1 Einleitung

Eine Problemgruppe am deutschen Arbeitsmarkt sind Personen ohne abgeschlossene berufliche Ausbildung. In der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen waren in Deutschland im Jahr 2021 etwa 1,9 Mio. Personen formal geringqualifiziert. Das entspricht knapp 19 % aller in dieser Altersgruppe in Privathaushalten lebenden Personen (BMBF 2023). Dieser Personenkreis hat ein besonders hohes Risiko von Arbeitslosigkeit, das mit individuellen und gesellschaftlichen Kosten einhergeht: Die Arbeitslosenquote innerhalb dieser Gruppe liegt mit rund 17 % etwa fünfmal so hoch wie die Arbeitslosenquote innerhalb von Personen mit Ausbildung (Röttger et al. 2020). Darüber hinaus sind die Lebenseinkommen von Personen ohne Berufsausbildung oder solchen, die Tätigkeiten auf Helferniveau ausüben, geringer als die Einkommen von Hochqualifizierten oder Personen, die Fach- und Spezialistentätigkeiten ausüben (Schmillen und Stüber 2014; Stüber 2016).

Der deutsche Arbeitsmarkt ist stark durch das duale Ausbildungssystem und damit der Zertifizierung von Berufen geprägt. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, einen beruflichen Abschluss zu erlangen: Erstens können Auszubildende eine duale Berufsausbildung absolvieren, bei der Arbeitsphasen im Ausbildungsbetrieb mit Phasen des Besuchs einer Berufsschule kombiniert werden. Zweitens gibt es für bestimmte Berufszweige und Berufe vollzeitschulische Ausbildungen. Drittens besteht über die aktive Arbeitsmarktpolitik die Möglichkeit, Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung mit Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf zu absolvieren, um einen ersten Berufsabschluss zu erlangen oder einen neuen Beruf zu erlernen (sog. Umschulungen). Im Folgenden nutzen wir die Begrifflichkeiten „geförderte Weiterbildungen, die zu einem anerkannten Berufsabschluss führen“ und „Umschulungen“ zur sprachlichen Vereinfachung synonym.

Die Förderung beruflicher Weiterbildung ist seit Langem ein wichtiger Teilbereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik. In den letzten Jahren wurden darüber hinaus sogenannte Teilqualifizierungen (TQ) entwickelt. Diese oft auch Teilqualifikationen genannten Weiterbildungsangebote bestehen aus verschiedenen miteinander kombinierbaren, voneinander unabhängigen Modulen, die inhaltlich jeweils einen Teil eines vollständigen Berufsbildes abdecken und einzeln besucht werden können. Die Konstruktionsprinzipien der Bundesagentur für Arbeit (BA) für berufsanschlussfähige TQ geben allerdings vor, dass bereits jedes einzelne Modul die Teilnehmenden in die Lage versetzen soll, nach Abschluss in ein entsprechendes betriebliches Einsatzgebiet einmünden zu können (BA 2023). Absolvieren Geförderte alle notwendigen Module eines Berufsbildes, so soll dies am Ende die Teilnahme an einer entsprechenden Externenprüfung der Kammer ermöglichen und zu einem erfolgreichen beruflichen Abschluss führen.

Als relativ neues Phänomen der Arbeitsmarktpolitik sind TQ bisher, von einigen Ausnahmen abgesehen, empirisch wenig untersucht. Für den übergeordneten Bereich der beruflichen Weiterbildung Arbeitsloser gibt es in Deutschland hingegen zahlreiche Evaluationsstudien, die deren Wirkung analysieren (z. B. Bernhard und Kruppe 2012; Biewen et al. 2014; Fitzenberger et al. 2023; Grunau und Lang 2020; Kruppe und Lang 2018). Für die bildungs- und arbeitsmarktpolitische Debatte dürfte von großem Interesse sein, welche Wirkungen Teilqualifizierungen auf die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der geförderten Personen haben. Einerseits könnten Teilqualifizierungen eine sinnvolle Ergänzung zu längeren beruflichen Weiterbildungen sein. Andererseits könnten sie mit ihrer Konstruktionslogik auch in Konkurrenz zu dualen Ausbildungen und entsprechenden Maßnahmen treten, die zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führen. Für eine Analyse der kausalen Wirkungen von TQ liegen bisher nur die hier von uns genutzten Daten zur individuellen Förderung von Personen durch die BA vor.

Deshalb untersuchen wir in diesem Beitrag anhand prozessproduzierter Daten der BA verschiedene Fragestellungen:

  1. 1.

    Welche Wirkungen hat die Teilnahme an Teilqualifizierungen auf die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Teilnehmenden, d. h. auf die Wahrscheinlichkeit von arbeitslosen Teilnehmenden im Vergleich zu ähnlichen arbeitslosen Nichtteilnehmenden, anschließend eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben?

  2. 2.

    Welche Wirkung hat die Teilnahme auf das Einkommen der Teilnehmenden?

  3. 3.

    Welche Wirkungen hat die Teilnahme an Teilqualifizierungen auf die genannten Arbeitsmarktergebnisse verglichen mit einer Teilnahme an längeren, durchgängig geförderten Weiterbildungen, die zu einem anerkannten Berufsabschluss führen?

Für die Untersuchung nutzen wir Daten zu Eintritten in BA geförderte TQ in den Jahren 2015–2020, die knapp 27.000 geförderte Personen umfassen (vgl. dazu Abschn. 4). Methodisch verwenden wir statistisches Matching, um in beobachtbaren arbeitsmarktrelevanten Merkmalen ähnliche Teilnehmende an TQ und Nichtteilnehmende miteinander zu vergleichen und kausale Effekte der Teilnahme auf die Teilnehmenden zu identifizieren (vgl. dazu Abschn. 5).

Der Beitrag schließt eine existierende Forschungslücke. Er ist unseres Wissens der erste, der Erkenntnisse zu kausalen Wirkungen von Teilqualifizierungen bereitstellt. Die Forschungsergebnisse sind zudem relevant für Politik und Verwaltung, da sie erstens dazu dienen können, die ordnungspolitische Diskussion um Teilqualifizierungen und ihre Bedeutung im System der beruflichen Weiterbildung zu begleiten. Zweitens erhält die Arbeitsverwaltung Hinweise darauf, inwieweit mit der Förderung Erfolge bei der Vermittlung Arbeitsloser in Beschäftigung erzielt werden können. Drittens ergänzen sie die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, da Teilqualifizierungen als neues Element das System der beruflichen Aus- und Weiterbildung erweitern, gleichzeitig aber auch untergraben könnten (vgl. hierzu Abschn. 2). Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass die Teilnahme an einer TQ die Beschäftigungschancen und das Einkommen von arbeitslosen Personen erhöht. Im Vergleich zu Umschulungen bringen TQ geringere Einkommenseffekte mit sich.

Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: In Abschn. 2 beschreiben wir den institutionellen Kontext und stellen dar, wie TQ in das System der beruflichen Aus- und Weiterbildung eingebettet sind und welchen theoretischen Prinzipien ihre Konstruktion folgt. In Abschn. 3 diskutieren wir den theoretischen und empirischen Forschungsstand und die zu erwartenden Wirkungen von TQ, bevor wir in Abschn. 4 beschreiben, auf welcher Datengrundlage wir unsere Analysen durchführen und einige deskriptive Eigenschaften der Stichprobe darstellen. In Abschn. 5 beschreiben wir die Methodik unserer Wirkungsanalyse, das sogenannte Propensity Score Matching. Abschnitt 6 präsentiert die Ergebnisse der Analysen. In Abschn. 7 fassen wir die Ergebnisse zusammen und diskutieren einige Schlussfolgerungen.

2 Institutioneller Kontext

Durch das deutsche System der „dualen Berufsausbildung“ (Ebner 2013) wird Arbeitnehmenden in einem hohen Grad allgemeines und berufsfachliches Wissen vermittelt, welches auf dem jeweiligen berufsspezifischen Arbeitsmarkt anhand des Zertifikats ohne aufwendiges Screening nachgewiesen werden kann. Für Arbeitgeber bedeutet dies sowohl die Reduktion von Suchkosten als auch Hinweise auf eine hohe Produktivität der Arbeitnehmenden (vgl. auch Abschn. 3). Letzteren fehlt ggf. nur betriebsspezifisches Humankapital, das kurzfristig ergänzt werden kann. Für Arbeitnehmende bedeutet es, dass sie ihre eigene Position auf dem Arbeitsmarkt absichern, da durch fachliche Spezialisierung und berufliche Zertifizierung bestimmter Tätigkeiten eine Schließung gegenüber anderen Arbeitnehmenden ohne entsprechende Ausbildung stattfindet. So garantiert die Zertifizierung auch einen dem Beruf entsprechenden sozialen Status und einen am Berufssystem orientierten tariflich vereinbarten Lohn.

Dies gilt allerdings nur, solange der erlernte Beruf am Arbeitsmarkt nachgefragt wird. Andernfalls verwandelt sich die Schließung in eine Hürde, da ein anderer Beruf nicht ohne Weiteres aufgenommen werden kann und so Status- und Einkommensverluste drohen. Von der Schließung grundsätzlich betroffen sind formal gering Qualifizierte. Ihre Nachteile fallen umso größer aus, je kleiner die Gruppe derer wird, die über keinen Berufsabschluss verfügen (Solga 2005; Groh-Samberg und Lohmann 2014). Gleichzeitig stellt diese Personengruppe in Zeiten hoher Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften ein nicht zu vernachlässigendes Potenzial dar. Deshalb sind in den letzten Jahren verschiedene arbeitsmarktpolitische Anstrengungen unternommen worden. Ein wichtiger Diskussionsstrang dabei war und ist die Modularisierung beruflicher Bildungsgänge.

In diesem Kontext initiierte der „Innovationskreis berufliche Bildung“, der im Jahr 2006 auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufen wurde, die wissenschaftliche Studie „Flexible Ausbildungswege in der Berufsbildung“ (Euler und Severing 2006). Ziel war es, zu untersuchen, „ob mit der Einführung von Ausbildungsbausteinen in der dualen Ausbildung eine verbesserte horizontale und vertikale Integration der Ausbildung mit vor- und nachgelagerten sowie parallelen vollzeitschulischen Bildungsangeboten erreicht werden kann und ob sich flexiblere Ausbildungsmöglichkeiten für die Betriebe realisieren lassen“ (Euler und Severing 2006, S. 11).

Im Anschluss wurden Teilqualifizierungen entwickelt. Diese bestehen aus verschiedenen Modulen mit unterschiedlichen Inhalten, die getrennt voneinander absolviert werden können. Als Module werden in der theoretischen Diskussion in sich abgeschlossene Lern- und Qualifizierungseinheiten bezeichnet, die oft mit einer Prüfungsleistung verknüpft sind (Gonon 2005). Bei Modularisierung geht es oft darum, dass „bestehende oder neue Bildungsangebote in Lern‑, Qualifizierungs- und Prüfungseinheiten unterteilt“ werden (Gonon 2005, S. 61). Dies kann mit der Möglichkeit zur Spezialisierung auf bestimmte Inhalte sowie mit der zeitlichen oder inhaltlichen Neukombination verschiedener Ausbildungsbausteine einhergehen.

Modularisierung wird bisweilen als komplementär zu bisherigen Elementen des beruflichen Bildungssystems begriffen, um an dessen Schwächen anzusetzen (vgl. Pilz 2009, S. 154 f.). Je nach Ausmaß und Intensität der Modularisierung kann sie aber auch als struktureller Bruch mit dem dualen System interpretiert werden. Innerhalb des dualen Systems wird Ausbildung als eine ganzheitliche Episode begriffen, während der Auszubildende funktions- und unternehmensübergreifend fachlich geschult wird und sich auch in seiner Persönlichkeit weiterentwickeln soll (Frommberger 2009, S. 23). Diese Bildungsgänge werden durch Modularisierung in voneinander unabhängige Bestandteile zerlegt. Werden mehrere Module aneinandergereiht, ergeben sie ein vollständiges Berufsbild. Wesentliche Merkmale der Modularisierung sind die inhaltliche Geschlossenheit der Module bei gleichzeitiger Anschlussfähigkeit an weitere Bausteine, die überschaubaren Dauern einzelner Module und eine Prüfungsleistung oder Zertifizierung (Gonon 2005, S. 62).

Modular gestaltete Ausbildungsgänge können sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Bei den durch die BA geförderten berufsanschlussfähigen TQ geht es im Wesentlichen darum, erwachsene Personen nach dem Erstausbildungsalter, d. h. über 25 Jahre, nachzuqualifizieren, wenn sie bisher keinen oder einen nicht mehr am Markt verwertbaren Berufsabschluss haben. Letzteres liegt vor, wenn Personen eine Ausbildung abgeschlossen, aber längere Zeit nicht in diesem Beruf gearbeitet haben oder einen nicht anerkannten Abschluss aus dem Ausland besitzen. Ziel ist also erstens, dass die Geförderten durch erfolgreiches Absolvieren mehrerer Module einen Berufsabschluss nachholen. Zweitens sollen Hürden abgebaut werden, die bei längeren Umschulungen bestehen. Die modulare Struktur soll den Teilnehmenden schnelle Rückmeldungen über ihre Fortschritte ermöglichen; die Entscheidung für eine TQ wird als weniger weitreichend als die für eine längere berufsqualifizierende Maßnahme begriffen. Drittens ermöglichten TQ den Befürwortern zufolge passgenaue Angebote und größere Flexibilität beim Ein- und Ausstieg in die Maßnahmen und trügen damit verschiedenen Lebensphasen wie Phasen der Kindererziehung besser Rechnung (Wolf et al. 2018). Viertens sollen die durch einzelne Module erworbenen Fähigkeiten durch ihre Zertifizierung unmittelbar am Arbeitsmarkt verwertbar sein und die TQ damit die Arbeitsmarktchancen verbessern helfen.

Die Module der durch die BA geförderten TQ sind zwischen zwei und sechs Monate lang. Ein Berufsbild wird dazu in fünf bis acht Module aufgeteilt. Die Gesamtdauer aller Module orientiert sich an der Erstausbildungszeit (BA 2023). Die Förderung bei Arbeitslosen geschieht analog zu anderen Maßnahmen beruflicher Weiterbildung: Die BA übernimmt die Kosten der Teilnahme mittels der Ausgabe eines Bildungsgutscheins, den potenzielle Geförderte bei einem Bildungsträger einlösen können. Während der Förderung erhalten die Teilnehmenden Arbeitslosengeld bei Weiterbildung.Footnote 1 Dieses entspricht im Rechtskreis des Dritten Sozialgesetzbuchs (SGB III) in der Höhe dem eigentlichen Arbeitslosengeld (Alg) und wird zur Hälfte auf dessen verbleibende Anspruchsdauer angerechnet. Ein Mindestrestanspruch von 30 Tagen bleibt bestehen, um ggf. eine kurze Phase der Arbeitslosigkeit nach Abschluss der Förderung zu überbrücken. Im Rechtskreis des Zweiten Sozialgesetzbuchs (SGB II) beziehen die Teilnehmenden weiterhin Arbeitslosengeld II (Alg II).

Die Ziele und Implementation von TQ standen und stehen in der Kritik. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Zentralverband des Deutschen Handwerks argumentieren, dass TQ das duale System mit seiner abschlussorientierten Tarifierung unterlaufen könnten (DGB und ZDH 2014; DGB 2020). Es wird zudem bezweifelt, ob allein mit TQ eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration gelingen kann. Vielmehr stünde kurzfristige Arbeitsmarktverwertbarkeit durch Erwerb von „Berechtigungszertifikaten“ (DGB 2020) im Vordergrund. Eng damit verwandt ist das Argument, dass durch TQ Prüfungen und Zertifikate unterhalb der Berufsausbildung etabliert werden. Außerdem wird gefordert, dass zwischen Ausbildung und Teilqualifizierung ein Attraktivitätsgefälle hinsichtlich der Anforderungen, Art der Zertifizierung und Entlohnung bestehen müsse (Rulands 2009, S. 36). Auch hat die Entwicklung von TQ aus bestehenden Berufsbildern bisher nur für eine sehr begrenzte Zahl von Ausbildungsberufen stattgefunden. So gibt es beispielsweise Handreichungen für die Konstruktion von Teilqualifizierungen in den Ausbildungen zum/zur Verfahrensmechaniker/-in für Kunststoff- und Kautschuktechnik, zum/zur Berufskraftfahrer/-in, zum/zur Maschinen- und Anlagenführer/-in oder zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit.

3 Theorie und Forschungsstand zu Teilqualifizierungen

Die erwartete Wirkung von Teilqualifizierungen ähnelt grundsätzlich der anderer Weiterbildungsformen. Den zentralen Ansatz zur Erklärung von Weiterbildungsinvestitionen und deren Auswirkungen liefert die Humankapitaltheorie (Becker 1962; Mincer 1974). Investitionen in das Humankapital, also in die eigenen am Markt verwertbaren Fähigkeiten und Kenntnisse, erhöhen die Produktivität der Individuen und damit auch die Löhne oder die Beschäftigungschancen. Hierbei wird angenommen, dass Individuen ihr Lebenseinkommen maximieren und so lange in Humankapital investieren bis der Grenznutzen daraus den Grenzkosten entspricht. Deshalb kann aus der Humankapitaltheorie abgeleitet werden, dass z. B. jüngere Personen oder Personen, bei denen weniger Erwerbsunterbrechungen zu erwarten sind, häufiger an Weiterbildungen teilnehmen. Außerdem kann „cream skimming“ stattfinden, das heißt Arbeitslose mit besseren Arbeitsmarktchancen werden beim Zugang zu Weiterbildung bevorzugt ausgewählt (Heckman et al. 2002) oder selektieren sich selbst häufiger in Maßnahmen.

Einen weiteren Erklärungsansatz für die Effekte von Weiterbildungsinvestitionen bietet die Signaling-Theorie (Spence 1973), die im Gegensatz zur Humankapitaltheorie nicht von vollständiger Information ausgeht; Akteure am Arbeitsmarkt handeln vielmehr unter Unsicherheit. Arbeitgeber sind nicht über die wahre Produktivität von Stellensuchenden informiert und müssen anhand von beobachtbaren Merkmalen der Personen Rückschlüsse auf deren Produktivität ziehen. Hierbei spielen Zertifikate, die Arbeitnehmende im Rahmen einer Weiterbildung erworben haben, eine wichtige Rolle, weil sie diese Entscheidung mit geringen Informationsbeschaffungskosten zu treffen helfen. Beide theoretischen Erklärungsansätze führen zu der Hypothese, dass TQ die Beschäftigungschancen verbessern, also Beschäftigungswahrscheinlichkeit und Einkommen der Teilnehmenden erhöhen sollten.

Als relativ neuem Phänomen sind TQ bisher wenige empirische Studien gewidmet. Grebe et al. (2017) untersuchen im Auftrag des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) mit qualitativen und quantitativen Methoden u. a. Herausforderungen und unterschiedliche Praktiken bei der Umsetzung sowie die Charakteristika und die Zufriedenheit der Teilnehmenden. Sie kommen zu dem Schluss, dass TQ kein „Masseninstrument“ darstellen, aber durchaus eine Lücke zwischen vorhandenen Qualifizierungsmöglichkeiten schließen können. Mühge (2017) legt dar, inwieweit TQ im Rahmen von Transfergesellschaften zur Qualifizierung von Personen dienen können, die von Stellenabbau betroffen sind und idealerweise TQ mit Berufserfahrung kombinieren können. Der Autor schlussfolgert, dass TQ in Transferprojekten für bestimmte Beschäftigte eine Entwicklungsperspektive darstellen können.

Fischer et al. (2020) untersuchen aus betrieblicher Sicht u. a., inwieweit Unternehmen teilqualifizierte Arbeitskräfte ohne Berufsabschluss als einsatzfähig betrachten, Bedarf an teilqualifizierten Arbeitskräften ohne Berufsabschluss haben, und ob Unternehmen grundsätzlich bereit sind, teilqualifizierte Arbeitskräfte einzustellen. Die Ergebnisse der Studie zeigen u. a., dass Betriebe Bedarf an Arbeitnehmenden mit TQ haben, sofern diese die für den Betrieb relevanten Kompetenzen in mindestens einem betrieblichen Einsatzfeld verfügen. Die Bertelsmann Stiftung (2020) untersucht die Wirksamkeit von TQ und kommt zu dem Ergebnis, dass Arbeitnehmende nach Abschluss einer Teilqualifizierung eine Eingliederungsquote von über 70 % aufweisen. Allerdings kann über Brutto-Eingliederungsquoten, also dem Anteil derjenigen, die nach einer festgelegten Zeitdauer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufweisen, keinerlei kausale Beziehung zwischen Teilnahme und anschließender Beschäftigung hergestellt werden.

Im Gegensatz zu den begrenzten Erkenntnissen zur Wirksamkeit von TQ gibt es zu anderen beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose zahlreiche Evaluationsstudien für Deutschland (z. B. Bernhard und Kruppe 2012; Biewen et al. 2014; Fitzenberger et al. 2023; Grunau und Lang 2020; Kruppe und Lang 2018). Es zeigt sich, dass geförderte Weiterbildungen während der Teilnahme negative Beschäftigungseffekte aufweisen, die in der Literatur als Lock-in-Effekte oder Investitionsphase bezeichnet werden. Mittelfristig erhöht die Teilnahme an Weiterbildungen die Beschäftigungschancen und das Einkommen von Teilnehmenden substanziell. Die Effekte sind für längere Weiterbildungen, die unmittelbar zu einem anerkannten Berufsabschluss führen, größer als für kürzere, nicht abschlussbezogene Weiterbildungen (Bernhard 2016; Dauth und Lang 2019; Kruppe und Lang 2014). Dies verweist darauf, dass die bei längeren Maßnahmen notwendigen Investitionen sich in der langen Frist für die Geförderten in Form verbesserter Beschäftigungschancen auszahlen und die Maßnahmen aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive helfen, strukturelle Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt zu reduzieren (siehe z. B. Fitzenberger et al. 2023).

Da TQ aus den Inhalten bestehender Ausbildungsberufe konstruiert werden und grundsätzlich einer ähnlichen Logik wie andere Maßnahmen beruflicher Weiterbildung folgen, ist davon auszugehen, dass ihre Inhalte am Arbeitsmarkt verwertbar sind. Die von uns auswertbaren TQ (siehe dazu ausführlich Abschn. 4) liegen zudem in Berufsfeldern, bei denen derzeit eine relativ starke Nachfrage am Arbeitsmarkt zu konstatieren ist.

In Anbetracht der Ziele und Ausgestaltung von TQ sowie der theoretischen Überlegungen und vorliegenden empirischen Befunde zu öffentlich geförderten Maßnahmen beruflicher Weiterbildung in Deutschland leiten wir verschiedene Hypothesen zur Wirkung von TQ ab: Wir erwarten, dass TQ positive Beschäftigungseffekte und positive Einkommenseffekte erzeugen. Allerdings sind TQ vergleichsweise kurz und die Zertifizierung liegt unterhalb des Niveaus einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Demzufolge ist mit relativ kurzen Investitionsphasen und geringeren Beschäftigungs- und Einkommenseffekten zu rechnen als bei längeren Weiterbildungen, die unmittelbar zu einem anerkannten Berufsabschluss führen.

4 Daten und deskriptive Auswertungen

Für die Analysen der Wirkung von Teilqualifizierungen nutzen wir die Integrierten Erwerbsbiografien (IEB)Footnote 2 des IAB, die auf aufbereiteten Prozessdaten unterschiedlicher Datenquellen der Bundesagentur für Arbeit basieren. Dazu gehört zunächst die Beschäftigtenhistorik mit Informationen zu Zeiten sozialversicherungspflichtiger und geringfügiger Beschäftigung. Informationen zum Bezug von Leistungen (SGB III und SGB II) kommen aus der Leistungsempfängerhistorik oder der Leistungshistorik Grundsicherung. Grundlage für Informationen zuzeiten der Arbeitsuche bilden die Arbeitsuchendenhistoriken, während die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in den Maßnahmenteilnahmehistoriken erfasst wird. Durch die IEB stehen auch Daten für die Gesamtheit der durch die Bundesagentur geförderten TQ bis zum Jahr 2020 zur Verfügung. Mithilfe der IEB ist es möglich, Erwerbsverläufe tagesgenau nachzuvollziehen. Für Beschäftigungsepisoden beinhalten sie zudem Informationen z. B. zum Bruttotagesentgelt und zur Branche. Außerdem enthalten die Daten eine Vielzahl an soziodemografischen Merkmalen wie Geschlecht, Alter und Familienstand oder Informationen zur Schulbildung und Ausbildung. Aber nicht alle TQ werden über die BA gefördert – über diese können hier mangels Daten keine Aussagen getroffen werden.

Wir betrachten in unserer Analyse Zugänge in geförderte Maßnahmen in den Jahren 2015–2020, also in einem Zeitraum nah am aktuellen Rand, in dem auch ein Großteil der bisherigen TQ stattfand. Für diesen Zeitraum finden sich vor Datenbereinigung über 45.000 Zugänge in TQ.Footnote 3 Ca. 15 % der Teilnehmenden sind zu Beginn der TQ sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wir beschränken unsere Auswertung auf arbeitslose Personen. Bei Beschäftigten ist die Bildung einer Vergleichsgruppe auf Basis beobachtbarer Merkmale schwieriger, da für sie in den IEB weniger Informationen zu relevanten Merkmalen, wie beispielsweise Ausbildung und Familienstand, vorliegen. Außerdem gibt es bei Beschäftigten weniger Varianz in der Arbeitsmarkthistorie, die u. a. unbeobachtete Merkmale wie Motivation widerspiegeln kann. Das erschwert die Nutzung eines Schätzansatzes, der nur beobachtbare Merkmale berücksichtigt, wie das von uns gewählte Propensity Score Matching.

Zudem schließen wir für die Analysen sowohl Personen aus, die vor Beginn der TQ weniger als eine Woche arbeitslos gemeldet waren als auch solche, deren TQ planmäßig länger als ein Jahr dauern sollte.Footnote 4 Zusätzlich beschränken wir uns auf TQ, die innerhalb des ersten Jahres nach Beginn der Arbeitslosigkeit begonnen haben.

Nach Ausschluss aller Beobachtungen mit fehlenden Werten in relevanten Variablen und der Einschränkung des Datensatzes auf Teilnehmende im Alter bis 64 Jahre wurde die jeweils letzte TQ im Untersuchungszeitraum identifiziert. Mehr als 95 % der Teilnehmenden im Sample besuchten ohnehin nur eine TQ, weniger als fünf Prozent zwei oder mehr TQ. Für die Analysen verbleiben 26.865 TQ-Teilnehmende. Um im Rahmen der Analysen eine geeignete Vergleichsgruppe ermitteln zu können, wurde eine Zufallsstichprobe an Personen gezogen, die zwischen 2015 und 2020 in Arbeitslosigkeit eingetreten sind und mindestens eine Woche lang arbeitslos waren (N = 548.414).

Da TQ bisher in ausgewählten, eher männerdominierten Berufen angeboten werden, ist zu erwarten, dass der Männeranteil unter Teilnehmenden höher ist als unter Nichtteilnehmenden. Außerdem können sich die Gruppen bezüglich der Altersstruktur entscheiden, da Investitionen in das Humankapital theoretisch naheliegender sind, wenn Personen länger am Arbeitsmarkt verbleiben und entsprechend lange davon profitieren können. Zudem kann es zu einer positiven Selektion durch die Arbeitslosen selbst als auch durch die Vermittlungsfachkräfte kommen, sodass Personen mit größerer Motivation (gemessen über die Arbeitsmarkthistorie) und höherer Bildung eher an einer TQ teilnehmen könnten. Gleichzeitig bilden gering qualifizierte Personen ohne Ausbildungsabschluss eine Zielgruppe von TQ, sodass gering qualifizierte Personen in der Gruppe der Teilnehmenden häufiger anzutreffen sein sollten. Bei Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft kann es zudem vorkommen, dass Berufs- und Bildungsabschlüsse, die in anderen Ländern erworben wurden, im deutschen System nicht anerkannt werden und die Personen deshalb formal als gering qualifiziert gelten. Das spricht dafür, dass der Anteil an Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft höher als unter Nichtteilnehmenden ausfallen dürfte.

Tabelle 1 zeigt die Mittelwerte für ausgewählte Variablen in der Gruppe der Teilnehmenden an einer TQ und der Vergleichsgruppe für die Jahre 2015–2020. Auffällig ist zunächst der hohe Männeranteil unter den TQ-Teilnehmenden, der mit 86 % den der Nichtteilnehmenden deutlich übersteigt. Wie beschrieben liegt ein Grund für die Überrepräsentanz von Männern vermutlich in der Selektion der Berufe, in denen TQ angeboten werden (siehe dazu auch nächster Absatz). Des Weiteren sind die Teilnehmenden im Durchschnitt jünger (38 vs. 42 Jahre) und besitzen wie erwartet seltener die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch bei der Bildung werden starke Unterschiede deutlich. 49 % der Teilnehmenden haben keinen Berufsabschluss, unter den Nichtteilnehmenden sind es nur 20 %. Trotzdem scheinen die Teilnehmenden relativ arbeitsmarktnah zu sein: Sie sind seltener im Rechtskreis SGB II und waren im letzten Jahr vor Beginn der Arbeitslosigkeit im Durchschnitt länger sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Allerdings waren sie auch etwas länger arbeitsuchend und verbrachten etwa drei Tage länger in geförderten Maßnahmen. Zudem waren ihre Tagesentgelte etwas niedriger als die der Nichtteilnehmenden.

Tab. 1 Mittelwerte ausgewählter Variablen – Teilnehmende an TQ und Nichtteilnehmende 2015–2020

Wie erwähnt existieren TQ nur für bestimmte Ausbildungsberufe, erkennbar in einer starken Konzentration der Zielberufe von TQ (s. Tab. 2).Footnote 5 Fast 63 % der Teilnehmenden im Sample nehmen an einer TQ im Berufsbereich Kraftfahrzeugführende oder Berufskraftfahrende im Personenverkehr teil. Fünf Jahre nach dem Beginn der TQ liegt ihre Beschäftigungsquote bei über 73 % und damit höher als der Durchschnitt für alle TQ-Teilnehmenden (69 %). Ein weitaus geringerer Anteil belegt eine TQ in den Berufsbereichen Werkschutz (knapp 8 %), Lagerverwaltung (knapp 5 %) sowie Handelsfachpackerinnen oder -packer (4 %).

Tab. 2 Top 5 Zielberufe der TQ: Anteile und Beschäftigungsquoten

In einem zweiten Schritt vergleichen wir die Arbeitsmarkteffekte von Teilqualifizierungen mit denen von geförderten Weiterbildungen, die zu einem anerkannten Berufsabschluss führen, weil TQ in der Diskussion zum Teil als unmittelbare Konkurrenz zu Ausbildungen gesehen werden (s. oben). Da Umschulungen in der Regel zwei bis drei Jahre dauern und Effekte auf Arbeitsmarktergebnisse sinnvoll erst in mittlerer Frist beobachtet werden können, beschränken wir uns für diesen Vergleich auf Teilnehmende sowie Nichtteilnehmende aus den Jahren 2015 und 2016. Nach den oben genannten Einschränkungen verbleiben für diesen Zeitraum 6112 Teilnehmende an TQ und 37.818 Teilnehmende an Umschulungen. Als Vergleichsgruppe dienen 214.032 nichtteilnehmende Personen mit einer Arbeitslosigkeitsepisode.

Wir erwarten, dass sich die Teilnehmenden an den beiden Weiterbildungsmaßnahmen in ihren beobachtbaren Merkmalen unterscheiden. Da Umschulungen in einem wesentlich breiteren Berufsspektrum als TQ möglich sind und z. B. Pflegeberufe eine wichtige Rolle bei Umschulungen einnehmen (Kruppe und Lang 2018), ist zu vermuten, dass der Frauenanteil bei den Teilnehmenden an Umschulungen höher ist als bei TQ. Da Umschulungen eine umfangreichere Investition ins Humankapital darstellen als TQ, ist zu erwarten, dass Umschulungsteilnehmende jünger als TQ-Teilnehmende sind. Aufgrund der längeren Dauer könnte man außerdem erwarten, dass Teilnehmende an Umschulungen eine höhere Motivation aufweisen, was sich entsprechend in der Arbeitsmarkthistorie widerspiegeln sollte. Bezüglich der bisherigen Ausbildung erwarten wir keine Unterschiede, da die wichtigste Zielgruppe beider Maßnahmen Personen ohne Ausbildungsabschluss sind.

Tabelle 3 zeigt die Mittelwerte ausgewählter Variablen für die Teilstichprobe der Jahre 2015 und 2016 für Teilnehmende an TQ und Teilnehmende an Umschulungen.

Tab. 3 Mittelwerte ausgewählter Variablen – Teilnehmende an TQ und an Umschulungen 2015/2016

Betrachtet man alle Teilnehmenden an TQ und Umschulungen, ist auffällig, dass Frauen wie erwartet viel häufiger an Umschulungen teilnehmen als an TQ. Zudem sind Teilnehmende an Umschulungen mit durchschnittlich 35 Jahren etwas jünger und haben bereits vorher ein höheres Ausbildungsniveau. Teilnehmende an TQ waren allerdings im Jahr vor der Arbeitslosigkeit länger beschäftigt, kürzer arbeitsuchend und bezogen seltener Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld II. Somit scheinen entgegen der Erwartung Teilnehmende an TQ arbeitsmarktnäher zu sein. Das könnte allerdings auch durch den höheren Frauenanteil bei den Umschulungsteilnehmenden bedingt sein, da Frauen häufiger Erwerbsunterbrechungen aufweisen.

Bezüglich der Zielberufe unterscheiden sich die beiden Maßnahmen wie erwartet deutlich. Aus Tab. 4 wird ersichtlich, dass für das Subsample 2015/2016 die Reihenfolge der häufigsten Berufe für TQ-Teilnehmende der im gesamten Sample entspricht (vgl. Tab. 2). Mit Abstand am häufigsten werden auch in diesen beiden Jahren TQ im Bereich Kraftfahrzeugführende gefördert. Bei den fünf häufigsten Zielberufen gibt es nur eine Überschneidung mit den häufigsten Zielberufen von Umschulungen: Die Personen in der Lagerverwaltung sind für beide Weiterbildungsarten am vierthäufigsten. Für Umschulungen ist der wichtigste Zielberuf der der Altenpfleger (10 %), gefolgt von Bürofachkräften (knapp 9 %). Bei den Umschulungen gibt es im Vergleich zu den Teilqualifizierungen keine so starke Häufung bei einem einzelnen Beruf.

Tab. 4 Top 5 Zielberufe TQ und Umschulungen 2015/2016

Um die Wirkung von TQ mit der Wirkung von Umschulungen vergleichen zu können, sollte sich ein Vergleich auf Berufe beschränken, in denen beide Formen geförderter Weiterbildungen mit einer gewissen Häufigkeit durchgeführt werden. Dafür beschränken wir unsere Analysen in einem weiteren Schritt auf Berufe mit jeweils mindestens 200 Teilnehmenden – sowohl an Umschulungen als auch an TQ. Diese Bedingung trifft auf vier Berufe zu: Handelsfachpacker, Maschinisten, Lagerverwaltung und Werkschutz. In diesen Teilstichproben ähneln sich TQ- und Umschulungsteilnehmende in einigen Merkmalen mehr als bei Betrachtung aller Berufe (s. Tab. 3). So sind z. B. bei diesen Berufen sowohl unter den Teilnehmenden an TQ als auch an Umschulungen überwiegend Männer vertreten. Während die Teilnehmenden an TQ im Teilsample der vier Berufe denen aus der Gesamtheit aller TQ Teilnehmenden ähneln, unterscheiden sich die Umschulungsteilnehmenden in den vier Berufen relativ deutlich von allen Umschulungsteilnehmenden. Die Teilnehmenden in den ausgewählten Berufen machen nur gut 21 % aller Teilnehmenden an Umschulungen und nur knapp 14 % aller Teilnehmenden an Umschulungen aus. Da Kruppe und Lang (2018) für Umschulungen zeigen, dass sich die Höhe der Beschäftigungseffekte deutlich nach Zielberuf unterscheiden, können die folgenden Ergebnisse des Vergleichs innerhalb stark eingegrenzter Zielberufe nicht auf TQ und Umschulungen insgesamt übertragen werden.

5 Methodisches Vorgehen

Um kausale Effekte der Teilnahme an einer TQ zu analysieren, nutzen wir Propensity Score Matching. Diese Methode ist zur Analyse der Wirkung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen im Allgemeinen (Card et al. 2010) und von Weiterbildungsmaßnahmen im Speziellen (Bernhard und Kruppe 2012; Kruppe und Lang 2014, 2018) inzwischen weitverbreitet und anerkannt.Footnote 6

Ein simpler Vergleich von Teilnehmenden und Nichtteilnehmenden an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik kann irreführend sein, wenn sich Individuen in beiden Gruppen systematisch voneinander unterscheiden. Unterschiede in den Arbeitsmarktergebnissen dieser Gruppen nach einer Maßnahmenteilnahme sind bei einem solchen Vergleich dann nicht nur auf den Maßnahmeneffekt zurückzuführen, sondern auch auf diese systematischen Differenzen. Allerdings ist es in der Praxis selten möglich, Teilnehmende und Nichtteilnehmende mit echtem Experimentaldesign zufällig in Maßnahmen zuzuweisen. Deshalb wird zur Ex-Post-Wirkungsanalyse oft statistisches Matching genutzt.

Teilnehmende an einer Maßnahme sind nur im Status der Teilnahme und nicht gleichzeitig in der kontrafaktischen Situation der Nichtteilnahme zu beobachten. Der Nachbildung der kontrafaktischen Situation einer Nichtteilnahme gelingt durch den „potential outcome approach“, der nach seinen Entwicklern auch Roy-Rubin-Modell genannt wird (Roy 1951; Rubin 1974; für einen Überblick Caliendo 2006 oder Lechner und Pfeiffer 2001). Dabei werden zu jedem Teilnehmenden ein oder mehrere in (arbeitsmarkt-)relevanten, in den Daten beobachtbaren Merkmalen möglichst ähnliche Nichtteilnehmende, sogenannte statistische Zwillinge, gesucht, mit denen der Teilnehmende verglichen wird. So soll sichergestellt werden, dass systematische Unterschiede zwischen den Gruppen minimiert und idealerweise vermieden werden. Verbleibende Differenzen in den Arbeitsmarktergebnissen zwischen den Gruppen können dann als kausaler Effekt der Maßnahme interpretiert werden. Der Propensity Score ist ein Maß für die Ähnlichkeit der Individuen in beiden Gruppen: Er gibt die individuelle Wahrscheinlichkeit an, zur Treatmentgruppe zu gehören, konditional auf die Variablen, die diese Wahrscheinlichkeit beeinflussen.

Propensity Score Matching (PSM) ist eine datenhungrige Methode, d. h. es bedarf einer Vielzahl Variablen, die zur empirischen Schätzung der Teilnahmewahrscheinlichkeit einbezogen werden müssen. Nur dann ist plausibel, dass nach dem Matching keine relevante unbeobachtete Heterogenität mehr zwischen den Gruppen besteht. Bei der Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen ist die individuelle Arbeitsmarkthistorie von besonderer Bedeutung. In ihr spiegeln sich zahlreiche Faktoren wider, die ansonsten unbeobachtet blieben. Dies betrifft insbesondere Merkmale wie die Motivation der Personen. Aber selbst wenn solche Merkmale nur unvollständig gemessen werden, dürfte dies nicht entscheidend sein. So zeigen Caliendo et al. (2017), dass Persönlichkeitsmerkmale zwar eine Rolle für die Selektion in Maßnahmen spielen, aber Arbeitsmarktergebnisse wie nachfolgende Löhne und Beschäftigungswahrscheinlichkeiten nicht substanziell beeinflussen (ähnlich Tübbicke 2023). Dementsprechend können wir mit detaillierten administrativen Daten die Treatmenteffekte von Teilqualifizierungen valide schätzen. Alle zur Ermittlung der Teilnahmewahrscheinlichkeit verwendeten Merkmale finden sich in Tab. 5.

Tab. 5 Variablen für Propensity Score Matching

Neben den möglichen soziodemografischen Einflussfaktoren sowie der Arbeitsmarkthistorie, die in Abschn. 3 beschrieben wurden und in denen sich Teilnehmende an TQ und Nichtteilnehmende oder Umschulungsteilnehmende unterscheiden (s. Tab. 1 und 3), werden Merkmale des letzten Jobs vor Arbeitslosigkeit (Berufsfeld, Lohn) aufgenommen, da diese einen Hinweis auf Neigungen der Personen und somit auf die Wahl der Maßnahme geben können. Des Weiteren werden bei der Bildung einer Vergleichsgruppe Merkmale der aktuellen Arbeitslosigkeitsepisode (Dauer der Arbeitslosigkeit, Rechtskreis SGB II oder SGB III) sowie der Status vor Beginn der Arbeitslosigkeit (z. B. beschäftigt, in Ausbildung, arbeitsuchend) berücksichtigt, da arbeitsmarktnähere Personen eher an einer geförderten Weiterbildung teilnehmen (vgl. die Ausführungen zu „cream skimming“ Heckman et al. 2002, S. 5).

Wir führen ein dynamisches Nearest Neighbour Matching mit fünf nächsten Nachbarn durch. Wir nutzen für die dynamische Betrachtung monatliche Beobachtungen für die ersten zwölf Monate nach Beginn der Arbeitslosigkeit. Für alle Teilnehmenden mit Beginn einer TQ in einem bestimmten Monat werden fünf Personen (sog. statistische Zwillinge) ausgewählt, die der teilnehmenden Person in ihrer anhand der beobachtbaren Merkmale geschätzten Teilnahmewahrscheinlichkeit möglichst ähnlich sind und die in dem gleichen Monat nach Beginn der Arbeitslosigkeit noch arbeitslos und (noch) nicht in einer Maßnahme sind. Zuletzt wird anhand eines Vergleichs der Mittelwerte der Ergebnisvariablen zwischen der Gruppe der Teilnehmenden und der so ermittelten Vergleichsgruppe der Treatmenteffekt ermittelt.

Für den direkten Vergleich von Teilnehmenden an Teilqualifizierungen und Umschulungen beschränken wir uns, wie oben aufgeführt, auf eine Auswahl an Zielberufen, die für beide Arten der geförderten Weiterbildung eine Rolle spielen.

Um die Beschäftigungseffekte von TQ zu ermitteln, nutzen wir als Ergebnisvariable sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Dazu wird die Beschäftigungsinformation aus den 60 Monaten nach dem (hypothetischen) Beginn der TQ genutzt, wobei hier ein Monat mit 30 Tagen gleichgesetzt wird. Ist eine Person zum jeweiligen Stichtag (x * 30 mit x = 1, …, 60) arbeitslos, nicht mehr am Arbeitsmarkt oder ausschließlich geringfügig beschäftigt, nimmt die Ergebnisvariable den Wert Null an, ist sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt, den Wert eins. Als weitere Ergebnisvariable betrachten wir das Tageseinkommen, gemessen als Bruttotagesentgelt aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und berechnet aus dem gemeldeten Bruttoeinkommen während eines Beschäftigungszeitraums. Sind Personen zum Beobachtungszeitpunkt nicht beschäftigt, erhält diese Variable den Wert Null, sind sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wird der Wert von Null auf das Tageseinkommen gleich dem Tagesentgelt aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gesetzt. Effekte auf Löhne können mithilfe des PSM-Ansatzes nicht ermittelt werden, weil Löhne nur für Beschäftigte gemessen werden können und die Beschäftigungswahrscheinlichkeit bereits durch die Teilnahme an einer TQ beeinflusst wird. Deshalb beschränken wir uns bei der Analyse von Löhnen auf eine deskriptive Darstellung (siehe Abschn. 6.2).

Um zu ermitteln, wie ähnlich sich die Treatmentgruppe und die Vergleichsgruppe nach erfolgtem Matching sind, gibt es verschiedene Maße der Matchingqualität. Wir vergleichen den Mean-Standardized-Bias und den Median-Standardized-Bias jeweils vor und nach dem Matching. Je größer der Rückgang des Bias durch das Matching und je kleiner der Bias danach ist, desto ähnlicher ist die Vergleichsgruppe der Treatmentgruppe. Tabelle 6 zeigt eine deutliche Bias-Reduktion bei allen Matchings.

Tab. 6 Matching Qualität: Mean- und Median-Standardized-Bias vor und nach Matching

6 Ergebnisse der Wirkungsanalysen

Im Folgenden berichten wir die empirischen Ergebnisse der PSM-Analysen. Zunächst werden in Abschn. 6.1 die Beschäftigungs- und Lohneffekte von TQ im Vergleich zu einer Nichtteilnahme diskutiert. Abschnitt 6.2 erläutert danach die Ergebnisse aus dem Vergleich von TQ mit Umschulungen. Zusätzlich zu einer grafischen Darstellung der geschätzten Effekte sind die Beschäftigungseffekte für unterschiedliche Maßnahmen und Samples in Halbjahresschritten in Tab. 7 zusammengefasst, die entsprechenden Einkommenseffekte in Tab. 8.

Tab. 7 Beschäftigungseffekte für unterschiedliche Maßnahmen und Samples
Tab. 8 Einkommenseffekte für unterschiedliche Maßnahmen und Samples

6.1 Vergleich der Teilnahme an Teilqualifizierungen mit einer Nichtteilnahme

Abbildung 1 zeigt die Beschäftigungseffekte einer Teilnahme an einer Teilqualifizierung im Vergleich zu einer Nichtteilnahme für einen Zeitraum von 60 Monaten nach Beginn der Teilnahme. Die gestrichelte Linie zeigt die Beschäftigungswahrscheinlichkeit für TQ-Teilnehmende im Zeitverlauf, die gepunktete Linie die Beschäftigungswahrscheinlichkeit für Personen aus der Vergleichsgruppe. Die durchgezogene schwarze Linie gibt den Treatmenteffekt an, d. h. den kausalen Effekt der Teilnahme auf die Teilnehmenden (Average Treatment Effect on the Treated oder ATT). Die dargestellten Effekte sind als Differenzen in Prozentpunkten zwischen Teilnehmenden und ähnlichen Nichtteilnehmenden zu interpretieren.

Abb. 1
figure 1

Beschäftigungseffekte der Teilnahme an einer TQ im Vergleich zu Nichtteilnahme. (Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB) Version 16.00.01-202012. Eigene Berechnungen. N = 111.978)

Zu Beginn des Beobachtungszeitraums nimmt die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Personen aus der Vergleichsgruppe rasch zu. Nach zwölf Monaten beträgt sie etwa 50 % und steigt bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes auf knapp 60 % an. Die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Teilnehmenden nimmt zu Beginn des Beobachtungszeitraumes aufgrund der Maßnahmenteilnahme langsamer zu, liegt aber bereits im achten Monat höher als die der Nichtteilnehmenden. Im weiteren Verlauf sind die Beschäftigungsquoten der Teilnehmenden durchgängig höher als die der Nichtteilnehmenden und stabilisieren sich bei knapp 70 %.

Im Zeitraum kurz nach Aufnahme einer TQ zeigt sich folglich, und wie theoretisch erwartet, der aus der Literatur zu Effekten von Weiterbildungen bekannte Investitionseffekt: Die Wahrscheinlichkeit für Teilnehmende, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen, nimmt im Vergleich zur Gruppe der Nichtteilnehmenden nach Beginn der Maßnahme (vorübergehend) stark ab. Bei Weiterbildungsmaßnahmen ist dieser Effekt erwünscht, da die erfolgreiche Maßnahmenteilnahme als Voraussetzung für bessere Beschäftigungschancen und Einkommensvorteile betrachtet wird. Die Länge dieses Investitionseffekts korrespondiert mit der durchschnittlichen Dauer von Teilqualifizierungsmodulen und ist wie erwartet relativ kurz. Nach sieben bis acht Monaten haben Teilnehmende und Nichtteilnehmende wieder in etwa die gleiche Wahrscheinlichkeit, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben. Danach ist der Treatmenteffekt mit einer Größenordnung von über 10 bis fast 15 Prozentpunkten substanziell und statistisch signifikant. Er nimmt bis zum Ende des Beobachtungszeitraums etwas ab und liegt fünf Jahre nach Beginn der TQ bei 11 Prozentpunkten (Tab. 7, Modell (1)). Somit bestätigen die Ergebnisse die Hypothese, dass TQ die Beschäftigungschancen der Teilnehmenden verbessern können. Im Vergleich zu Studienergebnissen zu anderen kürzeren Weiterbildungen liegen die hier für TQ ermittelten Effekte eher höher (vgl. z. B. Bernhard 2016; Fitzenberger et al. 2023). Sie sind aber geringer als die Effekte von Umschulungen, die in früheren Studien ermittelt wurden (z. B. Lechner et al. 2011; Bernhard 2016; Kruppe und Lang 2018).

Abbildung 2 zeigt die Effekte der Teilnahme auf das Brutto-Tageseinkommen der Teilnehmenden. Die gestrichelte Linie gibt das Einkommen von Teilnehmenden an, die gepunktete Linie das von Personen aus der Vergleichsgruppe. Die durchgezogene Linie ist der Effekt der Teilnahme auf das Einkommen der Teilnehmenden. Die dargestellten Effekte sind als Differenzen im Einkommen in Euro-Beträgen zwischen Teilnehmenden und Nichtteilnehmenden zu interpretieren, wobei bei Nichtbeschäftigung das Einkommen gleich Null gesetzt wird. Somit ist ein Teil des Einkommenseffekts durch den ermittelten positiven Beschäftigungseffekt getrieben, aber auch höhere Löhne der Teilnehmenden im Vergleich zur Vergleichsgruppe können positive Einkommenseffekte bewirken.

Abb. 2
figure 2

Einkommenseffekte der Teilnahme an einer TQ im Vergleich zu Nichtteilnahme. (Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB) Version 16.00.01-202012. Eigene Berechnungen. N = 111.978)

Die Einkommen der Nichtteilnehmenden steigen rasch an. Das Durchschnittseinkommen pro Tag nach 12 Monaten beträgt etwa 35 €. Im Vergleich dazu steigt das Einkommen der Teilnehmenden langsamer, ist aber nach sieben Monaten, wie erwartet, höher als das in der Vergleichsgruppe und nimmt bis zum Beobachtungsende weiter auf 55 € zu. Auch hier zeigt sich als Folge der Maßnahmenteilnahme für sechs Monate ein negativer Treatmenteffekt auf das Einkommen. Im weiteren Verlauf betragen die Differenzen in den Einkommen zwischen Teilnehmenden und Nichtteilnehmenden zwischen 10 und knapp 13 € (s. Tab. 8, Modell (1)). Alle Effekte sind ab dem siebten Monat statistisch signifikant. Auch hier bestätigt sich die Hypothese, dass die Teilnahme an einer TQ das Einkommen erhöhen kann.

6.2 Vergleich der Teilnahme an Teilqualifizierungen mit einer Teilnahme an Umschulungen

Um die Effekte einer TQ mit denen einer Umschulung zu vergleichen, schränken wir unser Sample wie oben beschrieben zunächst auf Zugänge in den Jahren 2015 und 2016 ein. Damit stellen wir sicher, dass die Arbeitsmarktergebnisse von Umschulungsteilnehmenden in unseren Daten auch noch nach Abschluss dieser langen Maßnahme ausreichend beobachtbar sind. Die Ergebnisse in Tab. 7 und 8 geben die Effekte von TQ (Modell (2)) und Umschulungen (Modell (3)) im Vergleich zur Nichtteilnahme zu verschiedenen Zeitpunkten wieder. Für TQ zeigen sich vergleichbare Effekte auf Beschäftigung und Einkommen wie fürs gesamte Sample. Die Beschäftigungseffekte liegen am Ende des Beobachtungszeitraums, fünf Jahre nach Beginn der TQ, bei ca. elf Prozentpunkten, die Einkommenseffekte bei ca. 10 € pro Tag (s. Tab. 7 und 8 Modell (2)). Umschulungen gehen in den ersten beiden Jahren nach Beginn der Maßnahme mit negativen Effekten auf Beschäftigung und Löhnen einher (s. Tab. 7 und 8, Modell (3)). Das liegt daran, dass Personen während der Kurslaufzeit weniger intensiv und meist erst nach erfolgreichem Abschluss der Umschulung verstärkt nach einem neuen Job suchen. Nach fünf Jahren ist der positive Beschäftigungseffekt einer Umschulung mit elf Prozentpunkten genauso hoch wie der einer TQ. Allerdings verbessern sich die Einkommen durch eine Umschulung stärker und steigen um 12,50 € pro Tag am Ende des Beobachtungszeitraums (Tab. 8, Modell (3)).

Die Zusammensetzung der Teilnehmenden an TQ und Umschulungen unterscheidet sich deutlich voneinander (vgl. Tab. 3). Da die Teilnehmenden jeweils mit einer ihnen ähnlichen Gruppe an Nichtteilnehmenden verglichen werden, kann nur für die Gruppe der Teilnehmenden jeweils der Effekt der spezifischen Maßnahme im Vergleich zur Nichtteilnahme ermittelt werden. Um eine Vergleichbarkeit der beiden Maßnahmen herzustellen, müssen wir uns deshalb im Folgenden auf die in Tab. 3 dargestellte Teilstichprobe der TQ und Umschulungen mit gemeinsamen Zielberufen beschränken. Die Einschränkung (mindestens 200 Teilnehmende bei Umschulungen und TQ in 2015 und 2016) trifft auf Handelsfachpackende, Maschinisten, Lagerverwaltung und Werkschutz zu.

Ermittelt man zunächst die Effekte von TQ und Umschulungen für diese Berufsfelder im Vergleich zur Nichtteilnahme (Tab. 7 und 8, Modell (4) bzw. (5)), zeigen sich für beide Weiterbildungsmaßnahmen geringere Effekte als unter Berücksichtigung aller möglichen Berufe. Allerdings kann kein direkter Vergleich der Wirkung beider Maßnahmen gezogen werden, weil sich die Teilnehmenden der beiden Maßnahmen unterscheiden.

Deshalb werden nun die Effekte für TQ-Teilnehmende im Vergleich zur (hypothetischen) Situation der Teilnahme an einer Umschulung betrachtet. Hierbei werden nur in beobachtbaren Merkmalen ähnliche TQ-Teilnehmende und Umschulungsteilnehmende verglichen, um eine Aussage darüber zu treffen, ob TQ-Teilnehmende bessere oder schlechtere Beschäftigungschancen gehabt hätten, wenn sie stattdessen an einer Umschulung teilgenommen hätten. Die Effekte der Teilnahme an einer TQ für Umschulungsteilnehmende kann hier nicht analysiert werden, weil aufgrund niedrigerer Fallzahlen der TQ-Teilnahmen keine passende Vergleichsgruppe für Umschulungsteilnehmende gebildet werden kann.

Abbildung 3 zeigt, dass zunächst die Beschäftigungsquoten bei TQ-Teilnehmenden relativ zügig zunehmen. Nach zwölf Monaten sind etwa 51 % der TQ-Teilnehmenden wieder beschäftigt. Dieser Anteil steigt im weiteren Verlauf auf über 60 % an und liegt am Ende des Beobachtungszeitraumes bei 62 %. Bei den Umschulungen entwickelt sich die Beschäftigung aufgrund der längeren Maßnahmendauer anfangs weniger stark. Nach 12 Monaten sind etwa 10 % beschäftigt. Nach 27–28 Monaten ist dieser Anteil etwa genauso hoch wie der der TQ-Teilnehmenden. Im Weiteren liegt die Beschäftigungsquote der Teilnehmenden an Umschulungen leicht über der der TQ-Teilnehmenden (vgl. auch Tab. 7, Modell (6)).

Abb. 3
figure 3

TQ vs. Umschulung für gemeinsame Zielberufe mit Beginn 2015/2016 – Beschäftigung. (Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB) Version 16.00.01-202012. Eigene Berechnungen. N = 4118)

Auf Beschäftigung zeigt sich ein vorübergehender positiver Effekt für TQ-Teilnehmende in der Zeit, in der die Umschulungen andauern. Dieser Beschäftigungseffekt ist mit bis zu 41 Prozentpunkten substanziell und statistisch signifikant. Ab dem 26. Monat sind die Beschäftigungswahrscheinlichkeiten von TQ-Teilnehmenden langfristig etwas niedriger als bei der kontrafaktischen Situation einer Umschulungsteilnahme. Allerdings sind diese Effekte mit Ausnahme des 36. Monats insignifikant (auf dem 1 %-Niveau). Bezüglich der Beschäftigungswirkung zeigt sich die Teilnahme an einer TQ also als nicht signifikant nachteilig gegenüber einer Umschulung, zumindest bei den vier in beiden Maßnahmen relevanten Zielberufen.

Bei der Einkommensentwicklung der Teilnehmenden an einer der beiden Maßnahmen zeigt sich zunächst ein ähnliches Bild wie bei der Beschäftigung (vgl. Abb. 4 und Tab. 8 Modell (6)). Die Einkommen der TQ-Teilnehmenden steigen rasch an und liegen nach 12 Monaten bei etwa 33 €. Im weiteren Verlauf steigen sie auf etwa 47 € und stabilisieren sich dort. Die Einkommen der Teilnehmenden an Umschulungen steigen erst später an und sind ab dem 25. Monat in etwa gleich hoch wie die der TQ-Teilnehmenden. Im weiteren Verlauf übersteigen sie sie leicht und liegen bei etwa 53 €. In der Zeit, in der die Umschulungen andauern, zeigt sich ein positiver Effekt auf das Einkommen der TQ-Teilnehmenden. Ab dem 25. Monat sind deren Einkommen signifikant niedriger als die der Teilnehmenden an Umschulungen. Die Größenordnung des Treatmenteffekts auf das Einkommen beträgt zwischen knapp 5 und 7 €. In einigen Monaten am Ende des Beobachtungszeitraums sind die Unterschiede nicht mehr signifikant, werden es aber im 60. Monat mit etwa 5 € wieder. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Teilnehmende trotz ähnlicher Beschäftigungsquoten höhere Einkommen erreichen könnten, wenn sie in diesen spezifischen Berufsfeldern anstelle einer TQ eine Umschulung gemacht hätten.

Abb. 4
figure 4

TQ vs. Umschulung für gemeinsame Zielberufe mit Beginn 2015/2016 – Einkommen. (Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB) Version 16.00.01-202012. Eigene Berechnungen. N = 4118)

Somit bestätigt sich zwar die Hypothese nicht, dass Umschulungen die Beschäftigungschancen von Teilnehmenden stärker erhöhen als von TQ-Teilnehmenden – zumindest nicht für die Teilstichprobe der sich überschneidenden Berufe. Allerdings findet sich, wie erwartet, ein Einkommensvorteil bei der Teilnahme an einer Umschulung.

Einkommenseffekte können erstens durch positive Beschäftigungseffekte getrieben sein, weil nur Beschäftigte ein Einkommen größer Null haben, oder zweitens durch einen positiven Effekt auf die Löhne im neuen Job. Da erfolgreich abgeschlossene Umschulungen immer zu einem Berufsabschluss führen, die Teilnahme an einer TQ in der Regel aber nur einer von mehreren Schritten zum Abschluss ist, ist zu erwarten, dass die Lohndifferenz nach einer Umschulung höher ausfällt als nach einer TQ.

Lohneffekte für die Untergruppe der Personen, die wieder eine Beschäftigung finden, lassen sich mit dem hier gewählten Schätzansatz allerdings nicht ermitteln. Neben der Selektion in eine TQ müsste auch die Selektion in Beschäftigung berücksichtigt werden. Beim vorliegenden Vergleich zwischen TQ und Umschulungen ist aber ein Rückschluss auf die Lohneffekte möglich. Da Teilnehmende an einer TQ bei der Teilnahme an einer Umschulung ähnliche Beschäftigungswahrscheinlichkeiten hätten (kein positiver Beschäftigungseffekt), ihr Einkommen aber höher ausfallen würde (positiver Einkommenseffekt), wäre der Lohn für die Gruppe der Personen, die wieder eine Beschäftigung finden, nach einer Umschulung höher gewesen.

Im Folgenden wird zusätzlich eine deskriptive Analyse der Löhne, die nur für Beschäftigte beobachtet werden können, durchgeführt. Die Löhne sind als Brutto-Tagesentgelt für Personen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gemessen. Betrachtet wird in Tab. 9 der Lohn aus dem letzten Job vor Arbeitslosigkeit, der Lohn bei der ersten Beschäftigung nach Beginn der Maßnahme sowie der Lohn zum Ende des Beobachtungszeitraums, fünf Jahre nach Beginn der Maßnahme. Vergleicht man den Lohn vor Beginn der Maßnahme, haben Personen, die an einer Umschulung teilnehmen, mit 56 € vorher weniger verdient als Personen, die an einer TQ teilnehmen (ungefähr 60 €). Berücksichtigt man nur Teilnehmende mit den oben definierten gemeinsamen Zielberufen, liegt der Tageslohn im letzten Job vor Arbeitslosigkeit für beide Gruppen bei ca. 59 €. Der Unterschied zwischen dem letzten Lohn vor Arbeitslosigkeit und dem Lohn im ersten Job nach der Maßnahme fällt für Umschulungsteilnehmende deutlich höher aus als für TQ-Teilnehmende. Betrachtet man alle Zielberufe, erhöht sich der Tageslohn für Umschulungsteilnehmende um rund 13 €, für TQ Teilnehmende nur um ca. 7,0–8,5 €. Betrachtet man das Teilsample der gemeinsamen Berufe, liegt das Tagesentgelt im ersten Job nach einer Umschulung um ca. 9,5 € höher, nach einer TQ nur um gut 3 €. Die Löhne steigen in der Folgezeit weiter an. Der Lohnvorteil bei den Umschulungsteilnehmenden bleibt aber bestehen.

Tab. 9 Löhne zu verschiedenen Zeitpunkten für Teilnehmende an TQ und Umschulungen (Tagesentgelt)

7 Fazit

Teilqualifizierungen (TQ) sind ein relativ neues Instrument im Instrumentenkasten der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Sie stellen faktisch eine Modularisierung von Ausbildungsberufen dar, d. h. der Ausbildungsberuf wird in einzelne Module zerteilt, die inhaltlich jeweils einen Teil eines vollständigen Berufsbilds abdecken und getrennt voneinander absolviert werden können. Diese Module ermöglichen es, verschiedene Ausbildungsinhalte zeitlich und inhaltlich unterschiedlich miteinander zu kombinieren. Allerdings stehen die Befürchtungen im Raum, durch TQ werde das System der Berufsausbildung ausgehöhlt und die an Ausbildungsabschlüssen orientierte Tarifierung von Löhnen unterlaufen.

Über die Wirksamkeit von geförderten TQ ist bislang nur wenig bekannt. Daher evaluieren wir diese in zweierlei Hinsicht: Erstens untersuchen wir, welche durchschnittlichen Wirkungen die Teilnahme an TQ auf zwei unterschiedliche Arbeitsmarktergebnisse der Teilnehmenden hat, nämlich auf die Wahrscheinlichkeit, beschäftigt zu sein und auf die Höhe des Tageseinkommens. Zweitens untersuchen wir, welche durchschnittliche Wirkung die Teilnahme hat, verglichen mit der Teilnahme an längeren Weiterbildungen, die zu anerkannten Berufsabschlüssen führen. Wir nutzen administrative Daten der BA und Propensity Score Matching, um Teilnehmende an Teilqualifizierungsmaßnahmen und in relevanten Merkmalen ähnliche Personen miteinander zu vergleichen – zum einen nichtteilnehmende Arbeitslose und zum anderen Teilnehmende an längeren Umschulungen.

Empirisch zeigt sich erstens, dass Teilnehmende an einer TQ im Vergleich zu nichtteilnehmenden Arbeitslosen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, nach Abschluss der Maßnahme beschäftigt zu sein. Die Effekte liegen in einer Größenordnung von 10 bis 15 Prozentpunkten und sind damit inhaltlich bedeutsam sowie statistisch signifikant. Zweitens ist das Einkommen der Teilnehmenden im Anschluss an die Teilnahme höher als das von Nichtteilnehmenden. Die Differenz in den Einkommen zwischen den beiden Gruppen beträgt zwischen 10 und 12 € pro Tag und kann neben einem indirekten Effekt durch eine höhere Beschäftigungswahrscheinlichkeit auch durch höhere Löhne der Teilnehmenden getrieben sein. Damit zeigen sich die theoretisch erwarteten Wirkungen von TQ. Insgesamt weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass TQ eine geeignete Maßnahme darstellen können, um die Beschäftigungschancen von Arbeitslosen zu verbessern.

Drittens zeigt sich, dass sich die Zusammensetzung der Teilnehmenden an TQ einerseits und Umschulungen andererseits deutlich voneinander unterscheidet. Die geringe Überlappung der Zusammensetzung beider Gruppen kann ein Hinweis darauf sein, dass die Vermittlungsfachkräfte in den Agenturen für Arbeit vor Ort mit ihrem Detailwissen über Arbeitslose den Einsatz von TQ, ähnlich wie bei längeren Umschulungen, zielgenau und individuell auf die förderfähigen und -willigen Personen abstimmen.

Viertens sieht man beim Vergleich von TQ-Teilnehmenden und Teilnehmenden an Umschulungen in den gleichen Zielberufen, dass sich die Beschäftigungswahrscheinlichkeiten der beiden Gruppen nur zu Beginn des Beobachtungszeitraumes systematisch voneinander unterscheiden – TQ-Teilnehmende hätten langfristig also ähnliche Beschäftigungswahrscheinlichkeiten gehabt, wenn sie statt einer TQ eine Umschulung absolviert hätten. Dies widerspricht der theoretisch erwarteten geringen Wirkung von TQ.

Fünftens sind die Einkommenseffekte von Umschulungen etwas höher als die von TQ: Teilnehmende an Umschulungen erzielen im Vergleich zu Teilnehmenden an TQ ein Tagesentgelt, das zwischen knapp 5 und 7 € höher ist.

Der Vergleich von TQ mit Umschulungen basiert nur auf 21 bzw. 14 % aller beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen, weil TQ und Umschulungen zumeist in unterschiedlichen Berufsfeldern stattfinden und hier nur gemeinsame Berufe verglichen werden können. So sind Pflegeberufe beispielsweise die wichtigsten Zielberufe für Umschulungen, für TQ spielen sie aber keine Rolle. Wie sich dieser Vergleich in anderen Berufsfeldern darstellen würde, kann aus den Ergebnissen dieser Untersuchung deshalb nicht abgeleitet werden.

Trotzdem können die Ergebnisse ein Hinweis darauf sein, dass Umschulungen bezüglich der Verbesserung des Einkommens längerfristig einen Vorteil gegenüber TQ mit sich bringen und zumindest ein Teil der TQ-Teilnehmenden auch für die Teilnahme an einer Umschulung infrage kämen. Arbeitslose und Vermittlungsfachkräfte sollten also bei einem Qualifizierungsbedarf die beiden Möglichkeiten einer Förderung gut abwägen.

Die im Vergleich zu Umschulungen ähnlich hohen Beschäftigungseffekte von TQ und ihre etwas geringeren Einkommenseffekte könnten außerdem als Hinweis darauf gedeutet werden, dass TQ tatsächlich dazu beitragen, die Tarifierung von Löhnen zu unterlaufen. Allerdings zeigen sich für alle Umschulungen (also inklusive denen in Berufen, in denen keine TQ stattfinden) für den hier untersuchten Zeitraum mit Zugängen in 2015 und 2016 insgesamt niedrigere Beschäftigungseffekte als in früheren Studien mit älteren Daten (vgl. z. B. Kruppe und Lang 2018). Deshalb könnte auch eine verbesserte Arbeitsmarktlage, in der arbeitslose Personen auch ohne eine Weiterbildung relativ gute Chancen haben, einen neuen Job zu finden, Ursache für die geringen Unterschiede in der Beschäftigungswirkung von Umschulungen und TQ sein. Zukünftige Forschung zu dem Themenfeld sollte diese Frage in den Blick nehmen, indem die Wirkung beider Maßnahmen im weiteren Zeitverlauf verglichen wird.

Unklar bleibt, inwieweit TQ zu Berufsabschlüssen führen, da letztere in den Daten höchstens indirekt erkannt werden können. In den prozessproduzierten Daten der BA liegen keine Informationen über erfolgreich absolvierte Abschluss- oder Externenprüfungen bei Kammern vor. Denkbar ist, dass ein formal höherer Bildungsabschluss in einem mehr oder weniger langen Zeitraum nach einer TQ mit einer solchen Prüfung in Verbindung steht. Da die Einkommenseffekte bei TQ weniger groß ausfallen als bei Umschulungen und wir für die meisten Personen nur die Teilnahme an einer TQ in den Daten beobachten, liegt allerdings die Vermutung nahe, dass die Teilnahme an einer TQ zumindest im Beobachtungszeitraum weniger wahrscheinlich mit einem Berufsabschluss einhergeht. Dennoch ist letztlich nicht zu quantifizieren, welcher Anteil der Teilnehmenden mittelfristig einen Abschluss erwirbt. Damit bleibt ein wichtiges weiteres Erfolgskriterium bei TQ vorerst untererforscht.