Zusammenfassung
Das deutsche Bildungssystem erlaubt über allgemeinbildende und berufliche Schulen eine Vielfalt von Bildungswegen zu schulischen Abschlüssen. Im vorliegenden Beitrag wird mithilfe einer Vignettenstudie die Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern mit Haupt-, mittlerem Schulabschluss und Studienberechtigung von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen für ein Bewerbungsgespräch für einen dualen Ausbildungsberuf experimentell untersucht. Auf der Grundlage eines Signalling-Ansatzes wurden fünf Hypothesen zur Signalwirkung von Schulabschluss, Schulart und des mit einem Schulabschluss erworbenen allgemeinbildenden vs. berufspraktischen Wissens entwickelt. Der Datensatz umfasst 884 Personalrekrutierende in Unternehmen mit anspruchsgeringen (mehr als die Hälfte der Auszubildenden verfügt höchstens über den mittleren Schulabschluss) und 1308 Rekrutierende in Unternehmen mit anspruchshohen Ausbildungsberufen (mehr als die Hälfte der Auszubildenden verfügt mindestens über einen mittleren Abschluss). Die Ergebnisse zeigen für beide Segmente, dass die deutlichste Signalwirkung auf die Einschlägigkeit des berufspraktischen Wissens entfällt: Die besten Chancen auf eine Einladung hatten Bewerber mit einem Schulabschluss von einer beruflichen Schule in einem für den Ausbildungsberuf einschlägigen Berufsfeld, während die geringsten Chancen Bewerber mit einem Schulabschluss von einer beruflichen Schule in einem für den Ausbildungsberuf distalen Berufsfeld hatten.
Abstract
The German education system includes a variety of educational pathways to school-leaving qualifications via general and vocationally oriented schools. This article presents a vignette study used to experimentally analyse the selection of applicants from general and vocationally oriented schools with a lower secondary school–leaving certificate (Hauptschulabschluss), intermediate secondary school–leaving certificate (mittlerer Schulabschluss), or university entrance qualification ([Fach-]Hochschulreife) for an interview for a vocational training option in a company. Based on a signalling approach, five hypotheses were developed on the signalling effect of school-leaving qualification, school type, and the general vs. vocational knowledge acquired in the various pathways. The data set comprises 884 recruiters in companies with low-level vocational training options (where more than half of the trainees have, at most, an intermediate school-leaving certificate) and 1308 recruiters in companies with high-level vocational training options (where more than half of the trainees have at least an intermediate school-leaving certificate). The results show for both segments that the clearest signalling effect is attributable to vocational knowledge: Applicants with a school-leaving certificate from a vocationally oriented school in an occupational field relevant to the vocational training option have the best chances of being invited for an interview, whereas applicants with a school-leaving certificate from a vocationally oriented school in an occupational field distal to the vocational training option have the lowest chances.
1 Einleitung
Ein erfolgreicher dualer Ausbildungsabschluss verheißt gute Einstellungschancen und ein stabiles Einkommen (Autor:innengruppeFootnote 1 Bildungsberichterstattung 2022, S. 172) und ist damit eine attraktive Option. Auch wenn derzeit die Relation zwischen Nachfrage und Ausbildungsstellenangebot ausgeglichen ist, gibt es jährlich zwischen 70.000 und 80.000 unvermittelte Bewerber (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022). Eine Reihe von Merkmalen beeinflusst die Chance, in eine Ausbildung einzumünden. Eines der wichtigsten Merkmale ist Bildung. So gehen mit höheren Abschlüssen auch bessere Ausbildungschancen insgesamt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, S. 167; Fossati et al. 2020; Nennstiel 2021; Beicht und Walden 2014) sowie bessere Chancen auf attraktivere Ausbildungsberufe mit höheren Gehalts- und Aufstiegschancen einher (Nennstiel 2021; Protsch und Solga 2015; Seeber 2011). Vor diesem Hintergrund sollte es sich lohnen, einen möglichst hohen Schulabschluss zu erwerben und ihn, sollte dies nicht im ersten Anlauf erfolgreich sein, nachzuholen. Da das deutsche Schulsystem äußerst variantenreich ist (siehe Abb. 1) und ein Schulabschluss auf sehr verschiedenen Wegen erreicht werden kann, stellt sich für diesen Beitrag die zentrale Frage, ob für die Chancen auf eine duale Ausbildung der Weg zum Schulabschluss von Bedeutung ist.
In allen Bundesländern können vier allgemeinbildende Schulabschlüsse erworben werden (in diesem Beitrag als Hauptschulabschluss, mittlerer Schulabschluss, Fachhochschulreife und allgemeine Hochschulreife bezeichnet), die sich in ihrem curricularen Anspruchsniveau unterscheiden. Die Wege zu diesen Abschlüssen sollen im Folgenden kurz skizziert werden (Abb. 1). Das Schulsystem ist in den meisten deutschen Bundesländern in der Sekundarstufe I durch eine (erweiterte) Zweigliedrigkeit geprägt, die durch Schularten mit zwei Bildungsgängen charakterisiert ist, die lediglich zum Haupt- oder mittleren Schulabschluss führen und Schularten mit gymnasialer Oberstufe (Gymnasium und Gesamtschule), die zur allgemeinen Hochschulreife führen (vgl. z. B. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022). Zudem kann auch der schulische Teil der Fachhochschulreife in einigen Bundesländern an Gymnasien und Gesamtschulen erworben werden. Für Schüler, die eine allgemeinbildende Schulart der Sekundarschule I mit einem Abschluss unterhalb der allgemeinen Hochschulreife verlassen, werden mit teilqualifizierenden beruflichen Bildungsgängen Optionen angeboten, an denen alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse nachgeholt werden können. So können z. B. in allen Bundesländern (mit einigen Variationen) der Haupt- und der mittlere Schulabschluss in ein- oder zweijährigen Bildungsgängen an Berufsfachschulen, die Fachhochschulreife in ein- bis zweijährigen Bildungsgängen an Fachoberschulen und die allgemeine Hochschulreife in dreijährigen Bildungsgängen an beruflichen Gymnasien erworben werden. Die formale Vergleichbarkeit von gleichnamigen Schulabschlüssen wird durch Bildungsstandards und Vereinbarungen der Kultusminister gesichert (z. B. Kultusministerkonferenz 2001, 2003, 2006).
Der Schulartübergang nach der Grundschule legt den höchsten erreichten Schulabschluss somit nicht fest, sondern dieser ist das Ergebnis von Entscheidungen, die am Ende der Sekundarstufe I getroffen werden. In der Literatur wird diese Situation unterschiedlich gerahmt. Einerseits wird der Einfluss äußerer Zwänge wie der Ausbildungsmarksituation oder der Schulsystemstrukturen auf diese Entscheidung betont. In dieser Sichtweise reagieren Schüler auf einen Ausbildungsstellenmangel mangels anderer Optionen mit einem Ausweichen in teilqualifizierende berufliche Bildungsgänge (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012; Schmidt 2011) oder sind machtlos gegenüber der hierarchischen Signalwirkung von Schularten für Ausbildungsbetriebe (Schuchart 2007, 2011). Andererseits wird hervorgehoben, dass Schüler aktive Gestalter ihrer eigenen Bildungskarrieren sind (Rahn et al. 2015), die verschiedene Abschlussoptionen im Schulsystem rational zu nutzen wissen (Schuchart und Schimke 2019; Dumont et al. 2017). Der Beitrag möchte zu dieser Kontroverse beitragen, indem er systematisch prüft, wie sich die dualen Ausbildungschancen von Schülern mit nach Schularten variierenden Abschlüssen darstellen. Eine duale Ausbildung zeichnet sich dadurch aus, dass die schulische Ausbildung an einer Berufsschule zeitgleich mit einer praktischen Ausbildung in einem dualen Ausbildungsbetrieb erfolgt. Ausbildungsinteressenten müssen sich bei Ausbildungsbetrieben bewerben. Die Ausbildungsabschlüsse sind bundesweit anerkannt, die Übernahmequoten der Betriebe vergleichsweise hoch und die Arbeitslosigkeitsanteile unter Absolventen einer dualen Ausbildung gering (Protsch und Solga 2019; Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022).
Unsere Studie bearbeitet folgende Forschungsdefizite: 1) In der vorliegenden Literatur gibt es keine Studie, die einen umfassenden Vergleich zu den Verwertungschancen denkbarer Bildungskarrieretypen im deutschen Schulsystem beinhaltet. Vorliegende Vergleiche sind immer limitiert, bspw. indem sie sich nur auf das allgemeinbildende Schulsystem beziehen (z. B. Becker et al. 2020; Dumont et al. 2017), auf eine bestimmte Schulabschlussart (Schindler et al. 2023) oder indem sie sich mit ausgewählten Varianten des Nachholens von Schulabschlüssen im beruflichen Schulsystem im Vergleich mit dem Erwerb gleicher oder anspruchsgeringerer Schulabschlüsse des allgemeinbildenden Schulsystem befassen (Schuchart und Schimke 2019; Rahn und Fuhrmann 2023). Ein umfassender Vergleich von Schulabschlüssen, die auf allgemeinbildenden als auch beruflichen Schulen erworben wurden, liegt bisher nicht vor und soll im vorliegenden Beitrag am Beispiel der Chancen von Abgängern mit mittlerem Schulabschluss, Fachhochschulreife und allgemeiner Hochschulreife auf eine duale Ausbildung unternommen werden.
2) Studien zur Ausbildungs- und Berufseinmündung von Bewerbern mit unterschiedlichen Bildungskarrieren unterscheiden in der Regel nicht nach Effekten der Anbieter- und der Nachfrageseite. Für Effekte, die für Abgänger beruflicher Bildungsgänge (Schuchart 2007, 2011; Capsada-Munsech und Boliver 2021 (England); Heiskala et al. 2021 (Finnland); Birkelund et al. 2021 (Dänemark)) oder von Gymnasialabgängern aus einem Bildungsgang mit geringeren Mathematikanteilen (Heiskala et al. 2021) im Vergleich zu gleichqualifizierten Abgängern anderer Schularten oder curricularer Profile gefunden wurden, ist nicht klar, ob sie durch Selbstelimination der Bewerber oder durch das Auswahlverhalten von Betrieben verursacht wurden. Studien, die Selbst- von Fremdselektionseffekten unterscheiden können (z. B. Fossati et al. 2020; Protsch und Solga 2015), differenzieren wiederum nicht systematisch nach Schulabschluss- und Schularteffekten. Die vorliegende Studie prüft im Rahmen einer Vignettenstudie experimentell die Effekte von Schulabschluss und Herkunftsschulart auf die betriebsseitige Auswahl von Bewerbern für ein Vorstellungsgespräch auf eine duale Ausbildung.
3) Schüler, die einen Schulabschluss an einer teilqualifizierenden beruflichen Schule nachholen, erreichen im Schnitt schlechtere Leistungen als gleichqualifizierte Schüler allgemeinbildender Schulen (Harney und Fuhrmann 2010; Leucht et al. 2016). Allerdings erwerben Schüler beruflicher Schulen zusätzlich berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten in einem bestimmten Berufsfeld. Es stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang Defizite allgemeinbildenden Wissens durch berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten kompensiert werden können. Während einige Studien die Überlegenheit allgemeinbildender gegenüber beruflichen Kompetenzen für die Berufskarriere herausstellen (Brunello und Rocco 2017; Goldsteyn und Stenberg 2017; Hanushek et al. 2015), liegt für Deutschland bisher keine Studie vor, die für die Ausbildungschancen einen systematischen Vergleich von Abschlüssen mit und ohne zusätzlichen Erwerb beruflicher Kenntnisse untersucht. Die wenigen vorliegenden Studien mit Berücksichtigung beruflicher Kenntnisse vergleichen unterschiedliche Abschlussniveaus (Rahn und Fuhrmann 2023) oder verzichten auf die Untersuchung verschiedener Karrieretypen (Solga und Kohlrausch 2013), sodass nicht klar ist, ob berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten Mängel an allgemeinbildendem Wissen ausgleichen können. Die vorliegende Studie vergleicht gleich- und unterschiedlich qualifizierte Schüler mit und ohne berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten.
Im Folgenden werden zunächst die Studien berichtet, die Ergebnisse zur Frage nach der Verwertbarkeit verschiedener Bildungskarrieren erbracht haben (Abschn. 2.1). In den Abschn. 2.2–2.4 werden systematisch die theoretischen Grundlagen entwickelt, auf denen die Hypothesen fußen (Abschn. 2.5). Nach der Vorstellung unseres methodischen Ansatzes (Abschn. 3) berichten wir die Ergebnisse (Abschn. 4), die wir in Abschn. 5 diskutieren.
2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.1 Empirische Studien
Zur Frage, inwieweit die Art der Bildungskarriere anschließende Ausbildungschancen beeinflusst, liegen wenige, teilweise aber heterogene Befunde vor. Für Deutschland haben Dumont et al. (2017) gezeigt, dass die allgemeinbildende Herkunftsschulart auf die Überzeugungen zu Ausbildungschancen von Schulabgängern mit mittlerem Schulabschluss keinerlei Einfluss hat und diese in jedem Fall höher sind als die Überzeugungen von Schülern der gleichen Herkunftsschulart, aber mit Hauptschulabschluss. Hier wird jedoch nicht untersucht, ob sich dies auch tatsächlich in schulartunabhängigen Ausbildungschancen niederschlägt. Vorliegende Studien zur Ausbildungseinmündung berücksichtigen in der Regel nicht Herkunftsschulart und Schulabschluss gleichzeitig, sondern verweisen für jeweils eines der beiden Merkmale getrennt auf steigende Ausbildungschancen mit steigendem Niveau des Abschlusses (Nennstiel 2021; Seeber 2011) oder der Herkunftsschulart (Fossati et al. 2020; Sullivan et al. 2018).
Einige Studien betrachten die Arbeitsmarktergebnisse von zum gleichen Abschluss führenden Schularten oder Bildungsgängen. Keine Differenzen im sozioökonomischen Status, dem Einkommen und der Karriereentwicklung finden für Deutschland Schuchart und Schimke (2019) und Becker et al. (2020) für Ausbildungsabgänger, die die allgemeine Hochschulreife in unterschiedlichen Bildungsgängen erworben haben. Sehr geringe Differenzen im späteren sozioökonomischen Status identifizieren Heiskala et al. (2021, Finnland) für Gymnasialabgänger mit unterschiedlichen Mathematikanteilen im Curriculum. Die Ergebnisse von Capsada-Munsech und Boliver (2021, England) für Abgänger mit Studienberechtigung und unterschiedlichen Anteilen beruflicher Bildung verweisen auf Nachteile für beruflich qualifizierte Abgänger mit und ohne universitärem Abschluss (vgl. auch Birkelund et al. 2021; Heiskala et al. 2021). Relativ eindeutig ist hingegen, dass ein höherer Schulabschluss, unabhängig vom Bildungsweg, mit besseren Arbeitsmarktergebnissen im Vergleich zu jenen korrespondiert, die diesen Abschluss nicht erworben haben (Rahn und Fuhrmann 2023; Heiskala et al. 2021; Birkelund et al. 2021; Capsada-Munsech und Boliver 2021; Schuchart und Schimke 2019; eingeschränkt auch Becker et al. 2020).
Nicht geklärt ist dessen ungeachtet, inwieweit die Entscheidung, eine Schulart nicht mit dem höchstmöglichen Schulabschluss zu verlassen (z. B. das Gymnasium mit einem mittleren Abschluss anstelle der allgemeinen Hochschulreife) einen Vor- oder Nachteil gegenüber gleichqualifizierten Abgängern anderer Sekundarschularten oder beruflicher Bildungsgänge darstellt. Lediglich Heckman und Rubinstein (2001) sowie Heckman et al. (2006) zeigen für die USA, dass 30-Jährige, die die High-School abgebrochen haben, denen aber High-School-äquivalente Kenntnisse bescheinigt wurden, niedrigere Löhne erzielen als High-School-Absolventen.
Unser Ziel ist es, Absolventen mit verschiedenen allgemeinbildenden und beruflichen Bildungswegen zum mittleren Abschluss, zur Fachhochschulreife und zur allgemeinen Hochschulreife hinsichtlich ihrer Ausbildungschancen zu vergleichen. Im Folgenden entwickeln wir theoretische Überlegungen, die uns zu Hypothesen für diese Vergleiche führen.
2.2 Schulabschlüsse als Signale
In der Forschung zum Auswahlverhalten von Betrieben hat es sich etabliert, die zu Beginn des Auswahlprozesses in Bewerbungen vorliegenden Informationen als „Signale“ zu verstehen (Fossati et al. 2020; Protsch und Solga 2015; Van Belle et al. 2020). Dieses Verständnis geht auf die Signalling-Theorie zurück (Spence 1974), die davon ausgeht, dass Arbeitgeber über ein Informationsdefizit verfügen, da sie nicht wissen können, wie produktiv Bewerber tatsächlich sind. Sie greifen daher auf Informationen zurück, die die Produktivität von Bewerbern signalisieren – wie z. B. Schulabschlüsse. Sie gehen dabei von ihren Erfahrungswerten aus oder, wenn diese nicht vorliegen, von Annahmen zur Produktivität von Bewerbern mit bestimmten Merkmalen, die später dann an der Realität geprüft werden.
Auch in anderen Theorien wird ausgeführt, dass Arbeitgeber Bewerbungsinformationen im Sinne von Signalen interpretieren. So nimmt Thurow (1975) mit der Arbeitskräftewettbewerbstheorie an, dass Bewerber die nötigen Fähigkeiten für die Ausübung eines konkreten Jobs noch nicht mitbringen können und daher erst eingearbeitet werden müssen. Schulabschlüsse sind daher Signale für die „Trainierbarkeit“ („Trainability“) von Bewerbern, d. h. wie schnell und wie gut sie den neuen Herausforderungen gewachsen sind und sich einarbeiten lassen. Je nach Einschätzung der Trainierbarkeit werden Bewerber in eine „Arbeitskräfteschlange“ sortiert und haben unterschiedlich gute Chancen, den Arbeitsplatz zu bekommen. Andere Autoren nehmen an, dass Informationen, die sich aus Bewerbungen entnehmen lassen, gleichzeitig mehrere Eigenschaften signalisieren – neben Produktivität und Trainierbarkeit auch Signale zu non-kognitiven Fähigkeiten, wie leistungsbezogene Einstellungen und Motivation (Van Belle et al. 2020).
Für die Bewerberauswahl für eine duale Ausbildung ist es für Ausbildungsbetriebe relevant, Produktivität, Trainierbarkeit und non-kognitive Fähigkeiten einschätzen zu können. Auszubildende erhalten ein mit den Ausbildungsjahren steigendes Lehrlingsgehalt; sie sollen praktische Fähigkeiten erlernen, um schon während der Ausbildung zur Produktivität des Betriebs beitragen zu können. Darüber hinaus erwerben sie allgemeines und berufliches Wissen auf einer Berufsschule; auch hier sollen sie erwarten lassen, dass sie den Anforderungen gewachsen sind, da ein schulisches Scheitern zum Abbruch der Ausbildung führt. Schulabschlüsse eignen sich (neben Noten) als Signale für Produktivität, Trainierbarkeit und non-kognitive Fähigkeiten. So steigt die Wahrscheinlichkeit eines Ausbildungsabbruchs mit anspruchsgeringeren Schulabschlüssen (Rohrbach-Schmidt und Uhly 2015), wobei dies relativ unabhängig vom Ausbildungssegment gilt (Rohrbach-Schmidt und Uhly 2015, S. 127). Schulabschlüsse stehen entsprechend in einem Zusammenhang mit erfolgreicher Ausbildungseinmündung (Beicht und Walden 2014; Nennstiel 2021; Seeber 2011), wobei sich auch bei gleichen Noten ein höherer Schulabschluss vorteilhaft auswirkt (Fossati et al. 2020; Nennstiel 2021; Protsch und Dieckhoff 2011). Rahn und Fuhrmann (2023) können zeigen, dass das Nachholen der Fachhochschulreife zu besseren Ausbildungschancen führt als der Verzicht darauf.
Ergebnisse von Schuchart (2011) verweisen jedoch darauf, dass das Nachholen des mittleren Schulabschlusses auf einer beruflichen Schule nicht mit Vorteilen bei der Ausbildungseinmündung verbunden ist und geringere Chancen als der direkte Erwerb eines mittleren Schulabschlusses auf einer allgemeinbildenden Schule bietet (Schuchart 2011). Dahinter steht bei gleichem Abschluss möglicherweise eine differenzierte Signalwirkung von Schularten, worauf wir im Folgenden genauer eingehen.
2.3 Schularten als Signale
Obwohl einige jüngere Studien zu Arbeitsmarktergebnissen (Becker et al. 2020; Sullivan et al. 2018; Schuchart und Schimke 2019) nicht erkennen lassen, dass bei gleichen Schulabschlüssen zusätzliche Schularteffekte vorliegen, muss berücksichtigt werden, dass hier Erwachsene betrachtet werden, für deren berufliches Fortkommen eine Reihe weiterer Merkmale die Bedeutung von Bildung zunehmend abschwächt (Müller 2001). Die uns interessierende Ausbildungseinmündung folgt oft zeitnah im Anschluss an die Schulkarriere, sodass Ausbildungsbetrieben für die Auswahlentscheidung neben Bildungsmerkmalen nicht viele andere Merkmale zur Verfügung stehen. Theoretisch gehen wir zunächst davon aus, dass für Ausbildungsbetriebe die Schulart eine eigenständige Information darstellt und Schulabschlüsse im Kontext von Schularten, auf denen sie erworben wurden, interpretiert werden. Wir nehmen also an, dass auch die Herkunftsschulart ein Signal für Produktivität, Trainierbarkeit und non-kognitive Fähigkeiten, wie z. B. Motivation, darstellt, was wir im Folgenden erläutern.
Während abschlussbezogene Bildungsstandards vorgeben, welche Kompetenzen mit den einzelnen Abschlüssen erworben werden sollen, variiert das mittlere Leistungsniveau der Schüler nach Schulart. So lässt sich bei allgemeinbildenden Schularten bspw. folgende Hierarchie erkennen: Gymnasium – Realschule – integrierte Gesamtschule – Schulart mit mehreren Bildungsgängen (d. h. Haupt/Realschule) – Hauptschule (Prenzel et al. 2013). Schüler an beruflichen Gymnasien weisen (mit Ausnahme der technischen Gymnasien) weniger gute Leistungen auf als Schüler an allgemeinbildenden Gymnasien (Leucht et al. 2016). Vergleichswerte zu Schülern an beruflichen Bildungsgängen mit Abschlussziel unterhalb der allgemeinen Hochschulreife liegen kaum vor. Harney and Fuhrmann (2010) legen dar, dass ein großer Teil der Schüler an beruflichen Schulen auch mit Erwerb des mittleren Abschlusses nicht über die Lesekompetenzen verfügen, die für die Schüler der 9. Klasse an Gesamtschulen vorausgesetzt werden (vgl. Lehmann et al. 2006). Diese werden an beruflichen Schulen erst mit dem Erwerb der Fachhochschulreife oder der allgemeinen Hochschulreife erreicht (Lehmann et al. 2006). Das verweist darauf, dass Schüler mit einem Abschluss von beruflichen Schulen im Vergleich zu gleichqualifizierten Schülern allgemeinbildender Schulen einen deutlich geringeren Kompetenzstand aufweisen.
Die Herkunftsschulart gibt darüber hinaus auch Auskunft über bildungsbiografische Entscheidungen, was ebenfalls einen Signalwert haben dürfte. Dies sollte insbesondere für den mittleren Abschluss gelten, der an allen allgemeinbildenden Schularten erworben werden kann. Bewerber, die einen mittleren Abschluss erst auf einer teilqualifizierenden beruflichen Schule erwerben, signalisieren, dass Fähigkeiten und/oder Motivation nicht ausgereicht haben, um diesen Schritt bereits auf einer allgemeinbildenden Schule zu vollziehen. Der Erwerb eines mittleren Schulabschlusses auf einer beruflichen Schule wurde zudem lange Zeit als Zeichen dafür verstanden, dass die direkte Ausbildungseinmündung aufgrund mangelnder individueller Voraussetzungen nicht gelungen ist (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012; Schmidt 2011). Für die negative Signalwirkung sprechen Ergebnisse, die zeigen, dass das Nachholen des mittleren Schulabschlusses auch bei gleichen Noten sogar mit schlechteren Ausbildungschancen als der Verzicht darauf verbunden ist (Schuchart 2011). Dieser Befund zeigt sich jedoch nicht für den nachträglichen Erwerb der Fachhochschulreife auf einer beruflichen Schule, die zu günstigeren Ausbildungschancen als der mittlere Schulabschluss führt (Rahn und Fuhrmann 2023), sodass die Signalwirkung von Schularten auch abschlussspezifisch ausfallen könnte. Der nachträgliche Erwerb eines höheren Abschlusses an beruflichen Schulen ist zudem mit dem Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verbunden, denen wiederum ein eigener Signalwert zukommen sollte. Darauf gehen wir im Folgenden ein.
2.4 Berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten als Signal
Für den Erwerb beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten an beruflichen Schulen dienen berufsfeldspezifische Curricula und Praktika sowie die Arbeit in schuleigenen Werkstätten. Darüber hinaus ist der Erwerb der Fachhochschulreife ohne Berufsabschluss sowohl an allgemeinbildenden (Gymnasien, Gesamtschulen) als auch an beruflichen Schulen mit einem einjährigen Praktikum verbunden (Kultusministerkonferenz 2001). Der Übergang in einen teilqualifizierenden beruflichen Bildungsgang ist immer mit einer Entscheidung für ein bestimmtes Berufsfeld verbunden, wie z. B. „Holztechnik und Bau“ oder „Sozialwesen“.
Im internationalen Bereich sprechen einige Studien dafür, dass bei der Berufseinmündung allgemeine Bildung höher bewertet wird als berufliche Bildung (Brunello und Rocco 2017; Golsteyn und Stenberg 2017; Hanushek et al. 2015). Letztere steht für einsatzbereite, sich aber schnell abnutzende Fähigkeiten, während eine höhere Allgemeinbildung indiziert, dass sich Bewerber eher zukünftigen, noch unbekannten Herausforderungen zu stellen bereit sind und sich schneller an strukturelle und technische Veränderungen anpassen können. Für die zitierten Studien wurden nur Erwachsene untersucht. Für die Ausbildungseinmündung könnten berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten jedoch eine besonders positive Bedeutung haben, da es hier zunächst um einen begrenzten Zeitraum von maximal 3 Jahren geht, in dem die Anforderungen klar definiert sind. Praktische Erfahrungen sollten demnach zu einer schnelleren Einarbeitung und berufliche Kenntnisse zu einer besseren Anschlussfähigkeit an den berufsspezifischen Teil des schulischen Curriculums führen.
Entsprechend zeigen Studien, dass beruflich-praktische Grundkenntnisse bei Hauptschulabgängern den Ausbildungsabbruch verringern, vor allem, wenn sie an anspruchsvollen Aufgaben gewonnen wurden (Solga und Kohlrausch 2013). Die Bedeutung einschlägiger beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten zeigt die bereits erwähnte Studie von Rahn und Fuhrmann (2023): Die Einmündungschancen in eine Ausbildung sind höher, wenn die Ausbildung im Berufsfeld der Fachhochschulreife stattfindet als wenn dies nicht der Fall ist. Dieses Ergebnis wird durch Untersuchungen zur Arbeitsmarkteinmündung gestützt, die ergeben, dass bei gleichem Studienabschluss und gleichen Noten einschlägige praktische Erfahrungen zu einem größeren Erfolg bei der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch und bei der Einstellung führen (Van Belle et al. 2020; Weiss et al. 2014). Weitere Analysen von Van Belle et al. (2020) zeigten, dass einschlägige praktische Erfahrungen Arbeitgebern eine höhere Trainierbarkeit sowie auch höhere Fähigkeiten signalisieren.
2.5 Zusammenfassung und Hypothesen
Es ist nun zu klären, wie der Stellenwert der Signale Schulabschluss, Schulart sowie berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten einzuschätzen ist. Wir entwickeln unsere Hypothesen schrittweise in allgemeiner Form.
Wir gehen in Hypothese 1 davon aus, dass Bewerber mit anspruchshöherem Abschluss mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden als Bewerber mit anspruchsgeringerem Abschluss. Wir nehmen folgende Rangfolge an: Allgemeine Hochschulreife (AHR) > Fachhochschulreife (FHR) > mittlerer Abschuss (mA) > Hauptschulabschluss (HSA). Dies stützt sich auf theoretische Überlegungen zu höheren Signalwerten von mehr Schulbildung sowie zu empirischen Erkenntnissen zu besseren Einmündungschancen von Bewerbern mit anspruchshöheren im Vergleich zu anspruchsgeringeren Schulabschlüssen oder Kompetenzen (z. B. Nennstiel 2021; Seeber 2011; Fossati et al. 2020; Rahn und Fuhrmann 2023).
Mit Hypothese 2 nehmen wir an, dass Bewerber mit einem Abschluss von Gymnasien mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden als gleichqualifizierte Bewerber mit einem Abschluss von Integrierten Gesamtschulen; diese werden eher eingeladen als gleichqualifizierte Bewerber mit einem Abschluss von Schularten mit mehreren Bildungsgängen. Diese Annahme stützt sich auf die Ergebnisse von Leistungsvergleichsstudien zu schulartspezifischen Leistungen (Prenzel et al. 2013) sowie zu Erkenntnissen dazu, dass die Einmündungschancen auf eine Ausbildung mit dem Niveau der Schulart sinken (z. B. Fossati et al. 2020).
Hypothese 3 bezieht sich auf den Vergleich von gleichqualifizierten Bewerbern mit Abschlüssen von beruflichen Schulen, die in für den angestrebten Ausbildungsberuf einschlägigen oder distalen Berufsfeldern erworben wurden. Basierend auf Studien zum Signalwert von beruflichen Kenntnissen, Praktikumserfahrungen oder von einschlägigen Nebentätigkeiten für die Aufnahme einer Ausbildung (Solga und Kohlrausch 2013) oder die Einladung zum Bewerbungsgespräch (Van Belle et al. 2020; Weiss et al. 2014) nehmen wir an, dass Bewerber mit für den Ausbildungsberuf einschlägigen beruflichen Kenntnissen eher zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden als gleichqualifizierte Bewerber mit für den Ausbildungsberuf distalen beruflichen Kenntnissen.
Mit Hypothese 4 nehmen wir an, dass Bewerber mit einem Abschluss von allgemeinbildenden Schularten eher zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden als gleichqualifizierte Bewerber mit für den Ausbildungsberuf distalen beruflichen Kenntnissen. Diese Hypothese stützt sich auf die Annahme, dass die beruflichen Kenntnisse für die Ausbildung nicht anwendbar sind und die Bewerber hinsichtlich ihres aktuellen allgemeinbildenden Kompetenzniveaus Bewerbern aus allgemeinbildenden Schulen im Mittel unterlegen sein sollten (Leucht et al. 2016; Harney und Fuhrmann 2010) und sie zudem durch ihre Bildungskarriere signalisiert haben, dass sie auf der allgemeinbildenden Schule weniger erfolgreich waren als Bewerber, die den gleichen Abschluss noch auf der allgemeinbildenden Schule erworben haben.
Schließlich erwarten wir mit Hypothese 5, dass Bewerber mit einem Abschluss von allgemeinbildenden Schularten eine ähnliche oder sogar geringere Wahrscheinlichkeit haben, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden als gleichqualifizierte Bewerber von beruflichen Schulen mit für den Ausbildungsberuf einschlägigen beruflichen Kenntnissen. Obgleich hierzu bislang keine einschlägigen Studien vorliegen, stützen wir diese Hypothese auf unsere Annahmen zur Anschlussfähigkeit beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten an die berufstheoretischen und praktischen Ausbildungsanforderungen sowie an die Bedeutung von einschlägigen praktischen Fertigkeiten für die Ausbildungs- (Solga und Kohlrausch 2013) und Berufseinmündung (Van Belle et al. 2020; Weiss et al. 2014).
3 Methodik
Die Prüfung der forschungsleitenden Hypothesen wird über ein diskretes Choice-Experiment (DCE) vorgenommen (Street und Burgess 2007).Footnote 2 In einem DCE werden den Befragten verschiedene Handlungsalternativen präsentiert, aus denen sie die von ihnen präferierte auswählen sollen. Durch die experimentelle Variation der Alternativkomponenten lassen sich die einzelnen Gewichte, die sie auf die Auswahlentscheidungen haben, bestimmen. Damit wird, anders als mit Befragungs- oder Beobachtungsdaten, die Prüfung kausaler Zusammenhänge ermöglicht (Auspurg und Liebe 2011). Kern unseres DCEs ist die Auswahl von Bewerbungskurzprofilen (= Vignetten) für einen fiktiven Ausbildungsplatz durch Personalrekrutierende.
3.1 Auswahl der Stichprobe und Probandengewinnung
Die Zielpopulation der Erhebung sind Personalrekrutierende, deren Tätigkeit u. a. die Personalauswahl von Auszubildenden für mindestens einen von 20 Ausbildungsberufen ist (siehe hierzu Tab. A1 im Online-Anhang). Ihre Kontaktinformationen wurden über Stellenausschreibungen gewonnen, die bei der Jobsuche der Bundesagentur für Arbeit platziert waren. Die dort hinterlegten Kontaktdaten der Ansprechpartner wurden zufällig aus Anzeigen zu den 20 Berufen im Zeitraum zwischen Juni und Dezember 2022 gesammelt. Insgesamt umfasste die anvisierte Bruttostichprobe nach Bereinigung von Mehrfacheinträgen 11.913 Kontaktdaten. Die Personalrekrutierenden wurden Mitte Januar 2023 via E‑Mail zu der Onlinebefragung eingeladen und nach 16-tägiger Feldzeit hatten insgesamt 2192 von ihnen teilgenommen (Rücklaufquote: 18,4 %).Footnote 3 In der Mail und auf der Einladungsseite der Erhebung wurde das Ziel der Befragung mit dem Interesse an der Rekrutierungspraxis bei der Auswahl von Auszubildenden angegeben und die Befragten wurden darauf aufmerksam gemacht, dass sie im Rahmen der etwa fünfminütigen Befragung drei Entscheidungsszenarien mit jeweils drei Bewerbungskurzprofilen erwarten.Footnote 4 Im Anschluss an dieses Experimentalmodul sollten die Befragten noch wenige Fragen zu ihrer Person und ihrem Arbeitskontext beantworten.
Die Auswahl der Ausbildungsberufe und damit die Eingrenzung der Grundgesamtheit erfolgte anhand von zwei Kriterien mit dem Ziel, die Arbeitsnachfrageseite des gesamten deutschen Ausbildungsmarktes abzubilden. Erstens wurden Ausbildungsberufe gewählt, die von quantitativer Bedeutsamkeit für den deutschen Ausbildungsmarkt sind. Insgesamt bilden die 20 selektierten Berufe 53 % aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in 2021 ab (Statistisches Bundesamt 2021). Das zweite Auswahlkriterium ist die Zusammensetzung der Auszubildenden nach Schulabschluss. Aufgrund der Ausbildungsmarktsegmentation (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2022) müssen Bewerberschlangen mit unterschiedlichem Schulabschlussprofilen für Ausbildungsberufe mit hohen und geringen Abschlussanforderungen angenommen werden. Es wurden daher zwei Sample gebildet: In 10 Ausbildungsberufen verfügen die Auszubildenden mehrheitlich über Hauptschulabschlüsse oder die mittlere Reife (= „anspruchsgeringere Abschlussanforderungen“, vgl. Tab. A1 im Online-Anhang). In weiteren 10 haben die Auszubildenden meist einen mittleren Abschluss oder eine Hochschulreife (= „anspruchshohe Abschlussanforderungen“, siehe auch Tab. A1). Die Differenzierung zwischen Ausbildungsberufen mit anspruchsgeringeren und -hohen Abschlussanforderungen ist für das Experimentaldesign zusätzlich strukturgebend, da sich die Vignetten für beide Ausbildungskategorien hinsichtlich der Schulabschlüsse der Bewerbenden unterscheiden (siehe genauer Abschn. 3.2). Diese Entscheidung wurde getroffen, um realitätsnahe Bewerbungen zu gestalten.
Darüber hinaus musste für die nationale Studie den unterschiedlich ausgestalteten Bildungssystemen der 16 deutschen Bundesländer Rechnung getragen werden. Damit jedem Probanden in Abhängigkeit des eigenen Arbeitsorts die im jeweiligen Bundesland üblichen Bezeichnungen der Schularten präsentiert werden konnte, war die Bundeslandinformation Teil der Kontaktdatensammlung und auch Bestandteil der URL der Einladungsmail. So wurde jeder Personalrekrutierende der anvisierten Stichprobe zu dem für ihn oder sie vorgesehenen Experimentalteil eingeladen (insgesamt 20 Ausbildungsberufe × 16 Bundesländer).
Für die vorliegende Studie ist zudem von Bedeutung, ob mit dem Schulabschluss an einer beruflichen Schule für den Ausbildungsberuf distale oder einschlägige berufliche Kenntnisse erworben wurden. Diese Klassifikation wurde a priori in Abhängigkeit der bundeslandspezifischen Bildungsangebote und der fachlichen Ausrichtung des Ausbildungsberufs durchgeführt. Im Befragungsmodul wurde diese Einteilung durch die Befragten evaluiert. Jeder Proband, der im Experimentalmodul der Befragung mindestens ein Kurzprofil mit Bewerbern beruflicher Schulen gesehen hatte, wurde gebeten, die Fachrichtung hinsichtlich der Übertragbarkeit der erworbenen Kenntnisse auf die Ausbildungsinhalte zu beurteilen. Hatten die Befragten mehr als eine Vignette mit Abschlüssen von beruflichen Schulen gesehen, erfolgte eine einfache Zufallsauswahl, sodass jeder max. eine Einschätzung abgegeben musste. Die Evaluation der Klassifikation zeigt für jeden der 20 Ausbildungsberufe und für jeden der bis zu drei beruflichen Schularten erwartungskonforme Resultate, sodass die Voraussetzungen für die Unterscheidungen zwischen und Bezeichnungen für distale und einschlägige Vorerfahrungen gegeben sind (siehe Tab. A2 im Online-Anhang).
Insgesamt zeigen sich in der Stichprobenzusammensetzung Unterschiede zwischen beiden Experimentalteilen. Während in der Stichprobe der anspruchsgeringen Ausbildungsberufe die Geschlechterverteilung der Befragten nahezu ausgeglichen ist (54 % Personalerinnen), überwiegt der Anteil weiblicher Probanden (64 %) bei den Ausbildungsberufen mit höheren Qualifikationsanforderungen (vgl. Tab. 3). Die Altersstruktur der Befragten weicht ebenfalls voneinander ab. Die Befragten im Experimentalteil zu anspruchsgeringen Berufen sind seltener jünger als 30 Jahre (10 % gegenüber 16 %) und häufiger 50 Jahre und älter (39 % zu 33 %). Vergleichbarkeit besteht hinsichtlich der Rekrutierungsaufgaben. In beiden Befragungsteilen bestätigen rund 98 % der Befragten an der Vorauswahl von Bewerbenden beteiligt zu sein. Die größten Unterschiede zeigen sich bei der Unternehmensgröße. Während über 63 % der Personaler, die Auszubildende in einem der 10 anspruchsgeringen Berufe rekrutieren, in Unternehmen mit weniger als 50 Personen arbeiten, sind es im anderen Experimentalteil lediglich rund 43 %. Die Unterschiede in der Geschlechter‑, Alters-, und Unternehmensgrößenverteilung können als Indizien dafür interpretiert werden, dass die Probanden des ersten Experimentalteils häufiger Inhaber sind, während im zweiten Experimentalteil vermutlich vermehrt Angestellte aus Personalabteilungen geantwortet haben.
Zur Einschätzung der Stichprobenrepräsentativität wurden während der Sammlung der Kontaktinformationen Daten zum Bundesland des Unternehmenssitzes und der -größe erfasst, sofern diese vorhanden waren. Im Befragungsmodul wurden diese Daten ebenfalls erhoben, sodass die Übereinstimmung zwischen anvisierter und realisierter Stichprobe überprüft werden kann. Der Vergleich verweist auf eine starke Unterrepräsentation von Kleinstunternehmen bei starker Überrepräsentation großer Unternehmen (Chi-Quadrat-Test (df = 3) = 811,004; p < 0,001). Bei der Verallgemeinerbarkeit der Befunde muss diese Verzerrung berücksichtigt werden (vgl. auch Abschn. 5). Hinsichtlich der räumlichen Verteilung über das Bundesgebiet kann keine Verzerrung der realisierten Stichprobe festgestellt werden (Chi-Quadrat-Test (df = 15) = 19,612; p = 0,187).
3.2 Vignettendesign
Die Profile wurden an schriftliche Lebensläufe angelehnt – mit insgesamt 5 Merkmalen (= Faktoren, vgl. Tab. 1) und variierenden Ausprägungen (= Stufen) – und den Probanden simultan in einem Choice-Set mit drei Bewerberprofilen präsentiert, aus denen die vielversprechendste Bewerbung ausgesucht werden sollte.
Der für diese Studie wichtigste Faktor ist der Schulabschluss in Kombination mit der Schulart, an der er erworben wurde. Wie in Abschn. 3.1 berichtet, wurden für das Experimentaldesign Ausbildungsberufe mit anspruchshohen von jenen mit anspruchsgeringeren Abschlussanforderungen unterschieden. Der für diesen Beitrag zentrale Experimentalfaktor beinhaltete in beiden Ausbildungskategorien jeweils eine unterschiedliche Anzahl an Faktorstufen, sodass zwei Designs notwendig waren (siehe Tab. 2).
Personalrekrutierende in Ausbildungsberufen mit anspruchsgeringeren Abschlussanforderungen konnten zwischen Bewerbern mit Hauptschulabschluss und mittlerem Abschluss wählen. Diese hatten ihren Schulabschluss jeweils von den Schularten Gymnasium, Integrierte Gesamtschule, Schulart mit mehreren Bildungsgängen oder im Bildungsgang einer Berufsfachschule mit für den Ausbildungsberuf berufsfeldrelevanten oder berufsfelddistalen Kenntnissen erworben.
Personaler in Ausbildungsberufen mit anspruchshöheren Abschlussanforderungen sahen Profile von Bewerbern mit den Abschlüssen mittlerer Schulabschluss, Fachhochschulreife und allgemeine Hochschulreife, die diesen an den Schularten Gymnasium, Integrierte Gesamtschule oder an beruflichen Schulen mit für den Ausbildungsberuf berufsfeldspezifischen oder berufsfeldfremden Kenntnissen und Fertigkeiten erworben hatten. Für den mittleren Schulabschluss waren das die Berufsfachschule, für die Fachhochschulreife die FachoberschuleFootnote 5 und für die allgemeine Hochschulreife das berufliche GymnasiumFootnote 6 (für eine bessere Lesbarkeit werden in den Ergebnisbeschreibungen und -tabellen die Bezeichnungen für einzelne berufliche Schularten zur Bezeichnung „berufliche Schule“ zusammengefasst).
Neben dem für die vorliegende Ausarbeitung zentralen Experimentalfaktor wurden zudem weitere für die Bewerberauswahl relevante Merkmale wie Noten, Geschlecht, Alter und der Migrationshintergrund in den Kurzprofilen experimentell variiert (vgl. Tab. 2). Insbesondere die Noten sind wichtige Informationsquellen für Personalverantwortliche (z. B. Protsch und Solga 2015). In der Vignette wurden sie darüber informiert, ob die Bewerber über einen Notendurchschnitt von 1,3, 2,3 oder 3,3 verfügten und ob sie männlich oder weiblich waren. Zudem wurde das Alter in Abhängigkeit des Bildungsabschlusses variiert. Bewerber mit einem Hauptschul- oder mittlerem Abschluss waren 16 oder 18 Jahre alt, in Kurzprofilen mit einer Fachhochschulreife war das Alter mit 18 oder 20 Jahren angegeben und wenn die Bewerber über eine allgemeine Hochschulreife verfügten, waren sie entweder 19 oder 21 Jahre alt. Der Experimentalfaktor für den Migrationshintergrund wurde über die Verwendung von Vor- und Nachnamen in verschiedenen Kombinationen gebildet, um einen Migrationshintergrund zu indizieren. In den Analysen werden die anderen Experimentalfaktoren im Sinne von Kovariaten behandelt; auf sie wird in der Ergebnisdarstellung nicht gesondert eingegangen. Ein Überblick zu der Zusammensetzung der Stichproben ist in Tab. 2 zu finden.
Die Größe der Vignettenuniversen zur Erstellung der Kurzprofile ergibt sich aus dem kartesischen Produkt der Faktoren und ihrer Ausprägungen. Der Experimentalteil zu Ausbildungsberufen mit anspruchsgeringeren Abschlussanforderungen besteht aus 840 (2 * 2 * 3 * 7 * 10) und bei den Berufen mit anspruchshöheren Abschlussanforderungen existieren insgesamt 1092 Profile (2 * 2 * 3 * 7 * 13) (siehe hierzu auch Tab. 2).Footnote 7 Diese Vignetten wurden für das Experiment zu Choice-Sets à drei zusammengefasst. Das Choice-Set-Universum resultiert aus der Größe des Vignettenuniversums sowie der Anzahl der simultan präsentierten Handlungsalternativen und kann über den Binomialkoeffizienten (n über k) berechnet werden. Im Falle des Experimentaldesigns für anspruchsgeringe Ausbildungsberufe sind insgesamt 98.431.480 und im Design für anspruchshohe Berufe 216.432.580 verschiedene Choice-Sets denkbar. Vor dem Feldeinsatz war daher eine experimentelle Selektion der Choice-Sets notwendig. Für die Fraktionalisierung der vollständigen Designs wurden jeweils 90 Choice-Sets so ausgewählt, dass gleichzeitig alle zentralen Anforderungen an DCE-Designs bestmöglich sichergestellt wurden: (1) Orthogonalität, (2) Balanciertheit der Faktorstufen, (3) minimale Überschneidung der Faktorstufen innerhalb eines Sets (Huber und Zwerina 1996; Auspurg und Liebe 2011). Die Designbildung wurde mithilfe des R‑Pakets idefix durchgeführt (Traets et al. 2020).Footnote 8 Für die finalen Designs werden DBayesian-Fehler von 0,178 (anspruchsniedrig) oder 0,219 (anspruchshoch) ausgewiesen.Footnote 9
Im Anschluss an die experimentelle Selektion der Choice-Sets wurden sie zu 30 Blöcken à drei zusammengefasst. Jeder Proband wurde für den Experimentalteil der Befragung zufällig einem Block zugewiesen. Anschließend wurden die Reihenfolge der Choice-Sets und ebenso die Vignetten innerhalb der Sets randomisiert und die Befragten gebeten, das zweite und dritte Entscheidungsszenario unabhängig von den Vignetten der vorangegangenen Szenarien zu beurteilen. Mithilfe dieser Blockstruktur können wir sicherstellen, dass jedes Choice-Set ausreichend oft von verschiedenen Probanden beurteilt wird und dadurch keine Befragtenmerkmale unintendiert mit Vignettenmerkmalen konfundiert sind.Footnote 10
3.3 Analysestrategie
Die Experimentaldaten weisen einerseits eine Mehrebenenstruktur auf, da Probanden, die ihre Befragung abgeschlossen haben, insgesamt drei Choice-Sets bewerten. Andererseits sind die Profile innerhalb der Choice-Sets gruppiert, sodass die konditionale Gruppenstruktur für die Auswahlwahrscheinlichkeit einzelner Profile berücksichtigt werden muss. Für die Prüfung der forschungsleitenden Hypothesen wurden daher konditionale Logit-Modelle mit cluster-robusten Standardfehlern berechnet (Chamberlain 1980; McFadden 1974). Hierzu kam die clogit-Routine der Statistiksoftware Stata 17 zum Einsatz. Für die Schätzung der Modelle wurden lediglich die Vignettenmerkmale berücksichtigt, der Fokus liegt auf dem Experimentalfaktor Schulabschluss-Schulart.
Die Prüfung der forschungsleitenden Hypothesen erfolgt anhand von a priori definierten Kontrasten. Hierzu werden die Referenzkategorien der Regressionsmodelle jeweils auf alle relevanten Paarvergleiche ausgerichtet und wiederholt geschätzt, um alle gewünschten Differenzen zu berichten und im Anschluss mittels Wald-Test auf statistische Bedeutsamkeit zu testen. Aus Gründen der Interpretierbarkeit werden durchschnittliche Marginaleffekte (AME) berichtet (Breen et al. 2018).
4 Ergebnisse
Die Auswahlhäufigkeiten der Kurzprofile in Abhängigkeit von Schulabschluss und Schultyp für ein Bewerbungsgespräch sind in Abb. 2 dargestellt. Hier deuten sich bereits erste Tendenzen an: Die geringste Auswahlhäufigkeit haben bspw. bei anspruchshohen Ausbildungsberufen Bewerber mit Abschlüssen von beruflichen Schulen, die in einem für den Ausbildungsberuf distalem Berufsfeld (im Folgenden auch: berufsfeldfremd) erworben wurden. Dies betrifft die allgemeine Hochschulreife (17 %), die Fachhochschulreife (14 %) und den mittleren Abschluss (12 %). Die höchste Auswahlhäufigkeit haben die Fachhochschulreife (56 %) und die Allgemeine Hochschulreife (58 %), die auf beruflichen Schulen in einem für den Ausbildungsberuf einschlägigem Berufsfeld erworben wurden. Wird hingegen die Allgemeine Hochschulreife auf einem Gymnasium erworben, liegt die Auswahlhäufigkeit bei 39 %. Dies verweist bereits darauf, dass nicht allein der Abschluss, sondern auch Schulart und die Einschlägigkeit beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten von Bedeutung für die Einmündung in Ausbildung sind.
Im Folgenden werden die Differenzen zwischen den Karrierewegen nach Hypothesen geprüft und die Ergebnisse getrennt nach Ausbildungsberufen mit anspruchsgeringeren und anspruchshöheren Abschlussanforderungen beschrieben. Da die Bewerberprofile je nach Sample über andere Abschluss- und Schulartinformationen verfügen, werden die Hypothesen in Tab. 3 für jedes Sample präzisiert und systematisch abgearbeitet. Tabelle 3 gibt auch einen Überblick über alle Ergebnisse.
Die einzelnen Resultate sind in den Tab. 4, 5, 6, 7 und 8 dargestellt, die Modellparameter sind Tab. A7 (Online-Anhang) zu entnehmen. Differenzen zwischen den in den Tabellen angegebenen AMEs und den Häufigkeiten ergeben sich daraus, dass nicht jeder Abschluss gleichverteilt mit allen anderen Abschlüssen in den 90 Sets enthalten sein kann sowie leichte Korrelationen durch die fraktionalisierten Designs vorliegen, sodass alle Experimentalfaktoren nur weitestgehend (nicht vollständig) unabhängig voneinander sind. Für eine verzerrungsfreie Schätzung der interessierenden Parameter wurden die anderen Experimentalfaktoren daher als Kontrollvariablen integriert. Die Tabellen werden folgendermaßen gelesen: In der ersten Spalte ist jeweils die Hypothese angegeben, die getestet wird (siehe dazu Tab. 3). Allgemein wird die Wahrscheinlichkeit geprüft, dass ein Vignettenprofil mit einem bestimmten Abschluss (Spalte 1) von einer bestimmten Schulart (Spalte 2) im Vergleich zu einem Vignettenprofil mit einem bestimmten Abschluss von einer bestimmten Schulart (vgl. Spalten unter „Referenzkategorien“) ausgewählt wird. Die Average Marginal Effects (AME) können mit 100 multipliziert als Prozentpunkte interpretiert werden.
Hypothese 1: Hier wurde postuliert, dass ein anspruchshöherer Abschluss jeweils zu einer höheren Einladungswahrscheinlichkeit als ein im Vergleich dazu anspruchsgeringerer Abschluss führt.
Zu 1a): Dies trifft auf den mittleren Abschluss, der an allgemeinbildenden Schulen sowie in einem für den Ausbildungsberuf einschlägigem Berufsfeld an beruflichen Schulen erworben wurde, zu – Personalrekrutierende wählen bei diesen Herkunftsschularten eher Bewerber mit mittlerem Abschluss als Bewerber mit Hauptschulabschluss (Tab. 4; positive signifikante Koeffizienten). Die Hypothese kann aber nicht bestätigt werden für einen mittleren Abschluss, der in einem für den gewünschten Ausbildungsberuf distalen Berufsfeld erworben wurde. Dieser führt zu ähnlichen Chancen bei der Einladung zu einem Bewerbungsgespräch wie ein Hauptschulabschluss von Gymnasien (AME = −0,042) und Gesamtschulen (AME = −0,073) und sogar zu um 11 % reduzierte Chancen im Vergleich zu einem Hauptschulabschluss an Schulen mit mehreren Bildungsgängen (AME = −0,112**).
zu 1b): Auch für die Bewerber mit Fachhochschulreife für einen anspruchshohen Ausbildungsberuf findet sich keine eindeutige Bestätigung der Hypothese. Hier sind es ausschließlich die Bewerber mit einer für das Berufsfeld des Ausbildungsberufs einschlägigen Fachhochschulreife, die bessere Chancen als alle Bewerber mit mittlerem Abschluss haben. Bewerber mit Fachhochschulreife von Gymnasien und Gesamtschulen sind zwar Bewerbern mit mittlerem Abschluss von allgemeinbildenden Schulen überlegen, aber sie haben vergleichbare Chancen wie Bewerber mit einem für das Berufsfeld einschlägigen mittleren Abschluss von beruflichen Schulen (AME = 0,010/−0,069). Bewerber mit berufsfeldfremder Fachhochschulreife von beruflichen Schulen sind Bewerbern mit mittlerem Abschluss (mit Ausnahme mit distalem mittlerem Abschluss von beruflichen Schulen, AME = 0,053) sogar unterlegen (siehe negative signifikante Koeffizienten).
Zu 1c) Auch Bewerber mit einer allgemeinen Hochschulreife sind nicht generell Bewerbern mit einer Fachhochschulreife überlegen. Der Erwerb einer allgemeinen Hochschulreife an Gymnasien ist lediglich im Vergleich zum Erwerb der Fachhochschulreife von Gesamtschulen (AME = 0,104*) und von beruflichen Schulen in einem für den Ausbildungsberuf distalem Berufsfeld (AME = 0,400***) mit einem Vorteil verbunden. Auch der Erwerb einer für das Berufsfeld einschlägigen allgemeinen Hochschulreife einer beruflichen Schule ist zwar mit besseren Chancen im Vergleich zum Erwerb einer Fachhochschulreife von allgemeinbildenden Schulen (AME = 0,298***/0,375***) als auch von beruflichen Schulen mit distalem Berufsfeldbezug (AME = 0,561***) verbunden, aber mit ähnlichen Chancen im Vergleich zum Erwerb einer für das Berufsfeld der Ausbildung einschlägigen Fachhochschulreife (AME = 0,009). Der Erwerb einer berufsfeldfremden allgemeinen Hochschulreife von beruflichen Schulen ist sogar mit Nachteilen gegenüber dem Erwerb einer Fachhochschulreife verbunden (siehe negative signifikante Koeffizienten).
Hypothese 2: Diese bezieht sich auf eine Hierarchie im Signalwert allgemeinbildender Schularten. Dies kann nur eingeschränkt bestätigt werden. So scheint die Herkunftsschulart für Bewerber in anspruchsgeringen Ausbildungsberufen weniger von Bedeutung zu sein. Bewerber mit Hauptschulabschluss (Hypothese 2a, Tab. 5) haben ungeachtet der Herkunftsschulart vergleichbare Chancen und Bewerber mit mittlerem Schulabschluss (Hypothese 2b) von Gesamtschulen (AME = 0,111**) und Schularten mit mehreren Bildungsgängen (AME = 0,116**) haben gegenüber Bewerbern von Gymnasien um ca. 11 % erhöhte Chancen. Demgegenüber haben in Ausbildungsberufen mit anspruchshohen Anforderungen Bewerber von Gesamtschulen und Schulen mit mehreren Bildungsgängen ungeachtet des Abschlussniveaus (Hypothesen 2c–e) geringere Chancen auf ein Bewerbungsgespräch als Bewerber von Gymnasien (mit Ausnahme des Vergleichs zu Bewerbern mit mittlerem Abschluss von Schulen mit mehreren Bildungsgängen, AME = −0,017). Entgegen den Hypothesen 2a und 2b gibt es auch keine Differenzen zwischen Bewerbern mit mittlerem Schulabschluss von Schularten mit mehreren Bildungsgängen und Gesamtschulen (AME = 0,063).
Hypothese 3: Hier wird erwartet, dass Bewerber mit einem Abschluss, den sie an einem für die angestrebte Ausbildung einschlägigen Berufsfeld an einer beruflichen Schule erworben haben, hinsichtlich ihrer Einladungschancen gleichqualifizierten Bewerbern mit einem Abschluss aus einem für die Ausbildung distalem Berufsfeld überlegen sind. Diese Hypothese kann für beide Ausbildungssegmente und für alle Abschlüsse bestätigt werden (Hypothesen 3a/b/c/d, Tab. 6; Koeffizienten durchgängig positiv). Wurden berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten in einem für die gewünschte Ausbildung einschlägigen Berufsfeld erworben, ist die Einladungswahrscheinlichkeit gegenüber Bewerbern mit berufsfeldfremden Kenntnissen und Fertigkeiten um 36,8–53,2 % erhöht.
Mit Hypothese 4 wird erwartet, dass Bewerber mit Abschluss von allgemeinbildenden Schulen gleichqualifizierten Bewerbern mit berufsfeldfremdem Abschluss einer beruflichen Schulart hinsichtlich ihrer Einladungschancen überlegen sind. Diese Hypothese kann ebenfalls für beide Ausbildungssegmente und für alle Abschlüsse bestätigt werden (Hypothesen 4a/b/c/d, Tab. 7, durchgängig positive Koeffizienten). Die Einladungswahrscheinlichkeiten sind für die erstgenannte Gruppe zwischen 17,0 und 38,6 % erhöht.
Hypothese 5: Schließlich wurde mindestens eine Vergleichbarkeit der Einstellungschancen erwartet für Bewerber, die ihren Abschluss in einem für den Ausbildungsberuf einschlägigen Berufsfeld an einer beruflichen Schule erworben haben, mit gleichqualifizierten Bewerbern, die ihren Abschluss auf einer allgemeinbildenden Schule erworben haben. Diese Hypothese kann ebenso bestätigt werden. Zu Hypothese 5a): In Ausbildungsberufen mit geringeren Abschlussanforderungen sind Bewerber mit mittlerem Abschluss von Gymnasien Bewerbern mit einem für das Berufsfeld der Ausbildung einschlägigen mittleren Abschluss sogar unterlegen (AME = −0,163***; Tab. 8). In Ausbildungsberufen mit höheren Abschlussanforderungen haben Bewerber von allgemeinbildenden Schulen mit mittlerem Schulabschluss (5b), Fachhochschulreife (5c) und allgemeiner Hochschulreife (Hypothese 5d) um 15,7–25,3 % reduzierte Einladungschancen im Vergleich zu gleichqualifizierten Bewerbern von beruflichen Schulen mit einem für das Berufsfeld einschlägigen mittleren Schulabschluss.
5 Zusammenfassung und Diskussion
Unsere Experimentalstudie zeigt, dass der Weg zum Schulabschluss von großer Bedeutung für die Chance ist, überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden (siehe für einen Überblick über alle Ergebnisse Tab. 3). Dies zeigt sich besonders bei allen Abschlüssen, die in einem für den Ausbildungsberuf distalen Berufsfeld an beruflichen Schulen erworben wurden: Obwohl diese mit einem Zuwachs an allgemeinbildendem Wissen und beruflichen Kenntnissen verbunden sein sollten, führen sie nicht zu höheren Chancen im Vergleich zu Bewerbern mit einem anspruchsgeringeren Schulabschluss. Es kann angenommen werden, dass mit dieser Bildungskarriere signalisiert wird, dass Leistungsvoraussetzungen eher geringer sind als bei Bewerbern mit dem gleichen schulischen Abschluss von allgemeinbildenden Schulen (Harney and Fuhrmann 2010) und dass auch Motivation und Zielorientierung der Bewerber eher geringer ausgeprägt sein könnten, da sich in ihren Karriereentscheidungen durch die Differenz zwischen beruflichen Vorkenntnissen und Ausbildungswahl keine Kohärenz andeutet.
Das Gegenteil kann wiederum bei Bewerbern konstatiert werden, die einen Bildungsgang in dem Berufsfeld abgeschlossen haben, in dem sie sich auch für die Ausbildung beworben haben. Diese haben fast durchgängig höhere Chancen auf einen Ausbildungsberuf als gleich- und sogar höherqualifizierte Bewerber von allgemeinbildenden Schulen. Am Beispiel der Fachhochschulreife kann gezeigt werden, dass dies besonders auf die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zurückzuführen ist. Die Bewerber von allgemeinbildenden Schulen haben unseren Bewerbungsprofilen zufolge lediglich den schulischen Teil abgeschlossen und werden zwar häufiger als Bewerber mit mittlerem Abschluss eingeladen, aber seltener als gleichqualifizierte Bewerber mit berufsfeldspezifischen beruflichen Kenntnissen. Dies bestätigen Ergebnisse von Solga und Kohlrausch (2013) für geringqualifizierte Ausbildungsbewerber mit Praxiserfahrungen und weitet die Bedeutung beruflicher Grundkenntnisse und Fertigkeiten auch auf beruflich teilqualifizierende Bildungsgänge aus. Wird ein Schulabschluss über berufliche Schulen erworben, handelt es sich um das Nachholen eines Abschlusses. Mit den vorliegenden Ergebnissen kann angenommen werden, dass über die zukünftige Rendite eines nachgeholten Schulabschlusses die Wahl des Berufsfeldes auf der beruflichen Schule entscheidet, zumindest, wenn anschließend ein Ausbildungsberuf angestrebt wird.
Die Bedeutung einschlägiger beruflicher Kenntnisse für die Ausbildungseinmündung zeigt sich auch für den Vergleich von Bewerbern mit Fachhochschulreife und allgemeiner Hochschulreife. Diese haben vergleichbare Chancen, obgleich die Bewerber mit allgemeiner Hochschulreife ein Jahr länger zur Schule gegangen sind. Dies verweist auf zweierlei: Zum einen scheinen die höheren allgemeinbildenden Kompetenzen von Bewerbern mit allgemeiner Hochschulreife durch die umfangreicheren spezifischen praktischen Fertigkeiten, die durch das einjährige Praktikum bei Bewerbern mit Fachhochschulreife vorhanden sein sollten, kompensiert zu werden. Über diese verallgemeinerte Erfahrung scheinen die Personalrekrutierenden zu verfügen, da bspw. Arbeitszeugnisse, die genauer Auskunft über Inhalte der Tätigkeit und Arbeitsweise geben könnten, nicht Bestandteil der Vignetten waren. Zum anderen signalisieren Abschlüsse von Bildungsgängen mit einschlägigen Berufsfeldern durch die Kohärenz der Bildungs- und Ausbildungsentscheidung unabhängig von der Art der Hochschulreife möglicherweise besondere Zielorientierung, Interesse und Motivation. Für die Ergebnisse anderer Studien, die für berufliche Grundkenntnisse in Verbindung mit schulischen Abschlüssen Nachteile (Capsada-Munsech und Boliver 2021; Schuchart und Schimke 2019 für die Fachhochschulreife über berufliche Schulen) oder ausbleibende Effekte (Heiskala et al. 2021) konstatiert haben, bedeutet dies, dass diese sich anders darstellen könnten, wenn der Grad der Einschlägigkeit beruflicher Grundkenntnisse für das spätere Ausbildungs- und Berufsfeld berücksichtigt worden wäre.
Einige Studien haben in der Vergangenheit nahegelegt, dass es nicht auf die allgemeinbildende Schulart, sondern auf Abschlüsse ankäme (Becker et al. 2020; Dumont et al. 2017) und haben sich dabei auf Erkenntnisse zu subjektiven Einschätzungen der Schüler (Dumont et al. 2017) sowie Arbeitsmarktergebnissen (Becker et al. 2020) bezogen. Unsere Ergebnisse zeigen für die Entscheidungen von Personalrekrutierenden ein etwas differenzierteres Bild. Keine schulartspezifischen Differenzen zeigen sich für Kandidaten mit Hauptschulabschluss in Ausbildungsberufen mit geringeren Anforderungen, während ehemalige Gymnasiasten mit mittlerem Schulabschluss in diesem Ausbildungssegment sogar seltener eingeladen werden als Bewerber anderer Schularten. Offenbar werden mit diesem Profil Merkmale signalisiert, die nicht den Anforderungen der angezielten Ausbildungsberufe entsprechen. Im Segment der anspruchshohen Ausbildungsberufe wiederum besteht eine Überlegenheit von Gymnasialabgängern für jeweils gleichqualifizierte Bewerber mit Fachhochschul- und allgemeiner Hochschulreife. Hier werden möglicherweise mit Bewerbern vom Gymnasium bessere kognitive Fähigkeiten verbunden. Die Differenzlinien spiegeln also unter Bewerbern mit Studienberechtigung die schulartspezifischen Leistungsprofile wider, während die schulische Herkunft unter Bewerbern mit Hauptschulabschluss nicht von Bedeutung ist und bei Bewerbern mit mittlerem Schulabschluss je nach Ausbildungssemgent das Vorzeichen wechselt. Auch wenn Schulabgänger also glauben, dass es für den weiteren Ausbildungsweg auf den Schulabschluss und nicht die Herkunftsschulart ankommt (Dumont et al. 2017), trifft dies hauptsächlich auf den Hauptschulabschluss zu. Auch die Ergebnisse von Becker et al. (2020) sowie Schuchart und Schimke (2019) zeigen, dass Schularteffekte auf das spätere Einkommen und den sozialen Status erst nach der Berücksichtigung von Ausbildungsmerkmalen verschwinden.
Limitationen: Wie in Abschn. 3.1 berichtet, konnten mit dieser Studie Großbetriebe besser erreicht werden als Kleinbetriebe. Diese unterscheiden sich in ihrem Rekrutierungsverhalten (Ebbinghaus und Gerhards 2014). Im Unterschied zu Großbetrieben messen Kleinbetriebe der überwiegend indirekten (z. B. über die Arbeitsagentur, Stellenanzeigen) Lehrlingsakquise einen geringeren Stellenwert zu, Maßnahmen der direkten Akquise (persönliches Kennenlernen über Betriebspraktika, Einstiegsqualifizierung) und somit der persönliche Eindruck sind von vergleichsweise größerer Bedeutung. Weiterführende Analysen mit Interaktionseffekten für die Betriebsgröße deuten sowohl für Ausbildungsberufe mit anspruchsgeringeren als auch mit anspruchshöheren Qualifikationsanforderungen an, dass der Vorteil eines berufsfeldspezifischen Schulabschlusses vor allem bei Bewerbungen für mittlere und größere Betriebe relevant ist. Die Nachteile eines berufsfeldfremden Schulabschlusses scheinen dagegen weitestgehend unabhängig von der Betriebsgröße zu sein. Dies bestätigt sich nicht für Bewerber mit Fachhochschulreife und allgemeiner Hochschulreife in Ausbildungsberufe mit anspruchshohen Qualifikationsanforderungen. Hier gelten die beschriebenen Vor- und Nachteile weitestgehend unabhängig von der Betriebsgröße. Dies könnte widerspiegeln, dass mit steigenden Anforderungen an das schulische Qualifikationsniveau der Auszubildenden Formate des persönlichen Kennenlernens von geringerer Bedeutung sind (Ebbinghaus und Gerhards 2014). Merkmale des Ausbildungsbetriebs sollten daher für künftige Untersuchungen systematisch berücksichtigt werden.
Eine kritische Anmerkung, die üblicherweise gegen (Online‑)Choice-Experimente ins Feld geführt wird, bezieht sich auf die hypothetischen Auswahlentscheidungen und adressiert damit die externe Validität der Erhebung. Eine Strategie zur Erhöhung der externen Validität für den vorliegenden Beitrag liegt in der spezifischen Auswahl der Grundgesamtheit. Zielgruppe des Experiments sind Personalrekrutierende, die regelmäßig mit der Sichtung von Bewerbungsunterlagen von Auszubildenden betraut sind und daher über entsprechende Expertise und Heuristiken für das Vergleichen von schriftlichen Lebensläufen verfügen sollten. Zudem sind DCEs vergleichsweise stark durch theoretische und statistische Entscheidungsmodelle fundiert (Auspurg und Liebe 2011). Außerdem konnten Validierungsstudien bislang insgesamt große Übereinstimmungen in Bezug auf relative Effekte zwischen Online-Vignettenstudien und analogen Realexperimenten zeigen (Petzold und Wolbring 2019; Hainmueller et al. 2015).
Die vorgelegte Untersuchung zeigt, dass die Möglichkeit, einen höheren Schulabschluss auf beruflichen Schulen zu erwerben, für Abgänger des allgemeinbildenden Schulsystems mit Hauptschulabschluss und mittlerem Schulabschluss eine „realistische zweite Chance“ (Inbar 1995) darstellt. Belohnt werden Schüler, die bereit und in der Lage sind, ihre Bildungs- und Ausbildungsentscheidungen in Übereinstimmung mit ihren Interessen und Stärken aktiv zu gestalten und einen Schulabschluss im Berufsfeld des zukünftigen Ausbildungsberufs auf einer beruflichen Schule nachzuholen. Damit wird deutlich, dass Schüler, die einen allgemeinbildenden Schulabschluss über eine berufliche Schule nachholen, weniger als Opfer von Ausbildungsmarkt- und Schulsystemstrukturen Bildungsgänge (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012; Schmidt 2011; Schuchart 2007, 2011) betrachtet werden sollten, sondern zumindest als potenzielle rationale Gestalter ihrer eigenen Bildungskarrieren (Schuchart und Schimke 2019; Rahn et al. 2015; Dumont et al. 2017). Daraus kann ein Appell an die schulische Berufsorientierung abgeleitet werden, Schüler sowohl allgemeinbildender als auch beruflicher Schulen bei der kohärenten Gestaltung ihrer weiteren Bildungskarriere gezielt zu unterstützen.
Die sehr guten Ausbildungschancen von Abgängern mit einer Studienberechtigung von beruflichen Schulen können allerdings dahingehend problematisiert werden, dass diese damit von einem Studium „abgelenkt“ werden, was eher auf geringprivilegierte Schüler zutrifft (Becker und Hecken 2008). Alternative Bildungswege über berufliche Schulen tragen somit auch zur Verstärkung von sozialen Ungleichheiten beim Studieneintritt bei (Schindler und Lörz 2012); Studierende mit einer Studienberechtigung von beruflichen Schulen brechen darüber hinaus auch ihr Studium häufiger ab als Studierende mit einer Studienberechtigung von Gymnasien (Müller und Schneider 2013). Damit könnte sich anders als für die duale Ausbildung der Weg über die beruflichen Schulen in die Hochschulen im Vergleich zum traditionellen Weg über die Gymnasien hinein eher als Nachteil herausstellen. Die Bedeutung von beruflichen Schulen für unterschiedliche Anschlussoptionen im Ausbildungs- und Hochschulbereich sollte zukünftig noch genauer vergleichend untersucht werden.
Notes
Im Folgenden wird an geeigneten Stellen das generische Maskulinum verwendet, um die Lesbarkeit zu vereinfachen. Es sind ausdrücklich immer sowohl die weibliche, die männliche als auch diverse Formen gemeint.
Der Experimentaldatensatz, die Dokumentation der Erhebung und die Stata-Syntax zu den Analysen dieses Beitrags sind im digitalen Datenrepositorium von GESIS (datorium) unter folgender DOI zu finden: https://doi.org/10.7802/2690.
Die Rücklaufquoten der beiden Experimentalteile unterscheiden sich vergleichsweise stark voneinander. Im Teil der anspruchsgeringen Ausbildungsberufe liegt er bei rund 14,0 % (n = 884), bei den anpruchshohen hingegen bei 23,4 % (n = 1308). Wir führen diese Differenz insbesondere auf die unterschiedlichen Unternehmensstrukturen der teilnehmenden Personaler zurück. Im Experimentalteil für die 10 anspruchsgeringen Ausbildungsberufe geben rund 63 % der Befragten an, in Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten zu arbeiten. In dem anderen Experimentalteil sind es hingegen nur 41 % (siehe hierzu auch Tab. 3 und die zugehörige Erläuterung). Aus ähnlichen Experimentalstudien ist der starke Zusammenhang zwischen Teilnahmebereitschaft und Unternehmensgröße ebenfalls bekannt (z. B. Schimke 2023; Daniel et al. 2019).
Manche der 884 bzw. 1308 Befragten beider Experimentalteile haben nicht alle drei Entscheidungsszenarien beurteilt. Der Drop-Out ist jedoch mit 4,9 % (n = 43) bzw. 4,7 % (n = 61) vergleichsweise gering und auch nicht systematisch mit den Vignettenmerkmalen oder dem Ausbildungsberuf verbunden.
In Baden-Württemberg das berufliche Gymnasium.
In Bayern die Fachoberschule, in Mecklenburg-Vorpommern das Fachgymnasium und im Saarland das berufliche Oberstufengymnasium.
Im Experimentalteil für die anspruchsgeringeren Ausbildungsberufe sind im Faktor der Bildungsabschlüsse und Schularten zwei Faktorstufen für „keinen Abschluss“ jeweils von einer Gesamtschule oder von einer Schule mit mehreren Bildungsgängen integriert. Aus konzeptionellen Gründen interessieren wir uns in diesem Beitrag jedoch ausschließlich für Bildungsabschlüsse und gehen daher in den Analysen nicht auf die Ergebnisse dieser Ausprägungen ein.
Die Interkorrelationen der Experimentalfaktoren sind in Tab. A3 und A4 im Online-Anhang dargestellt.
Die Experimentalfaktoren wurden für die Designerstellung effekt-kodiert. Grundlage zur Erstellung der DCE-Designs sind zudem Annahmen zu den Parameterschätzungen („prior distribution“), die mithilfe des Experiments gewonnen werden sollen. Für die Designbildung verwenden wir sehr konservative prior-Informationen. Einerseits gehen wir von einer leicht erhöhten Auswahlwahrscheinlichkeit bei besseren Durchschnittsnoten und höheren Abschlüssen aus. Andererseits nehmen wir an, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wahl der Opt-Out-Alternative sehr gering ist.
Die Korrelationen zwischen Befragten- und den experimentellen Vignettenmerkmalen sind in Tab. A5 und A6 im Online-Anhang zu finden.
Literatur
Auspurg, Katrin, und Ulf Liebe. 2011. Choice-Experimente und die Messung von Handlungsentscheidungen in der Soziologie. KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 63:301–314.
Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung. 2022: Bildung in Deutschland 2022: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal. Bielefeld: wbv Publikation.
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.). 2012. Bildung in Deutschland 2012: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld: Bertelsmann.
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.). 2020. Bildung in Deutschland 2020: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in einer digitalisierten Welt. Bielefeld: wbv Publikation.
Becker, Rolf, und Anna Etta Hecken. 2008. Warum werden Arbeiterkinder vom Studium an Universitäten abgelenkt? Eine empirische Überprüfung der „Ablenkungsthese“ von Müller und Pollak (2007) und ihrer Erweiterung durch Hillmert und Jacob (2003). Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 60:7–33.
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Danksagung
Unser Dank gilt allen Teilnehmenden des Begleitseminars zum Forschungsprojekt des WS2022/23 im Fachbereich Bildungswissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal für die engagierte Sammlung der Kontaktdaten. Außerdem danken wir den anonymen Reviewerinnen und Reviewern sowie der Herausgeberin und den Herausgebern für ihre konstruktiven Anregungen zur Verbesserung des Manuskripts.
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Schuchart, C., Schimke, B. Signalwirkung von Bildungskarrieren für die Einmündungschancen in eine duale Ausbildung: Ergebnisse einer Vignettenstudie. Köln Z Soziol 76, 25–56 (2024). https://doi.org/10.1007/s11577-024-00948-0
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