Zusammenfassung
Die Beschäftigungsstabilität und die Möglichkeiten, hochqualifizierte Dienstleistungen extern zu flexibilisieren, werden in der gegenwärtigen Diskussion zum Arbeitsmarktwandel sehr gegensätzlich beurteilt. Anknüpfend an diese aktuelle Kontroverse analysieren wir das Wechselspiel zwischen Organisation und Kunden als integralen Bestandteil hochqualifzierter Dienstleistungen und arbeiten die Auswirkungen auf die Beschäftigung systematisch heraus. Die Ergebnisse unserer Untersuchung im Bereich der IT-Dienstleistungen zeigen, dass die kontinuierlichen Eingriffe des Kunden in den Prozess der Leistungserstellung einen sich ständig ändernden Kompetenzbedarf und damit erheblichen Flexibilisierungsbedarf auslösen. Gleichzeitig gewinnt das kunden- und organisationsspezifische Kontextwissen an Bedeutung und erfordert eine langfristige Stabilisierung von Beschäftigung. Die resultierenden widersprüchlichen Anforderungen an die betrieblichen Beschäftigungsstrategien stellen jedoch die etablierte Unterscheidung zwischen internen und externen Flexibilisierungsstrategien infrage und verweisen auf umfassende Versuche der Unternehmen, externe Beschäftigte wie freie Mitarbeiter langfristig zu binden.
Abstract
Recent research about regular employment in core areas of high qualified service work in Germany yields contradictory findings about continuities and changes in employment stability. In addressing current debates about changing employment relations, this paper examines how organizational change and the role of customers in service work interact to shape employer demands for more flexible employment. The results of a qualitative study of employment practices in one branch of qualified service work, IT services, shows how clients’ intervention into the production process affects skill demand and firms’ use of flexible employment. At the same time, a pronounced client orientation precipitates the need for context-specific knowledge and stability of employment. The resulting employment strategies aim at developing long-term relations with free-lancers and other short-term workers. These new employment practices call into question the well-accepted distinction between internal and external forms of employment flexibility.
Résumé
La stabilité de l’emploi et les possibilités de flexibilisation externe des services hautement qualifiés font l’objet de jugements contradictoires dans la discussion actuelle sur les transformations du marché du travail. En écho à ce débat, nous analysons l’interaction entre organisation et client comme faisant partie intégrante des services hautement qualifiés et mettons en évidence de manière systématique ses effets sur l’emploi. Les résultats de notre étude dans le domaine des services informatiques montrent que les interventions incessantes du client dans le processus d’élaboration de la prestation ont pour effet de modifier en permanence les besoins en compétences, créant ainsi un besoin considérable de flexibilité. Dans le même temps, la connaissance du contexte spécifique au client et à l’organisation gagne en importance, exigeant une stabilisation de l’emploi sur le long terme. Ces exigences contradictoires auxquelles sont soumises les stratégies d’emploi des entreprises remettent cependant en question la distinction établie entre stratégies de flexibilisation interne et externe et participent des tentatives des entreprises visant à fidéliser les employés externes tels que les collaborateurs indépendants sur le long terme.
Notes
Wissensintensive Dienstleistungen zeichnen sich durch einen hohen Stellenwert komplexen Wissens für die Leistungserstellung, hochqualifizierte Beschäftigte und einen im Vergleich zum Humankapital geringen Sachkapitaleinsatz aus (von Nordenflycht 2010).
Die untersuchten Projekte wurden durch ein Netzwerk von Partnerunternehmen bearbeitet. In diesen Projektkooperationen waren mindestens drei Unternehmen involviert. Um die zentrale Bedeutung des Kunden für die Flexibilisierung, aber auch Stabilisierung von Beschäftigung herauszuarbeiten, werden wir in diesem Artikel exemplarisch ein Projektnetzwerk aus der Softwareentwicklung herausgreifen. In dem IT-Projektnetzwerk wurde eine Multimediaplattform für einen Großkunden entwickelt. Das Forschungsvorhaben wurde vom BMBF im Rahmen des Förderschwerpunktes „Innovative Arbeitsgestaltung – Zukunft der Arbeit“ im Zeitraum von 2003–2007 gefördert (FKZ: 01HU0128).
Die Interviewpassagen sind von uns systematisch anonymisiert worden. Der hinter jeder Interviewsequenz angegebene Anonymisierungscode beinhaltet die Position der Interviewperson in den Projekten, die Branche, die Unternehmenszugehörigkeit sowie die Angabe der Fallstudie. Eine ausführliche Codetabelle zu den Fallstudien ist bei Shire et al. (2007, S. 287 ff.) zu finden.
Eine Ausnahme sind hier die Untersuchungen zur Film- und Kreativwirtschaft beispielsweise von Blair (2001) sowie Jones und Walsh (1997). Diese Studien zielen jedoch stärker auf Alleinstellungsmerkmale dieser Branche als auf eine Verortung im Spektrum von organisationalen Flexibilisierungsstrategien und der Forschung zum Arbeitsmarkt ab.
Diese Beschäftigten werden dabei auf Basis eines Subunternehmer- oder Arbeitnehmerüberlassungsvertrages oder auf der Grundlage von informellen Vereinbarungen in die Projekte eingebunden.
Ähnliche Beschäftigungspraktiken wurden bei der länderübergreifenden Aussendung von IT-Kräften durch indische Unternehmen beobachtet (Biao 2007, S. 4 ff.). Diese Praktiken wurden bislang nur aus transnationaler Perspektive untersucht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Flexibilisierungsstrategien in ähnlicher Weise auch in nationalen Arbeitsmärkten auftreten. Allerdings sind im Gegensatz zu den transnationalen Fällen die Beschäftigungsbeziehungen deutlich stabiler, und die benötigten Beschäftigten werden auch für hochqualifizierte und anspruchsvolle Tätigkeiten rekrutiert.
Die ersten Ergebnisse des derzeit vom BMBF/ESF geförderten Forschungsprojektes „FLEXMEDIA“ (FKZ: 01FH09008) zur Verlagsindustrie stützen eindeutig diese Befunde. Auch hier haben „Freie“ projektüberdauernde Beziehungen zu den Unternehmen, und die Kundenbindung hat einen starken Einfluss auf die Stabilisierung von Beschäftigung.
Nicht selten wird Freelancern ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis in den Unternehmen angeboten. Häufig wird dies allerdings von den Beschäftigten selbst abgelehnt, was unterstreicht, dass die Beschäftigungsbeziehungen als sehr stabil empfunden werden.
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Tünte, M., Apitzsch, B. & Shire, K. Neue Beschäftigungsstrategien jenseits von externer und interner Flexibilisierung. Berlin J Soziol 21, 363–381 (2011). https://doi.org/10.1007/s11609-011-0161-0
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