1 Einleitung

Das heutige Internet wird ganz wesentlich durch privatwirtschaftlich betriebene Plattformen der unterschiedlichsten Art geprägt – insbesondere durch die weitläufig vernetzten soziotechnischen Ökosysteme der führenden Internetkonzerne, die größere Sozialzusammenhänge im Web organisieren, ergänzt durch zahllose spezialisierte Plattformen kleinerer Internetunternehmen, die spezifischere kommerzielle Angebote offerieren.

Dieser Beitrag fragt danach, wie sich diese digitalen Kommunikations‑, Markt‑, Konsum- und Serviceplattformen als distinkte Unternehmensform fassen lassen und wie tief- oder raumgreifend der durch ihre Herausbildung angestoßene organisationale Wandel ist. Diese Fragen lassen sich unseres Erachtens nicht angemessen beantworten, ohne analytisch zwischen internetbasierten Plattformen und den sie betreibenden Unternehmen zu unterscheiden, die spezifischen Koordinations- und Regelungsmechanismen zwischen diesen beiden konstitutiven Ebenen herauszuarbeiten sowie onlinezentrierte Plattformunternehmen als Unternehmensform in einen größeren sozioökonomischen Zusammenhang zu stellen.

Wir beginnen mit einer kurzen Historisierung, die aufzeigt, dass kapitalistische Ökonomien seit Langem durch eine sukzessive Erneuerung und Pluralisierung von Unternehmensformen geprägt sind (Abschn. 2), die regelmäßig mit sozialwissenschaftlichen Debatten um die Qualität und Reichweite der (inter‑)organisationalen Veränderungen und die damit verbundenen sozioökonomischen Struktureffekte einhergehen, und ordnen die aktuellen Diskurse um das Aufkommen einer „Plattformökonomie“ entsprechend ein (Abschn. 3). Danach arbeiten wir die grundlegende Strukturation internetbasierter Plattformunternehmen heraus und fassen deren Architektur als hybride Figuration aus organisierenden Unternehmen und mehr oder minder offen gehaltenen und weitläufig ausgelegten sozialen Handlungsräumen: Während sich Plattformunternehmen als Organisationen im geradezu klassischen Sinne darstellen lassen, konstituieren die von ihnen betriebenen Internetplattformen soziotechnisch strukturierte Sozial‑, Markt‑, Konsum- oder Serviceräume, in denen soziale Akteure zwar auf der Grundlage detailliert ausgestalteter und technisch eingefasster Regeln, aber zugleich variantenreich und eigenwillig interagieren (Abschn. 4). Schließlich diskutieren wir die sozioökonomische Reichweite dieses Unternehmenstyps, der eher als durchaus substanzielle Ergänzung denn als Erosion oder gar Ersatz bereits vorhandener wirtschaftlicher Organisationsformen begriffen werden sollte (Abschn. 5).

2 Historische Kontextualisierung: Pluralität von Unternehmenstypen

Der Kapitalismus war von Beginn an eine außerordentlich transformative Gesellschaftsformation, geprägt von einem permanenten Wandel und zum Teil radikalen Umbrüchen in seinen sozioökonomischen und -technischen Grundlagen sowie – damit einhergehend – substanziellen Formveränderungen und organisationalen Restrukturierungen seiner zentralen wirtschaftenden Einheiten. Die Herausbildung von marktbeherrschenden Großunternehmen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Marx 1962, S. 650–657; Hannah 1983, S. 8–26) gehört ebenso dazu wie die weite Teile des 20. Jahrhunderts prägende sukzessive Verschiebung von zunächst vornehmlich vertikal integrierten und hierarchisch verfassten Unternehmen zu multidivisional und dezentraler strukturierten Konzernen, die sich zum Teil zu ebenso ausgreifend wie unzusammenhängend diversifizierten Konglomeraten entwickelten (Chandler 1962).

Seit den 1980er-Jahren kam es, maßgeblich angestoßen durch die einsetzenden Liberalisierungspolitiken, durch das Aufkommen grundlegend neuer Technologielinien, wie digitalen Informations- und Kommunikationstechniken oder der Biotechnologie, sowie durch die Herausbildung neuer technologieintensiver Wirtschaftssektoren, wie der Computer‑, Halbleiter- oder Softwareindustrie (DiMaggio 15,16,a, b), zu weiteren grundlegenden Ausdifferenzierungen von Unternehmenstypen und Veränderungen ihrer Organisationsformen. Dazu zählen

  • die Entflechtung von ökonomisch ineffizienten Konglomeraten und die Rücknahme ausufernder Diversifikationsstrategien zugunsten des gegenläufigen Trends einer Konzentration vieler Konzerne auf ein deutlich schmaleres Portfolio an Kerngeschäften (Davis et al. 1994);

  • die Herausbildung und Etablierung von Start-up-Firmen als eines neuen Unternehmenstyps, der fortan nicht nur zu einem wesentlichen Impulsgeber grundlegender technologischer Innovationen vor allem in neuen Hochtechnologiesektoren avancierte (Mowery und Nelson 1999), sondern auch den Ausgangspunkt für die heutigen Technologiekonzerne bildete (Dolata 2018);

  • ein radikales Outsourcing, Contract Manufacturing und Franchising, durch das auf Koordinationsfunktionen fokussierte Unternehmen zunehmend zu Drehscheiben und organisierenden Zentren komplexer Beziehungsgeflechte zu anderen Unternehmen wurden und der Vorstellung von Firmen als entkernten „Nexus of Contracts“ Nahrung gaben (Jensen und Meckling 1976; Eisenberg 1999); sowie

  • ein anhaltender Trend zur Öffnung von Unternehmensgrenzen zugunsten systematisch betriebener Kooperationsbeziehungen etwa zwischen Konzernen, Zulieferern, Technologiefirmen und Forschungseinrichtungen, die als Produktions- oder Innovationsnetzwerke empirisch untersucht und als neuartige Form der Handlungskoordination theoretisch reflektiert wurden (Freeman 1991; Nohria und Eccles 1992; Sydow 1992; Windeler 2001).

Grundlegende Veränderungen der Formen und Erweiterungen von Unternehmenstypen sind in der Geschichte des Kapitalismus also weder neu noch ungewöhnlich. Während bis in die 1970er-Jahre hinein neben kleinen und mittelständigen Unternehmen vor allem diversifizierte und divisional strukturierte Großunternehmen die ökonomische Landschaft dominierten, wird diese seit den 1980er-Jahren durch eine signifikante Ausdifferenzierung und Pluralität verschiedener und nebeneinander existierender Unternehmensformen und -netzwerke geprägt. Sie lassen sich kaum mehr auf die eine idealtypische Form verdichten (Powell 2001) und sind vor dem Hintergrund distinkter Varianten der Wirtschaft, der Liberalisierung und der Innovationssysteme in den kapitalistischen Kernländern zudem mit unterschiedlichem Gewicht vertreten (Mowery und Nelson 1999). Kurzum: Sich über längere Zeiträume hinziehende graduelle Transformationsprozesse sowie eine Ausdifferenzierung und Pluralität von Unternehmensformen prägen seither die Ökonomien der kapitalistischen Zentren, um die es im Folgenden geht.

3 Debatten: Digitale Plattformen und Plattformökonomie

Mit dem Aufkommen neuer Unternehmens- und interorganisationaler Vernetzungsformen gehen regelmäßig so vielstimmige wie disparate öffentliche und wissenschaftliche Debatten einher, die ebenso regelmäßig zwei wesentliche Ebenen umfassen: die Diskussion der Qualität und Reichweite der jeweils diagnostizierten (inter‑)organisationalen Veränderungen sowie – weiter gefasst – der mit ihnen verbundenen sozioökonomischen Struktureffekte. In den 1990er- und 2000er-Jahren wurden entsprechende organisationale Veränderungen beispielsweise als „boundaryless“, „horizontal“, „temporary“, „modular“ oder „virtual“ konzeptualisiert – mit „emphasis on fluidity and cooperative networking both inside the organization and between organizations“ (Schreyögg und Sydow 2010, S. 1252; auch DiMaggio 2001b; Toffler 1985) – und als Aufkommen einer kleinteiligen New Economy sowie eines dezentralisierten Kapitalismus reflektiert (Zerdick et al. 2001; kritisch dazu: Porter 2001; Dolata 2005). Letzteres erwies sich angesichts der rasanten Konzentrationsprozesse in verschiedenen Hochtechnologiesektoren und der Internetwirtschaft allerdings schnell als haltlos.

Auch die sich seit Mitte der 2010er-Jahre intensivierenden Diskussionen um die Eigenheiten und Reichweiten von internetbasierten Plattformunternehmen folgen über weite Strecken diesem Muster – und sind nicht anders als die früheren Debatten oft durch recht kühne Würfe auf schmaler empirischer Basis geprägt. Rahman und Thelen (2019, S. 198) beispielsweise sehen in Plattformunternehmen – nach klassischen Industrieunternehmen und deren Transformation in „Network of Contracts“-Firmen – nicht weniger als das Aufkommen einer „new vanguard firm: the 21st century ideal type of the platform firm“. Davis (2016, S. 513) beschreibt das Unternehmen der Zukunft als „enterprise as web page, in which the „firm“ is a set of calls on resources that are then assembled into a performance“. Als Grundlage für derart weitreichende Transformationsdiagnosen dienen seither vornehmlich Einzelfallbeispiele wie Uber, die dann im- oder explizit in den Rang verallgemeinerbarer Fälle („Uberization“) gehoben werden (z. B. Davis und Sinha 2021; Faraj und Pachidi 2021).

Das gilt ebenso für Diagnosen zu den damit einhergehenden sozioökonomischen Struktureffekten, etwa auf Märkte und Marktbeziehungen, auf die Allokation von Arbeit oder auf Prozesse der Profitgenerierung und -realisierung, die rasch mit pointierten Begriffen wie „Plattformökonomie“ (Kenney und Zysman 2016) oder „Plattformkapitalismus“ (Srnicek 2017) belegt worden sind. Kenney und Zysman (2016, S. 62) etwa haben die von ihnen so bezeichnete „platform economy“ schon früh in einen sehr großen historischen Rahmen eingeordnet und betont: „If the industrial revolution was organized around the factory, today’s changes are organized around these digital platforms, loosely defined.“ Daran anknüpfend sieht Kirchner (2021, S. 20) mit dem Aufkommen von digitalen Plattformen die klassische Organisationsgesellschaft erodieren:

In dem Maß, in dem Plattformen in gesellschaftliche Teilbereiche eindringen, werden digitale Plattformen zu einem dominanten Strukturprinzip für Arbeit, Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt. Zeitdiagnostisch formuliert, geht die klassische Organisationsgesellschaft der Großorganisationen in einen neuen Modus über und transformiert sich so allmählich in eine „Plattformgesellschaft“.

Dies sind weitreichende Diagnosen, die von uns nicht bestätigt werden. Uns interessiert demgegenüber, wie internetbasierte Plattformen als spezifische Unternehmensform strukturiert sind, wie sie sich in die empirisch vorfindliche Pluralität von Unternehmensformen einpassen und wie tief- und raumgreifend der durch ihre Genese angestoßene organisationale Wandel ist.

Das geht nicht, ohne systematisch zu berücksichtigen, dass sich die internetbasierten Plattformen und die sie betreibenden Unternehmen, um die es hier geht, signifikant voneinander unterscheiden. Dies betrifft nicht nur basale ökonomische Kennziffern wie Umsatz, Gewinn oder Beschäftigung, sondern auch ihre ökonomische bzw. soziale Reichweite und Bedeutung (Dolata 2022; Van Dijck et al. 2018, S. 12–22). Die führenden Internetkonzerne Alphabet (Google), Amazon, Meta (Facebook) und Apple, die mit ihren Plattformen die infrastrukturelle und institutionelle Basis des heutigen Internets prägen, haben ihr Kerngeschäft mittlerweile stark diversifiziert und verfügen über ein breites Spektrum an aufeinander abgestimmten Geschäftsfeldern und Services, die sie zu weitläufigen, deutlich über ihr angestammtes Betätigungsfeld hinausgehenden soziotechnischen Ökosystemen ausgebaut haben, die weit über ihren unmittelbaren Organisationszusammenhang hinausreichen. Demgegenüber bieten zahllose kleinere Internetunternehmen – etwa Uber, Airbnb, Spotify, Netflix, Twitter oder Zalando – spezifischere Leistungen auf ihren Plattformen an. In der Regel handelt es sich um singuläre und spezialisierte Konsum- oder Dienstleistungsangebote, die entweder, wie beispielsweise Reisebuchungen, Zimmervermittlungen, Fahrdienstleistungen, Video- oder Musik-on-Demand-Dienste und Shopping-Portale, unmittelbar markt- und konsumorientiert oder, wie etwa Twitter, TikTok oder Snapchat, kommunikationsorientiert ausgerichtet sind (Tab. 1).

Tab. 1 Ökonomische Kerndaten ausgewählter Plattformunternehmen 2020

4 Plattform-Architekturen: Strukturation und Koordination

Um die komplexe Struktur dieses Unternehmenstyps zu erfassen, greifen wir zunächst auf eine sehr basale und formale Konzeptualisierung von Plattformen zurück, die Baldwin und Woodard (2009) bereits Ende der 2000er-Jahre vorgelegt haben. Sie haben dort die grundsätzliche Architektur von Plattformen als Zusammenspiel aus einem stabilen, eng gekoppelten und regelsetzenden Kern und einer durch ihn koordinierten variablen, flexiblen und volatilen Peripherie beschrieben, die durch regelbasierte Schnittstellen (Interfaces) zusammengehalten wird:

The fundamental architecture behind all platforms is essentially the same: the system is partitioned into a set of „core“ components with low variety and a complementary set of „peripheral“ components with high variety. The low-variety components constitute the platform. They are the long-lived elements of the system and thus implicitly or explicitly establish the system’s interfaces, the rules governing interactions among different parts (Baldwin und Woodard 2009, S. 19; s. a. Ametowobla 2020, S. 9–12).

Der Vorzug dieser formalen Sicht auf Plattformen ist, dass sich damit auch die Analyse der Architekturen und Koordinationsmechanismen von internetbasierten Plattformen und ihren kommerziellen Betreibern strukturieren lässt. Ihr Nachteil ist, dass damit allein noch nichts über deren den Unterschied markierende Substanz und Besonderheit ausgesagt werden kann. Mit dieser sehr allgemein gefassten Definition, die durchaus bewusst auf jede substanzielle Konkretisierung verzichtet, lassen sich auch andere wirtschaftende Einheiten als Plattformen abbilden, so beispielsweise industrielle Forschungs- und Produktionsnetzwerke mit koordinierenden Kernunternehmen und zahlreichen Kooperationspartnern oder weitgehend auf Koordinationsfunktionen verschlankte Nexus-of-Contracts-Firmen.

Als Ausgangspunkt unserer Argumentation trägt diese Definition gleichwohl – insbesondere, weil sich mit ihr die oft unscharfe Rede von „den Plattformen“ differenzieren lässt. Mit ihr kann analytisch unterschieden werden zwischen (1) den plattformbetreibenden Unternehmen als organisierenden und strukturierenden Kernen, deren Ziel es ist, damit ein profitables Geschäft zu betreiben (core components with low variety), und (2) den ihnen gehörenden Plattformen als mehr oder minder ausgreifenden, stark technisch vermittelten und volatilen Markt- und Sozialräumen, die mit ihren zum Teil weit über den unmittelbaren Unternehmenszusammenhang hinausreichenden ökonomischen, sozialen und technischen Strukturierungsleistungen und Regeln einen institutionellen Rahmen für die Aktivitäten unterschiedlichster Akteure im heutigen Internet aufspannen (peripheral components with high variety) (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Plattformunternehmen und Plattform als hybride Konstellation. (Quelle: eigene Überlegungen)

4.1 Plattformunternehmen: Organisierende Kerne

Die Unternehmen, die Internetplattformen betreiben, bilden den organisierenden Kern dieser hybriden und zum Teil sehr weitläufigen soziotechnischen Gebilde. Ihnen ist gemein, dass sie alle typischen Merkmale von formalen Organisationen aufweisen – und nicht, etwa unter Rückgriff auf die Arbeiten von Ahrne und Brunsson (2019, 2011), als „partial organization(s)“ beschrieben werden können, denen wesentliche Organisations- und Organisierungsmerkmale fehlen.

Plattformunternehmen sind nicht identisch mit ihren Plattformen, sondern die organisierten Orte der strategischen Entscheidungsfindung und des Managements der Plattformen, die sich in ihrem Besitz befinden. Sie verfügen über klar definierte, je nach Größe mehr oder minder ausdifferenzierte und je nach Unternehmen mehr oder minder hierarchisch verfasste interne Organisations‑, Management‑, Entscheidungs- und Kontrollstrukturen. In ihnen arbeiten fest angestellte Kernbelegschaften in vertraglich formalisierten Beschäftigungsverhältnissen, ohne deren Leistungen weder die Unternehmen selbst noch die Plattformen, die sie betreiben, funktionsfähig wären. Deren Arbeitsspektrum reicht von klassischen Tätigkeiten in den Bereichen Finanzen, Verkauf, Marketing und Vertrieb bis hin zu hoch qualifizierten Tätigkeiten im strategischen Management und der operativen Steuerung, in der Forschung, Programmierung, Software- und Designentwicklung sowie in den Bereichen der Wartung, Erneuerung und Verbesserung der IT-Infrastrukturen. Im Falle von Handelsunternehmen wie Amazon oder Zalando kommen die Beschäftigten in den zahlreichen unternehmenseigenen Warenlager- und Logistikzentren hinzu.

Als Spezifikum von Plattformunternehmen wird in der Literatur regelmäßig herausgestellt, dass sie wesentliche Produktionsmittel (fixed assets) und konstitutive Arbeitsleistungen in zum Teil radikaler Weise aus ihren Unternehmenszusammenhängen ausgelagert hätten und ein „asset light business model“ verfolgen würden. Kurz gefasst: „Platforms leverage physical assets, R&D, workforce, salesforce, market research, and the creative energies of customers not by making or buying but by the strategy of co-opting“ (Stark und Pais 2020, S. 53; auch: Grabher 2020; Schüßler et al. 2021). Für die führenden Internetkonzerne Alphabet, Amazon, Meta (Facebook) und Apple – „the world’s most valuable public companies“; „all of them are platform businesses“ (Stark und Pais 2020, S. 48) – trifft diese Charakterisierung allerdings überhaupt nicht zu. Auf kleinere Plattformunternehmen wie Uber, Airbnb oder Spotify passt sie unterschiedlich gut.

Die führenden Internetkonzerne, und damit die mit Abstand bedeutendsten Plattformunternehmen weltweit, arbeiten allesamt ausgesprochen „asset-heavy“. Sie verfügen nicht nur über weitläufige Konzernzentralen und große konzerneigene Forschungs- und Entwicklungszentren. Sie unterhalten zudem eigene Datenzentren, Serverfarmen und Netzwerkinfrastrukturen sowie, im Falle Amazons, zahllose Warenlager- und Logistikzentren, in denen der Großteil ihrer Beschäftigten tätig ist und in deren Ausbau sie massiv investieren (Dolata 2018). Das liest sich im Geschäftsbericht 2020 von Alphabet, aus dem hier stellvertretend zitiert wird, so:

We continue to make significant R&D investments in areas of strategic focus such as advertising, cloud, machine learning, and search, as well as in new products and services. In addition, we expect to continue to invest in land and buildings for data centers and offices, and information technology assets, which includes servers and network equipment, to support the long-term growth of our business (Alphabet Inc. 2021, S. 25).

Hinzu kommt, dass alle führenden Konzerne über ihr proaktives Engagement in Entwicklungsallianzen und Open-Source-Communities (Schrape 2019), vor allem aber über ihre ausgreifenden Akquisitionsstrategien ein massives Insourcing von Technologien, Patenten und Know-how, Forschungs‑, Produktions‑, Logistik- und Plattformkapazitäten betreiben (Nadler und Cicilline 2020, S. 406–450). Pointiert formuliert: Die führenden Internetkonzerne besitzen alle für ihr Geschäft wesentlichen Assets – und auch alle relevanten immateriellen Vermögensgegenstände (intangible assets) wie Patente, Urheber- und Markenrechte. Zudem beruht ihr Geschäft in erster Linie auf den Arbeitsleistungen ihrer internen Beschäftigten und nicht auf Zuarbeiten kooptierter Arbeitskräfte, die es natürlich auch gibt. All dies unterscheidet sie nicht substanziell von klassischen Industrie- oder Handelskonzernen.

Bei kleineren und spezifischer zugeschnittenen Plattformunternehmen sieht das etwas, aber nicht völlig anders aus. Sie haben in der Tat zum Teil in großem Stil Arbeitsleistungen und Produktionsmittel aus ihren Unternehmenszusammenhängen ausgelagert. Dies betrifft die mitunter hohe Zahl formal selbstständiger oder volatil beschäftigter Arbeitskräfte, die z. B. als Fahrer für Uber oder als austauschbare Kuriere für Lieferdienste tätig sind (Schrape 2021a, S. 107–111), ebenso wie etwa Immobilien (Airbnb), Fahrzeuge (Uber) oder die Server- und Cloud-Computing-Infrastrukturen, auf denen die Plattformgeschäfte dieser Unternehmen basieren. Die Buchungsdienste von Airbnb und die Streaming Services von Netflix beispielsweise laufen komplett über Amazon Web Services (AWS)Footnote 1.

Bei Letzterem handelt es sich um ein signifikantes Outsourcing relevanter Produktionsmittel. Derartige materiale Outsourcingprozesse haben allerdings eine unterschiedliche Qualität. Einfache Produktionsmittel wie Fahrzeuge oder Immobilien lassen sich problemlos aus dem Unternehmenszusammenhang auslagern – dies ist seit Langem typisch etwa für größere Taxiunternehmen oder Reiseveranstalter und auch zentraler Bestandteil der Geschäftsmodelle beispielsweise von Uber, Airbnb oder Booking.com. Das sind „peripheral components with high variety“: Die Plattformunternehmen können diese ausgelagerten Produktionsmittel ebenso dezentral wie flexibel über ihre Plattformen kooptieren. Das gilt dagegen nicht für komplexere Produktionsmittel, insbesondere nicht für die ausgelagerten Server- und Cloud-Computing-Kapazitäten, die die eigentliche materiale Basis des Plattformgeschäfts dieser Unternehmen bilden. Das sind „core components with low variety“, die nicht situativ und flexibel kooptiert werden können, sondern auf der Basis längerfristiger Verträge von großen Anbietern wie AWS, Google Cloud Platform (GCP) oder Microsoft Azure angemietet werden und als zentrale technische Infrastrukturen zum operativen Kern der Unternehmen gehören.

Zum operativen Kern zählen auch strategisch relevante Bereiche wie eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, die auch für die forschungsintensiven kleineren Plattformunternehmen von zentraler Bedeutung sind. So investierten Twitter im Jahr 2020 gut 27 %, Uber knapp 20 %, Netflix und Zalando jeweils gut 8 % ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung (Twitter Inc. 2021, S. 41; Uber Inc. 2021, S. 59; Netflix Inc. 2021, S. 48; Zalando Inc. 2021, S. 78). Gearbeitet wird in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen dieser Unternehmen vorrangig an technischen Verbesserungen ihrer Serviceangebote und an der (Weiter‑)Entwicklung der auf den Plattformen eingesetzten Software (Ziegler 2021, S. 20 f.). Bei Handelsplattformen wie Zalando kommen eigene Warenlager- und Logistikzentren hinzu. Darüber hinaus verfolgen auch kleinere Plattformunternehmen, wie Uber, Airbnb oder Spotify, Strategien des Insourcings durch Akquisitionen. Der Streamingdienst Spotify beispielsweise hat 2014 die Plattform The Echo Nest erworben, deren Know-how maßgeblich zur Professionalisierung seiner kuratierten Playlists und Empfehlungen beigetragen hat, und darüber hinaus seit 2018 mehrere Start-up-Firmen wie Anchor FM, Cimlet Media und Cutler Media mit dem Ziel gekauft, Audio-Podcasts als neues Geschäftsfeld neben dem Musikstreaming auszubauen (Dolata 2021). Verallgemeinernd formuliert: Auch kleinere Plattformunternehmen kommen nicht ohne eigene Produktionsmittel aus, über die sie entweder selbst verfügen oder die sie anmieten.

Ein ähnlich differenziertes Bild ergibt sich für die Auslagerung von bezahlten Arbeitsleistungen aus den Unternehmenszusammenhängen. Für Crowdworking-Plattformen, Fahrdienstleister, Unterkunftsvermittler oder Lieferdienste, auf die sich die vorhandene Literatur fokussiert, sind sie konstitutiv und zentraler Bestandteil ihres Geschäftsmodells. Derartige Auslagerungsprozesse von Arbeit aus dem Unternehmenszusammenhang sind im Grundsatz alles andere als neu. Sie lassen sich als direkte Fortführung und Zuspitzung der in den letzten Jahrzehnten beobachtbaren Deregulierung und Flexibilisierung von Arbeit und Arbeitsbeziehungen interpretieren (Huws 2014, S. 17–26, Huws 2016; Voß und Pongratz 1998), die auf den Internetplattformen nun mittels algorithmischer Regelsetzung, Koordination und Überwachung als von den Unternehmen ebenso variabel nutzbares wie lückenlos kontrollierbares Reservoir kooptierbarer Arbeitskräfte noch einmal radikalisiert wird (Frenken und Fünfschilling 2020; Schreyer und Schrape 2021). Eine derart extreme Auslagerung von bezahlter Arbeit lässt sich allerdings nicht generalisieren und zu einem konstitutiven Merkmal aller Plattformunternehmen verallgemeinern. Die Kerngeschäfte von Media-Streaming-Plattformen, wie Netflix oder Spotify, von Kommunikationsplattformen wie Twitter oder von Handelsplattformen wie Zalando werden nicht in einem vergleichbaren Ausmaß von situativ variierbaren externen Arbeitsleistungen getragen.

Das von Davis (2016; s. a. Davis und DeWitt 2021, S. 1694 f.) am Uber-Beispiel postulierte Aufkommen weitgehend entkernter Webpage Enterprises, die sich ihre materialen Ressourcen und Arbeitsleistungen so gut wie ausschließlich von außen holen, ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Für die führenden Internetkonzerne trifft dieses Postulat in keiner Weise zu, und auch kleinere, spezifischer ausgerichtete Plattformunternehmen kommen ohne eigene Kernbelegschaften oder interne Arbeitsleistungen, die ihr Geschäft tragen, und ohne eigene bzw. langfristig angemietete Assets, die sich nicht situativ aus ihren Plattformzusammenhängen kooptieren lassen, nicht aus.

Die hier skizzierten organisationalen Grundlagen bilden die Basis, auf der sich die eigentliche Kernaktivität der Plattformunternehmen erst entfalten kann: die (Weiter‑)Entwicklung, Strukturierung, Regulierung und Kontrolle der Plattformen, die sie betreiben. In den Plattformunternehmen werden die grundlegenden sozialen Strukturierungen und Regeln entwickelt und in die technischen Infrastrukturen eingeschrieben, die den allgemeinen Handlungsrahmen für die Aktivitäten und die Interaktionsmöglichkeiten der Nutzer auf ihren Plattformen aufspannen – inklusive Sanktions- und Ausschlussmöglichkeiten bei Regelverstößen. Die Plattformunternehmen fungieren damit nicht einfach als koordinierende Intermediäre, die lediglich neutrale (technische) Vermittlungsleistungen anbieten, sondern als regelsetzende und -durchsetzende Akteure (Dolata 2022). Bei ihnen laufen zudem alle Interaktions- und Transaktionsdaten zusammen, die durch die lückenlose Beobachtung des Nutzerverhaltens auf den Plattformen zunächst als Rohmaterial anfallen, das zu ihrem Besitz gehört und das erst durch seine weitere Verarbeitung in den Unternehmen in eine kommodifizierbare Form gebracht wird (Zuboff 2019).

Koordination und Regel(durch-)setzung, Überwachung und Inwertsetzung der Daten, gepaart mit der Fähigkeit der Plattformunternehmen, die von ihnen aufgestellten sozialen Regeln und deren technische Umsetzung schnell, substanziell und weithin unkontrolliert an veränderte Umweltbedingungen und Geschäftsperspektiven anzupassen (Gillespie 2016): Das macht den voraussetzungsvollen Kern des Plattformmanagements und der Arbeit in den Plattformunternehmen aus und ist konstitutiv für das substanzielle und systematische Machtgefälle, das sich zwischen den Plattformunternehmen und all den Akteuren, die sich auf ihren Plattformen bewegen, auftut:

To illustrate, platforms can unilaterally change competitive or labor conditions on the platform entirely at their own discretion and with no warning. As the panopticon they can monitor … activity and shape that activity in ways that are most advantageous to the platform (Kenney et al. 2020, S. 235).

Die distinkte Qualität von internetbasierten Plattformunternehmen, die sie von anderen Wirtschaftsorganisationen unterscheidet, die Produkte oder Dienstleistungen auf externen Märkten anbieten, besteht zusammengefasst weniger in ihrer organisationalen Grundstruktur als darin, dass sie als organisierende und regelsetzende Kerne mit ihren Plattformen, die deutlich über ihren unmittelbaren Organisationszusammenhang hinausreichen, zum Teil weiträumig ausgelegte Markt- und Sozialbeziehungen im Internet ermöglichen, strukturieren, observieren und kommerziell abschöpfen.

4.2 Plattformen: Soziale Handlungsräume

Während sich Plattformunternehmen als Organisationen in einem geradezu klassischen Sinne fassen lassen, gilt dies für die Plattformen, die sie im Internet betreiben, nicht. Diese sind keine „evolving organizations or meta-organizations“ (Gawer 2014, S. 1240) – dazu fehlen ihnen wesentliche Organisationsmerkmale wie Intentionalität, Zielorientierung und strategische Handlungsfähigkeit (Dolata und Schrape 2018, S. 11 f.) – sondern organisierte und mehr oder minder ausgreifende soziale Handlungsräume mit einer starken technischen Grundlage und institutionellen Basis.

Alle Internetplattformen lassen sich als computergestützte, softwarebasierte, programmierbare und algorithmisch strukturierende technologische Infrastrukturen begreifen (Kitchin 2021; Helmond 2015), über die Informationen ausgetauscht, Kommunikation organisiert, Arbeit und Märkte koordiniert, ein breites Spektrum an Dienstleistungen angeboten oder digitale und materielle Produkte vertrieben werden. Gleichzeitig zeichnen sich sämtliche Internetplattformen durch eine handlungsorientierende institutionelle Grundlage aus, die geprägt wird durch soziale Regeln und Normen, die die plattformbetreibenden Unternehmen formulieren und festlegen – etwa als Geschäftsbedingungen und Community Standards –, sowie durch deren umfassende Einschreibung in die technischen Grundlagen der Plattformen, etwa in Gestalt von Default Settings, technischen Features und, vor allem anderen, in Form algorithmischer Strukturierungs‑, Rating‑, Ranking- und Überwachungssysteme (Gillespie 2014; Gillespie et al. 2020; Yeung 2018; Saadatmand et al. 2019).

Die Plattformen sind einesteils elementarer Bestandteil der Unternehmen, denen sie gehören und ohne die sie ihr Geschäft nicht betreiben könnten. Sie reichen aber zugleich zum Teil deutlich über die sie organisierenden Plattformunternehmen hinaus und konstituieren als distinkte soziale Handlungsräume eine eigenständige, mehr oder minder eng an ihre organisierenden Kerne gekoppelte zweite Ebene dieser hybriden Konstellation, auf der soziale Akteure unterschiedlichster Provenienz in jeweils spezifischen Figurationen und auf der Basis der jeweiligen Plattformregeln mehr oder minder offen oder enggeführt agieren und sich aufeinander beziehen – und mit ihren Aktivitäten auch zur Substantiierung und Weiterentwicklung der Plattform beitragen können.

Unterhalb dieser übergreifenden Charakterisierung gilt es wiederum zu differenzieren. Sowohl in ihrem Zuschnitt und ihrer Ausrichtung als auch in ihrer Größe und Reichweite heben sich die verschiedenen privatwirtschaftlich betriebenen Plattformen im Internet deutlich voneinander ab (Tab. 2).

Tab. 2 Plattformen als soziale Handlungsräume – eine Typologie

Am weitesten ausgelegt sind die großen Social-Media- und Social-Networking-Plattformen, die im Falle von Facebook und Instagram oder von YouTube jeweils integraler Bestandteil der vernetzten soziotechnischen Ökosysteme der führenden Internetkonzerne sind. Sie lassen sich als Sozialräume in einem sehr inklusiven Sinn bezeichnen, die basale Prozesse gesellschaftlichen Austauschs im heutigen Internet organisieren und mit ihren technisch vermittelten Regelwerken, Strukturierungs‑, Selektions‑, Überwachungs- und Sanktionsleistungen dort wesentliche soziale Ordnungs- und Regulierungsfunktionen übernommen haben. Das ist ein vollkommen neues Phänomen: Einzelne Unternehmen konstituieren mit ihren Plattformen nicht weniger als die strukturellen und institutionellen Grundlagen einer privatwirtschaftlich verfassten Gesellschaftlichkeit im Web und übernehmen dabei zum Teil quasihoheitliche Aufgaben der Regelsetzung und -durchsetzung – und dies in internationalem Maßstab (Dolata 2022). Typisch für diese Plattformen sind ausgesprochen niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten und plurale Akteurfigurationen: Social-Media- und Social-Networking-Plattformen sind offen für die unterschiedlichsten kommerziellen und nichtkommerziellen Äußerungen und Aktivitäten so gut wie aller sozialer Akteure, die die Gesellschaft zu bieten hat (Van Dijck et al. 2018; Habermas 2021; Schrape 2021b).

Während die dominierende Verwertungslogik, die Plattformunternehmen wie Meta (mit Facebook, Instagram, WhatsApp), Alphabet (mit YouTube), Twitter oder ByteDance (mit TikTok) mit ihren Social-Media- und Social-Networking-Plattformen verfolgen, eine vermittelte ist – die Auswertung und Aufbereitung der Datenspuren, die deren Nutzer dort als Rohmaterial hinterlassen, dienen den Plattformbetreibern vorrangig dazu, Werbeeinnahmen zu generieren – ist der Großteil der zahllosen anderen privatwirtschaftlich betriebenen Internetplattformen direkt und dezidiert als kommerzielles Angebot organisiert. Die dort aufgespannten Handlungsräume sind deutlich fokussierter und nehmen die ökonomisch unmittelbarere Gestalt von Markt‑, Konsum- und Serviceräumen für Produkte, Inhalte, Dienstleistungen oder Arbeit an.

Einige dieser Plattformunternehmen betreiben Markträume in Gestalt unternehmenseigener Marktplätze, auf denen Drittanbieter ihre Waren oder Dienstleistungen eigenständig anbieten können. Prominente Beispiele für derartige Markträume sind der Amazon Marketplace, die App Stores für IT-Endgeräte, Reise- und Buchungsplattformen wie Airbnb und Booking.com oder Crowdwork-Plattformen wie Upwork (Barwise und Watkins 2018; Khan 2018; Howcroft und Bergvall-Kåreborn 2019; Dolata und Schrape 2014). Auch die Markträume für kommerziell agierende Influencer, die in die großen Social-Media-Plattformen eingelagert sind, gehören dazu. Die basalen Akteurfigurationen auf diesen mehrseitig ausgelegten Marktplätzen sind triangulär: Die Betreiber der unternehmenseigenen Marktplätze übernehmen die Rolle von Intermediären, die eigenständige Markthandlungen zwischen Dritten (Anbietern und Käufern) allerdings nicht bloß als Matchmaker technisch ermöglichen und moderieren (Evans und Schmalensee 2016), sondern die Marktregeln und Wettbewerbsbedingungen sowie die Distributions- und Vergütungsstrukturen formulieren, Produktinformations‑, Rating- und Leistungskontrollsysteme entwickeln, sichere Bezahlformen garantieren sowie über den Ein- und Ausschluss von Anbietern entscheiden (Kirchner und Beyer 2016). Der Zugang zu diesen Markträumen ist für Konsumenten, die zugleich aktiv in die Rating- und Kontrollstrukturen der Plattformen eingebunden werden, offen. Die kommerziellen Anbieter, die diese Marktplätze mit ihren Angeboten bespielen, werden von den Marktbetreibern kooptiert und auf ihre Richtlinien verpflichtet.

Zahllose andere digitale Plattformen fungieren demgegenüber vornehmlich als miteinander konkurrierende Konsum- oder Serviceräume, in denen die Plattformbetreiber nicht als vermittelnde Intermediäre, sondern direkt als Marktakteure agieren und den Konsumenten eigene, kommissionierte oder lizenzierte Produkte, Inhalte oder Dienstleistungen anbieten. Handelsplattformen wie die von Amazon, Zalando oder der Otto Group, Streaming-Plattformen für den On-Demand-Konsum von Audio- und Videoinhalten wie Spotify und Netflix, aber auch Mobilitätsplattformen wie Uber oder Lieferdienste wie Gorillas oder Delivery Hero fallen in diese Kategorie. Letztere sind mit Blick auf ihre originären Dienstleistungen ähnlich wie gängige Kurier- und Paketdienste angelegt und kontrollieren entsprechende Logistik- und Arbeitsressourcen unmittelbar. In diesen Fällen dominieren im Kernbereich der Plattformen direkte Verkaufsakte und zwei wesentliche Akteursgruppen – Anbieter und Kunden – das Bild, das auch hier ergänzt wird um die über den unmittelbaren Konsumakt hinausreichende Einbeziehung der Kunden vor allem in die plattformspezifischen Bewertungssysteme. Diese Plattformen sind unmittelbarer und enger an ihre organisierenden Kerne gekoppelt als Social-Media-Plattformen und unternehmenseigene Markträume. Dies betrifft nicht nur das jeweilige Kerngeschäft, das von den Plattformbetreibern selbst durchgeführt wird, sondern auch die etwa für Mobilitäts- und Lieferdienste typische Organisierung bezahlter Arbeitsleistungen. Die dort oft prekär und volatil Beschäftigten bieten ihre Leistungen nicht, wie auf Crowdworking-Marktplätzen, verschiedenen Dritten an, sondern dem Plattformunternehmen selbst, das deren Tätigkeit entlang detaillierter Leistungsvorhaben in extrem kleinteiliger und zugleich hierarchischer Weise koordiniert, überwacht und sanktioniert (Schor et al. 2020; Griesbach et al. 2019; Wood 2020).

Insgesamt zeigt die vorgelegte Systematisierung, dass sich auch die sozialen Handlungsräume, die durch die Plattformunternehmen aufgespannt werden, in sehr unterschiedlicher Weise konkretisieren und entsprechend differenziert betrachtet werden müssen. Spektakulär und historisch singulär sind vor allem anderen die von den großen Internetkonzernen betriebenen und weit ausgreifenden Social-Media-Plattformen, die nicht weniger als wesentliche Grundlagen von Gesellschaftlichkeit im Internet konstituieren, sowie die großen unternehmenseigenen Marktplätze, die sich als privatwirtschaftlich geregelte und soziotechnisch verfasste Marktordnungen im Web charakterisieren lassen.

4.3 Regulation: Koordinations‑, Kontroll- und Verwertungsmechanismen

Eine wichtige Frage ist bis hierhin noch unbeantwortet: Zeichnen sich die skizzierten Plattform-Architekturen durch eine spezifische Form von Handlungskoordination und -kontrolle aus, die sich von anderen deutlich über den eigentlichen Unternehmenszusammenhang hinausreichenden wirtschaftenden Einheiten – z. B. Unternehmensnetzwerken oder Nexus-of-Contracts-Firmen – unterscheidet? Damit ist die eingangs zitierte Suche nach „the system’s interfaces, the rules governing interaction among different parts“ (Baldwin und Woodard 2009, S. 19) aufgerufen, die sowohl das Zusammenspiel der beiden hier aufgespannten Ebenen der Plattform-Architektur (Abb. 1) als auch die Bewegungsmöglichkeiten der höchst verschiedenartigen Nutzer auf den Plattformen selbst betrifft. Während sich industrielle oder Innovationsnetzwerke durch vertraglich abgesicherte Kooperationsbeziehungen und Nexus-of-Contracts-Firmen durch vertragsbasierte Zuliefer- oder Vertriebsstrukturen zwischen verschiedenen eigenständigen Organisationen auszeichnen, auf deren Spielregeln sich die beteiligten Akteure in Verhandlungen verständigen, sind die hier skizzierten Plattform-Architekturen ausgreifender, die involvierten Akteure heterogener und die soziotechnischen Regulationsmuster, also die plattformspezifischen Koordinations‑, Kontroll- und Verwertungsmechanismen, deutlich komplexer. Zu organisieren und zu koordinieren sind hier nicht nur ökonomische Prozesse im engeren Sinne, sondern überdies zum Teil sehr vielschichtige und weitläufige Sozialbeziehungen.

Die Basis des Zusammenspiels der beiden Ebenen der Plattform-Architektur, dies wird oft unterschätzt oder übersehen, bilden nicht verhandelbare Vertragsbeziehungen zwischen den Plattformunternehmen und den Nutzern ihrer Plattformen, die in Gestalt detailliert formulierter Geschäftsbedingungen (terms and conditions) von den Unternehmen einseitig gesetzt und von den Teilnehmenden vollständig akzeptiert werden müssen. Erst mit der Zustimmung zu diesen Geschäftsbedingungen erhalten Letztere Zugang zu den Plattformen und unterwerfen sich zugleich den allgemeinen Regeln, die dort gelten. Dies betrifft individuelle Nutzer ebenso wie professionelle Influencer, Softwareentwickler in den App-Stores oder Händler auf proprietären Marktplätzen. Gleichzeitig bilden die Geschäftsbedingungen mit ihren weitreichenden Übertragungen der Rechte an den nutzergenerierten Inhalten und Daten, die alle Teilnehmer auf den Plattformen hinterlassen, auf die Plattformunternehmen die wesentliche Grundlage ihres Geschäfts. Erst auf dieser vertraglich abgesicherten Basis werden die lückenlose Beobachtung, die systematische Datenaufbereitung und die ökonomische Inwertsetzung der Verhaltensspuren aller Teilnehmer möglich. Geschäftsbedingungen als Vertragsbeziehungen bilden damit die basale Klammer zwischen den beiden Ebenen der Plattform-Architektur: Einerseits regeln sie die Zugangsbedingungen und strukturieren die Bewegungsmöglichkeiten der User auf den Plattformen. Und andererseits bilden sie die rechtliche Basis für die ökonomischen Verwertungsaktivitäten der Plattformunternehmen.

Diese starke und sehr einseitig ausgelegte vertragsrechtliche Grundlage, die für alle Internetplattformen charakteristisch ist, wird ergänzt um präzisierende Handlungsregeln, die die Aktivitäten der Teilnehmer sowohl ermöglichen als auch strukturieren und kanalisieren. Dazu zählen die bereits erwähnten Community Standards, die für Social-Media-Plattformen charakteristisch sind, Partnerprogramme, auf deren Basis professionelle Vlogger auf YouTube oder Influencer auf Instagram, TikTok oder Twitch tätig sind, Entwicklerrichtlinien in den App-Stores, Markt- und Vergütungsregeln auf proprietären Marktplätzen sowie engmaschige Leistungs(kontroll)systeme bei Fahrdienstleistern oder Lieferdiensten.

Auch für diese plattformspezifischen Handlungsregeln ist erstens typisch, dass sie nicht, wie etwa in Netzwerkzusammenhängen, zwischen verschiedenen Akteuren ausgehandelt, sondern von den Plattformunternehmen in der Form hierarchischer Anweisung gesetzt werden. Dass sie bisweilen umstritten und – wie etwa die periodisch aufflackernden Auseinandersetzungen um die Arbeitsbedingungen auf Liefer- oder Fahrdienstplattformen zeigen – bisweilen auch umkämpft sind (Schüßler et al. 2021; Schreyer und Schrape 2021), ändert wenig an dem grundsätzlichen Muster einer Top-down-Spezifizierung der auf den Plattformen geltenden Handlungsrahmen. Typisch ist zweitens, dass diese zunächst genuin sozialen Regeln von den Plattformunternehmen möglichst umfassend in technische oder algorithmische Anweisungen und Strukturierungen übersetzt werden und dadurch eine Form soziotechnischer Institutionalisierung annehmen, die sich in der alltäglichen Nutzungspraxis kaum und nur mit sehr hohem Aufwand übergehen lässt.

Dabei verfügen die Plattformunternehmen drittens über beträchtliche Kuratierungsspielräume, also über weitreichende Möglichkeiten einer permanenten Readjustierung sowohl der soziotechnischen Strukturation ihrer Plattformen als auch der dort geltenden Spielregeln. Entsprechende Neujustierungen werden etwa bei den Geschäftsbedingungen und den Community Standards, bei Suchalgorithmen oder bei den Rating- und Rankingsystemen regelmäßig durch die Plattformbetreiber vorgenommen, die damit sowohl die auf den Plattformen präsentierte Idee von sozialer Wirklichkeit als auch die Rahmenbedingungen des Handelns privater wie professionell tätiger Akteure in schneller Folge und zum Teil signifikanter Form rekonfigurieren. Frenken und Fünfschilling haben dieses für Internetplattformen typische Grundmuster einer dynamischen Strukturation und Institutionalisierung als „re-coding capacity“ bezeichnet:

Platforms can quickly re-code their software and/or alter their terms and conditions, creating a new artifact with slightly different workings that would necessitate a new court case, and so forth. The re-coding capacity provides platforms the ability to continuously adapt the course of institutionalization in largely autonomous manners (Frenken und Fünfschilling 2020, S. 107).

Ein viertes Merkmal kommt hinzu: Die Plattformunternehmen setzen nicht nur die Regeln auf ihren Plattformen, sondern kontrollieren auch deren Einhaltung und beobachten – weiter gefasst – das Verhalten aller Plattformteilnehmer nahezu lückenlos. Dies geschieht über ein ineinandergreifendes Zwei-Ebenen-System, das sowohl durch zentral gestaltete und umgesetzte Beobachtungs- und Kontrollmechanismen als auch durch die systematische und aktive Einbindung der Nutzer und Anbieter in die Monitoring- und Evaluations-Architekturen der Plattformen geprägt wird. Anders formuliert: Internetplattformen zeichnen sich durch beides aus – sowohl durch Formen einer zentralisierten „algorithmic bureaucracy“ (Kirchner und Schüßler 2019, S. 144) als auch durch in sie eingelagerte Verfahren einer dezentral ausgelegten „non-bureaucratic control“ (Stark und Pais 2020, S. 55).

Zur ersten Ebene zählen etwa die Überwachung der Einhaltung von Community Standards inklusive Sanktionen wie der Löschung von Inhalten oder Accounts, die Kontrolle der Anbieter auf Plattformmärkten oder die Leistungserfassung und -kontrolle der volatil Beschäftigten von Fahr- oder Lieferdiensten. Das sind Formen zentralisiert-hierarchischer Beobachtung und Kontrolle, die in den Plattformunternehmen zusammenlaufen und von ihnen selbst umgesetzt werden. Daneben zeichnen sich alle Plattformen durch eine zweite Ebene dezentral-verteilter Monitoring- und Kontrollsysteme aus, durch die Bewertungs- und Überwachungsaktivitäten an die Plattformteilnehmer – Nutzer wie Anbieter – delegiert werden. Die Plattformunternehmen stellen dazu vor allem Ratingsysteme der unterschiedlichsten Art bereit, über die alle Teilnehmer alle anderen beobachten, bewerten, ranken oder klassifizieren können – inklusive der Meldung fragwürdiger Inhalte oder Accounts. Die Plattformteilnehmer werden so als dezentrale Ko-Kontrolleure in die Überwachungs- und Kontrollsysteme der Plattformen eingebunden – und unterliegen dabei wiederum der Supervision durch die Plattformunternehmen, die nicht nur die entsprechenden Angebote entwickeln und bereitstellen, sondern auch die dort hinterlegten Datenspuren der Ko-Kontrolleure auswerten und in ihre Verwertungszusammenhänge einspeisen.

Vertragsbeziehungen als Rechtsgrundlage, Regeln als Handlungsrahmen, Beobachtungs- und Kontrollsysteme zur Überwachung der Regeleinhaltung und zum Verhaltensmonitoring: So vorstrukturiert, werden die Plattformen selbst zum zentralen Ressourcenreservoir für die Unternehmen, auf dem ein spezifischer ökonomischer Verwertungsmechanismus aufsetzt. Auf den ersten Blick sind die kommerziellen Ansatzpunkte der plattformbetreibenden Internetunternehmen über die Jahre recht übersichtlich und unspektakulär geblieben. Sie konzentrieren sich kaum anders als bereits Anfang der 2000er-Jahre, als dies noch unter dem Label „E-Commerce“ diskutiert wurde (Zerdick et al. 2001, S. 167–173; Riehm et al. 2003), auf Werbung, Handel, Subskriptionsmodelle, Vermittlungsgebühren sowie die Aufbereitung und den Verkauf von Datenbeständen. Dies trifft nicht nur für kleinere Plattformunternehmen wie Airbnb, Uber, Spotify, Netflix oder Twitter zu, sondern auch für die führenden Internetkonzerne (Tab. 1).

Neu und beispiellos ist freilich die zentrale Grundlage, auf der das Geschäft aller hier betrachteten Plattformunternehmen basiert: der technischen Möglichkeit und ökonomischen Umsetzung einer ubiquitären Kommodifizierung individueller Verhaltensspuren, die Zuboff (2019) als Kernelement des „surveillance capitalism“ beschrieben und Voß (2020, S. 106) im Anschluss daran als neue kapitalistische Landnahme konkretisiert hat: als „Expansion profitbasierter Wirtschaftsweisen durch Zugriff auf nicht (oder nicht vollständig) kapitalistisch zugerichtete Bereiche“, die nun auch das alltägliche Leben in all seinen Facetten erfasst hat (s. a. Crain 2018).

Diese Kommodifizierung von Nutzerverhalten erfolgt in einem durch die Plattformbetreiber vorstrukturierten Zusammenspiel beider Ebenen der Plattform-Architektur und über einen zweischrittig angelegten Verwertungsmechanismus. Die zahllosen Nutzer hinterlegen in einem ersten Schritt mit all ihren Aktivitäten auf den Plattformen – etwa als nutzergenerierte Inhalte, in Form von Kommunikationsverläufen, Kommentierungen, Bewertungen, Likes oder Rankings – dort zunächst ihre alltäglichen Lebensspuren als auswertbares Datenmaterial. Sie tun dies allerdings zumeist nicht, wie oft betont wird, in Form unbezahlter Arbeit oder als „arbeitende Vorproduzenten“ (Voß 2020, S. 106; s. a. Hardy 2014, S. 136–156; Fuchs 2014, 2018, S. 678), sondern viel trivialer durch die sehr bereitwillige Offenlegung der unterschiedlichsten Facetten ihres alltäglichen Verhaltens – und liefern damit zunächst nicht mehr als unverzichtbares Rohmaterial, das den Plattformunternehmen durch die Abtretung von Nutzungsrechten zur weiteren Verarbeitung übertragen wird, als bloße Ansammlung von Daten allerdings noch überhaupt keinen Wert oder Warencharakter hat.

Die Inwertsetzung dieser Daten erfolgt in einem zweiten Schritt in den Plattformunternehmen selbst. Das ist der Ort, an dem die eigentlich produktive und wertschaffende Arbeit stattfindet. Das, was die zahllosen Teilnehmenden mit ihren Aktivitäten und Lebensäußerungen auf den Plattformen an verwertbaren Datenspuren oft achtlos und quasi im Vorbeigehen liefern, wird dort in technisch voraussetzungsvollen und organisatorisch aufwendigen Prozessen ausgewertet, aggregiert und kommerziell verwertbar gemacht. Erst durch diese Aufbereitungs- und Veredelungsleistungen in den Plattformunternehmen werden die verstreuten digitalen Verhaltensspuren zu einer Ware, die einen Wert hat und die für das eigene Unternehmen, etwa zur Verfeinerung und Qualitätsverbesserung der plattformeigenen Such‑, Matching‑, Empfehlungs- und Kuratierungsangebote, oder für Dritte, vor allem als handelbare Datensätze und als personalisierte Werbemöglichkeiten, ökonomisch relevant wird.

Zusammengenommen zeichnen sich die für internetbasierte Plattform-Architekturen charakteristischen Koordinations‑, Kontroll- und Verwertungsmechanismen durch eine starke hierarchische Ausrichtung aus, in die Elemente der Kooptation und des orchestrierten Mitwirkens der Teilnehmer eingelagert sind. Die Plattformunternehmen haben in dieser hybriden Konstellation ein hohes Maß an strukturgebender, regelsetzender und kontrollierender Macht – und verfügen überdies über den exklusiven Zugriff auf das dort produzierte Rohmaterial an Daten. Diese Macht äußert sich in vielen Fällen – denkt man etwa an die Stellung von Arbeitskräften im Umfeld von Fahr- und Lieferdiensten oder an die eng geführten kommerziellen Anbieter auf proprietären Marktplätzen – aber längst nicht immer als rigide Kontrolle, als direktiver Zwang oder einklagbare Rechenschaftspflicht, sondern entfaltet sich für die große Zahl regelkonformer Nutzer kaum spürbar und weitgehend geräuschlos unter der Oberfläche einer (vermeintlichen) Offenheit, die die Plattformen als Markt- und Sozialräume auch auszeichnet. Die Nutzer, Konsumenten und Anbieter sind freiwillig dort, sie können dort recht unbehelligt ihren Interessen und Geschäften nachgehen, kollaborieren und kommunizieren oder sich gegenseitig beobachten und beurteilen. Sie haben sich allerdings an Regeln zu halten, auf deren Zustandekommen sie so gut wie keinen Einfluss haben, auf ebenso umfassende wie opake Überwachungssysteme einzulassen, die sie selbst weder gestalten noch kontrollieren können, sowie im Austausch gegen den Zugang einer weitreichenden Enteignung von ihren auf den Plattformen als Rohdaten hinterlassenen Äußerungen und Verhaltensspuren zuzustimmen.

5 Bilanz: Plattformunternehmen als distinkte organisationale Form

In der Gesamtschau spricht einiges dafür, die hier skizzierten internetbasierten Plattformunternehmen und die von ihnen betriebenen Plattformen als eine neuartige Unternehmensform zu begreifen. Das betrifft zunächst ihre spezifische Strukturation: Typisch für Plattformunternehmen ist nicht primär, dass sie als fokale Organisationen netzwerkförmige Kooperations- oder Vertragsbeziehungen zu anderen Organisationen unterhalten und koordinieren, sondern dass sie als organisierende, kuratierende und kontrollierende Kerne mehr oder minder ausgreifender sozialer Handlungsräume agieren, auf denen ihr Geschäft aufsetzt. Am weitläufigsten ausgelegt sind die großen Social-Media-Plattformen, die für die Aktivitäten der unterschiedlichsten sozialen Akteure offen sind und nicht weniger als die Grundlagen von Gesellschaftlichkeit im heutigen Internet konstituieren, sowie die unternehmenseigenen Marktplätze, die von den Plattformunternehmen gestaltet und koordiniert werden. Die Plattformunternehmen fungieren dabei nicht als neutrale Intermediäre oder Matchmaker, die lediglich Konnektivität herstellen, sondern als regelsetzende und -durchsetzende Instanzen, die die vielfältigen Aktivitäten auf ihren Plattformen technisch vermittelt kuratieren und observieren. Dabei übernehmen sie zum Teil Funktionen, die bislang der demokratisch legitimierten staatlichen Politik vorbehalten waren.

Charakteristisch für die Plattform-Architekturen ist ein entsprechend asymmetrisch verfasstes Verhältnis von Kontrolle und Offenheit bzw. von Zentralität und Dezentralität: Die wesentlichen Strukturierungen, Regeln und Kontrollmechanismen, die die Plattformen aufweisen, werden zentral gesetzt und top down durch die Plattformunternehmen implementiert. Auf dieser Grundlage eröffnen sich den Teilnehmenden allerdings zum Teil erhebliche dezentral-verteilte Handlungs- und Aktivitätsspielräume, die sie – immer auf der Basis der geltenden Regeln und lückenlos überwacht – aktiv und eigenwillig nutzen können, und die gerade in all ihrer Vielfalt und Unbestimmtheit den Plattformunternehmen wiederum als zentrale Ressource und Voraussetzung für ihr ökonomisches Geschäft dienen, das auf der datenbasierten Abschöpfung und Inwertsetzung sowohl der individuellen Verhaltens- als auch der organisationalen Handlungsspuren basiert, die die Teilnehmenden auf den Plattformen hinterlassen.

All dies zusammengenommen konstituieren internetbasierte Plattformunternehmen zwar einen neuen distinkten Unternehmenstyp, der die ökonomische Exploitation des Internets prägt. Er lässt sich allerdings nicht als Erosion oder gar Ersatz der eingangs skizzierten wirtschaftlichen Organisationsformen fassen und über die Internetökonomie hinausgehend verallgemeinern. Zum einen sind die Plattformunternehmen selbst, das sei hier noch einmal betont, in geradezu archetypischer Weise als formale Organisationen strukturiert (Arnold et al. 2021). Und zum anderen sind ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung und Verbreitung bislang ausgesprochen begrenzt geblieben. Die spezifischen Organisationsformen, die internetbasierte Plattformen und die sie koordinierenden Unternehmen auszeichnen, beschränken sich, wie Pfeiffer (2021, S. 159–214) zurecht betont hat, auf ausgewählte Bereiche der Distributionssphäre. Obgleich nicht wenige internetbasierte Plattformkonzerne mit Blick auf ihre Marktkapitalisierung inzwischen zu den global wertvollsten Unternehmen gehören, tragen sie mit ihren ökonomischen Aktivitäten bislang nur zu einem sehr geringen Teil zum Bruttoinlandsprodukt und zur Beschäftigung in den kapitalistischen Kernländern bei (Barefoot et al. 2018; International Monetary Fund 2018; Urzi Brancati et al. 2019). Auch in den durch die Magazine Fortune (2021) und Forbes (2021) jährlich veröffentlichten Rankings der größten Unternehmen der Welt, die von Industrie‑, Handels- und Finanzkonzernen dominiert werden, spielen sie mit Ausnahme der führenden Internetkonzerne bislang keine nennenswerte Rolle (Tab. 1). Ob überhaupt und in welchem Ausmaß sich die Organisierungsprinzipien internetbasierter Plattformunternehmen beispielsweise auf Kernsektoren des verarbeitenden Gewerbes übertragen lassen und dort einen entsprechenden organisationalen Wandel von Industrieunternehmen anstoßen könnten, ist bislang noch kaum erforscht.

All das spricht dafür, die Kirche wieder ein wenig näher an das Dorf zu rücken und Plattformunternehmen als das zu begreifen, was sie unseres Erachtens sind: Als eine weitere durchaus substanzielle Ausdifferenzierung und Pluralisierung der verschiedenen Unternehmensformen, die in den Wirtschaften der unternehmensstrukturell ohnehin sehr unterschiedlich aufgestellten kapitalistischen Kernländer nebeneinander existieren.