1 Einleitung

Digitalisierung scheint vieles zu bewirken. Das zeigt sich nicht erst in der gegenwärtigen Pandemie. Schon seit Jahrzehnten geht sie, zunächst unter dem Begriff der elektronischen Datenverarbeitung (EDV), mit bedeutsamen Veränderungen von Arbeits- und Organisationsformen einher. Bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten wurde auf die zunehmende Virtualisierung von Organisationen, insbesondere von Unternehmen, durch EDV oder Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) hingewiesen. Diese ist in Zeiten der Internetökonomie mittlerweile Realität, zumindest in Teilaspekten und das in immer noch zunehmendem Maße. Dabei ist davon auszugehen, dass der Gesellschaft eine digitale Transformation in großen Teilen erst noch bevorsteht, auch wenn diese durch die Pandemie noch einmal deutlich an Geschwindigkeit zugenommen hat. Deutliche Ansätze sind in Märkten, sowohl in Produkt- und Finanzmärkten als auch Arbeitsmärkten, ebenso wie in Organisationen reichhaltig zu beobachten. Gleichzeitig hat der Begriff des virtuellen Organisierens deutlich an Popularität verloren, während andere Konzepte, wie Netzwerke, Ökosysteme und Plattformen, nach wie vor en vogue sind oder sogar an Bedeutung gewinnen. Grund ist, dass diese Konzepte ebenfalls – nicht anders als ein aufgeklärtes Verständnis von Digitalisierung und Virtualisierung – die Organisation oder das Organisieren über die Organisationsgrenzen hinweg thematisieren.

Es bleibt allerdings allzu oft unklar, was mit diesen Konzepten genau gemeint ist, und vor allem, in welchem Verhältnis sie zueinanderstehen. Die Klärung des Verständnisses sowie des Verhältnisses von Netzwerken, Plattformen und Ökosystemen zueinander ist Ziel dieses Beitrags. Er greift dazu auf konzeptionelle und empirische Einsichten der sich interdisziplinär verstehenden Organisationsforschung zurück. Die Organisationsforschung stellt zur Klärung nicht nur ein breites Arsenal von Konzepten und Theorien zur Verfügung, sondern hilft auch, bestimmte Spielarten von Netzwerken (z. B. inter- vs. intraorganisationale), Plattformen (z. B. Transaktions- vs. Innovationsplattformen) oder Ökosystemen (z. B. Business, Innovation und Entrepreneurial Ecosystems) zu unterscheiden.

Organisationstheorien, vor allem das neoinstitutionalistische Feldkonzept in strukturationstheoretischer Reinterpretation sowie der zunehmend in der Organisationsforschung zu beobachtende „practice turn“ (Schatzki et al. 2001) sollen immer wieder zur Klärung dieser Verhältnisse herangezogen werden, auch um Forschungslücken und -perspektiven für Netzwerke, Ökosysteme und Plattformen oder – allgemeiner – Interorganisationsbeziehungen aufzuzeigen. Hilfreich ist, dass sich neoinstitutionalistische Theorie und Praxistheorien in den letzten Jahren unter Begriffen wie „practice-driven institutionalism“ (Smets et al. 2017; Lounsbury et al. 2021) einander angenähert haben. Insgesamt setzt der Beitrag damit, sowohl mit Blick auf konzeptionelle Unterscheidungen als auch auf theoretische Unterfütterung, einen deutlich anderen, stärker sozialwissenschaftlichen Akzent als bereits vorliegende Bemühungen (vgl. insb. McIntyre und Srinivasan 2017). Zudem wird versucht, bislang disziplinär wenig miteinander verknüpfte Diskurse stärker zu verschränken. Dies erscheint notwendig, um das Organisieren von und mithilfe von Netzwerken, Ökosystemen und Plattformen in Zeiten weiter umsichgreifender Digitalisierung besser zu verstehen (vgl. auch z. B. Shipilov und Gawer 2020).

2 Nicht mehr ganz so neue Organisationsformen und nach wie vor relevante organisationstheoretische Perspektiven

Die Entwicklung von Organisationsformen lässt sich gut fassen, wenn man sie als in einem „Feld“ entstehende und eingebettete soziotechnische Konfigurationen versteht (vgl. schon Trist und Bamforth 1951 sowie zum Überblick Sydow 1985). Das in der Organisationsforschung auf der Grundlage der wichtigen Vorarbeiten von Kurt Lewin und Pierre Bourdieu sowie durch die breite Rezeption der neoinstitutionalistischen Theorie popularisierte Konzept des (organisationalen oder institutionellen) Feldes ist in einem positiven Sinne „leer“: Es ist trotz heute zumeist neoinstitutionalistischer Prägung offen gegenüber der Fassung der in einem Feld zu findenden Akteurskonstellationen und -beziehungen (vgl. für einen Überblick Zietsma et al. 2017). Einzige theoretisch einengende Vorentscheidung ist, dass organisationale Akteure im Feld wichtig sind und es Kräfte jenseits einzelner Akteure bei der Erklärung von Organisationshandeln einzubeziehen gilt. Wurden bei der Genese der neoinstitutionalistischen Theorie diese Kräfte zunächst als Isomorphie gefasst (insb. DiMaggio und Powell 1983), so ist von dieser deterministischen Konzeption im Zuge einer stärkeren Akteursorientierung zunehmend Abstand genommen worden (Zilber 2013). Die von Giddens (1984) entwickelte Strukturationstheorie hat bei dieser Reorientierung eine ähnlich große Rolle gespielt wie bei der Entwicklung und Verbreitung der Praxistheorie (im Bereich Management und Organisation am prominentesten im Feld der Strategieforschung; vgl. Jarzabkowski 2008; Vaara und Whittington 2012). In der Konsequenz können wir Konzepte wie Feld und Praktik sehr gut auch für unsere organisationstheoretisch informierte Diskussion von Netzwerken, Ökosystemen und Plattformen nutzen. Das wird vor allem bei den am Ende aufzuzeigenden Perspektiven für die weitere Forschung deutlich werden.

Die Erklärung der drei Organisationsformen sowie auch die Klärung ihrer Verhältnisse zueinander erfolgt nicht nur systematisch mit Blick auf Fragen der Steuerung oder Governance, der Grenzziehung, eines ausgewählten Spannungsverhältnisses (hier: Kooperation und Wettbewerb) sowie der Selektion von Mitgliedern (für einen Überblick siehe auch Tab. 1), sondern wird auch mithilfe konkreter Beispiele aus dem Feld der deutschen Gesundheitsversorgung illustriert. Zum einen erlaubt dieses Feld, in besonderem Maße auf institutionelle Beschränkungen und Ermöglichungen der Entwicklung neuer Organisationsformen einzugehen. Zum anderen können dazu andere als die üblicherweise bemühten Beispiele für Netzwerke, Plattformen und Ökosysteme in Anschlag gebracht werden. Genauer betrachtet wird vor allem die ambulante Gesundheitsversorgung. Wichtige Feldakteure sind hier neben PatientenFootnote 1 die niedergelassenen Ärzte, Therapeuten, Heil- und Hilfsmittelerbringer sowie Krankenkassen. Gleichzeitig haben die gemeinsam von Vertragsärzten und Krankenkassen getragene Selbstverwaltung sowie der Gesetzgeber eine zentrale Regulierungsfunktion in diesem Feld. Wichtige, jedoch in Deutschland oft vernachlässigte Feldpraktiken umfassen die organisationsübergreifende Koordination zwischen den verschiedenen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern.

Tab. 1 Gegenüberstellung der drei Organisationsformen

2.1 Interorganisationale Netzwerke

Wie alle Netzwerke bestehen auch interorganisationale Netzwerke, formal gesprochen, aus Knoten und Kanten, hier aus Organisationen und ihren Beziehungen zueinander. Typischerweise wird, ganz in Simmel’scher Tradition, vorausgesetzt, dass mindestens drei Organisationen entsprechende Beziehungen zueinander unterhalten. Die Qualität dieser Interorganisationsbeziehungen wird zumeist nicht offengelassen, sondern mit Blick auf die Governance- oder Steuerungsform als „hybrid“ (zwischen Markt und Hierarchie vermittelnd) gefasst und mit weiteren Attributen wie langlebig, vertrauensvoll, verlässlich und vor allem kooperativ (statt nur kompetitiv) beschrieben. Interorganisationsbeziehungen von entsprechender Qualität sind (zumal aus strukturationstheoretischer Sicht) nicht nur Ausdruck, sondern auch Medium der Schaffung und Unterhaltung dieser Organisationsform mittels entsprechender Managementpraktiken (vgl. Windeler 2001; Sydow et al. 2016; oder für einen breiter angelegten Überblick Jungmann 2020).

In der Praxis sind interorganisationale Netzwerke unter so unterschiedlichen Bezeichnungen wie strategische Allianzen oder Bündnisse, Konsortien und auch Wertschöpfungspartnerschaften zu finden. Je nachdem, welche funktionale Fragestellung von Interesse ist, wird genauer auch von Logistik- und Recycling- oder, allgemeiner, von Dienstleistungsnetzwerken oder, mit Blick auf vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen, auch von Lieferanten- oder Vertriebsnetzwerken gesprochen. Bedeutsam ist schließlich im Bereich der Wirtschaft auch die Unterscheidung von regionalen, eher von kleineren und mittleren Unternehmen gleichberechtigt gemanagten sowie von strategischen, von einem oder mehreren Großunternehmen strategisch geführten Netzwerken (vgl. dazu den Überblick bei Sydow et al. 2003, S. 54–71). Etwas verwirrend, aber motiviert durch Abgrenzung zu interpersonalen Netzwerken, werden interorganisationale Netzwerke manchmal auch als organisationale Netzwerke bezeichnet; es geht allerdings der klar organisationsübergreifende Charakter der Zusammenarbeit im Netzwerk verloren. Die Anwendung der Netzwerkperspektive auf intraorganisationale Aspekte der Zusammenarbeit ist zwar durchaus sinnvoll (vgl. z. B. Rank 2008), allerdings sollte die prinzipielle Unterschiedlichkeit von Intra- und Interorganisationalem nicht zuletzt mit Blick auf die Aufrechterhaltung von hierarchischen Weisungsbeziehungen als Kern der Governance von Organisationen (Child 2019) sprachlich stets zum Ausdruck gebracht werden. Wichtig: Personale oder interpersonale Netzwerke können sowohl intra- als auch interorganisational untersucht werden. Dasselbe gilt im Übrigen auch für IKT-Netzwerke, die zusammen mit den Inhalten oder der Domäne der Kooperation (z. B. Innovation vs. Standardgeschäft) die vielleicht wichtigsten Schichten interorganisationaler Netzwerke darstellen (Sydow und Duschek 2011). Gerade im Zuge der digitalen Transformation dürfte diese „Schicht“ noch weiter an Bedeutung gewinnen.

Besonders deutlich wird die soziotechnische Netzwerkartigkeit interorganisationaler Netzwerke im Allgemeinen und von Unternehmensnetzwerken im Besonderen aus einer sogenannten Netzwerkperspektive, wenn auch zunächst mit einem strukturellen, durch die Verwendung der sozialen Netzwerkanalyse verursachten Bias. Beides, Netzwerkperspektive und Netzwerk als Organisationsformen, gilt es analytisch streng zu unterscheiden. Dies erlaubt, Netzwerke zunächst als Organisations‑, Koordinations- oder Governanceform zu begreifen, bevor man sie mithilfe von Methoden der quantitativen, vermehrt aber auch der qualitativen Netzwerkanalyse untersucht (vgl. Windeler 2001).

Ein prominentes Beispiel für ein interorganisationales Netzwerk im ambulanten Sektor der deutschen Gesundheitsversorgung ist das seit 2005 bestehende „Gesunde Kinzigtal“ (z. B. Hildebrandt et al. 2010). Hier hat sich ein Ärztenetzwerk mit zwei Krankenversicherungen und einer Managementgesellschaft zusammengeschlossen, um durch eine bessere regionale Koordination von Gesundheitsversorgung Qualitätssteigerungen und Kosteneinsparungen zu erreichen. Die Netzwerkartigkeit, z. B. gefasst als Dichte und Intensität der Kooperation, wird aus einer Netzwerkperspektive besonders deutlich. Die Governance stellt hier auf interorganisationale Kooperation ab, wobei die beteiligten Ärzte sowie die Netzwerkmanagementgesellschaft OptiMedis AG gemeinschaftlich Entscheidungen zur Steuerung des Netzwerks treffen. Die Netzwerkmanagementgesellschaft, die sich im Mehrheitsbesitz der in der Region niedergelassenen Ärzte befindet, übernimmt gleichzeitig eine wichtige Koordinationsfunktion für das Netzwerk. Diese umfasst auch die Gestaltung von regionalen Versorgungsangeboten vor Ort. Die Interorganisationsbeziehungen innerhalb des Netzwerks sind stabil und zeichnen sich durch wenig Fluktuation, aber ein konstantes Wachstum aus.

Vor dem Hintergrund des auf Organisationen und ihre Beziehungen (sowie auch auf Regulationen und Praktiken) abstellenden institutionalistischen Feldkonzepts (vgl. dazu Leblebici et al. 1991) kann ein Feld, etwa eine Branche wie das Gesundheitswesen oder eine Region wie das Kinzigtal, abhängig von dem Auftreten interorganisationaler Netzwerke unterschiedlichster Couleur, mehr oder weniger „vernetzt“ sein (Kenis und Knoke 2002; Sydow et al. 1998): das deutsche Gesundheitswesen dabei eher noch „weniger“, das Kinzigtal aber klar „mehr“. Dass eine Skalierung des Kinzigtaler Modells aufgrund der sich ständig wandelnden Regeln zur Vergütung von Gesundheitsdienstleistungen und regionaler Besonderheiten (z. B. die Dichte von Leistungserbringern und eine Vielzahl von relevanten gesetzlichen Krankenkassen, die den Koordinationsaufwand für Versorgungsverträge immens erhöhen) auf Grenzen stößt, verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung des institutionellen Feldkontextes für die Entwicklung und Verbreitung dieser auf Kooperation oder Vernetzung setzenden Organisationsform im deutschen Gesundheitswesen. Mit „Markt“ ist dieses Feld, ähnlich wie viele andere, nur unzureichend erfasst.

Die angesprochene Leere des Feldkonzepts ermöglicht es, prinzipiell nicht nur nach Art und Grad der Vernetzung eines Feldes und damit nach Quantität und Qualität der das Feld charakterisierenden Interorganisationsbeziehungen zu fragen, sondern auch der Bedeutung anderer Organisationen als Wirtschaftsorganisationen (z. B. staatliche und suprastaatliche Regulierungsbehörden oder NGOs) nachzuspüren. So wird die Entwicklung interorganisationaler Netzwerke beispielsweise nicht nur von feldregulierenden Organisationen (z. B. im Gesundheitssektor der Gesetzgeber und Kassenärztliche Vereinigungen) beeinflusst. Vielmehr können solche Netzwerke, wenn auch im beschränkten Umfang, die Entwicklung des Feldes im Zuge sogenannter „Institutionalisierungsarbeit“ (Lawrence und Suddaby 2006) beeinflussen (Mountford und Geiger 2020). Neben solchen Beziehungen selbst können organisationale oder interorganisationalen Praktiken studiert werden, mit deren Hilfe diese Beziehungen produziert, reproduziert und ggf. transformiert werden (Giddens 1984; Sydow et al. 2016; Windeler 2001). Dabei wird, feldkonzepttypisch, der Kontext der zu untersuchenden oder zu managenden interorganisationalen Netzwerke zwar in den Hintergrund gedrängt, gleichwohl aber im Blick behalten.

Der Netzwerkbegriff taucht, wenig überraschend, auch im Kontext der beiden anderen noch zu klärenden Begriffe, Ökosystem und Plattform, auf. Beispielsweise wird von einem „platform-mediated network“ (McIntyre und Srinivasan 2017) oder immer wieder mal auch von einem mehr oder weniger stark vernetzten Ökosystem gesprochen. Ohne ein klares Verständnis von interorganisationalen Netzwerken allerdings kann das Verhältnis dieser Konzepte zueinander nicht sinnvoll geklärt werden.

2.2 Zwei Spielarten von Ökosystemen

Während der Begriff des Netzwerks, interessanterweise ausgehend vom öffentlichen Bereich, die Forschung seit den 1970er-Jahren beschäftigt und in den letzten 20 Jahren auch in der Praxis privatwirtschaftlicher Organisationen große Bedeutung erlangt hat, ist die Rede von Ökosystemen deutlich jüngeren Ursprungs. Zudem hat sie ihren Niederschlag zunächst in der Wirtschaftspraxis und erst danach in der Forschung gefunden (vgl. Spigel und Harrison 2018). Ähnlich wie bei Netzwerken gilt es heute auch bei Ökosystemen, sowohl das organisatorische Phänomen (und damit das Verhältnis zur Organisationsform des Netzwerks) als auch die (oftmals mit dem Begriff verbundene, evolutorische oder co-evolutorische) Perspektive zu unterscheiden (Aarikka-Stenroos und Ritala 2017).

Vor allem zwei Spielarten von Ökosystemen als organisatorisches Phänomen sind deutlich zu unterscheiden und deren Verhältnis zu Netzwerken (und sodann auch zu Plattformen) ist zu klären: das Entrepreneurial sowie das Business Ecosystem. Der Begriff des Entrepreneurial Ecosystems lenkt den Begriff auf Unternehmensgründungen und -wachstum in einer Region, während sich ein Business Ecosystem unabhängig vom Raum um ein Produkt oder eine Dienstleistung oder, genauer, um ein Wertversprechen rankt. Beide Konzepte galten lange Zeit als theoretisch unterentwickelt (vgl. Auschra et al. 2019; Jacobides et al. 2018; Spigel und Harrison 2018). Während das Konzept des interorganisationalen Netzwerks auf die Dominanz einer Form der Governance oder Steuerung setzt, nämlich die Netzwerkkooperation, ist diese Frage bei Ökosystemen beider Couleurs deutlich offener. Zu erwarten ist aber bei beiden eine Mischung von Markt, Hierarchie und Netzwerk und damit eine plurale Form der Governance. Dies hat auch Konsequenzen für zu erwartende Dynamiken, nicht zuletzt auch mit Blick auf die Mitgliedschaft zu einem Ökosystem, sowie für das Verhältnis von Kooperation und Kompetition und die Systemgrenzen, die hier deutlich offener und unübersichtlicher sind (siehe noch einmal Tab. 1).

Die Raumperspektive wird vor allem im Zusammenhang mit Entrepreneurial Ecosystems oder unternehmerischen Ökosystemen eingenommen. Alternativ ist auch von Start-up-Ökologien die Rede, zumal, wenn der Akzent auf Innovation und potenziell rasch wachsenden jungen Unternehmen liegt. Auf jeden Fall geht es um die Betrachtung unternehmerischer Aktivitäten in einer wie auch immer abgegrenzten Region; Aktivitäten, die typischerweise in die Gründung und Entwicklung von Unternehmen – eben Start-ups – und damit die Schaffung einer Organisation münden. In den Blick genommen wird auf diese Weise nicht das einzelne Start-up, sondern der Kontext, in dem das Gründungsgeschehen zu beobachten ist. Entsprechend spielen in einem solchen regionalen Ökosystem Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit ihren jeweiligen finanziellen und inhaltlichen Unterstützungsprogrammen eine große Rolle, genauso aber Beratungsunternehmen, Wirtschaftsförderer, Wagniskapitalgeber, Business Angels, Inkubatoren/Akzeleratoren, aber auch etablierte Großunternehmen. Letztere sind nicht nur, oft unter dem Label des Corporate Venturing (vgl. Narayanan et al. 2009), in solche unternehmerischen Aktivitäten eingebunden, sondern auch als Lieferanten und Abnehmer von Produkten und Dienstleistungen gefragt. Insgesamt deutet sich hiermit schon eine Nähe dieses Konzepts zum regionalen Cluster an, das sich von dem regionaler Ökosysteme vor allem dadurch unterscheidet, dass es keinen besonderen Akzent auf das Gründungsgeschehen und insbesondere potenziell schnell wachsende Start-ups setzt (dieses gleichwohl aber im Blick behält).

Ein Beispiel für ein Entrepreneurial Ecosystem, das auch den Bereich Gesundheit oder „Digital Health“ umfasst, ist das Berliner Start-up-Ökosystem (Auschra et al. 2019). Obwohl sich dieses Ökosystem nicht nur auf den Gesundheitsbereich bezieht, ist die Digitalisierung der ambulanten Gesundheitsversorgung, auch durch die räumliche Nähe zu Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen sowie gesetzlichen Regulatoren, ein wichtiges Thema. Dieses unternehmerische Ökosystem weist verschiedene, teils staatlich geförderte Akzeleratoren und Inkubatoren im Bereich Gesundheitsversorgung auf (z. B. der Akzelerator des Berlin Institute of Health). Auch hat es verschiedene, schon längerfristig am Markt erfolgreiche Unternehmen, wie z. B. die Newsenselab GmbH (Entwicklung eines digitalen Behandlungsprogramms für Migräne) und die Ambulanzpartner Soziotechnologie APST GmbH (Plattform zur Koordination der Versorgung von Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose), hervorgebracht. Diese Unternehmen sind, untypisch für die Gesundheitsversorgung im Allgemeinen, aber nicht für das auch auf diesen Wirtschaftszweig fokussierte Berliner Ökosystem im Besonderen, eng vernetzt. So vernetzt z. B. APST nicht nur regionale Leistungserbringer und Patienten, sondern unterhält auch Kooperationsbeziehungen zu diversen Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen (Fürstenau et al. 2021).

Die Rede vom Business Ecosystem fokussiert hingegen das Wertversprechen um ein Produkt oder eine Dienstleistung oder in zunehmenden Maße um ein beides kombinierendes „Leistungsbündel“ (Engelhardt et al. 1993) herum. Es ist zudem nicht auf einen regionalen Raum beschränkt, sondern bezieht neben Akteuren in räumlicher Nähe auch solche in großer Ferne ein. Die wohl prominentesten Konzeptualisierungen stellen auf den Wertbeitrag eines Kollektivs von Organisationen zu einem bestimmten Wertversprechen ab (Adner 2017; Kapoor und Agarwal 2017; Jacobides et al. 2018). Die Wertschaffung erfolgt dabei manchmal in Prozessen der Co-Creation durch die dem Ökosystem angehörigen (zentralen sowie peripheren) Akteure mit ihren jeweiligen Aktivitäten in einer entweder produkt- oder plattformbasierten Architektur. Die Co-Creation ist immer dann nötig, wenn es für ein Business Ecosystem typisch (z. B. Shipilov und Gawer 2020) auf spezifische (und nicht bloß generische) Komplementaritäten ankommt, die zudem noch multilateraler, oft sogar wechselseitiger (und eben nicht einseitiger) Natur sind. Dabei wird typischerweise, strategischen Netzwerken darin nicht unähnlich, davon ausgegangen, dass ein fokales Unternehmen im Zentrum auf komplementäre Leistungen anderer Unternehmen angewiesen ist und die netzwerkartige Kooperation organisiert. Allerdings gibt es neben der Orchestrierung durch eine Organisation auch Business Ecosystems, die durch zwei oder mehr Organisationen strategisch koordiniert werden (Lingens et al. 2021). Nicht selten wird in diesem Zusammenhang das kreative Potenzial oder der generative Charakter von Business Ecosystems hervorgehoben. Ist dies der Fall, wird wie bei unternehmerischen Ökosystemen Start-ups eine bedeutsame Rolle zugeschrieben und konsequenterweise von innovations- statt transaktionsorientierten Ökosystemen gesprochen (vgl. dazu Hein et al. 2020).

Im Gesundheitswesen existieren solche Business Ecosystems vor allem auf dem zweiten Gesundheitsmarkt. Dieser umfasst Produkte und Dienstleistungen, deren Kosten nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Ein Beispiel ist hier das „Smart Health Ecosystem“ von Phillips. Dabei können Produkte, wie eine Waage, Blutdruckmessgeräte und eine Smartwatch, mit einer App verbunden werden, die die so generierten Daten sammelt und auswertet (Heater 2016).

Vor dem Hintergrund des Feldkonzepts könnten diese Spielarten von Ökosystemen zwar mit einem entsprechenden organisationalen Feld gleichgesetzt werden (vgl. mit Bezug auf digitale Plattformen in Ökosystemen z. B. Rolland et al. 2018). Sinnvoller scheint uns allerdings auch hier, eine Differenzen betonende Position zu beziehen. Wiederum erlaubt die Leere des Feldkonzepts eine inhaltliche Füllung bei Beachtung des entsprechenden Kontextes: der Fokus auf das Gründungsgeschehen bei unternehmerischen Ökosystemen (Auschra et al. 2019; Wurth et al. 2021) oder die Organisationsformen und Praktiken, um das für ein Business Ecosystem zentrale Wertversprechen einzulösen. Wie bereits angedeutet, kann ein auf ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Leistungsbündel fokussiertes Wertversprechen auch um eine Plattform herum organisiert sein. Deshalb die zunächst verwirrende Rede von „platform-based ecosystems“ oder „digital platform ecosystem“ (vgl. Hein et al. 2020).

2.3 Plattformen: Neue Unübersichtlichkeit

Vielleicht mehr noch als Netzwerke und Ökosysteme werden Plattformen mit der Vorstellung in Verbindung gebracht, dass es sich dabei um eine Organisationsform ökonomischer Aktivitäten handelt, die durch Digitalisierung vorangetrieben wird und die klassische, im Kern auf Koordination durch Hierarchie setzende Organisation unterminiert, wenn nicht gar zu ihrem Verschwinden beiträgt: „Technological acceleration and an increasing reliance on financial tools have produced a business world in which the corporation ‚vanishes‘ or becomes increasingly virtualized through proxies: online portals stand in for organizations; outsourcing practices minimize reliance on employees and tangible assets; electronic transactions replace money and face-to-face interactions with credit cards and web connections; remote working via digital platforms blurs work/life boundaries; stocks and derivatives convert material wealth into abstract capital; AI provides real-time readings of the business environment and reduces bounded rationality; and algorithms translate information into metrics that drive business decisions“ (Patriotta 2021, S. 883).

Der für eine auf IKT und insbesondere dem Internet aufsetzende Wirtschaft zentrale Begriff der Plattform wird dabei überaus vielfältig verwendet. Zu Recht wird denn auch festgestellt, dass „platform ecosystems“ neben „business ecosystems“ und „innovation ecosystems“ nur eine von mindestens drei basalen Formen von Ökosystemen darstellen (Jacobides et al. 2018, S. 2256–2257). Zudem unterscheiden de Reuver und Kollegen (2018) zunächst zwischen digitalen und nichtdigitalen Plattformen. Nichtdigitale Plattformen weisen starke Ähnlichkeiten zu intra- oder interorganisationalen Produktökosystemen auf (Gawer und Cusumano 2014). Diese haben sich nicht zuletzt zunächst in der Automobilindustrie im Rahmen der sogenannten „Plattformstrategie“ durchgesetzt (Steinberg 2021). Die dafür notwendige Standardisierung von Bauteilen oder zumindest Vereinbarung von Schnittstellen ermöglichen die auch für Plattformen ohne IKT charakteristischen Komplementaritäts- und Skaleneffekte. Digitale Plattformen sind hingegen immer durch den Einbezug von IKT oder des Internets gekennzeichnet, wodurch sie neben einer rein technikzentrierten Sichtweise auch als soziotechnisches System verstanden werden können, die einerseits aus Hard- und Software bestehen, andererseits aber notwendig mit „organisational processes and standards“ (de Reuver et al. 2018, S. 126) assoziiert sind. Datenbasiert und durch Algorithmen gesteuert, erfüllen Plattformen heute die unterschiedlichsten Funktionen: „search“, „networking and messaging“, „media“, „trading“, „booking“, „cloud computing“, „crowdworking“ und „crowdfunding“ (vgl. Dolata 2020).

Viele digitale Plattformen, die im Folgenden von besonderem Interesse sind, werden als Vermittler von Transaktionen zwischen verschiedenen Gruppen oder Seiten tätig (z. B. App-Programmierer und App-Nutzer). In diesem Fall spricht man dann aus einer eher ökonomischen Perspektive von mehrseitigen digitalen Plattformen (vgl. dazu sowie zu weiteren Perspektiven z. B. Dolata 2020 oder auch McIntyre et al. 2020). Dabei steigt der Wert von der Plattform angebotener Leistung für eine Gruppe, wenn die Anzahl der möglichen Transaktionspartner in der anderen Gruppe zunimmt (de Reuver et al. 2018). Dies entspricht den für eine mehrseitige Plattform charakteristischen Netzeffekten, die nicht selten zum exponentiellen Wachstum der Zahl der Plattformnutzer führen (McIntyre und Srinivasan 2017; Katz und Shapiro 1985). Betreiber von mehrseitigen Plattformen, im Übrigen in der Mehrheit selbst Organisationen, müssen somit ihre strategischen Aktivitäten auf alle Seiten der Plattform ausrichten. Durch die generativen Potenziale der Netzwerkeffekte sowie die für Plattformbetreiber resultierenden „Henne-Ei“-Probleme mit Bezug auf das Ansprechen beider Seiten (Rochet und Tirole 2003) entstehen häufig ausgeprägte Wettbewerbssituationen zwischen Plattformen: Diese konkurrieren, abhängig allerdings von den Geschäftsmodellen (vgl. dazu z. B. Buchholz und de Bie 2019), auf der Nachfrageseite oft um dieselben Nutzer und auf der Anbieterseite um entsprechende Komplementoren (McIntyre und Srinivasan 2017).

Von den auf die Vermittlung von Transaktionen ausgerichteten digitalen Plattformen werden sogenannte digitale Innovationsplattformen unterschieden, die jedoch nicht im Zentrum dieses Beitrags stehen sollen (z. B. Hein et al. 2020). Die Plattformen dienen hier als technologische Basis, aufgrund derer weitere Innovationen entwickelt und damit ggf. die digitale Plattform und das sie umgebende Business Ecosystem vorangebracht werden sollen. Mindestens eine Seite solcher Innovationsplattformen wird von Akteuren gebildet, die an der Entwicklung von komplementären Innovationen beteiligt sind (McIntyre et al. 2020). Innovations- und Transaktionsplattformen können sich auch überlagern.

Die Charakterisierung von digitalen, mehrseitigen Plattformen macht deutlich, dass hierbei neben Organisationen auch Individuen zentrale Akteure sind. Während der Plattformbetreiber meist ein Unternehmen ist (in seltenen Fällen auch ein Unternehmensnetzwerk, siehe Fürstenau et al. 2018), interagiert diese die IKT-Infrastruktur betreibende, das Geschäftsmodell definierende und die Regeln setzende Organisation kontextabhängig sowohl mit Organisationen als auch Individuen als Nutzern und Komplementoren der Plattform. Ähnlich vielfältig, und darin beiden Spielarten von Ökosystemen nicht unähnlich, ist auch die Qualität der zu diesen Gruppen unterhaltenen Beziehungen und damit die Form der Governance. Während viele mehrseitige Plattformen in erster Linie marktliche Transaktionen vermitteln und damit einer gewissen Entkopplung Vorschub leisten (Kirchner und Beyer 2016), ist es für sie gleichzeitig häufig erforderlich, eine mehr auf Kooperation oder auch organisatorische Vernetzung ausgelegte Beziehung mit wichtigen Komplementoren zu entwickeln und zu unterhalten. Dies betrifft z. B. Akteure, die durch besonders einzigartige Angebote Plattformnutzern einen neuen Mehrwert verschaffen. Auch ist es beispielsweise für eine in einer starken Wettbewerbssituation agierende Plattform wichtig, die Attraktivität der eigenen Plattform durch besonders nachgefragte Angebote für potenzielle Nutzer zu erhalten oder zu erhöhen (McIntyre und Srinivasan 2017; McIntyre et al. 2020).

Aufgrund solcher Abhängigkeitsverhältnisse kann sich ein Gestaltungsanspruch solcher Komplementoren (de Reuver et al. 2018) und ein daraus resultierendes, für den Plattformbetreiber nicht einfach auszutarierendes Spannungsverhältnis nicht nur zwischen Kooperation und Wettbewerb, sondern auch zwischen hierarchischer Kontrolle der Plattform vs. Offenheit für Mitgestaltung durch Komplementoren (z. B. Eaton 2012) ergeben. Die durch den Plattformbetreiber angemeldeten Kontrollrechte können hierbei z. B. je nach Entwicklungsstand der Plattform und der Abhängigkeit des Betreibers von einzelnen Komplementoren variieren (Parker und van Alstyne 2014). Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern Plattformen externer Regulierung unterliegen oder sie umgehen können.

Am Beispiel von Plattformen im Gesundheitswesen wird der Gestaltungsanspruch von externen Regulatoren insbesondere dann deutlich, wenn eine Plattform ins Vergütungssystem der gesetzlichen Krankenversicherungen eingebunden ist (Furstenau und Auschra 2016). Davon unabhängige Plattformen, wie z. B. AppleHealth, unterliegen solchen Anforderungen allerdings nicht. Solche schnell wachsenden Plattformen gesundheitsfremder Anbieter üben dadurch häufig einen starken Druck auf etablierte Branchenakteure (z. B. gesetzliche Krankenkassen) aus, ebenfalls an der plattformgetrieben Transformation einer Branche teilzuhaben (Stegemann und Gersch 2021). Darüber hinaus können sie bestehende Beziehungen zwischen Akteuren transformieren – sowohl hinsichtlich der Vermarktlichung etablierter kooperativer Beziehungen (z. B. Crowdworking) als auch vice versa (z. B. intensivere Zusammenarbeit mit wichtigen Entwicklern).

Ein Beispiel für eine digitale, mehrseitige Plattform aus dem deutschen Gesundheitssektor ist Ambulanzpartner.de. Diese von der APST GmbH betriebene Plattform richtet sich vor allem an Betroffene der seltenen neurologischen Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Die für alle privat und gesetzlich Krankenversicherten offene Plattform ermöglicht zum einen Transaktionen im Rahmen der herausfordernden Versorgungskooperation, z. B. zwischen Heil- und Hilfsmittelerbringern und ALS-Betroffenen. Gleichzeitig bietet die Plattform auch aufgrund ihrer technischen Infrastruktur neue Möglichkeiten für die ALS-Forschung und erfüllt damit auch Merkmale einer Innovationsplattform (vgl. Fürstenau et al. 2021; Meyer und Münch 2016). Aufgrund der relativ geringen Größe des von APST bedienten Marktes ist die Entwicklung eines Wettbewerbs zwischen Plattformen, gar einer weiteren auf die Versorgung von ALS-Patienten spezialisierten Plattform, unwahrscheinlich. Wettbewerb besteht hier allerdings weiterhin, z. B. im Verhältnis zum traditionellen Fachhandel sowie breiter aufgestellten Internetplattformen.

Mit Blick auf das Feldkonzept sind Plattformen, wie auch Netzwerke und Ökosysteme, innerhalb organisationaler oder institutioneller Felder zu verorten. Plattformen unterliegen nicht nur Ansprüchen der Feldregulation und Erwartungen an legitimes Verhalten (z. B. mit Blick auf den Schutz von Daten im Gesundheitswesen), sondern interagieren auch mit weiteren Akteuren, etwa in einem unternehmerischen Ökosystem (so ist etwa Ambulanzpartner.de Ausgründung im Berliner Start-up-Ökosystem). Darüber hinaus bilden sich innerhalb von Feldern im Zusammenspiel verschiedener, häufig aufeinander aufbauender (de Reuver et al. 2018) oder auch konkurrierender Plattformen plattformspezifische Praktiken der Interaktion aus. Diese betreffen z. B. Regularien zur Plattformgestaltung und die Nutzung gemeinsamer technologischer Standards, die wiederum eine technologisches Zusammenwirken mit komplementären Angeboten der Plattform erlauben (Fürstenau et al. 2018).

3 Verhältnis der Organisationsformen zueinander

Die drei vorgestellten Organisationsformen haben sich nicht nur in der Praxis, sondern auch in soziologischer wie betriebswirtschaftlicher Forschung etabliert. Letzteres belegen vielfältige Überblicksarbeiten sowie auch Sonderhefte führender Zeitschriften der jeweils an der Betrachtung interessierten Disziplinen. Dabei scheint sich, nicht zuletzt aufgrund der längeren Historie, ein klareres Verständnis darüber entwickelt zu haben, was interorganisationale Netzwerke sind, während die anderen beiden Konzepte nach wie vor einer näheren Bestimmung bedürfen (vgl. z. B. auch Shipilov und Gawer 2020).

Alle drei Formen sind in der Wirklichkeit, das scheint uns vorab bemerkenswert, in aller Regel weder durch eine rein hierarchische noch eine rein marktliche noch eine hybride Governance, sondern durch plurale Verhältnisse gekennzeichnet. Das heißt Markt und Hierarchie und Netzwerk oder Kooperation werden vielfältig kombiniert, sodass es letztlich um die Frage geht, welche Governanceform vorherrscht (Powell 1990). Alle drei Formen zeichnen sich zudem durch eine mehr oder weniger polyzentrische Steuerungsform aus, da alle drei nicht aus einer einzelnen Organisation (typischerweise auch keiner Metaorganisation mit formaler Mitgliedschaft) bestehen, sondern auf die Interaktion verschiedener Organisationen und Individuen angewiesen sind. Eine Ausnahme stellen hier lediglich solche digitalen Plattformen dar, die entweder unternehmensintern und dadurch hierarchisch gesteuert sind (Gawer 2014) oder auf die Vermittlung rein marktlicher Transaktionen abzielen. Dennoch bleibt eine strategische Steuerung in allen drei Organisationsformen wichtig, wobei diese jeweils sehr unterschiedliche, zum Teil, wie im Falle strategischer Netzwerke, durchaus hierarchieähnliche Formen annehmen kann. Gleichzeitig weisen alle Organisationsformen auch marktliche Elemente auf, die sich in der Qualität der Zusammenarbeit der beteiligten Organisationen zeigen.

Häufig entstehen infolge einer solchen interorganisationalen Kooperation und nicht zuletzt aus dem Zusammenwirken verschiedener Organisationsformen auch vielfältige Spannungsverhältnisse, nicht zuletzt – vor dem Hintergrund weiterbestehender wettbewerblicher Momente – auch über die Aneignung des geschaffenen Wertes. So existieren Beispiele für digitale Plattformen, die sich einen Großteil des durch die Interaktion geschaffenen Wertes aneignen, während manche auf diesen Plattformen präsente Komplementatoren in unsichere und prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt werden und so nur partiell an der Abschöpfung des generierten Wertes beteiligt werden (de Reuver et al. 2018; Pernicka und Schüssler 2022). Auch in der Netzwerkforschung sind die Beiträge einzelner Organisationen im Verhältnis zu dem von ihnen abschöpfbaren Wert Gegenstand einer umfangreichen Debatte (z. B. Lavie 2007), während bei Business Ecosystems ob der strategischen Führerschaft des fokalen Unternehmens die Verhältnisse klarer und bei Entrepreneurial Ecosystems entsprechend unklarer zu sein scheinen. Im Folgenden werden die Verhältnisse der drei Organisationsformen zueinander dyadisch und triadisch diskutiert.

3.1 Dyadische Beziehungen der Organisationsformen

Netzwerke – Ökosysteme. Interorganisationale Netzwerke können wesentlich zur Prägung von Ökosystemen beitragen oder aber sich in und aus diesen heraus entwickeln (z. B. Shipilov und Gawer 2020). Im Fall von Business Ecosystems ist dies sehr wahrscheinlich, wenn z. B. Komplementoren ihre Leistungen nicht einfach als weitgehend standardisierte Module zuliefern können, sondern eine gemeinsame (Weiter‑)Entwicklung oder Co-Creation verlangt ist. Die sich infolge einstellende interorganisationale Kooperation kann damit indirekt sogar zur Ausprägung von Netzwerkwettbewerb (Gomes-Casseres 1994) beitragen, so etwa zwischen den verschiedenen Produktökosystemen (z. B. Apple vs. Android). In Entrepreneurial Ecosystems kann es ebenfalls zur Ausbildung von interorganisationalen Netzwerken zwischen den Teilnehmern kommen, beispielsweise in Form regionaler Netzwerke oder durch die Verankerung globaler Netzwerke in der Region. Entsprechend würde man auch hier nach dem Vernetzungsgrad eines solchen Ökosystems fragen können, in dem allerdings weniger ein Wettbewerb zwischen Netzwerken als ein Wettbewerb zwischen regionalen Ökosystemen, z. B. um besonders innovative Gründungsideen und potente Wagniskapitalgeber, zu erwarten ist. Gerade in Entrepreneurial Ecosystems spielen allerdings neben interorganisationalen Netzwerken auch soziale oder interpersonale eine große Rolle, etwa wenn Gründer die im Gründungsprozess immer knappen Ressourcen über persönliche Beziehungen zu mobilisieren versuchen (vgl. für einen Überblick z. B. Hoang und Antoncic 2003; Hallen et al. 2020).

Über diese Klärung des Verhältnisses und Zusammenwirkens von interorganisationalen Netzwerken und den zwei Spielarten von Ökosystemen im Feld hinaus sind theoretische und methodische Synergien durch eine wechselseitige Befruchtung von Netzwerk- und Ökosystemforschung zu erwarten (Shipilov und Gawer 2020); auch wenn oder gerade weil erstere stark auf die soziale Netzwerkanalyse und letztere auf die genauere Fassung von Komplementaritäten abzielt. Zudem kann die Netzwerkforschung auf eine längere Tradition verweisen, in der z. B. auch die dunklen Seiten der Vernetzung (z. B. kollusives Verhalten, Beharrungsvermögen oder gar Pfadabhängigkeiten) schon lange thematisiert werden, während dies im Falle von Ökosystemen beider Spielarten noch aussteht.

Netzwerke – Plattformen. Obwohl die meisten Plattformbetreiber einzelne Organisationen sind, gibt es auch einige wenige Plattformen, die von einem interorganisationalen Netzwerk betrieben werden (z. B. HSCP, eine US-amerikanische Gesundheitsplattform, die von einem Konsortium aus mehreren Leistungserbringern betrieben wird; Fürstenau et al. 2018; Hein et al. 2020). In Fällen von zunächst durch eine Organisation gesteuerten Plattformen mögen sich auch interorganisationale Netzwerke entwickeln, z. B. wenn Komplementoren an der Steuerung der Plattform mitwirken (de Reuver et al. 2018). Darüber hinaus kann die Entwicklung von Plattformen durch gezielte „network orchestration“ (Perks et al. 2017) durch den Plattformbetreiber, sei es eine einzelne Organisation oder ein interorganisationales Netzwerk, wesentlich unterstützt werden. Typischerweise wird in diesem Fall weniger auf die Erzielung von „increasing returns“ (Arthur 1989) durch quantitatives Wachstum als auf entsprechende Qualitäten komplementärer Komponenten und erforderlicher Beziehungen gesetzt (vgl. McIntyre et al. 2020). Auch können sich bestehende interorganisationale Netzwerke dafür entscheiden, eine digitale, netzwerkinterne Plattform aufzubauen, um so das Wachstum der am Netzwerk beteiligten Unternehmen sowie die Koordination des Netzwerks zu unterstützen (Aulkemeier et al. 2019).

Das Beispiel Ambulanzpartner.de aus dem deutschen Gesundheitswesen zeigt, wie Plattformen oder entsprechende Betreiberorganisationen auch eine fehlende interorganisationale Vernetzung innerhalb eines Feldes überbrücken und die nachfolgenden Transaktionen koordinieren können. So ist das deutsche Gesundheitswesen durch eine starke Fragmentierung von verschiedenen Leistungserbringern und Unterstützungsangeboten auch für ALS-Patienten gekennzeichnet. Die Plattform Ambulanzpartner.de wird nun genau hier in einer Koordinationsfunktion tätig, auch wenn es, wie vermutlich oft, zunächst auf ein sehr auf den Plattformbetreiber fokussiertes Netzwerk hinausläuft (Fürstenau et al. 2021). Dies schließt jedoch nicht aus, dass sich die Betreiberorganisation im Zuge der Entwicklung der Weiterentwicklung des Netzwerks und der Plattform nicht nur um einen Austausch zwischen den Patienten, sondern auch um eine Kooperation der Leistungserbringer untereinander bemüht.

Ähnlich wie im Fall von Netzwerken und Ökosystemen sind auch über die Klärung des Verhältnisses und Zusammenwirkens von interorganisationalen Netzwerken und digitalen Plattformen hinaus theoretische und methodische Synergien durch eine wechselseitige Befruchtung von Netzwerk- und Plattformforschung zu erwarten. Während die organisationstheoretisch informierte Netzwerkforschung die Forschung zu digitalen Plattformen vor allem mit Blick auf polyzentrische Steuerungsaspekte befruchten kann, wird durch die Plattformforschung der Blick für Technikaspekte und Komplementaritätseffekte in der Netzwerkforschung geschärft.

Ökosysteme – Plattformen. Während sich Entrepreneurial Ecosystems und digitale Plattformen durch Zielstellung und regionalen Fokus klar voneinander unterscheiden, ist die Abgrenzung zwischen Business Ecosystems und digitalen Plattformen deutlich schwieriger. Digitale Plattformen werden häufig als eine typologische Ausprägung von Ökosystemen verstanden (Gawer und Cusumano 2014; Shipilov und Gawer 2020). Dabei werden im Rahmen von Business Ecosystems eher die Beziehungen und Komplementaritäten um ein bestimmtes Unternehmen herum betrachtet, während ein Platform Ecosystem sich auf eine bestimmte Technologie – IKT – bezieht, die für die Ausgestaltung der Beziehungen und die Realisierung der Komplementaritäten genutzt wird (Shipilov und Gawer 2020). Sofern man hier nicht eine rein technologische Sichtweise einnimmt, mag in der Praxis beides aufgrund der Co-Constitution von Technologie und Organisation (Faraj und Pachidi 2021) eng verknüpft sein. Beispielsweise hat das Unternehmen Apple ein Business Ecosystem geschaffen, das wiederum sehr eng mit Apples App Store, einer mehrseitigen digitalen Plattform, die auf eine Technologie mit entsprechenden Schnittstellen für die Entwicklung von komplementären Produkten aufbaut, verknüpft ist.

Plattformen lassen sich dadurch unterscheiden, ob sie eine oder mehrere Seiten adressieren und somit interne und/oder externe Netzwerkeffekte generieren können. So ist es beispielsweise auch vorstellbar, dass ein Business Ecosystem auf einer einseitigen Plattform basiert und keine Transkationen zwischen verschiedenen Gruppen vermittelt; entsprechend wäre das Ökosystem eher auf der Nachfrage- oder der Angebotsseite ausgeprägt. Weiterhin unterschieden sich Plattformen durch ihren Grad der Offenheit für die Teilnahme durch Externe: So differenziert beispielsweise Gawer (2014) zwischen reinen firmeninternen Plattformen, Plattformen die eine Supply Chain oder ein Lieferantennetzwerk umfassen und sogenannten „Industrieplattformen“, die für die Teilnahme von Dritten offen sind. Somit kann das Plattformkonzept auch zur genaueren Beschreibung von technisch orientierten Business Ecosystems dienen. Während das Plattformkonzept sehr klare Regeln oder formale Architekturen unterstellt und Ergebnis von bewusstem Design ist, fußt das sich um die Plattform ggf. entwickelnde oder emergierende Ökosystem in hohem Maße auf Informalem.

Digitalen Plattformen wird das Potenzial zugeschrieben, ganze Ökosysteme oder organisatorische Felder, wenn nicht gar Gesellschaften zu transformieren. Somit ist es vorstellbar, dass ein bisher auf eine bestimmte Technologie ausgerichtetes Ökosystem zunehmend digitalisiert und zu einer digitalen Plattform entwickelt wird (z. B. im Bereich Smarthomes mit entsprechender Anbindung an Gesundheitsdienstleistungen). Auch ist in Betracht zu ziehen, dass sich eine bisherige Plattform weiter öffnet und dadurch Produkte und Dienstleistungen von zusätzlichen Komplementoren in das Ökosystem integriert werden (Hein et al. 2020).

Die Ambulanzpartner.de ist eine digitale Plattform, die unter anderem verschiedene Produkte und Dienstleistungen in der Versorgung von ALS-Patienten koordiniert. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um ein homogenes Business Ecosystem, da Produkte oder Wertversprechen unterschiedlicher Anbieter einbezogen werden. Die Einbettung in das Berliner Entrepreneurial Ecosystem hat jedoch vermutlich eine nicht unwesentliche Rolle bei der Entwicklung der diese Plattform betreibenden APST GmbH gespielt.

Über diese Klärung auch des Verhältnisses und Zusammenwirkens von den zwei Spielarten von Ökosystemen und digitalen Plattformen hinaus sind wesentlich theoretische und methodische Synergien auch durch eine wechselseitige Befruchtung von Ökosystem- und Plattformforschung zu erwarten, zumindest dort, wo sie mit differenten Perspektiven unterschiedliche empirische Phänomene betrachten. Während beide Forschungsstränge Komplementaritätseffekte in den Blick nehmen, dürfte der darüberhinausgehende Beitrag der Ökosystemforschung darin bestehen, den Kontext der Plattformentwicklung genauer zu betrachten und besser zu verstehen. Die Forschung zu digitalen Plattformen hingegen erlaubt ein besseres Verständnis technischer Aspekte (z. B. Interoperationalität) der Entwicklung von Ökosystemen.

3.2 Triadische Beziehungen der Organisationsformen

Zwischen den Organisationsformen interorganisationales Netzwerk, den zwei Spielarten von Ökosystemen und den (digitalen) Plattformen ergeben sich in der Praxis nicht nur dyadische, sondern auch triadische Zusammenhänge oder Überlappungen, allemal in einer dynamischen Perspektive. Da man in Ökosystemen, gleich welcher Art, geradezu mit der Ausbildung von regionalen und/oder strategischen Netzwerken rechnen kann, ist z. B. anzunehmen, dass deren Entwicklung auch zunehmend mit durch digitale Plattformen unterstützt wird. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Im Gesundheitswesen wäre dies beispielsweise der Fall, wenn sich die digitale Plattform Ambulanzpartner.de von dem Plattformbetreiber APST durch verstärkte Entwicklungskooperationen mit Komplementoren und neuen Partnern aus dem unternehmerischen Ökosystem in der Region (wegen der Begrenztheit des Marktes auch jenseits von ALS) zu einem strategischen Netzwerk weiterentwickelt, um auf diese Weise einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil im Feld über das Management eines sehr fokussierten Business Ecosystems aufzubauen. Ähnliches lässt sich mit Blick auf die Kooperation großer Krankenkassen beim Aufbau eines gemeinsamen Ökosystems um ihre digitalen Plattformen für elektronische Gesundheitsakten betrachten (Stegemann und Gersch 2021).

Während früher schon allein die Teilnahme an interorganisationalen Netzwerken als Wettbewerbsvorteil für Unternehmen diskutiert wurde (z. B. Lavie 2006), trifft dies heute auch zunehmend für Ökosysteme und Plattformen zu. Dabei dürfte die Erzielung dauerhaft verteidigbarer Wettbewerbsvorteile durch bloße Teilnahme an diesen Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten kaum zu erreichen sein. Denn beispielsweise Komplementoren haben (ähnlich wie bei der Mitgliedschaft von Zulieferern in Netzwerken) nicht nur zu entscheiden, ob sie den zusätzlichen Aufwand und die Vor- und Nachteile der Beteiligung an einem Netzwerk, Ökosystem oder gar mehreren Plattformen auf sich nehmen wollen, um höhere Erlöse zu generieren. Vielmehr müssen sie darüber hinaus abwägen, ob und wie genau beziehungsspezifische Investitionen vorgenommen und interorganisationale, schwer imitierbare Routinen der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit entwickelt werden (vgl. für Netzwerke insbesondere Dyer und Singh 1998).

Getrieben werden solche Entwicklungen (Verschränkung von Netzwerken, Ökosystemen und Plattformen gleichsam zu einer pluralen Organisationsform zweiter Ordnung) gerade auch durch Komplementaritäten oder die entsprechenden Effekte, die aus der Zusammenfügung von komplementären Leistungen mittels längerfristig und vertrauensvoll ausgerichteter und auf Reziprozität angelegter Interorganisationsbeziehungen resultieren. Genau damit sind dann sowohl Chancen als auch Risiken von Selbstverstärkung verbunden. Denn einerseits können diese zunächst durchaus wünschenswerte und insbesondere im Zusammenhang mit Plattformen diskutierten Effekte zum Wachstum gereichen. Andererseits kann eine insbesondere durch Komplementaritätseffekte gespeiste Selbstverstärkung diese Entwicklung auch in Pfadabhängigkeiten treiben (vgl. zum aktuellen Stand der organisatorischen Pfadforschung Sydow et al. 2020). Diese können dann nicht nur in entsprechende Inflexibilitäten oder Rigiditäten (Rolland et al. 2018), sondern in ein strategisch unerwünschtes Lock-in und damit einer dauerhaft inferioren Lösung münden. Digitale Plattformen können insofern, im Positiven wie im Negativen, als Beschleuniger pfadabhängiger Entwicklungen begriffen werden (Meyer 2012).

4 Plurale Organisationsformen und Praktiken: Forschungsperspektiven

Die in diesem Beitrag adressierten Begriffe Netzwerk, Ökosystem und Plattform fokussieren aus organisationstheoretischer Perspektive allesamt Interorganisationsbeziehungen, am deutlichsten sicherlich bei interorganisationalen Netzwerken (vgl. Sydow und Duschek 2011; Sydow et al. 2016), aber mit Abstrichen auch bei Ökosystemen und digitalen Plattformen. Dabei gerät zunächst die Governance dieser Beziehungen in den Blick: Markt, Netzwerk, Hierarchie oder – in den wohl meisten Fällen – die genauer zu bestimmende Komposition zu einer pluralen Organisationsform, in der vermutlich eine diese Formen dominiert. Eine Organisationsform, wie plural auch immer ausgestaltet und gleichgültig, ob letztlich in einer dieser drei Formen verharrend oder im Sinne der triadischen Verhältnisse gar Pluralität zweiter Ordnung kombinierend, ist in ein organisationales oder institutionelles Feld (DiMaggio und Powell 1983) eingebettet, dessen stärkere Berücksichtigung als Kontext in der Forschung weitgehend unstrittig sein dürfte. Allerdings sollte das Feld nicht einfach als auf Organisationen oder Kollektive von Organisationen einwirkend, sondern auch als Ergebnis von „Institutionalisierungsarbeit“ (Lawrence und Suddaby 2006) der in Netzwerken, Ökosystemen und Plattformen, möglicherweise auch gerade zu diesem Zweck zusammenwirkenden Organisationen (z. B. kollektives Lobbying) konzeptualisiert werden. Diese nicht unwesentlich durch die Giddens’sche Strukturationstheorie inspirierte Sichtweise ermöglicht der neoinstitutionalistischen Theorie eine für Praxistheorien (Nicolini 2012) schon immer charakteristische, stärkere Akteursbetonung (Zilber 2013), ohne die Bedeutung von Strukturen und Kontext zu übersehen.

Die so in ein Feld eingebettete oder sich auch einbettende (zumeist plurale) Organisationsform setzt den konkreten Praktiken, beispielsweise des Beziehungsmanagements einschließlich der Selektion, Re- und Deselektion von Mitgliedern oder Teilnehmern (vgl. Sydow et al. 2016), einen Rahmen, ist aber gleichzeitig selbst Ausdruck genau dieser Praktiken (z. B. eben auch eines solchen Beziehungsmanagements oder auch der Co-Creation sowie der gezielten Abschöpfung von Wert). Insgesamt dürften organisationstheoretische, insbesondere an der Schnittstelle von Neoinstitutionalismus und Praxistheorie positionierte Ansätze, wie der „practice-driven institutionalism“ (Smets et al. 2017; Lounsbury et al. 2021), dabei behilflich sein, diesen Doppelcharakter als in ein organisationales oder institutionelles Feld eingebettete und sich einbettende, mehr oder weniger plurale Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zu erfassen und eine empirische Erforschung anzuleiten.

Während sich in der Management- und Organisationsforschung, insbesondere in der Strategieforschung (Vaara und Whittington 2012), eine auf Praktiken als überindividuelles, wiederkehrendes Handeln in Form von „doings and sayings“ (Schatzki 1996) schon recht umfassend etabliert hat, steht diese Entwicklung in der Netzwerk-, vor allem aber der Ökosystem- und Plattformforschung noch weitgehend aus. Wir versprechen uns davon, dass ein Schwenk von der governancefixierten zur praktikenfokussierten Forschung die oft komplexen, alles andere als linearen, dafür aber spannungsreichen Prozesse der Entwicklung, gerade auch der digitalen Transformation, erhellt. Allerdings gingen damit auch verstärkte methodische Anforderungen einher, die hier abschließend mit einem Mehr an longitudinaler Prozessforschung unter Verwendung von Mixed Methods nur angedeutet werden können. Mixed Methods würden es ermöglichen, sowohl auf die Interaktion in Netzwerk, Ökosystem und Plattform auf der Ebene eines „whole network“ (Provan et al. 2007) in der Breite abzustellen. Gleichzeitig würden sie dazu beitragen, die konkreten Praktiken in der Tiefe zu verstehen, wie diese drei Organisationsformen, ggf. auch in ihrem Zusammenwirken, entsprechende Transformationsprozesse notwendig begleitendende Spannungsverhältnisse handhaben: allen voran, außer jenem von Kooperation und Wettbewerb, auch jene zwischen Altem und Neuem, Stabilität und Wandel, Vertrauen und Kontrolle oder Autonomie und Abhängigkeit.