Zusammenfassung
Die Studie „Wie beeinflussen Geschlecht und Bildungsherkunft den Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen?“ von de Vogel aus dem Jahr 2017 gelangte auf Basis des vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) erhobenen Absolventenpanels 2005 zu dem Schluss, der Zugang zu strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen sei weniger selektiv als der Übergang in Individualpromotionen. Am Beispiel dieses Artikels zeigt Neumeyer in diesem Heft, dass die Berechnung und Interpretation absoluter Ungleichheitsmaße wie Average Marginal Effects in der Ausgangsstudie problematisch sein kann, wenn die Randverteilungen der Bildungsalternativen stark divergieren. Bei einer Reanalyse der Herkunftsdifferenzen mit relativen Ungleichheitsmaßen (Odds Ratios, Relative Risk Ratios und relativen Average Marginal Effects) gelangt er teils zu gegenteiligen Befunden. Daran anknüpfend erfolgt in diesem Beitrag eine Einordnung dieser Erkenntnisse in den laufenden methodischen Diskurs der Ungleichheitsforschung. Ergänzend bringt auch eine Reanalyse der Geschlechterunterschiede aus der Ausgangsstudie abweichende Ergebnisse hervor. Zieht man relative Ungleichheitsmaße heran, zeigen sich am Übergang in Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende zwar nach wie vor die größten Geschlechterunterschiede. Im Vergleich erweist sich der Zugang zu freien Promotionen aber als weniger selektiv als der Zugang zu strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen. Die Verwendung relativer statt absoluter Ungleichheitsmaße hat auch Auswirkungen auf die Ergebnisse der Dekompositionsanalysen. Die aktuelle Diskussion demonstriert, wie bedeutsam die Wahl der Analyseperspektive und Ungleichheitsmaße bei der Messung und Quantifizierung sozialer Ungleichheiten ist. Der vorliegende Beitrag macht zudem deutlich, dass zukünftige Studien neben der Wahl des Ungleichheitsmaßes auch mit alternativen Forschungsansätzen die Erkenntnislage zur Selektivität formaler Promotionsformen weiter absichern sollten.
Abstract
The study “How do Gender and Educational Background Influence the Transition to Individual and Structured Doctorates?” by de Vogel in 2017, based on multivariate analyses of data from the 2005 DZHW Graduate Panel, concluded that access to structured doctoral and fellowship programs is less selective than the transition to individual doctorates. Using this article as an example, Neumeyer shows in this issue that the calculation and interpretation of absolute inequality measures such as average marginal effects in the initial study can be problematic when the marginal distributions of educational alternatives vary strongly. In a reanalysis of the educational background differences with relative inequality measures (odds ratios, relative risk ratios, and relative average marginal effects), he obtains mostly contrary findings. Against this backdrop, this article places these findings in the context of the ongoing methodological discourse on inequality research. In addition, a reanalysis of gender differences in the initial study yielded different results. Using relative measures of inequality, the largest gender differences are still found in the transition to doctoral studies within research assistant positions. In comparison, however, access to external doctorates proves to be less selective than access to structured doctorates and fellowship programs. The utilization of relative rather than absolute measures of inequality also has implications for the results of decomposition analyses. The current discussion demonstrates the significance of choice of analysis perspective and inequality measures in measuring and quantifying social inequalities. Future studies should use alternative research approaches to further secure evidence on the selectivity of formal doctoral contexts.
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1 Einleitung
Die Ausweitung strukturierter Promotionsformen nach US-amerikanischem Vorbild war unzweifelhaft eine der bedeutendsten Reformbewegungen der vergangenen Jahrzehnte im deutschsprachigen Hochschulraum. Strukturierte Promotionsformen, deren Zugang sich (idealerweise) durch transparent gestaltete, formalisierte Rekrutierungsverfahren mit objektiven Auswahlkriterien auszeichnet, sollten in stärkerem Maße gewährleisten, was traditionellen Formen der Individualpromotion bisher mutmaßlich nicht gelang: Der Zugang zur Promotion sollte ausschließlich den leistungsstärksten Personen mit Hochschulabschluss vorbehalten sein (Wissenschaftsrat 2002, S. 45) und nicht von askriptiven Merkmalen wie Geschlecht oder Bildungsherkunft abhängen (Wissenschaftsrat 2007, S. 28). Dass das Geschlecht (Lörz und Mühleck 2019; Leemann 2002) und die Bildungsherkunft (Jaksztat 2014; Bachsleitner et al. 2018; Neumeyer und Alesi 2018; Lörz und Schindler 2016) mit der Wahrscheinlichkeit einer Promotionsaufnahme in Zusammenhang stehen, haben mittlerweile zahlreiche Studien belegt. Obgleich strukturierte Promotionsformen bereits auf die ersten DFG-Graduiertenkollegs in den 1980er-Jahren zurückgehen und besonders im Rahmen des Bologna-Prozesses und der Exzellenzinitiative stärkere Verbreitung fanden, in Deutschland also seit rund drei Jahrzehnten existieren, wurden die Promotionsformen und die Frage, welche Unterschiede sie bei der Entstehung sozialer Ungleichheiten beim Übergang in die Promotion hervorbringen, in bisherigen Untersuchungen nicht systematisch berücksichtigt. Dies war vermutlich der bislang unzureichenden Datenlage geschuldet. Das Erkenntnisinteresse am Thema der strukturierten Promotion seitens der Hochschulen und Hochschulpolitik ist jedoch sehr groß, weswegen sich der Fokus der Hochschul- und Wissenschaftsforschung zunehmend in diesen Bereich verlagert.
Als die Daten der zweiten Befragung der 2005er-Kohorte des DZHW-Absolventenpanels erstmals Analysen unter Berücksichtigung der formalen Promotionsform erlaubten, sollte mein im Jahr 2017 erschienener Beitrag in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (de Vogel 2017) zur Klärung dieses Forschungsdesiderats beitragen. Meine Motivation war, erstens zu untersuchen, ob sich Geschlechter- und Herkunftsungleichheit beim Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen in ihrer Ausprägung unterscheiden, und zweitens die Klärung der Frage, inwieweit bei der Entstehung von Geschlechter- und Herkunftsdifferenzen unterschiedliche Mechanismen wirken. Die Beantwortung der ersten Frage erfolgte anhand einer multinomialen logistischen Regressionsanalyse, die zweite Fragestellung wurde mithilfe einer KHB-Effektdekomposition untersucht. Aus den Befunden meiner Analysen folgerte ich, dass das Geschlecht und die Bildungsherkunft von Absolventen beim Übergang in strukturierte Promotionen und Stipendienprogramme – wie von hochschulpolitischer Seite intendiert – von geringerer Bedeutung seien als bei der Aufnahme von Individualpromotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende oder in freier Form. Ebenso fand ich Unterschiede in den Erklärungsbeiträgen der Fächerwahl, Leistungsunterschiede, Erfahrungen in der Ausübung studentischer Hilfskrafttätigkeiten und bestehender Elternschaften.
Sebastian Neumeyer greift die Ergebnisse meiner Studie in seinem Beitrag „Wie offen sind strukturierte Promotionen wirklich?“ in diesem Heft wieder auf. Am Beispiel meiner Analysen der Herkunftsdifferenzen beim Übergang in die verschiedenen formalen Promotionsformen zeigt er, dass die in meiner Untersuchung gewählten absoluten Ungleichheitsmaße der Prozentsatzdifferenzen und Average Marginal Effects (AME) bei deutlich variierenden Randverteilungen irreführende Befunde generieren können und relative Ungleichheitsmaße (z. B. Odds Ratios (OR) oder Relative Risk Ratios (RRR)) für Fragestellungen und Datenlagen dieser Art in den meisten Fällen die bessere Wahl darstellen. Diese methodische Kritik an meiner Ausgangsstudie ist durchaus berechtigt. Als Alternative schlägt Neumeyer vor, die AMEs anhand der Randverteilungen an den Übergängen zu relativieren. Bei einer exemplarischen Reanalyse der Herkunftseffekte kommt er unter Verwendung relativer statt absoluter Ungleichheitsmaße zu teils gegenteiligen Schlüssen. Als zentrales Ergebnis lässt sich festhalten, dass Personen, die über keine akademische Bildungsherkunft verfügen, in strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen eher schwächer repräsentiert sind als in Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende oder in freier Form (Neumeyer 2022). Auch die Effektdekompositionen relativierter AMEs führen mit Blick auf die Entstehungsmechanismen der Herkunftsungleichheiten zu anderen Schlüssen.
Es ist zu begrüßen, dass mit Neumeyers Arbeit Folgeforschung aus meinem Beitrag hervorgeht, die nicht nur den Erkenntnisstand zum nach wie vor stark unterbeleuchteten Forschungsgegenstand der strukturierten Promotion erweitert, sondern gleichzeitig auch einen Beitrag zur in der soziologischen Ungleichheitsforschung laufenden Debatte leistet, wie das „Ausmaß“ sozialer Ungleichheiten „gemessen“ und „quantifiziert“ werden kann.
In der folgenden Erwiderung möchte ich die von Neumeyer dargelegte Kritik und seinen alternativen Analyseansatz in den methodischen Diskurs in der Ungleichheitsforschung einordnen. Anschließend möchte ich meine Fragestellungen aus dem Jahr 2017 unter Verwendung der von Neumeyer vorgeschlagenen relativen Ungleichheitsmaße einer erneuten Betrachtung unterziehen. Dabei rekurriere ich zunächst auf die von ihm berichteten Analysen zum Vergleich von Herkunftsungleichheiten beim Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen. Sodann ergänze ich das Bild um eine Reanalyse der Geschlechterungleichheiten. Der Beitrag schließt mit Implikationen, die sich bei Betrachtung der sozialen Selektivität der verschiedenen formalen Promotionsformen aus diesem neuen methodischen Blickwinkel ergeben sowie einer Diskussion darüber, welcher Daten und Studienanlagen es darüber hinaus bedarf, um die Frage der sozialen Ungleichheit beim Übergang in die Promotionsformen weiter aufklären zu können.
2 Ungleichheiten beim Übergang in die Promotionsformen im Kontext des methodischen Diskurses
Parallel zur Diskussion inhaltlicher Fragestellungen wird in der soziologischen Ungleichheitsforschung ein methodischer Diskurs darüber geführt, welche Analyseperspektive (Schindler 2015; Buchholz und Pratter 2017) zur Betrachtung sozialer Ungleichheiten am geeignetsten erscheint. Buchholz und Pratter (2017) unterscheiden im Kontext alternativer Bildungswege einerseits zwischen Untersuchungen, die, wie es das Anliegen der vorliegenden Ausgangsstudie war, Differenzen im Übergangsverhalten unterschiedlicher sozialer Gruppen (z. B. in verschiedene Promotionsformen) in den Blick nehmen. Andererseits lassen sich soziale Ungleichheiten über Bildungsverteilungen in den Blick nehmen. Sowohl Hillmert und Jacob (2005) als auch Schindler (2015) zeigen, dass Ungleichheiten im Übergangsverhalten nicht zwangsläufig auch zu ungleichen Bildungsverteilungen führen müssen, weil für das Ausmaß der Ungleichheit neben den Übergangsraten auch die Größe der Ausgangspopulationen maßgeblich ist (Hillmert und Jacob 2005, S. 420). Neumeyer knüpft im Kern seiner Kritik an der Ausgangsstudie daran an und nimmt alternativ zum Vorgehen in der Ausgangsstudie nicht die Übergänge nach Geschlecht und Bildungsherkunft, sondern die Verteilungsquoten innerhalb der Gruppe der Promovierenden in den Blick. Wie Hillmert und Jacob (2005, S. 420) ebenfalls betonen, bringen beide Perspektiven für die Ungleichheitsforschung wichtige Erkenntnisse hervor. Folglich muss eingeräumt werden, dass die Analyse des Übergangsverhaltens in die Promotionsformen allein noch keine gesicherten Rückschlüsse auf das Ausmaß sozialer Ungleichheiten in individuellen und strukturierten Promotionsformen erlaubt. Um zu untersuchen, inwiefern man beim Übergang in strukturierte Promotionsformen von höheren oder niedrigeren Ungleichheiten sprechen kann, ist die von Neumeyer eingenommene „Analyseperspektive der proportionalen Ungleichheit“ (Neumeyer 2022) darum eine wichtige Erweiterung des Kenntnisstands.
Eng damit in Zusammenhang stehend hat sich in der Vergangenheit eine Reihe von Forschungsarbeiten mit der Frage befasst, welche Ungleichheitsmaße aus methodischer Sicht für die Messung und Quantifizierung sozialer Ungleichheiten im Bildungsbereich die beste Wahl darstellen. Forschende können, je nachdem, welche Ungleichheitsmaße sie in ihren Analysen heranziehen, mit Blick auf das Ausmaß sozialer Ungleichheiten zu gänzlich unterschiedlichen Ergebnissen gelangen (Schindler 2014; Lörz und Schindler 2011; Marks 2004; Hellevik 1997; Buchholz und Pratter 2017). Zur Beantwortung der Frage, inwiefern sich die Geschlechter- und Herkunftseffekte beim Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen unterscheiden, war es in meiner Studie erstens ein Anliegen, ein Ungleichheitsmaß zu wählen, das anschaulich zu interpretieren ist. Average Marginal Effects (AME) lassen sich als mittlere Prozentsatzdifferenzen quantifizieren und sind somit einfacher zu interpretieren als Odds Ratios (OR) oder Relative Risk Ratios (RRR). Da darüber hinaus auch von Interesse war, ob und in welchem Maße geschlechts- und herkunftsspezifische Unterschiede in der Fächerwahl, den Schul- und Studienleistungen, studentischen Hilfskrafttätigkeiten sowie das Vorhandensein von Kindern die Geschlechter- und Herkunftsdifferenzen an den Übergängen in die Promotionsformen mediieren, wurden die potenziellen Mediatorvariablen schrittweise in die Regressionsmodelle eingefügt und verglichen, inwiefern sich die Haupteffekte unter Kontrolle der Mediatoren verändern (de Vogel 2017, S. 452 ff.). Deshalb erschien es zweitens wichtig, auf ein Ungleichheitsmaß zurückzugreifen, das eine gute Vergleichbarkeit zwischen genesteten Modellen bietet (Mood 2010), was AMEs aufgrund ihrer geringeren Sensibilität gegenüber unbeobachteter Heterogenität (Auspurg und Hinz 2011) in stärkerem Maße gewährleisten können als beispielsweise ORs. Buchholz und Pratter (2017) finden AMEs zur Bestimmung sozialer Ungleichheiten in Bildungsverteilungen schließlich auch „konzeptionell überzeugender“ (Buchholz und Pratter 2017, S. 432), weil sie die absolute Distanz zwischen sozialen Gruppen ausdrücken.
Was jedoch in diesem Kontext zu Recht kritisiert werden kann, ist die Sensitivität von AMEs gegenüber stark divergierenden Randhäufigkeiten der Übergangsalternativen. Da strukturierte Promotionen und Stipendienprogramme im Vergleich zu Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende und freien Promotionen in Deutschland bis zum aktuellen Zeitpunkt noch relativ geringe Verbreitung finden (Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021, S. 130), zeigt Neumeyer in seiner Replik, dass die Interpretation absoluter Ungleichheitsmaße wie Prozentsatzdifferenzen und AMEs bei dem vorliegenden Untersuchungsgegenstand zu Fehlschlüssen führen kann. Als Alternative zu absoluten Ungleichheitsmaßen argumentiert er rekurrierend auf Arbeiten von Handl (1985) sowie Lörz und Schindler (2011), dass relative Ungleichheitsmaße für die Analyse sozialer Ungleichheiten beim Übergang in die verschiedenen formalen Promotionsformen darum besser geeignet seien (Neumeyer 2022). Dass die verschiedenen relativen Ungleichheitsmaße ebenfalls wiederum disparate Befunde generieren können (Hellevik 1997), berücksichtigt er, indem er Odds Ratios, Relative Risk Ratios sowie an den Randhäufigkeiten der Promotionsformen relativierte Prozentsatzdifferenzen (d%rel) und AMEs (AMErel) berechnet.
Inhaltlich hat sich der methodische Diskurs in der (soziologischen) Ungleichheitsforschung häufig auf Bildungsungleichheiten im schulischen Bereich (Buchholz und Pratter 2017; Schimpl-Neimanns 2000) fokussiert. Die meisten Arbeiten bewegen sich thematisch an den Übergängen ins Studium (Handl 1985; Marks 2004; Lörz und Schindler 2011; Schindler 2014, 2015; Hillmert und Jacob 2005). Indem er die Problematik der Messung von Bildungsungleichheiten anhand der Übergänge in die Promotion demonstriert, erweitert Neumeyer die Diskussion auf darauffolgende Bildungsstufen.
3 Soziale Selektivität individueller und strukturierter Promotionsformen reanalysiert
An den methodischen Diskurs zur Adäquanz unterschiedlicher Analyseperspektiven und Ungleichheitsmaße in der (Bildungs‑)Ungleichheitsforschung anknüpfend hat Neumeyer am Beispiel der Herkunftsungleichheiten demonstriert, dass man auch mit Blick auf den Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen zu disparaten Befunden gelangen kann, wenn man, kontrastierend zur Ausgangsstudie, relative statt absolute Ungleichheitsmaße berechnet. Im folgenden Abschnitt möchte ich die Befunde aus beiden Analyseperspektiven kurz gegenüberstellen und die Befundlage zur sozialen Selektivität der formalen Promotionsformen um die Geschlechterungleichheiten aus relativer Betrachtung ergänzen. Um ein möglichst vollständiges Bild zu zeichnen, wurden auch für die multinominalen logistischen Regressionsanalysen (de Vogel 2017, S. 453 ff.) die Relative Risk Ratios berechnet (siehe Tab. 2 im Anhang), die das relative Chancenverhältnis in den Übergängen im Vergleich zur Referenzkategorie (keine Promotionsaufnahme) angeben.
3.1 Herkunftseffekte bei relativer Betrachtung
In der Ausgangsstudie hat ein bivariater Vergleich der Übergangsquoten zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen zunächst gezeigt, dass die Übergangsquoten in Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende, in freier Form sowie in strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen mit zunehmendem Bildungsniveau im Elternhaus steigen (de Vogel 2017, S. 452). In den multivariaten logistischen Regressionsanalysen wurden die Übergangswahrscheinlichkeiten in die drei Promotionsformen im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit, innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss keine Promotion aufzunehmen, geschätzt. Unter Kontrolle von Alter und Geschlecht erfolgte die Schätzung von AMEs. Bei absoluter Ungleichheitsbetrachtung gelangte ich zu dem Schluss, dass der vorteilhafte Effekt einer akademischen Bildungsherkunft, insbesondere promovierter Eltern, beim Übergang in strukturierte Promotionsformen und Stipendienprogramme im Durchschnitt geringer ausfällt als beim Übergang in Individualpromotionen (de Vogel 2017, S. 462). Die Herkunftsdifferenzen in den AMEs erwiesen sich am Übergang in Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende am stärksten. Die KHB-Effektdekomposition der AMEs, anhand derer die Mediatorbeiträge der Fächerwahl, der Schul- und Studienleistungen, studentischer Hilfskrafttätigkeiten und Elternschaft geschätzt wurden, zeigten, dass Herkunftsdifferenzen in diesen Faktoren am Übergang zu Individualpromotionen stärker zur Entstehung von Herkunftsungleichheiten führen als bei der Aufnahme in strukturierter Form oder einem Stipendienprogramm (de Vogel 2017, S. 460 f.). Insgesamt erweckten die Befunde damit den Eindruck, strukturierte Promotionen seien offener für Personen ohne akademische Bildungsherkunft als die traditionellen Formen der Individualpromotion.
Bei relativer Betrachtungsweise, wie Neumeyer sie in seiner Replik annimmt, kommt man unter Verwendung alternativer Ungleichheitsmaße aber größtenteils zu anderen Schlüssen. Statt der Übergangsquoten unterschiedlicher Herkunftsgruppen untersucht er in seinen bivariaten Analysen zunächst die Herkunftsquoten innerhalb der verschiedenen formalen Promotionsformen (Neumeyer 2022). Dabei zeigt sich, dass die ungleichen Übergangsquoten aus de Vogel (2017) tatsächlich nicht in dementsprechend ungleichen Herkunftsquoten resultieren. Demnach sind Personen mit promovierten Eltern proportional häufiger innerhalb der strukturierten Promotions- und Stipendienprogramme vertreten als in Individualpromotionen. Personen ohne akademische Bildungsherkunft sind im Vergleich am stärksten innerhalb freier Promotionen zu finden. Die Berechnung von OR, RRR und anhand der Randverteilung der Promotionsformen relativierter AME (AMErel) zeichnet ein übereinstimmendes Bild erhöhter Herkunftsungleichheiten beim Zugang zu strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen (Neumeyer 2022). Eine Reanalyse der Effektzerlegung anhand der AMErel (Neumeyer 2022) kommt mit Blick auf die Bedeutung herkunftsspezifischer Fächerwahlen und bestehender Elternschaften im Kern zu gleichen Schlüssen wie in der Ausgangsstudie. Bei Betrachtung proportionaler Chancenungleichheiten tragen Leistungsunterschiede sowie Differenzen in der Ausübung studentischer Hilfskrafttätigkeiten mehr zur Entstehung der Herkunftsungleichheiten in strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen bei als bei Individualpromotionen. Ergänzend findet Neumeyer, dass der durch die Modellvariablen nicht erklärte Anteil des Herkunftsunterschieds bei relativer Operationalisierung in strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen größer ausfällt als bei Individualpromotionen.
3.2 Geschlechtereffekte bei relativer Betrachtung
Analog zur Bestimmung der Herkunftsungleichheiten erfolgte in der Ausgangsstudie die Berechnung von Geschlechterunterschieden beim Zugang zu individuellen und strukturierten Promotionen. Bei einem Vergleich der Übergangsquoten von Absolventinnen und Absolventen in die formalen Promotionsformen (de Vogel 2017, S. 451) wurde zunächst ersichtlich, dass Frauen in allen Promotionsformen signifikant seltener eine Promotion aufnehmen als Männer. Beim Übergang in strukturierte Promotionen und Stipendienprogramme, aber auch in freie Promotionen, erwiesen sich die Geschlechterdifferenzen als deutlich geringer als beim Zugang zu Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende. Unter Kontrolle der Bildungsherkunft und des Alters ergab sich in der multinomialen logistischen Regressionsanalyse (de Vogel 2017, S. 452) bei Schätzung von AMEs ein deutlicher Nachteil von Frauen hinsichtlich der Promotionsaufnahme im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende. Bei strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen ließ sich ebenso wie bei freien Promotionen kein signifikanter Einfluss des Geschlechts nachweisen. Die Effektdekomposition der Geschlechterdifferenzen zuungunsten von Frauen erfolgte anhand der AME und beschränkte sich auf die Ungleichheiten, die beim Zugang zu Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende bestehen (de Vogel 2017, S. 459 f.). Der größte Erklärungsbeitrag ging auf geschlechtsspezifische Studienfachentscheidungen zurück. Studentische Hilfskrafttätigkeiten tragen ebenso wie eine Elternschaft zur Entstehung der Geschlechterdifferenzen bei. Leistungsunterschiede zwischen Frauen und Männern hatten entgegen der Erwartung keinen Mediatoreffekt. Zusammenfassend gelangte ich anhand absoluter Ungleichheitsmaße zu dem Schluss, dass strukturierte Promotions- und Stipendienprogramme im Vergleich zu Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende auch mit Blick auf das Geschlecht weniger selektiv seien.
Analog zu Neumeyers Vorgehen zur Bestimmung proportionaler Herkunftsungleichheiten habe ich im Folgenden die in der Ausgangsstudie untersuchten Geschlechterunterschiede beim Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen einer Reanalyse mit relativen Ungleichheitsmaßen unterzogen. Zunächst erfolgt eine bivariate Betrachtung der Geschlechterquoten (vgl. Abb. 1). Die geringen Übergangsquoten von Frauen resultieren bei Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende ebenfalls in geringeren Beteiligungsquoten von Frauen (42 % vs. 58 % Männer). Frauen sind in dieser Promotionsform auch im Vergleich zur Geschlechterquote in der Gesamtheit aller Promovierenden deutlich unterrepräsentiert (46 % Frauen vs. 54 % Männer). Innerhalb strukturierter Promotionen und Stipendienprogramme machen Frauen hingegen rund die Hälfte aller Promovierenden aus. Bei den frei Promovierenden stellen sie mit einem Anteil von rund 52 % sogar die Mehrheit. Trotz geringerer Übergangsquoten sind Frauen in diesen Formen der Promotion überproportional häufig unter den Promovierenden vertreten.
Wie Tab. 1 zeigt, deuten alle relativen Ungleichheitsmaße (OR, RRR und Neumeyers d%rel) übereinstimmend mit den Befunden der Ausgangsstudie darauf hin, dass die Geschlechterungleichheiten bei der Aufnahme einer Promotion im Rahmen einer wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle am höchsten sind. Im Vergleich erscheinen die proportionalen Geschlechterungleichheiten bei dem Zugang zu strukturierten Promotionen und Stipendienprogrammen etwas geringer. Gleichwohl ist aus dieser Perspektive der Zugang zur freien Promotion am wenigsten durch Geschlechterungleichheiten geprägt.
Um zu klären, wie hoch die proportionale Geschlechterungleichheit ist, die durch Geschlechterunterschiede in der Studienfachwahl, den Schul- und Studienleistungen, der Ausübung studentischer Hilfskrafttätigkeiten und Elternschaften erklärt werden kann, werden die in der Ausgangsstudie berechneten anteiligen AMEs aus der KHB-Effektdekomposition analog zum Vorgehen Neumeyers (2022) in AMErel umgerechnet. Die AME werden zu diesem Zweck ins Verhältnis zur Randverteilung der jeweiligen Promotionsform gesetzt. Wie in der Ausgangsstudie sowie bei Neumeyer in diesem Heft erfolgt die Effektzerlegung der AMErel unter Kontrolle der Bildungsherkunft und des Alters. Anders als in der Ausgangsstudie, in der die Geschlechterdifferenzen beim Zugang zu freien Promotionen und strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen insignifikant waren, bringt eine Berechnung der RRR (vgl. Tab. 2) signifikante Geschlechterunterschiede zu Ungunsten der Frauen in allen drei formalen Promotionsformen hervor. Folglich erscheint es sinnvoll, die in AMErel gemessenen Geschlechterunterschiede beim Übergang in alle drei Promotionsformen zu zerlegen. Abbildung 2 gibt die Befunde der Dekompositionsanalyse der proportionalen Geschlechterdifferenzen beim Übergang in Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende, in freie Promotionen sowie in strukturierte Promotions- und Stipendienprogramme wieder.
Im Zentrum der Dekompositionsanalyse steht die Frage, inwiefern sich die Erklärungsbeiträge der Mediatoren an den Geschlechterdifferenzen beim Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen unterscheiden. In der Ausgangsstudie wurde dazu angenommen, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in Erfahrungen mit studentischen Hilfskrafttätigkeiten, den Studienfachentscheidungen sowie bestehenden Elternschaften einen größeren Beitrag zur Entstehung von Geschlechterdifferenzen in individuellen Promotionsformen leisten, während Leistungsunterschiede in größerem Maße zu Geschlechterdifferenzen beim Zugang zu strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen beitragen.
Studentische Hilfskrafttätigkeiten führen entgegen der Erwartungen am stärksten bei strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen zu Geschlechterdifferenzen. Bei freien Promotionen lässt sich sogar ein leichter Supressoreffekt feststellen. Wie Neumeyer anhand der bivariaten Anteile ehemaliger studentischer Hilfskräfte in den formalen Promotionsformen feststellt (Neumeyer 2022), ist dieser Befund vermutlich darauf zurückzuführen, dass der Anteil an Personen, die während des Studiums derartige Arbeitserfahrungen im Wissenschaftssystem sammeln konnten, bei Promovierenden in strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen im Vergleich noch etwas höher ist als bei Individualpromotionen. Dieser Befund spricht einerseits dafür, dass berufliche Vorerfahrungen in der Wissenschaft auch bei der Rekrutierung in strukturierte Promotionsformen und Stipendienprogramme eine bedeutsame Signalwirkung haben. Darüber hinaus ist denkbar, dass studentische Hilfskräfte aufgrund ihrer stärkeren akademischen Integration eher über solche Promotionswege Kenntnis erlangen.
Wie in der Ausgangsstudie leisten Leistungsunterschiede in allen der betrachteten Promotionsformen keinen bedeutsamen Beitrag zur Entstehung proportionaler Geschlechterungleichheiten. Dies mag daran liegen, dass Absolventinnen im Vergleich zu Absolventen im Schnitt zwar etwas schlechtere Studiennoten aufweisen, dafür jedoch die besseren Schulabschlussnoten mitbringen.
Eine bestehende Elternschaft trägt sowohl beim Zugang zu Individualpromotionen als auch bei strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen zur Entstehung proportionaler Geschlechterungleichheit bei. Wie in der Ausgangsstudie angenommen, fällt ihr erklärter Anteil an den AMErel beim Übergang in Individualpromotionen höher aus als beim Zugang zu strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen, was für eine stärkere Offenheit für promovierende Eltern spricht.
Wie theoretisch angenommen, tragen geschlechterdifferente Studienfachentscheidungen am stärksten bei der Aufnahme von Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende zur Entstehung von Geschlechterungleichheiten bei. Interessant ist hier, dass von den Studienfachentscheidungen beim Zugang zu strukturierten Promotionen und Stipendienprogrammen, aber auch bei der Aufnahme einer freien Promotion, ein deutlicher Supressoreffekt ausgeht, ohne den die Geschlechterunterschiede an den Übergängen noch wesentlich stärker ausgeprägt wären. Einen Hinweis auf das Zustandekommen dieser Supressoreffekte liefert ein Blick auf die bivariaten Verteilungen der Geschlechter innerhalb der Fächergruppen sowie der Fächergruppen innerhalb der Promotionsformen (vgl. Tab. 3 und 4 im Anhang). Unter den Promovierenden in strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen sind überproportional viele Promovierende der Fächergruppe Naturwissenschaften und Medizin vertreten, die sich wiederum zu beinahe gleichen Anteilen aus Frauen und Männern zusammensetzen. Innerhalb der Geisteswissenschaften, die insbesondere stark unter Promovierenden mit Stipendium vertreten sind, stellen Frauen die große Mehrheit. Bei freien Promotionen lässt sich ebenfalls ein starker Supressoreffekt der Geisteswissenschaften sowie der Medizin annehmen. Hier kommt mutmaßlich noch hinzu, dass die Ingenieurwissenschaften, eine Fächergruppe, die mehrheitlich von Männern besetzt wird, nur einen sehr geringen Anteil der freien Promotionen ausmachen.
Übereinstimmend mit Neumeyers Analysen (Neumeyer 2022) zu proportionalen Herkunftsungleichheiten erweist sich bei relativer Betrachtung der Erklärungsbeiträge der nicht erklärte Anteil des Gesamteffekts beim Zugang zu strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen als am höchsten. Dieser Resteffekt macht, ebenso wie beim Zugang zu freien Promotionen, den größten Teil des Geschlechterunterschieds aus.
4 Abschließende Betrachtung und weiterer Forschungsbedarf
Der vorliegende Beitrag hat Neumeyers methodische Anmerkungen in diesem Heft zu de Vogel (2017) zum Anlass genommen, das analytische Vorgehen und die daraus resultierenden Befunde in der Ausgangsstudie im Kontext des methodischen Diskurses in der Ungleichheitsforschung kritisch zu reflektieren. Neumeyers Reanalysen, die er aus der Perspektive proportionaler Chancenungleichheiten mit relativen Ungleichheitsmaßen exemplarisch anhand der Herkunftsungleichheiten beim Zugang zu individuellen und strukturierten Promotionsformen durchgeführt hat, wurden in diesem Beitrag um Reanalysen der Geschlechterungleichheiten ergänzt. Dass man bei der Berechnung absoluter und proportionaler Chancenungleichheiten beim Zugang zu individuellen und strukturierten Promotionsformen zu (teilweise) divergenten Befunden gelangen kann, bestätigt sich auch bei den Geschlechterungleichheiten. Indem Neumeyer in seiner Replik auf die Probleme aufmerksam gemacht hat, die bei der Berechnung absoluter Ungleichheitsmaße bei stark divergierenden Randverteilungen in den Bildungsalternativen auftreten können, wurde der Forschungsgegenstand sozialer Ungleichheiten bei der Promotionsaufnahme um wichtige methodische und inhaltliche Erkenntnisse erweitert.
Während eine absolute Betrachtung der Herkunftsungleichheiten beim Übergang in die verschiedenen formalen Promotionsformen in der Ausgangsstudie den Eindruck erweckt, strukturierte Promotionen und Stipendienprogramme seien mit Blick auf die Bildungsherkunft von Personen mit Hochschulabschluss weniger selektiv als Individualpromotionen, gelangt man unter Berücksichtigung der entsprechenden Randverteilungen der Promotionsformen (vgl. Neumeyer 2022) zu gegenteiligen Befunden. Im Vergleich zwischen individuellen und strukturierten Promotionen ändert sich auch die relative Bedeutung der Mediatoren.
Mit Blick auf die Geschlechterunterschiede gelangt man bei absoluten und proportionalen Chancenungleichheiten von Absolventinnen und Absolventen gleichermaßen zu dem Schluss, dass die größten Geschlechterdifferenzen beim Übergang in Promotionen im Rahmen von Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende bestehen. Während sich absolute Geschlechterunterschiede beim Übergang in strukturierte Promotionen und Stipendienprogramme nicht mehr feststellen ließen und somit suggerierten, dass sie eine größere Offenheit für Personen unterschiedlicher Geschlechter aufweisen als Individualpromotionen, muss diese Schlussfolgerung nach der Reanalyse proportionaler Geschlechterungleichheiten revidiert werden. Obgleich die relativen Geschlechterdifferenzen beim Zugang zu strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen geringer ausfallen als bei Anstellungen als wissenschaftlich Mitarbeitende, sind es im Vergleich die freien Promotionen, die relativ betrachtet die geringsten Geschlechterdifferenzen in den Übergängen aufweisen. Gleichwohl zeigt sich, dass geschlechtsspezifische Studienfachentscheidungen am Übergang in strukturierte Promotions- und Stipendienprogramme sowie in freie Promotionen einen beachtlichen Suppressoreffekt haben, ohne den die proportionalen Geschlechterunterschiede in der Promotionsaufnahme in diesen Formen deutlich höher ausfallen würden. Eine bestehende Elternschaft trägt bei der Aufnahme einer Individualpromotion erwartungsgemäß mehr zur Entstehung proportionaler Geschlechterunterschiede bei als beim Zugang zu strukturierten Promotions- und Stipendienprogrammen. Studentische Hilfskrafttätigkeiten haben dort wiederum den im Vergleich größten Mediatoreffekt. Leistungsunterschiede sind, weil es keine signifikanten Geschlechterunterschiede in den Studienleistungen gibt und Absolventinnen im Schnitt bessere Schulleistungen erbracht haben, für die Entstehung von Geschlechterungleichheiten bei der Promotionsaufnahme schließlich bei keiner Promotionsform ursächlich.
Was kann die Forschungspraxis aus dem vorliegenden Beitrag lernen? Welches Ungleichheitsmaß ist für die Messung sozialer Ungleichheit nun das richtige und welches das falsche? Die Antwort lautet: es kommt darauf an. Grundsätzlich sind sowohl absolute als auch relative Ungleichheitsmaße empfehlenswert, beide haben ihre Vorteile und Schwächen. Welche Maße am sinnvollsten erscheinen, hängt von der jeweiligen Fragestellung ab. Die von Neumeyer in diesem Heft angestoßene methodische Diskussion und die ergänzenden Befunde dazu in diesem Beitrag demonstrieren am Beispiel der Promotionsaufnahme, wie bedeutsam die reflektierte Anwendung und Interpretation verschiedener Ungleichheitsmaße in der Ungleichheitsforschung ist. Wenn unterschiedliche Analyseperspektiven und -herangehensweisen divergierende Ergebnisse hervorbringen können (Buchholz und Pratter 2017; Schindler 2015), müssen sich Forschende bei der Anlage ihrer Untersuchung verstärkt darüber Gedanken machen, welche Ungleichheitsmaße bisherigen Erkenntnissen zufolge (Lörz und Schindler 2011; Handl 1985; Marks 2004) am besten dazu geeignet sind, für die entsprechenden Fragestellungen und Datenlagen verlässliche Befunde zu generieren. Dies ist insbesondere dann bedeutsam, wenn die aus der Forschung resultierenden Ergebnisse, wie es bei Forschungsfragen zum Thema Chancengleichheit im Bildungssystem oftmals der Fall ist, Anknüpfungspunkte für politische Handlungsempfehlungen liefern sollen. Dieser Beitrag soll ebenfalls dazu beitragen, ein größeres Bewusstsein hierfür zu schaffen.
Anknüpfend daran stellt sich auch die Frage, wie Forschende mit konfligierenden Befunden umgehen sollten. Wie Buchholz und Pratter (2017, S. 433) würde ich es begrüßen, wenn zukünftig weitere Studien soziale Ungleichheit beim Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen in den Blick nehmen und versuchen, die bestehenden Erkenntnisse mit anderen Methoden zu replizieren. Die Frage zu klären, inwiefern bei der Aufnahme einer Promotion in den verschiedenen formalen Promotionsformen Chancenungleichheiten bestehen, ist wichtig, da die Promotionsform, wie neuere Studien seit Erscheinen der Ausgangsstudie im Jahr 2017 gezeigt haben, wiederum Unterschiede in den Promotionsbedingungen (Ambrasat und Tesch 2017; de Vogel 2020), der Wahrscheinlichkeit eines Auslandsaufenthalts während der Promotionsphase (Netz und Hampel 2019), dem Promotionserfolg (Lachmann et al. 2018; Euler et al. 2018) und dem weiteren Karriereverlauf (Jaksztat et al. 2017; de Vogel 2020; Kaiser 2020) generiert. Die Selektivität unterschiedlicher formaler Promotionsformen könnte folglich zur Zunahme, zur Verfestigung oder zum Abbau sozialer Ungleichheiten an nachgelagerten Bildungs- und Karrierestufen, wie z. B. der Professur, beitragen.
Da ein großer Teil der ermittelten Geschlechter- und Herkunftsunterschiede bei der Aufnahme individueller und strukturierter Promotionsformen nicht durch Unterschiede in der Fächerwahl, den Schul- und Studienleistungen, den studentischen Hilfskrafttätigkeiten sowie bestehenden Elternschaften erklärt werden kann, bleibt offen, welche Mechanismen darüber hinaus zur Entstehung der ungleichen Zugangschancen beitragen. Neumeyer hat in seinem Beitrag bereits mögliche Erklärungen aufgeworfen (Neumeyer 2022), die es in weiterführenden Studien zu überprüfen gilt.
Ein möglicher Ansatz, die Erkenntnislage zur sozialen Selektivität beim Übergang in individuelle und strukturierte Promotionen weiter abzusichern, wäre eine Replik der Analysen mit aktuelleren Daten, die höhere Fallzahlen umfassen. Neumeyer zufolge könnten die Geschlechter- und Herkunftsungleichheiten beim Zugang zu strukturierten Promotionsformen auch „ein passageres Phänomen“ (Neumeyer 2022) sein und zumindest teilweise auch darauf zurückzuführen sein, dass es sich um einen noch relativ neuen und quantitativ exklusiven Weg zur Promotion handelt. Da strukturierte Promotionsformen seit der Erstbefragung der DZHW-Absolventenpanel-Kohorte 2005 vor allem durch die Exzellenzinitiative weiter ausgebaut wurden, würde ein Rückgang der Geschlechter- und Herkunftsungleichheiten unter Verwendung aktuellerer Daten Neumeyers Vermutung stützen. Da Querschnittsanalysen jedoch immer eine Momentaufnahme darstellen, könnten längsschnittanalytische Forschungsdesigns für die Untersuchung einer sich verändernden Promotionsstruktur möglicherweise klarere Antworten bringen. Eine Zeitreihenanalyse zum Ausmaß ungleicher Übergangschancen im Zeitverlauf wäre z. B. gut geeignet, um zu prüfen, ob die Geschlechter- und Herkunftsdifferenzen beim Zugang zu strukturierten Promotionen mit zunehmender Verbreitung abnehmen. Eine derartige Reanalyse scheitert bislang aber an einem Mangel geeigneter Daten. Zum einen haben spätere Kohorten des DZHW-Absolventenpanels aufgrund der Umstellung von traditionellen Abschlüssen auf Bachelor- und Masterabschlüsse zu großen Teilen Personen mit Bachelor-Abschluss im Sample.Footnote 1 Zum anderen erfolgte die Erhebung der Promotionsformen in unterschiedlichen Erhebungswellen oder Vertiefungsbefragungen. Ein Zuschnitt des Analysesamples auf Personen, die zum Zeitpunkt der Erstbefragung einen zur Promotion qualifizierenden Universitätsabschluss erreicht haben, resultiert sodann in für multivariate Analysen zu geringe Fallzahlen. Bis die Datenlage solche Analysen erlauben, könnten experimentelle Analysedesigns, z. B. auf Ebene der Hochschulen, vielversprechende Befunde liefern.
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de Vogel, S. Soziale Selektivität individueller und strukturierter Promotionsformen revisited. Köln Z Soziol 74, 113–132 (2022). https://doi.org/10.1007/s11577-022-00816-9
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