1 Einleitung

Die Entscheidung für eine Promotion hängt in Deutschland unter anderem von der Bildungsherkunft ab (Bachsleitner et al. 2020; Enders und Bornmann 2001; Jaksztat 2014; Neumeyer und Alesi 2018). Mit dem Ausbau von strukturierten Promotionsprogrammen verbindet sich die Hoffnung, dass die Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses in zunehmendem Maße über formalisierte Zugangswege und Auswahlverfahren verläuft, wodurch die askriptiven Merkmale Geschlecht und Herkunft an Bedeutung verlieren sollten. In diesem Fall wäre mit dem zunehmenden Ausbau von strukturierten Programmen und Graduiertenschulen eine soziale Öffnung des Zugangs zur Promotion denkbar.

Susanne de Vogel (2017) greift die Differenzierung des Promotionswesens in ihrem Beitrag auf und widmet sich der spannenden Frage, ob strukturierte Promotionsformen (z. B. Graduiertenschulen oder Stipendienprogramme) tatsächlich sozial offener sind als die traditionell angebotenen individuellen Promotionsformen (als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder in externer Promotion). Die umfassenden Analysen der Autorin bestätigen diese Erwartung: Die mit Average Marginal Effects (AMEs) gemessenen Herkunftsunterschiede sind für den Übergang in strukturierte Promotionen niedriger als für den Übergang in individuelle Promotionsformen (de Vogel 2017, S. 457 u. 462).

Es erscheint jedoch fraglich, inwieweit soziale Ungleichheit anhand des AME als absolute Prozentsatzdifferenz operationalisiert und verglichen werden kann. Anlass zum Zweifel besteht aufgrund der deutlich variierenden Randverteilungen der Promotionsübergänge: Während etwa jeder sechste Absolvent eine Promotion als Mitarbeiter aufnimmt, wechselt bisher nur etwa jeder dreißigste Absolvent in ein strukturiertes Programm (Tab. 1). Bei variierenden Randhäufigkeiten kann der Vergleich der Prozentsatzdifferenz zu verzerrten Schlüssen über die soziale Selektivität verschiedener Übergangsalternativen führen. Als Lösung wird vorgeschlagen, zusätzlich relative Ungleichheitsmaße, wie z. B. das Odds Ratio, zurate zu ziehen, um ein umfassenderes Bild zu erhalten (Handl 1985; Lörz und Schindler 2011; Schimpl-Neimanns 2000, S. 17 f.). Variierende Randverteilungen sind zudem nicht nur für den Vergleich der sozialen Selektivität verschiedener Promotionsformen problematisch, sondern auch für den Vergleich weiterer Einflussfaktoren (z. B. Schul- und Studienleistungen) sowie deren Erklärungsbeitrag zu sozialen Ungleichheiten in Abhängigkeit der Bildungsherkunft.

Tab. 1 Relative Häufigkeiten der Übergänge in Promotionsformen

Folglich stellt sich in Bezug auf die Untersuchung des Übergangs in individuelle und strukturierte Promotionen die Frage, inwieweit die Ergebnisse durch die Wahl des Ungleichheitsmaßes beeinflusst werden. Dies ist einerseits für die spezifische inhaltliche Einordnung der Ergebnisse von de Vogel (2017) relevant, andererseits auch für andere Arten von Ungleichheitsvergleichen, die in der Bildungssoziologie behandelt werden. Diesen Vergleichen ist gemein, dass, technisch ausgedrückt, Ungleichheiten zwischen mehreren binären abhängigen Variablen oder zwischen Ausprägungen einer kategorialen abhängigen Variablen innerhalb derselben Population verglichen werden:

  • Vergleiche zwischen verschiedenen Alternativen an anderen Übergängen (z. B. Übergänge in verschiedene Schulformen der Sekundarstufe I oder Übergänge von Studierenden: Verbleib vs. Studienabbruch vs. Fachwechsel);

  • Vergleiche zwischen verschiedenen abhängigen Variablen (z. B. verschiedene Arten außerschulischer Bildungsaktivitäten); und

  • Vergleiche über den Lebensverlauf einer Kohorte hinweg (z. B. das Erreichen eines Bildungsniveaus auf direktem Weg vs. das Erreichen desselben Bildungsniveaus inklusive nachgeholter Abschlüsse).

Zunächst skizziere ich die Anlage sowie die zentralen Ergebnisse der diskutierten Untersuchung (Abschn. 2). Daraufhin werden die Implikationen der Vergleiche von absoluten und relativen Ungleichheitsmaßen illustriert (Abschn. 3). Darauf aufbauend werden Modellrechnungen durchgeführt, anhand derer vergleichende Aussagen über proportionale Chancenungleichheiten beim Zugang zu verschiedenen Promotionsformen getroffen werden können (Abschn. 4). Abschließend werden Implikationen für politische Handlungsempfehlungen diskutiert und Empfehlungen für ähnliche Ungleichheitsvergleiche abgeleitet (Abschn. 5).

2 Eine kurze Rekapitulation

De Vogel (2017, S. 439) untersucht, ob sich soziale Ungleichheiten und Ungleichheitsmechanismen beim Zugang zur Promotion zwischen individuellen und strukturierten Promotionsformen unterscheiden. Es werden geschlechts- und herkunftsspezifische Ungleichheiten untersucht, wobei ich mich in der Diskussion auf die Disparitäten in Abhängigkeit der Bildungsherkunft konzentriere.

Aus den Besonderheiten strukturierter Programme (Strukturiertheit, formalisierte Rekrutierung, stärkerer Schwerpunkt auf objektiven Auswahlkriterien, fachspezifische Verbreitung) leitet de Vogel fünf Hypothesen zu unterschiedlich stark ausgeprägten Ungleichheiten und Ungleichheitsmechanismen ab. Bezogen auf die Stärke der Ungleichheiten wird vermutet, dass sie beim Zugang zu strukturierten Promotionsformen und Stipendienprogrammen geringer ausfällt als bei der Aufnahme einer Individualpromotion, z. B. als wissenschaftlicher Mitarbeiter (H2.1, de Vogel 2017, S. 442). In Bezug auf Ungleichheitsmechanismen wird angenommen, dass Leistungsunterschiede beim Zugang zu strukturierten Programmen in höherem Maße zur Ungleichheit beitragen als beim Zugang zu individuellen Formen (H2.3). Herkunftsbezogene Unterschiede in der Anstellung als Hilfskraft, in der Elternschaft und in den Studienfächern sollten beim Zugang zu strukturierten Promotionen hingegen einen geringeren Beitrag zur Ungleichheit leisten als beim Zugang zu individuellen Promotionsformen (H2.2, H2.4, H2.5).

Die Analysen basieren auf dem DZHW-Absolventenpanel (2005.2). Es werden 3406 Universitätsabsolventen traditioneller Abschlussarten (Diplom, Magister, Staatsexamen) danach unterschieden, ob sie innerhalb von 5 Jahren nach Studienabschluss eine Promotion aufgenommen haben. Die Promovierenden werden weiter nach der Form der Promotion differenziert (siehe Tab. 1).

Die Übergangsquoten in die drei Promotionsformen werden zunächst bi- und multivariat unter Kontrolle des Geschlechts und des Alters auf Disparitäten zwischen drei Herkunftsgruppen hin untersucht (Kein Hochschulabschluss im Elternhaus, Hochschulabschluss im Elternhaus, Promotion im Elternhaus). Anschließend werden die zugrunde liegenden Ungleichheitsmechanismen anhand von nichtlinearen Dekompositions- oder Mediationsanalysen (Karlson und Holm 2011) identifiziert und mit Blick auf ihre Erklärungsbeiträge quantifiziert.

Die bivariaten Analysen zeigen, dass Absolventen aus der höchsten Herkunftsgruppe (Promotion im Elternhaus) alle drei untersuchten Promotionsformen häufiger wählen als Absolventen aus einer der beiden niedrigeren Herkunftsgruppen (de Vogel 2017, S. 452). In den multinomialen Regressionsanalysen wird die Einflussstärke der Bildungsherkunft als Average Marginal Effect (AME) geschätzt. AMEs haben den Vorteil, dass sie anschaulich als mittlere Prozentsatzdifferenzen interpretierbar sind und weniger anfällig für Verzerrungen beim Vergleich genesteter Modelle sind (z. B. im Vergleich zu Odds Ratios; Best und Wolf 2012). Beim Zugang zu strukturierten Promotionen ist der Vorteil von Absolventen mit promovierten Eltern gegenüber Erstakademikern mit durchschnittlich 4 Prozentpunkten „deutlich geringer“ (de Vogel 2017, S. 457) als beim Zugang zu einer der beiden individuellen Promotionsformen (17 oder 8 Prozentpunkte). „Der Übergang in eine Promotion, deren Bearbeitung im Rahmen einer Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter erfolgt, ist dabei der selektivste“ (de Vogel 2017, S. 462). Die Ergebnisse entsprechen der Hypothese H2.1 und bestärken die hochschulpolitische Erwartung, dass mit dem Ausbau strukturierter Programme „personelle Merkmale … beim Übergang in eine Promotion an Bedeutung verlieren“ (de Vogel 2017, S. 439).

In den Dekompositionsanalysen werden ebenfalls AMEs berichtet, um zu quantifizieren, in welchem Ausmaß die Ungleichheitsmechanismen zu den Herkunftsungleichheiten beitragen. Die Dekompositionen zeigen hypothesenkonform, dass herkunftsspezifische Unterschiede im Zugang zu Hilfskraftstellen, in der Elternschaft und in der Studienfachentscheidung jeweils in höherem Maße zu den Ungleichheiten beim Zugang zu individuellen Promotionsformen beitragen als beim Zugang zu strukturierten Programmen (de Vogel 2017, S. 462 f.). Entgegen der in H2.3 formulierten Erwartung spielen Leistungsunterschiede beim Zugang zu strukturierten Programmen keine größere Rolle als beim Zugang zu individuellen Promotionsformen (de Vogel 2017, S. 463).

3 Ungleichheitsmaße für den Vergleich verschiedener Übergangsalternativen

3.1 Die Analyseperspektive proportionaler Chancengleichheit

Die aufgestellten Hypothesen beziehen sich auf den Vergleich der sozialen Ungleichheiten zwischen verschiedenen Ausprägungen einer Ungleichheitsdimension (Übergänge in verschiedenen Promotionsformen) in Abhängigkeit von einer Ungleichheitsdeterminante (Bildungsherkunft) innerhalb einer Population (Universitätsabsolventen).

Um die Eignung verschiedener Ungleichheitsmaße für diesen Anwendungsfall zu evaluieren, erscheint es zielführend, zunächst zu definieren, unter welchen konkreten Bedingungen man von höheren oder niedrigeren Ungleichheiten sprechen würde. Dabei nehme ich die Analyseperspektive proportionaler Chancengleichheit ein (Hradil 2004, S. 132; Kast 2006), die sich am Sozialprofil, d. h. an den Herkunftsquoten innerhalb der Gruppen von Promovierenden, orientiert.Footnote 1 Die Herkunftsquoten in Abhängigkeit der Promotionsformen werden im Folgenden als P(x|y) bezeichnet. x steht für die Bildungsherkunft und y für die Übergangsentscheidung. Weil die Übergänge in die drei Promotionsformen anhand derselben Population untersucht werden, sind die Herkunftsquoten zwischen den Promotionsalternativen vergleichbar.

In Bezug auf die Hypothese H2.1 wäre zu erwarten, dass die höchste Herkunftsgruppe unter den Promovierenden in strukturierten Programmen schwächer repräsentiert ist als unter den individuell Promovierenden und/oder dass die niedrigste Herkunftsgruppe in den strukturierten Promotionen stärker vertreten ist als in individuellen Promotionsformen.

3.2 Absolute und relative Ungleichheitsmaße

Die Ungleichheitsforschung ist üblicherweise bestrebt, ungleiche Verteilungen in Herkunfts- oder Beteiligungsquoten in einzelne Maßzahlen zu komprimieren. Die Wahl des Ungleichheitsmaßes ist keine triviale Entscheidung, sondern kann die Ergebnisse zur Relation verschiedener Ungleichheiten beeinflussen (z. B. Marks 2004; Lörz und Schindler 2011; Buchholz und Pratter 2017). Folglich stellt sich die Frage, welche Ungleichheitsmaße im vorliegenden Anwendungsfall geeignet sind, die Unterschiede im Sozialprofil der verschiedenen Promotionsformen abzubilden.

De Vogel (2017) bemisst die Ungleichheiten anhand der absoluten Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen. Entsprechend schätzt sie Average Marginal Effects (AMEs), die die mittleren Herkunftseffekte auf die Übergangswahrscheinlichkeiten in Prozentpunkten angeben. In bivariaten Analysen entspricht der AME der Prozentsatzdifferenz d%.

Als Alternative zur absoluten Prozentsatzdifferenz werden relative Ungleichheitsmaße empfohlen (z. B. Handl 1985; Lörz und Schindler 2011). Vielfach wurde gezeigt, dass auch verschiedene relative Ungleichheitsmaße zu disparaten Befunden von Ungleichheitsvergleichen führen können (Hellevik 1997; Lörz und Schindler 2011; Schindler 2014, S. 285 f.). Daher werden unterschiedlich aufgebaute relative Maßzahlen untersucht, in deren Metrik sich die Ergebnisse aus dem Originalbeitrag von de Vogel (2017) umrechnen lassen.

Erstens wird das in der Bildungssoziologie häufig verwendete Odds Ratio (OR, auch: Kreuzprodukt- oder Chancenverhältnis) herangezogen. Da Prozentsatzdifferenzen möglicherweise durch die Häufigkeiten der Übergänge P(y) konfundiert sind, untersuche ich zweitens die an der jeweiligen Übergangswahrscheinlichkeit relativierte Prozentsatzdifferenz: d%rel = d%/P(y). Sie steht exemplarisch für eine Gruppe relativer Ungleichheitsmaße, die tendenziell mit der Höhe der Beteiligungs- oder Übergangswahrscheinlichkeit sinken (u. a. Prozentsatzverhältnis, Variationskoeffizient). Die relativierte Prozentsatzdifferenz kann auch als Differenz der relativen Beteiligung interpretiert werden und gibt in diesem Sinne die relative (Über- oder Unter‑)Beteiligung einer Herkunftsgruppe im Vergleich zur relativen Beteiligung einer anderen Herkunftsgruppe wieder: d%rel = P(y|x = 2)/P(y)−P(y|x = 1)/P(y).

Vergleicht man Übergänge mit unterschiedlichen Häufigkeiten, so kann man zu unterschiedlichen Aussagen darüber gelangen, welcher Übergang selektiver ist, je nachdem, welche Maßzahl man heranzieht. Abbildung 1 illustriert die divergierenden Verläufe in Anlehnung an Hellevik (1997) sowie Lörz und Schindler (2011). Auf der linken Seite werden fiktive herkunftsspezifische Übergangsquoten (y-Achse) für Bildungsübergänge mit variierenden Gesamthäufigkeiten (x-Achse) abgebildet. Es werden konstante absolute Unterschiede (d% = 0,10) und zwei gleich große Herkunftsgruppen (P(x) = 50 %) angenommen. Auf der rechten Seite wird dargestellt, in welchen übergangsspezifischen Herkunftsquoten P(x|y) und in welchen Ungleichheitsmaßen sich die herkunftsspezifischen Übergangsquoten ausdrücken. Daran lässt sich ablesen, inwieweit die untersuchten Ungleichheitsmaße geeignet sind, die soziale Selektivität bei variierenden Randhäufigkeiten zu vergleichen (ein ähnliches Vorgehen findet sich bei Hellevik 2013).

Abb. 1
figure 1

Veränderung von Ungleichheitsmaßen und Herkunftsquoten bei variierenden Randhäufigkeiten und konstanten Prozentsatzdifferenzen. (Quelle: eigene Berechnung anhand fiktiver Daten mit zwei gleich großen Herkunftsgruppen: P(x = 1) = P(x = 2) = 50 %. Die Randhäufigkeit P(y) variiert zwischen 8 % und 92 %. Prozentsatzdifferenz d% = P(y|x = 2)−P(y|x = 1) = 0,10 oder 10 Prozentpunkte. Odds Ratio OR = [P(y|x = 2)/(1−P(y|x = 2))]/[P(y|x = 1)/(1−P(y|x = 1))]. Relativierte Prozentsatzdifferenz d%rel = d%/P(y))

Die Herkunftsquoten sinken streng monoton mit der Gesamthäufigkeit des Übergangs (gepunktete Linie), wenn die Prozentsatzdifferenz konstant ist (hellgraue Linie). Das heißt, dass sich gleiche Prozentsatzdifferenzen im Übergangsverhalten bei niedrigen Randhäufigkeiten in eine deutliche Überrepräsentation der höheren Herkunftsgruppe übersetzen (z. B. P(x = 2|y) = 75 % bei P(y) = 10 %), während das Ausmaß der Überrepräsentation bei höheren Randhäufigkeiten schwächer ausgeprägt ist (z. B. P(x = 2|y) = 58 % bei P(y) = 30 %).

Beim Vergleich von Übergängen mit relativen Häufigkeiten von maximal 50 % sinken die Odds Ratios (OR, dunkelgraue Linie) und die relativierten Prozentsatzdifferenzen (d%rel, schwarze Linie) ebenfalls streng monoton mit der Gesamthäufigkeit des Übergangs. Wenn die relative Häufigkeit von einem der verglichenen Übergänge über 50 % liegt, können auch die relativierten Prozentsatzdifferenzen und die Odds Ratios zu disparaten Aussagen dahingehend führen, an welchem Übergang die Ungleichheit stärker ausgeprägt ist.

Somit zeigt sich erstens, dass für eine Beurteilung der Aussagekraft der Indikatoren die jeweiligen Randhäufigkeiten bekannt sein müssen.Footnote 2 Zweitens sind relativierte Prozentsatzdifferenzen d%rel am besten für den Vergleich proportionaler Chancenungleichheit im Sinne einer abweichenden Repräsentation der Sozialgruppen in den Promotionsformen geeignet.Footnote 3 Bei der Untersuchung von Übergängen mit Randhäufigkeiten von maximal 50 % bilden Odds Ratios die Unterschiede in der Repräsentation ebenfalls besser ab als Prozentsatzdifferenzen.

4 Reanalyse der sozialen Ungleichheiten beim Übergang in die Promotion in Abhängigkeit der Bildungsherkunft

4.1 Vergleich der Stärke sozialer Ungleichheiten

Im Folgenden werden die von de Vogel (2017) durchgeführten Analysen um die Perspektive relativer Ungleichheiten erweitert. Die Übergangsquoten der Herkunftsgruppen in die Promotionsformen P(y|x) sowie die Randhäufigkeiten der Herkunftsgruppen P(x) bilden die Berechnungsgrundlage (de Vogel 2017, S. 452 u. 465). Sie wurden zunächst in eine Kreuztabelle mit Gesamtprozenten umgerechnet (Tab. 2). Auf dieser Basis wurden die Herkunftsquoten in den Promotionsformen (Tab. 3) sowie relative Ungleichheitsmaße berechnet (Tab. 4).Footnote 4 Da die Berechnungen auf gerundeten Werten basieren, können geringfügige Abweichungen von den Originaldaten bestehen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um rein bivariate Analysen handelt, ohne dass Kontrollvariablen berücksichtigt werden. Da sich bivariate Prozentsatzdifferenzen und AMEs, die unter Kontrolle von Geschlecht und Alter geschätzt wurden, in den von de Vogel (2017, S. 452 f.) berichteten Daten nur minimal unterscheiden, gehe ich nicht davon aus, dass die hier vorgestellten Berechnungen aufgrund des Weglassens von Kontrollvariablen von den Originalanalysen abweichen.

Tab. 2 Datenbasis: Bivariate Verteilung der Bildungsherkunft und der Entscheidung beim Übergang in die Promotion
Tab. 3 Herkunftsquoten in Promotionsformen
Tab. 4 Vergleich verschiedener Maßzahlen zur bivariaten Untersuchung sozialer Ungleichheiten beim Übergang in verschiedene Promotionsformen

Tabelle 3 zeigt die Herkunftszusammensetzung in den Promotionsformen. Absolventen, die mindestens einen Elternteil mit Promotion haben, sind in der Gruppe der strukturiert Promovierenden am stärksten überrepräsentiert. Ihr Anteil liegt in dieser Promotionsform mit 24 % etwa 3 Prozentpunkte über ihrem Anteil in den individuellen Promotionsformen. Die Quote der nichtakademischen Herkunftsgruppe ist in der strukturierten Promotion 3–8 Prozentpunkte niedriger als in den Individualpromotionen. Die Herkunftsquoten sprechen folglich für eine etwas höhere Selektivität der strukturierten Promotion gegenüber den individuellen Promotionsformen. Die freie Promotion erweist sich als die sozial „offenste“ Form.

Die erhöhte Selektivität der strukturierten Promotion zeichnet sich ebenfalls unter Verwendung relativer Ungleichheitsmaße ab, die in Tab. 4 für zwei Herkunftskontraste (Promotion im Elternhaus vs. kein akademisches Elternhaus, Hochschulabschluss vs. kein akademisches Elternhaus) berichtet werden.

Alle relativen Maße zeigen übereinstimmend leicht erhöhte Ungleichheiten beim Zugang zu strukturierten Promotionen im Vergleich zu beiden Formen von Individualpromotionen an (Tab. 4) und widersprechen folglich Hypothese H2.1, die von geringeren Ungleichheiten bei der Aufnahme einer strukturierten Promotion ausgeht. Die konträren relativen Ungleichheiten wurden zwar in der Interpretation der bivariaten Analysen in Form von Prozentsatzverhältnissen erwähnt (de Vogel 2017, S. 452), flossen jedoch nicht in die Hypothesenprüfung ein.

4.2 Vergleich der Erklärungsbeiträge von Ungleichheitsmechanismen

In den multivariaten Analysen setzt sich das Problem der Aussagekraft absoluter Ungleichheitsmaße fort. Zwar wird die Verwendung von AMEs für die Berechnung nichtlinearer Modelle empfohlen, da sie als mittlere Effekte auf Wahrscheinlichkeiten anschaulich interpretierbar sind und im Gegensatz zu Odds Ratios weniger anfällig sind, durch das Problem unbeobachteter Heterogenität verzerrt zu werden (vgl. Auspurg und Hinz 2011; Best und Wolf 2010, 2012; Mood 2010). Insofern ist das Vorgehen, Effekte der sozialen Herkunft anhand von AMEs zu quantifizieren, prinzipiell sinnvoll und nicht Gegenstand dieser Kritik.

Problematisch ist jedoch, dass AMEs ebenso wie bivariate Prozentsatzdifferenzen nicht geeignet sind, die soziale Selektivität von Übergangsalternativen mit variierenden Randhäufigkeiten zu vergleichen. Stattdessen empfiehlt sich die Verwendung relativer Ungleichheitsmaße (siehe 3.2). Daher werden die von de Vogel berichteten Dekompositionsergebnisse ex post von der Metrik des AME in die Metrik relativer Ungleichheitsmaße umgerechnet.Footnote 5 Analog zum Vorgehen bei der Berechnung der relativierten Prozentsatzdifferenzen schlage ich vor, die AMEs an der Randhäufigkeit der jeweiligen Promotionsform P(y) zu relativieren: AMErel = AME/P(y).Footnote 6 Die relativen Kompositionen der drei Gesamteffekte, also die erklärten Anteile am jeweiligen Gesamteffekt, bleiben von dieser Reskalierung unberührt. AMEs geben mittlere Unterschiede oder Effekte auf Wahrscheinlichkeiten an. Demgegenüber lassen sich AMErel als mittlere Unterschiede oder Effekte auf proportionale Chancenungleichheiten (oder die relative Beteiligung einer Gruppe gegenüber der relativen Beteiligung einer anderen Gruppe) interpretieren. Bezogen auf die indirekten Mediationspfade geben AMEs an, wie hoch die Prozentsatzdifferenz zwischen zwei Herkunftsgruppen ist, die durch Herkunftsunterschiede im jeweiligen Mediator erklärt werden kann. Die AMErel geben in den Dekompositionsanalysen an, wie hoch die proportionale Chancenungleichheit ist, die durch Herkunftsunterschiede im jeweiligen Mediator erklärt werden kann.

Abbildung 2 gibt die Ergebnisse wieder: Oben die Originalergebnisse unter Verwendung von AMEs und unten die relativierten AMEs (AMErel). Es werden Ungleichheiten zwischen der höchsten und der niedrigsten Herkunftsgruppe beim Zugang zu drei verschiedenen Promotionsformen untersucht (Balken), die sich wiederum aus verschiedenen erklärenden Komponenten zusammensetzen (Balkenabschnitte).

Abb. 2
figure 2

Erklärung sozialer Ungleichheiten zwischen der höchsten und der niedrigsten Herkunftsgruppe beim Zugang zu Promotionsformen: Vergleich verschiedener Ungleichheitsmaße. a Average Marginal Effect (AME, de Vogel 2017, S. 461). b Relativierter AME (AMErel, eigene Berechnung)

Die von de Vogel berechneten AMEs geben jeweils den Beitrag an, den ein Erklärungsfaktor zu absoluten Unterschieden im Übergangsverhalten leistet. Ein AME von 0,01 bedeutet, dass ein Prozentpunkt des Herkunftsunterschieds durch das jeweilige Set von Mediatorvariablen erklärt werden kann. Der AMErel gibt die Beiträge zu Ungleichheiten proportional zu den relativen Gesamthäufigkeiten der Übergänge an. AMErel lassen sich folglich weniger anschaulich interpretieren als AMEs, sind aber hinsichtlich der sozialen Selektivität der Promotionsformen mit ungleichen Übergangshäufigkeiten besser vergleichbar und somit aussagekräftiger (siehe 3.2).

Anhand der Dekompositionen wurden vier Hypothesen überprüft, gemäß derer sich die Erklärungsbeiträge der Fächerwahl, der Leistungen, der Betätigung als Hilfskraft und der Elternschaft zwischen den Promotionsformen unterscheiden sollten.

H2.2 folgend sollten herkunftsbedingte Unterschiede in der Ausübung von Hilfskrafttätigkeiten einen größeren Beitrag zu den Herkunftsunterschieden bei der Aufnahme einer Individualpromotion leisten als beim Zugang zu strukturierten Promotionen und Stipendienprogrammen (de Vogel 2017, S. 446). Die AMEs bestätigen diese Vermutung: Beim Zugang zu Promotionen auf Mitarbeiterstellen tragen herkunftsspezifische Erfahrungen aus Hilfskrafttätigkeiten zu Ungleichheiten in Höhe von 1,1 Prozentpunkten bei (AME = 0,011; Abb. 2a, erster Balken). Für strukturierte Promotionen und Stipendienprogramme können nur 0,3 Prozentpunkte der Herkunftsdifferenz durch den ungleichen Zugang zu Hilfskraftstellen erklärt werden (AME = 0,003; Abb. 2a, dritter Balken).

Unter Verwendung relativer Ungleichheitsmaße trägt die herkunftsspezifische Rekrutierung in Hilfskraftstellen – entgegen H2.2 – nicht stärker zur Selektivität beim Zugang zu Mitarbeiterstellen bei als zur Selektivität beim Zugang zu strukturierten Programmen. Gemessen als AMErel ist der Beitrag zu proportionalen Chancenungleichheiten bei strukturierten Programmen sogar etwas größer (0,09 vs. 0,06; Abb. 2b).Footnote 7

Leistungsunterschiede sollten beim Zugang zu strukturierten Programmen stärker zu Ungleichheiten beitragen als bei individuellen Promotionen (H2.3). Anhand der AMEs ist die Hypothese abzulehnen: Leistungsunterschiede erklären 2,3 Prozentpunkte der Herkunftsdifferenz beim Zugang zur Promotion als Mitarbeiter, aber nur 0,8 Prozentpunkte beim Zugang zu strukturierten Programmen.

AMErel zeigen hingegen an, in welchem Ausmaß Leistungsunterschiede zu proportionalen Chancenungleichheiten beitragen und zeichnen ein gegenteiliges Bild, das für die Annahme von H2.3 spricht: Beim Zugang zu strukturierten Promotionen ist der Erklärungsbeitrag der Leistungen höher als beim Zugang zu den individuellen Promotionsformen. In Übereinstimmung mit diesem Befund legen die etwas besseren Abitur- und Examensnoten der strukturiert Promovierenden – im Vergleich zu anderen Promotionsformen – ebenfalls eine erhöhte Leistungsselektivität beim Zugang zu strukturierten Programmen nahe (de Vogel 2017, S. 466).

Die in H2.4 und H2.5 vermuteten Unterschiede der Erklärungskraft der Studienfachwahl und der Elternschaft können in beiden untersuchten Ungleichheitsmetriken bestätigt werden, wenngleich die Unterschiede bei Betrachtung von relativierten AMEs weniger prononciert ausfallen.

Der nicht erklärte Resteffekt ist ausschließlich für Promotionen als Mitarbeiter statistisch signifikant (de Vogel 2017, S. 458). Dennoch ist er auch beim Zugang zu strukturierten Promotionen von Interesse, da er mehr als die Hälfte des Gesamtunterschieds ausmacht. Über den nichterklärbaren Unterschied wurden keine expliziten Hypothesen aufgestellt. Im Rahmen der Begründung möglicher Unterschiede in den Gesamteffekten wurden Mechanismen angesprochen, die sich, vermutlich nicht erschöpfend, zum Resteffekt zusammensetzen sollten. Zum einen sollten Erstakademiker die Kosten und Erfolgschancen einer strukturierten Promotion im Vergleich zu individuellen Promotionsformen günstiger einschätzen (de Vogel 2017, S. 441 f.). Zum anderen sollten stärker formalisierte Rekrutierungswege zu einem Abbau leistungsfremder Selektionskriterien führen (de Vogel, S. 443 f.). Beide Überlegungen legen nahe, dass der Resteffekt beim Zugang zu strukturierten Programmen geringer ist als bei der Aufnahme einer individuellen Promotion.

Wenn die nichterklärbaren Unterschiede relativ als proportionale Chancenungleichheiten operationalisiert werden (AMErel), fallen sie beim Zugang zu strukturierten Promotionen größer aus als beim Zugang zu beiden individuellen Promotionsformen. Folglich werden die ungleichheitsverringernden Effekte der strukturierten Promotion (günstigere Kosten- und Erfolgseinschätzung bei Erstakademikern und verringerte Fremdselektion nach askriptiven Merkmalen), soweit sie überhaupt eingetreten sind, von stärker ausgeprägten ungleichheitserhöhenden Effekten begleitet und überlagert. Im Fazit werden mögliche Alternativerklärungen skizziert.

5 Fazit

Dieser Beitrag beschäftigte sich mit der Frage, ob herkunftsbedingte Ungleichheiten beim Zugang zu strukturierten Promotionen geringer ausfallen als beim Zugang zu individuellen Promotionsformen. Aufgrund unterschiedlicher Häufigkeiten der Promotionsformen stellte sich zunächst die methodische Frage, inwieweit sich verschiedene Ungleichheitsmaße zum Vergleich sozialer Ungleichheiten eignen. Zur Überprüfung wurden unterschiedlich stark ausgeprägte Ungleichheiten exemplarisch simuliert und mit absoluten und relativen Ungleichheitsmaßen quantifiziert. Ausgehend von einem Verständnis proportionaler Chancenungleichheit diente die Repräsentation von Herkunftsgruppen als Vergleichsmaßstab. Dabei zeigte sich, dass einfache Prozentsatzdifferenzen bei variierenden Häufigkeiten verschiedener Übergangsalternativen zu Fehlschlüssen dahingehend führen können, welcher Übergang als sozial selektiver einzustufen ist. An der Übergangswahrscheinlichkeit relativierte Prozentsatzdifferenzen und – soweit Übergänge mit Randhäufigkeiten unter 50 % untersucht werden – Odds Ratios erwiesen sich demgegenüber als besser vergleichbar.

Erste Reanalysen belegen, dass der alleinige Vergleich von Prozentsatzdifferenzen in den von de Vogel (2017) untersuchten Daten problematisch ist. Betrachtet man die Herkunftsquoten in den Promotionsformen und relative Ungleichheitsmaße anstatt der Prozentsatzdifferenzen oder der AMEs, führt dies bei drei der fünf untersuchten Herkunftshypothesen zu einer konträren Interpretation. Da die durchgeführten Reanalysen auf den publizierten Ergebnissen und nicht auf eigenständigen Analysen beruhen, sind sie mit Unsicherheiten verbunden, da beispielsweise gerundete Werte für die eigenen Berechnungen herangezogen wurden und keine statistischen Tests durchgeführt wurden. Nichtsdestotrotz sollten diese Unsicherheiten im Vergleich zum beschriebenen Problem gering ausfallen.

Von besonderer Relevanz ist das Ergebnis der Reanalyse, dass Erstakademiker in der strukturierten Promotion etwas schwächer repräsentiert sind als in den individuellen Promotionsformen. Die Erwartung, herkunftsspezifische Ungleichheiten beim Zugang zur Promotion durch strukturierte Promotionsmöglichkeiten zu verringern, hat sich demnach nicht erfüllt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es sich bei der erhöhten Selektivität der strukturierten Promotionen um ein passageres Phänomen handelt. Dennoch legen die Ergebnisse der durchgeführten Reanalysen – konträr zum Fazit von de Vogel (2017, S. 464) – nicht nahe, dass ein Ausbau strukturierter Promotionsprogramme eine geeignete bildungspolitische Maßnahme zur Reduktion von Ungleichheiten in Abhängigkeit der Bildungsherkunft ist. Derartige Abweichungen der Ergebnisse in Abhängigkeit vom Ungleichheitsmaß können auch bei weiteren Veränderungen im Bildungsangebot auftreten. Wenn neue Programme schrittweise eingeführt werden und daher zunächst nur in geringem Ausmaß gewählt werden können oder dauerhaft als quantitativ exklusivere Programme vorliegen, begünstigt der Vergleich von AMEs die Einschätzung der sozialen Selektivität neuer Bildungsalternativen systematisch im Vergleich zu etablierteren Programmtypen.

Schließlich ist die Wahl des Ungleichheitsmaßes für die Frage relevant, an welchem Übergang die untersuchten Ungleichheitsmechanismen stärker zu sozialen Ungleichheiten beitragen. Die Ungleichheiten sind bei der Aufnahme einer strukturierten Promotion ausgeprägter, weil Leistungskriterien beim Zugang zu strukturierten Programmen eine größere Rolle spielen als bei der Aufnahme einer individuellen Promotion. Des Weiteren bestehen beim Zugang zu strukturierten Promotionen größere Ungleichheiten, die nicht durch die beobachteten Mediatoren erklärt werden können. Folglich scheinen weitere Ungleichheitsmechanismen zu existieren, aufgrund derer Absolventen mit Promotion im Elternhaus häufiger eine strukturierte Promotion aufnehmen als Erstakademiker.

Erstens können sie aus den elterlichen Promotionserfahrungen schöpfen und sollten daher für die spezifischen Vorteile der strukturierten Promotion im Vergleich zu individuellen Promotionen (de Vogel 2017, S. 441) empfänglicher sein. Zweitens ist es denkbar, dass strukturierte Programme und Stipendien als qualitatives Distinktionsmerkmal genutzt werden, um bei zunehmenden Promotionszahlen relative Statusvorteile aufrechtzuerhalten (Lucas 2001): Strukturiert Promovierte könnten insbesondere im Wissenschaftssystem günstigere Karrierechancen aufweisen. Des Weiteren ist es möglich, dass das Renommee von Stipendienprogrammen und von spezifischen Graduiertenschulen, die durch die Exzellenzinitiative gefördert werden, auf privilegierte Herkunftsgruppen besonders anziehend wirkt. Drittens kann es sein, dass Erstakademiker vom Label der Exzellenz abgeschreckt werden, weil sie damit höhere Anforderungen oder geringere Erfolgschancen assoziieren (Weiss et al. 2015, S. 371).

Die Ergebnisse unterstreichen die Forderung nach der forschungspraktischen Reflexion der Messung und des Vergleichs sozialer Ungleichheiten (vgl. Marks 2004; Buchholz und Pratter 2017). Für den Fall, dass die soziale Selektivität unterschiedlich häufiger Übergangsalternativen (oder anderer kategorialer Outcomes) innerhalb einer Population verglichen werden soll, lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:

  1. 1.

    Ergänzend zum herkunftsspezifischen Übergangsverhalten (P(y|x)) sollten die Herkunftsquoten in Abhängigkeit der gewählten Übergänge (P(x|y)) berichtet werden, auch wenn dieses Vorgehen mit Blick auf die übliche Prozentuierung von unabhängigen und abhängigen Variablen kontraintuitiv erscheint.

  2. 2.

    Prozentsatzdifferenzen und AMEs sind zwar für sich genommen anschaulich interpretierbar, erlauben aber keinen Schluss auf die soziale Selektivität oder proportionale Chancenungleichheiten. Relative Ungleichheitsmaße (z. B. Odds Ratios und relativierte Prozentsatzdifferenzen) sollten daher ergänzend berichtet werden, da sie sich besser eignen, um die soziale Selektivität von Übergängen mit variierenden Häufigkeiten vergleichbar zu quantifizieren. Bei der Verwendung von AMEs ist zudem zu beachten, dass mögliche Nichtlinearitäten, insbesondere bei metrischen Einflussvariablen, nicht anhand eines AME-Koeffizienten abgelesen werden können (Best und Wolf 2012, S. 393). In diesen Fällen wird die grafische Darstellung vorhergesagter Werte empfohlen.

Prozentsatzdifferenzen und AMEs spiegeln nicht nur proportionale Chancenungleichheiten wider, sondern auch die Randhäufigkeiten von Übergängen. Das muss jedoch trotz der vorliegenden Ausführungen nicht in jedem Fall als unerwünschte Eigenschaft verstanden werden. Wenn z. B. die Auswirkungen oder Erklärungsbeiträge der Ungleichheiten beim Zugang zu verschiedenen Promotionsformen auf nachgelagerte Outcomes (z. B. den Erfolg oder die Erträge einer Promotion) untersucht werden, sind die herkunftsspezifischen Unterschiede in den absoluten Beteiligungsquoten dafür entscheidend, welche quantitative Bedeutung den Ungleichheiten an verschiedenen Übergängen zukommt.