Mitte der 1990er-Jahre standen Vorstellungen eines freien, dezentral organisierten und selbstregulierten Internets, das weitgehend ohne staatliche Eingriffe auskommen sollte, als einflussreiches Narrativ hoch im Kurs der gesellschaftspolitischen Debatten. John Perry Barlow, einer der Gründer der Electronic Frontier Foundation, hatte am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos 1996 eine mit bemerkenswertem Pathos unterlegte und einem unbestimmten „Wir“ versehene Declaration of the Independence of Cyberspace formuliert, die den Anspruch einer Selbstregulierung des Netzes mit einem radikalen Anti-Etatismus verknüpfte:

We are creating a world that all may enter without privilege or prejudice accorded by race, economic power, military force, or station of birth. We are creating a world where anyone, anywhere may express his or her beliefs, no matter how singular, without fear of being coerced into silence or conformity. … Governments of the Industrial World, you weary giants of flesh and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone. You are not welcome among us. You have no sovereignty where we gather (Barlow 1996).

Eineinhalb Jahre zuvor hatten Esther Dyson, George Gilder, George Keyworth und Alvin Toffler (1994) eine Magna Carta for the Knowledge Age vorgelegt, in der libertäre Freiheitsauffassungen und die offene Gestaltbarkeit des Internets dezidierter mit neoliberalen Marktvorstellungen und einer dem technologischen Fortschritt unterstellten deterministischen Wirkkraft in Richtung Entmonopolisierung und Dezentralisierung der Wirtschaft kombiniert wurden:

In Cyberspace itself, market after market is being transformed by technological progress from a “natural monopoly” to one in which competition is the rule. … The advent of new technology and new products creates the potential for dynamic competition (Dyson et al. 1994).

Diese Mischung aus freiheitlich-emanzipatorischen Gestaltungsvisionen, neoliberalen Marktauffassungen und technikdeterministischen Setzungen, die für die dann so bezeichnete kalifornische Ideologie typisch wurde, erwies sich in den folgenden Jahrzehnten als ausgesprochen wirkmächtiges und stabiles Narrativ (Barbrook und Cameron 1996; Turner 2006) – später sekundiert von Vorstellungen einer ebenfalls vorrangig aus neuen technisch basierten Interaktionsmöglichkeiten hergeleiteten Handlungssouveränität und Gestaltungsfähigkeit der Nutzerinnen und Nutzer im Web 2.0 (O’Reilly 2005; Benkler 2006; kritischer Überblick: Schrape 2019).

Aus heutiger Sicht kann konstatiert werden: Das Internet und die darauf aufbauenden datenbasierten Infrastrukturen haben Wirtschaft, Politik, Öffentlichkeit und Gesellschaft in der Tat auf breiter Front und in zum Teil radikaler Art und Weise verändert – allerdings in signifikant andere Richtungen als zunächst erhofft und angenommen.

Die markanteste Entwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte ist die großflächige kommerzielle Aneignung und privatwirtschaftliche Übernahme weiter Teile des Internets, die seither von Technologieunternehmen vor allem aus dem Umfeld des Silicon Valley vorangetrieben worden ist und sich bis in die zweite Hälfte der 2010er-Jahre weitgehend unbehelligt von gesellschaftlichen Interventionen und staatlich-regulativen Einfassungen entfalten konnte. Mittlerweile wird das Web geprägt von zahllosen kommerziell betriebenen Plattformen, die spezialisierte Dienstleistungen und Konsumangebote offerieren (z. B. Fahrdienstleistungen, Reisebuchungen, Zimmervermittlungen, Lieferdienste, Musik- und Video-on-Demand-Dienste oder Shopping-Portale), vor allen Dingen aber von wenigen erheblich weitläufiger strukturierten und inzwischen als „systemrelevant“ eingestuften Social-Media- und Messaging-Plattformen, über die heute wesentliche Teile der onlinebasierten Kommunikation, Meinungsbildung und Öffentlichkeit organisiert und strukturiert werden.

Massive Konzentrationsprozesse, die Herausbildung von Winner-take-all-Märkten und neue Quasimonopole sind die mittlerweile weithin sichtbaren ökonomischen Folgen dieser privatwirtschaftlichen Landnahme des Internets. Der strukturbildende und regelsetzende Einfluss, den insbesondere die führenden US-amerikanischen Technologiekonzerne Amazon, Apple, Alphabet (Google) und Meta (Facebook) mit ihren engmaschig ineinander verflochtenen Plattformen erlangt haben, reicht allerdings deutlich über rein ökonomische Machtpositionen hinaus und tief in die Gesellschaft hinein.

Diese Konzerne betreiben mit ihren Plattformen heute die wesentlichen technischen Infrastrukturen und Dienste des kommerziellen Internets, auf die nicht nur private Nutzer, sondern auch viele Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zurückgreifen. Als privatwirtschaftliche Akteure mit quasihoheitlichen Kompetenzen kontrollieren sie die zentralen Zugänge zum Internet, strukturieren und observieren die Bewegungsmöglichkeiten der Nutzer, filtern und kuratieren in großem Stil Inhalte, Informationsflüsse und Diskussionen auf ihren Plattformen (Dolata 2022) und sind damit zum zentralen Spielfeld eines erneuten Strukturwandels der Öffentlichkeit geworden (Seeliger und Sevignani 2021). Als Wirtschaftsakteure koordinieren sie Märkte und vermitteln Arbeitszusammenhänge, arbeiten an der möglichst lückenlosen Beobachtung, Verarbeitung und Inwertsetzung der Datenspuren, die Nutzerinnen und Nutzer im Web hinterlassen und haben damit einen Prozess der Vermessung und Kommodifizierung sozialer Verhaltensspuren und Beziehungen in Gang gesetzt (Zuboff 2019). Öffentlichkeit und Politik haben diese sukzessiven Entwicklungen in die Richtung einer Privatisierung, Kommerzialisierung und Plattformisierung des Internets (Van Dijck et al. 2018) mit all ihren Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft bis in die zweite Hälfte der 2010er-Jahre kaum reflektiert und mit eigenen Initiativen zu einer stärkeren regulativen Einfassung der großen Plattformen und der sie betreibenden Unternehmen ausgesprochen spät die Bühne betreten (Nadler und Cicilline 2020; European Commission 6,7,a, b).

Die Beiträge dieses Sonderheftes befassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln – empirisch, theoretisch und historisch rekonstruierend – mit den organisationalen, sozioökonomischen und regulativen Eigenheiten des plattformbasierten Internets, analysieren dessen Auswirkungen auf die politische Kommunikation und Öffentlichkeit, untersuchen die Lebenszyklen und Ausprägungen von vorderhand offen strukturierten Online-Gemeinschaften und diskutieren zentrale methodologische Herausforderungen für die empirische Sozialforschung, die mit dem rasant anwachsenden Bestand an (oft in privatwirtschaftlichen Zusammenhängen generierten) digitalen Daten verbunden sind. Das Heft ist um sechs Themenfelder organisiert.

Im ersten Themenfeld Politische Ökonomie und Organisation werden in organisations- oder wirtschaftssoziologischer Perspektive die spezifischen Organisationsformen und Kommodifizierungsmechanismen von digitalen Plattformen präziser bestimmt. Zum einen schärfen die Beiträge die oft eher vage Rede von „den Plattformen“, indem sie deren spezifische Organisierungsmerkmale herausarbeiten und diese von anderen (Inter‑)Organisationsformen abgrenzen. Ulrich Dolata und Jan-Felix Schrape begreifen die verschiedenen kommerziellen Kommunikations‑, Markt‑, Konsum- und Serviceplattformen im Internet als eine neuartige Organisationsform, deren Architektur aus zwei konstitutiven Ebenen besteht: den plattformbetreibenden Unternehmen als organisierenden und strukturierenden Kernen und den ihnen gehörenden Plattformen als mehr oder minder ausgreifenden sozialen Handlungsräumen. Jörg Sydow und Carolin Auschra arbeiten die jeweils spezifischen Eigenheiten von Plattformen, interorganisationalen Netzwerken und verschiedenen Spielarten von Ökosystemen heraus, setzen sie ins Verhältnis zueinander und tragen damit zu einer Typologisierung der unterschiedlichen Organisations- und Vernetzungsformen, die über einzelne Organisationen hinausreichen, bei. Zum anderen werden Mechanismen der Abschöpfung, Auswertung und ökonomischen Inwertsetzung von Nutzerverhalten auf Plattformen identifiziert. Oliver Nachtwey und Simon Schaupp fassen die systematische und großflächige Inwertsetzung der Rohdaten, die die Nutzerinnen und Nutzer auf den Plattformen hinterlassen, als dreischrittigen Prozess der Kommodifizierung und argumentieren, dass deren Ausgangspunkt nicht auf dezidierten Arbeitsleistungen der Nutzer beruht, sondern auf Praktiken des Gabentauschs.

Im Fokus des zweiten Themenfeldes stehen nicht weniger relevante arbeitssoziologische Fragen zu neuen Formen der Organisierung, Koordination und Kontrolle von Arbeit auf und durch digitale Plattformen. Vor allem das Phänomen der Plattformarbeit außerhalb betrieblicher Zusammenhänge hat in den vergangenen Jahren an sozialwissenschaftlicher Aufmerksamkeit gewonnen und eine Vielzahl an empirischen Studien angestoßen, die allerdings nicht selten prominente Einzelfälle wie Uber zur Grundlage weitreichender Transformationsdiagnosen gemacht haben. Um die Vorstellungen und Konzeptualisierungen einer plattformbasierten Koordination von Arbeitsprozessen und -märkten schärfer zu konturieren, werden in diesem Teil die vorliegenden, oft kleinteiligen Forschungsergebnisse dieses Feldes im Rahmen eines Literature Review systematisch aufeinander bezogen und Schwerpunkte wie Desiderata der bisherigen Forschung herausgearbeitet (Markus Hertwig und Christian Papsdorf), am Beispiel des Mobilitätssektors in Deutschland die empirisch vorfindliche Vielfalt organisationaler Modelle und Arbeitstypen, die deutlich über das Uber-Modell hinausgehen, analysiert (Stefan Kirchner, Nele Dittmar und Emilia Ziegler) und anhand der Digitalisierung der Beschäftigungsindustrie komplexe sektorspezifische Restrukturierungsprozesse in den Blick genommen, die durch neu in den Markt eintretende Plattformunternehmen ebenso geprägt werden wie durch etablierte Akteure, die sich proaktiv auf die Digitalisierung ihres angestammten Geschäfts einlassen – und in denen die führenden Internetkonzerne bislang eine eher nachgeordnete Rolle spielen (Hans J. Pongratz).

Das dritte Themenfeld Öffentlichkeit und politische Kommunikation greift zentrale Fragestellungen der politischen Soziologie und der Mediensoziologie zum Strukturwandel der Öffentlichkeit und der Medienkommunikation durch die Plattformisierung des Internets auf. Das äußert sich zum einen in einer Pluralisierung und gegenseitigen Durchdringung verschiedenartiger Medienformate und Öffentlichkeitsarenen. Und das zeigt sich zum anderen in einer zunehmenden Ausrichtung der Produktion und Diffusion von Medieninhalten an digitalen Plattformen und deren algorithmischen Strukturen. Dadurch werden nicht nur klassische Medienunternehmen und Kulturangebote unter erheblichen Anpassungsdruck gesetzt, sondern auch etablierte Muster der Aushandlung öffentlicher Aufmerksamkeit signifikant verändert. In diesem Teil werden zunächst im Anschluss an Georg Simmel die Unterschiede zwischen und das Zusammenspiel von Journalismus und digitalen Plattformen als vermittelnde Dritte in der demokratischen Gesellschaft austariert (Christoph Neuberger). Die Beiträge von Otfried Jarren und Renate Fischer sowie von Patrick Donges untersuchen im Anschluss, welche Folgen mit der Digitalisierung für die auf Einbezug, Teilhabe und Kontrolle orientierte Medienöffentlichkeit einhergehen. Social-Media-Plattformen führen, so das Resultat ihrer Betrachtungen, angesichts ihrer algorithmisch automatisierten Vermittlungsleistungen zu neuen Sichtbarkeiten wie auch Unsichtbarkeiten in der politischen Kommunikation und haben sich zu einer demokratierelevanten Infrastruktur entwickelt, die zusammen mit dem professionellen Journalismus bzw. etablierten massenmedialen Anbietern ein hybrides Mediensystem konstituieren, das nach einer substanziellen Neujustierung der regulativen Instrumente verlangt.

Die beiden Beiträge des vierten Themenfeldes befassen sich mit der Entwicklung und Rolle internetbasierter Gemeinschaften. Technikorientierte Communities haben seit den 1960er-Jahren immer wieder eine Pionierfunktion in der Exploration möglicher künftiger soziotechnischer Entwicklungslinien eingenommen und zur Übersetzung dieser Horizonterprobungen in anwendungsorientierte Praktiken beigetragen. Andreas Hepp stilisiert in seinem Beitrag den typischen Lebenszyklus solcher Pioniergemeinschaften von ihrer Entstehung über ihre Hochphase bis hin zu ihrem Ausklang und kontrastiert die damit einhergehenden Prozesse sukzessiver Transformation mit Vorstellungen disruptiver soziotechnischer Veränderungsdynamiken. Nicht zuletzt auf der Basis koordinationserleichternder Effekte digitaler Technologien sind in den vergangenen Jahrzehnten auch eine Reihe sozioökonomisch relevanter und vorderhand offen strukturierter Produktionsgemeinschaften und kollektiver Arbeitsplattformen entstanden (z. B. Wikipedia, Open-Source-Projekte), die sich bei näherer Betrachtung allerdings durch spezifische Verhältnisse von Inklusion und Exklusion auszeichnen. Laura und Leonhard Dobusch zeigen, dass Offenheit und Geschlossenheit in derartigen Gemeinschaften nicht gegeneinander stehen, sondern sich wechselseitig bedingen: Um Offenheit in eine Richtung zu ermöglichen, werden regelmäßig Schließungen in andere Richtungen notwendig. Auf dieser Basis entwickeln sie in ihrem Beitrag eine Typologie von Offenheit-Geschlossenheit-Konfigurationen, die charakteristisch für „offene“ Online-Gemeinschaften sind.

Im fünften Themenfeld wird die sowohl in öffentlichen Debatten als auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung prominent diskutierte Frage nach der Governance durch und von Plattformen aufgegriffen. Das „durch“ bezieht sich auf die regelsetzende und regeldurchsetzende Macht vor allem der großen Plattformen und ihrer Betreiber; das „von“ bezieht sich auf politische Möglichkeiten und Initiativen in die Richtung einer stärkeren staatlich-regulativen Einfassung von Plattformen. Der Beitrag von Christian Katzenbach zeichnet die Diskursverläufe zur Governance von Social-Media-Plattformen nach und zeigt, dass der wachsende politische und gesellschaftliche Druck auf deren Betreiber, Verantwortung und Mithaftung beispielsweise für anstößige Inhalte zu übernehmen (Responsibility Turn), dort mit der Propagierung informationstechnisch automatisierter Verfahren beantwortet wird (Algorithmic Turn) – mit der Konsequenz, dass damit genuin soziale Entscheidungen über umstrittene Inhalte ein weiteres Mal der Technik und den technischen Infrastrukturen überantwortet werden. Daran anknüpfend zeigen Rena Schwarting und Lena Ulbricht am Beispiel der Risikobewertungssoftware COMPAS, die seit einigen Jahren in der US-amerikanischen Strafjustiz zur Bewertung des Rückfallrisikos von Angeklagten eingesetzt wird, dass einerseits vermeintlich technische Lösungen für soziale Probleme keineswegs bruchlos in soziale Entscheidungsfindungen übernommen werden und dass sich andererseits diskriminierende Folgen algorithmischer Verfahren nicht einfach über Anpassungen des Software-Codes lösen lassen. Michael Latzer charakterisiert in seiner weit ausgelegten Medienwandelanalyse die derzeitige Phase der Digitalisierung als Zusammenspiel von Datafizierung, Algorithmisierung und Plattformisierung und stuft das verbreitete Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit digitaler Technik als implizite Alltagsreligion unserer Zeit ein, die von einem durch Industrie und Politik vorangetriebenen Glauben an eine wissenschaftlich-technisch steuerbare menschliche Evolution genährt wird. Susanne Pernicka und Elke Schüßler arbeiten in ihrem komparativ angelegten und feldtheoretisch verorteten Beitrag zu den Auseinandersetzungen um eine Restrukturierung der Governance des Personentransportsektors in Wien und Berlin die komplexen Akteur- und Konfliktkonstellationen heraus und zeigen, dass onlinebasierte Fahrdienstleister als neue Marktakteure mit ihren offensiv vorgetragenen Strategien bislang dort nicht reüssieren konnten und in beiden Fällen von einer vollständigen Disruption der etablierten Märkte und Regulierungsmodi keine Rede sein kann.

Im sechsten Themenfeld Methoden schließlich werden neue Möglichkeiten und Probleme, die mit der Erhebung und Analyse digitaler Massendaten einhergehen, angesprochen. Das Internet und insbesondere das Social Web bietet den Sozialwissenschaften einen gewaltigen neuen Pool an Daten, die durch die Forschenden zwar nicht mehr in klassischer Manier erhoben werden müssen, deren Produktion allerdings oft opak bleibt. Daraus ergeben sich eine Vielzahl an neuen methodologischen Herausforderungen – von der Problematik der Datenauswahl bis hin zu Fragen der Reliabilität, Repräsentativität und forschungsethischen Verortung –, die in den letzten beiden Beiträgen des Bandes erörtert werden. Der Beitrag von Raphael H. Heiberger bietet, unterlegt mit illustrierenden Anwendungsbeispielen, einen instruktiven Einblick in die Potenziale und Herausforderungen von Verfahren des maschinellen Lernens für die quantitativ ausgerichtete empirische Sozialforschung. Andreas Schmitz und Jan R. Riebling diskutieren die Qualität digitaler Prozessdaten, arbeiten aus einer prozessualen Perspektive die fehlerverursachenden Mechanismen heraus, denen digitale Prozessdaten ähnlich wie traditionelle Datenformen unterliegen, und entwickeln eine Post-hoc-Strategie der Datenqualitätssicherung.

Das plattformbasierte Internet, so lässt sich bilanzieren, zeichnet sich durch starke Monopolstellungen und Machtpositionen einzelner Konzerne und zugleich durch intensive Konkurrenzdynamiken, oft uneindeutige Restrukturierungsprozesse und scharfe Machtauseinandersetzungen in spezifischen Sektoren oder Feldern aus. Plattformunternehmen prägen das heutige kommerzielle Internet, lassen sich allerdings nicht als der eine neue Organisationstyp des Unternehmens im 21. Jahrhundert verallgemeinern, sondern fügen sich in eine Pluralität nebeneinander existierender (Inter‑)Organisationsformen ein. Plattformarbeit zeichnet sich durch verschiedene Koordinations- und Organisationsmuster aus, die sich nicht auf den einen Begriff bringen lassen, sondern nach Abstufungen und Typisierungen verlangen. Neue plattformbasierte Medien- und Kommunikationsformate haben fraglos einschneidende Wirkungen auf die etablierten Medien und Öffentlichkeitsarenen mit sich gebracht, ohne dass letztere dadurch obsolet und ersetzt würden. Auch die Reichweiten und Grenzen einer Plattformregulierung, die Regelsetzungsmöglichkeiten der Plattformen ebenso wie Möglichkeiten ihrer politisch-regulativen Einhegung sind, je nachdem, wo empirisch hingeschaut wird, sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die starken Zentralisierungstendenzen und rigiden Kontrollsysteme, die die meisten Plattformen auszeichnen, gehen mit Flexibilitätszuwächsen und einer zum Teil signifikanten Aufwertung dezentraler Handlungsmöglichkeiten einher. In- und Exklusionsprozesse schließen sich nicht aus, sondern bedingen einander und sind typisch auch für vorderhand offene Online-Gemeinschaften.

Zusammengenommen liefern die Beiträge des Heftes einen profunden Überblick über wesentliche Felder der aktuellen soziologischen Internetforschung, ohne dabei der Versuchung zu unterliegen, reflexartig auf griffige Hypes (z. B. „Plattformkapitalismus“) aufzuspringen oder schnelle Generalisierungen auf schmaler empirischer Basis vorzunehmen (z. B. „Uberization“). All das verlangt nach sorgfältigen historischen Rekonstruktionen, feldorientierten und komparativ angelegten Untersuchungen, relationalen Analysen sowie – auf dieser Grundlage – nach empirisch begründeten Typisierungen und theoretischen Einordnungen. Dieses Sonderheft möchte dazu einen Beitrag leisten.