the paper concerns itself with Max Weber’s reflexions on the “morality of nobility” [“Moral der Vornehmheit”]. In a first step, it is demonstrated that Weber was very interested in Nietzschean notions of morality. In a second step, it is shown how Weber addresses such notions in his writings. In a third step, it is – a. o. with a view to the essay Politics as Vocation – argued that for Weber, the morality of nobility represents an essential feature of a politician characterized by “real leadership”.

Résumé

Cet article porte sur les réflexions de Max Weber au sujet de la «morale de la distinction» en s’appuyant sur une multitude de sources dont, par exemple, les annotations de Weber dans son exemplaire de l’essai de Georg Simmel «Schopenhauer et Nietzsche». Il est d’abord montré que Max Weber s’est beaucoup intéressé à cette morale puis comment il l’a thématisée dans ses écrits. La dernière partie se réfère entre autres à la conférence La profession et la vocation de politique (Politik als Beruf) pour étayer la thèse selon laquelle la morale de la distinction constitue pour Weber une caractéristique des politiciens qui sont «les vrais chefs».

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Notes

  1. Detlev Peukert (1989, S. 157) hat bereits vor Jahrzehnten darauf aufmerksam gemacht, dass eine vertiefende Untersuchung über Webers Auseinandersetzung mit Nietzsches Moral der Vornehmheit fehlt. An diesem Umstand hat sich nichts geändert. Jene Autoren, welche Webers Bezugnahme auf Nietzsches Vornehmheitsmoral ansprechen, belassen es meist bei der Erwähnung: Eine Analyse dieser Bezugnahme gibt es nicht (Peukert 1989, S. 27 ff.; Hanke 1993, S. 197 f.; Jacobsen 1999, S. 161; Sukale 2002, S. 500; Fleury 2005, S. 813 f.; Pape 2017, S. 18). Selbst jene Interpreten, die sich verhältnismäßig umfangreich über die Beziehung zwischen Weber und Nietzsche äußern, handeln das Thema bloß am Rand ab (Hennis 1987, S. 172 ff.; Schluchter 1996a, S. 169 ff.; Lichtblau 1996, S. 134 ff.; Kim 2002, S. 390 f.) – über die Feststellung, dass die Moral der Vornehmheit für Weber von Interesse sei, geht es auch hier kaum hinaus. Nebenbei gesagt: Simmels Auseinandersetzung mit Nietzsches Moral der Vornehmheit ist besser erforscht (Lichtblau 1984; Schluchter 1996a; Häußling 2000; Stäheli 2018).

  2. Zumindest eine Vielzahl japanischer Weberforscher sind allem Anschein nach dieser Überzeugung: Rund jeder dritte Besucher der nachgelassenen Privatbibliothek kommt aus Japan.

  3. Zumindest wird dieser Zusammenhang bei einschlägigen Interpreten von Politik als Beruf, bei Ralf Dahrendorf (1992, S. 85–94), Wolfgang Schluchter (1996b, S. 59 ff.) oder Etienne de Villiers (2018, S. 19–45), nicht thematisiert.

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Marty, C. Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß. Max Weber zur Moral der Vornehmheit. Berlin J Soziol 29, 327–337 (2019). https://doi.org/10.1007/s11609-020-00398-3

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