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Die Finanzkrise und ihre Folgen

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Notes

  1. Seitenangaben ohne Namensnennung verweisen auf den jeweils besprochenen Band; ein Wechsel der Autorenreferenz wird mit Namen und Seitenzahl gekennzeichnet.

  2. Das haben sie allerdings viel seltener getan, als Barbera hier unterstellt; siehe unten.

  3. Die Diskrepanz zwischen dem Preisanstieg für Wohnimmobilien und der Einkommensentwicklung lässt sich als ein Indikator für die zunehmende Verschuldung der privaten Haushalte lesen.

  4. „Money mutual funds“ sind als spezifisch US-amerikanische Finanzunternehmen in Konkurrenz zu den „Savings & Loan“-Banken entstanden, als bei den hohen Inflationsraten der 1970er Jahre die letzteren durch die gesetzliche Zinsdeckelung keine attraktiven Zinsen auf Depositen mehr anbieten konnten. Bei den „money mutual funds“ kann das Publikum, anstatt Depositen einzuzahlen, zinstragende Anteile kaufen, mit denen man aber wie mit einem Depositenkonto seinen Zahlungsverkehr abwickeln kann. Das funktioniert, solange ein für einen Dollar gekaufter Anteil einen Dollar wert bleibt (kein „breaking the buck“, siehe unten). Den Fonds gelingt das, indem sie die gesammelten Gelder kurzfristig zinstragend anlegen. Als Lehman 2008 Pleite ging, zog das jedoch den „Reserve Primary Fund“, der Lehman fast 800 Mio. $ geliehen hatte, mit in den Abgrund: „Breaking the buck“, dass der Wert eines Fondanteils unter einen Dollar fiel, führte sofort dazu, dass die Anteilseigner aus Furcht vor höheren Verlusten ihr Geld abzogen – mit Ansteckungseffekten bei den andern „money market funds“ (Admati und Hellwig, S. 62 f.).

  5. Vgl. Barofsky, S. 82 f., für eine nicht-technische Darstellung des „tranching“.

  6. Es ist ein zu vielen Missverständnissen führender, aber gut eingebürgerter semantischer Unfall, wenn dem Finanzwesen, also dem Zahlungs- und Kreditverkehr, immer wieder die sogenannte „Real“-Ökonomie gegenübergestellt wird. Soll damit das Finanzwesen als etwas Irreales abgetan werden? Tatsächlich sind Geld und Kredit nicht weniger real als der Rest der Ökonomie, den es ohne Geld und Kredit schlicht nicht geben würde. Wahrscheinlich hat der irreführende Sprachgebrauch seine Wurzeln in der Theorietradition, die das Geld als bloßen „Schleier“ über den Tauschverhältnissen sieht und als unwesentlich aus der Theorie ausklammert. Eine zweite mögliche Wurzel wäre, dass hinter der Redeweise von der „Real“-Ökonomie die romantische Sehnsucht nach einer geldlosen Vergemeinschaftung steckt.

  7. Nach der Fertigstellung dieser Rezension hat er sogar den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten, aber hoffentlich doch nicht für sein letztes Buch.

  8. Man kann den wunden Punkt im Geldverständnis auch mit Admati und Hellwig (S. 294, Fußnote 10) formulieren: Wenn ich ein Guthaben von 100 € bei der Bank habe, schuldet mir die Bank 100 €. Wenn ich die 100 € bar in der Tasche habe, schuldet mir niemand etwas. Modernes Zentralbankgeld hat keine „Deckung“. Wer das trotzdem glaubt, verwechselt das moderne Geldsystem mit älteren, z. B. Goldwährungssystemen.

  9. Die Idee, dass auch nur irgendein Element von Finanzgeschäften „riskless“ sein könne, ist zwar abwegig, aber gehört anscheinend trotzdem zum Standardrepertoire der Finanzwissenschaft. So behauptet auch Gorton, „US-treasury bills“ seien die ideale Deckung für Kreditzahlungsmittel, weil sie „riskless“ seien.

  10. Gorton spricht von „asset backed commercial paper“ (S. 50 f.), während es im Bericht der Financial Crisis Inquiry Commission heißt: „Commercial paper was unsecured corporate debt – meaning that it was backed not by a pledge of collateral but only by the corporation’s promise to pay. These loans were cheaper because they were short-term – for less than nine months, sometimes as short as two weeks and, eventually, as short as one day; the borrowers usually ‚rolled them over‘ when the loan came due, and then again and again“ (FCIC 2011, S. 30).

  11. Eine wirtschaftssoziologische Kritik an der verbreiteten Auffassung, alles Geld sei Kredit, findet sich in Ganßmann (2011).

  12. „Too big to fail“ bedeutet: Wenn eine solche Bank von Insolvenz bedroht ist, schreitet der Staat als Retter ein. Das bedeutet wiederum, dass eine solche Bank, mit einer impliziten Staatsgarantie ausgestattet, zu günstigeren Konditionen Geld leihen kann als andere, was wiederum zur Folge hat, dass sie höhere Risiken eingeht: „moral hazard“. Gorton behauptet, es gäbe kein „moral hazard“-Verhalten und kein „too big to fail“-Problem, weil die Banken ihre „risk-taking decisions“ nicht koordinieren könnten. Ohne Koordination gingen sie aber das Risiko ein, nicht gerettet zu werden, weil „bailouts“ nur in einer allgemeinen Krise angesagt seien, nicht aber bereits beim Bankrott einer einzelnen Bank (S. 149 f.). Dem lässt sich mit Minsky entgegenhalten, dass schon eine Periode der Prosperität genügt, um verbreitet Risikoaversion abzubauen, völlig ohne explizite Koordination.

  13. Inzwischen liegt auch eine deutsche Übersetzung des Buches vor unter dem Titel Des Bankers neue Kleider. Was bei Banken wirklich schiefläuft und was sich ändern muss.

  14. Die wissenschaftlichen Überlegungen und Verweise, mit denen sie ihre Argumentation absichern, stecken im sehr umfangreichen Anmerkungsteil des Buches.

  15. „Banks have steadily reduced the amount of capital needed. This is technological progress in the production of bank debt for trading purposes“ (Gorton, S. 162).

  16. Da es um Schulden geht, geht es wohl um Zahlungsversprechen der Schuldner. Der Ausdruck „Kapitalisierung“ bezieht sich darauf, dass man jeden Einkommensstrom so betrachten kann, als sei er der Ertrag eines – häufig fiktiven – Kapitals (Beispiel: Humankapital). Aber wie und warum sollte man Versprechungen kapitalisieren? Ein Schuldner verspricht einen Zahlungsstrom für Zinsen und Tilgung. Oder geht es um das Wachstumsversprechen? Auch dabei hat Kapitalisierung keinen Sinn.

  17. Erinnert sei an die Diskussion in den 1980er Jahren über die strukturelle Abhängigkeit des Staates vom Kapital, in der die Frage der Kollektivakteursbildung aufgenommen wurde (Przeworski und Wallerstein 1988).

  18. Michal Kalecki (1943), auf den sich Streeck mitunter bezieht, hat versucht zu zeigen, dass das Hochspielen der Frage des „Vertrauens“ von Investoren und die Verdammung von Inflation und Staatsverschuldung der Abwehr von defizitfinanzierten Vollbeschäftigungsstrategien dienen. Letztere sind zwar für die Unternehmen gewinnträchtig, implizieren aber gegenüber den Beschäftigten Kontrollverluste, weil denen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten offenstehen.

  19. Eine Ironie der jüngsten deutschen Wirtschaftsgeschichte ist, dass ausländische Investoren in Deutschland höhere Renditen erzielt haben als deutsche Investoren im Ausland (Klär et al. 2013; Bach et al. 2013).

  20. Michael Lewis (2011, S. 145) hat den Unterschied mit Bezug auf Deutschland so formuliert: „In the moment of temptation Germany became something like a mirror image to Iceland and Ireland and Greece – and the United States. Other countries used foreign money to fuel various forms of insanity. The Germans, through their bankers, used their own money to enable foreigners to behave insanely.“

  21. Einer Schätzung des DIW (Bach et al. 2013, S. 12) zufolge verloren deutsche „Anleger“ 600 Mrd. € ihres im Ausland angelegten Vermögens zwischen 2006 und 2012. Das entspricht 22 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Ein großer Teil der nicht zuletzt durch Lohnzurückhaltung im Inland erzielten Leistungsbilanzüberschüsse wurde schlicht spekulativ verheizt, sodass das Nettoauslandsvermögen von 2011 sich wieder auf dem Niveau von 2005 befand. Eine alternative Schätzung von Erik Klär et al. (2013, S. 196) ergibt für Ende 2012 nach der Erholung aus der Krise immer noch ein Zurückbleiben des deutschen Nettoauslandsvermögens hinter den kumulierten Leistungsbilanzüberschüssen von rund 270 Mrd. € (entspricht 10 % des BIP). Die Wirtschaftspolitik des Export(vize)weltmeisters führt zu einer „Anhäufung finanzieller Forderungen gegenüber dem Rest der Welt“, die großen Bewertungsschwankungen unterliegen und von denen niemand weiß, ob sie im Endeffekt tatsächlich bedient werden. Klär et al. sprechen – vor dem Hintergrund einer im Trend sinkenden Lohnquote und eines in der EU nur von Litauen übertroffenen Anteils von Niedriglohnbeschäftigten – freundlich von einer „beträchtlichen Fehlallokation“.

Literatur

  • Admati, A., & Hellwig, M. (2013). The bankers’ new clothes. What’s wrong with banking and what to do about it. Princeton: Princeton University Press.

  • Bach, S., Baldi, G., Bernoth, K., Bremer, B., Farkas, B., Fichtner, F., Fratzscher, M., & Gornig, M. (2013). Wege zu einem höheren Wachstumspfad. DIW Wochenbericht, Nr. 26, 6–17.

  • Bair, S. (2012). Bull by the horns. Fighting to save Main Street from Wall Street and Wall Street from itself. New York: Free Press.

  • Barbera, R. J. (2009). The cost of capitalism. Understanding market mayhem and stabilizing our economic future. New York: McGraw-Hill.

  • Barofsky, N. (2012). Bailout. An inside account how Washington abandoned Main Street while rescuing Wall Street. New York: Free Press.

  • Deutschmann, C. (2013). Warum tranken die Pferde nicht? Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.09.2013, Nr. 223, S. N4.

  • FCIC (Financial Crisis Inquiry Commission). (2011). Financial crisis inquiry report. Washington, DC: Government Printing Office.

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  • Gorton, G. B. (2010). Slapped by the invisible hand: The panic of 2007. Oxford: Oxford University Press.

  • Gorton, G. B. (2012). Misunderstanding financial crisis. Why we don’t see them coming. Oxford: Oxford University Press.

  • Hellwig, M. (2008). Systemic risk in the financial sector: An analysis of the subprime-mortgage financial crisis. https://www.coll.mpg.de/pdf_dat/2008_43online.pdf. Zugegriffen: 28. Nov. 2013.

  • Kalecki, M. (1943). Political aspects of full employment. Reprint in E. K. Hunt, J. G. Schwartz (Hrsg.) (1972), A critique of economic theory (S. 420–430). Harmondsworth: Penguin.

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  • Streeck, W. (2013). Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus. Berlin: Suhrkamp.

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Ganßmann, H. Die Finanzkrise und ihre Folgen. Berlin J Soziol 23, 521–542 (2013). https://doi.org/10.1007/s11609-013-0231-6

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