1 Einleitung

Der deutsche Arbeitsmarkt ist durch eine ausgeprägte geschlechterspezifische Segregation in verschiedene Berufe (Hausmann und Kleinert 2014) sowie eine deutlich häufigere Besetzung von Führungspositionen durch Männer (Holst und Friedrich 2017) gekennzeichnet. Dies verfestigt nicht nur Rollenbilder und Geschlechterstereotype, sondern produziert und reproduziert darüber hinaus soziale Ungleichheit, da typische „Frauenberufe“ im Mittel geringer entlohnt werden (Busch 2013a) und mit weniger guten Karrierechancen einhergehen (Busch und Holst 2009; Kleinert et al. 2007). Für das Zustandekommen der geschlechtsspezifischen Berufsmuster gibt es verschiedene Erklärungsansätze auf Angebots- sowie auf Nachfrageseite des Arbeitsmarktes. Einerseits verhindern geschlechtsbezogene Stereotypisierung oder Diskriminierung den Zugang. Andererseits beeinflussen verschiedene – je nach theoretischer Sichtweise entweder ökonomische (Humankapitaltheorie) oder soziologische (Sozialisationstheorie) – Mechanismen das Wahlverhalten und führen so zu einer Selbstselektion (Anker 1997; Reskin 1993). Stellenausschreibungen bilden eine Schnittstelle zwischen den verschiedenen Erklärungsansätzen, wenn wir annehmen, dass durch deren Gestaltung das Interesse an einem Job für weibliche Arbeitssuchende entsprechend beeinflusst wird.

Im Zentrum dieser Studie steht die Frage, wie sowohl die sprachliche Gestaltung einer Stellenausschreibung als auch die im Rahmen einer Stellenausschreibung genannten Merkmale einer Arbeitsstelle die Attraktivitätseinschätzung dieser Stelle für Frauen beeinflussen. Wenn Frauen einzelne Merkmale einer Stellenausschreibung als mehr oder weniger attraktiv einschätzen, kann dies zur beruflichen Geschlechtersegregation beitragen. Unser Fokus liegt auf drei Aspekten, die über Stellenausschreibungen vermittelt werden. Erstens stellen wir die Frage, inwieweit eine gendersensible, also eine alle Geschlechter einschließende, Sprache in Stellenausschreibungen einen Effekt auf die Attraktivitätseinschätzung einer Stellenausschreibung hat. Zweitens schauen wir auf die im Anforderungsprofil genannten Eigenschaften von Bewerberinnen und Bewerbern und analysieren, inwieweit stereotyp männliche und weibliche Formulierungen die Attraktivitätseinschätzung beeinflussen. Drittens wird der Einfluss von Kontextmerkmalen der beschriebenen Arbeitsstelle (flexible Arbeitszeiten, Führungsverantwortung und weibliche Rollenvorbilder) untersucht.

Die prinzipielle Relevanz von Stellenausschreibungen zeigen Chapman et al. (2005) in einer Metaanalyse mit dem Ergebnis, dass die wahrgenommene Passung der Bewerbenden mit der Organisation oder der zu besetzenden Position den größten Einfluss auf die Attraktivitätseinschätzung darstellt, aber auch das Image der Organisation oder das Arbeitsumfeld entscheidende Faktoren sind. Auch wenn Wortwahl und Formulierung in einer Stellenausschreibung variiert werden, zeigen sich Geschlechterunterschiede dergestalt, dass vor allem Frauen auf diese reagieren. So fühlen sich Frauen sowohl von solchen Stellenausschreibungen eher angesprochen, die stereotyp weibliche Eigenschaften (Born und Taris 2010; Taris und Bok 1998) oder Wörter enthalten, welche üblicherweise mit Frauen assoziiert werden (Gaucher et al. 2011), als auch von Angeboten, bei welchen sie direkt mit der weiblichen Form angesprochen werden (Bem und Bem 1973; Horvath und Sczesny 2016; Stout und Dasgupta 2011).

In dieser Studie wird mithilfe eines faktoriellen Surveys eine Stellensuche simuliert, in welcher den befragten Frauen hypothetische Stellenausschreibungen vorgelegt werden, welche sich sowohl hinsichtlich ihrer sprachlichen Gestaltung als auch bezüglich anderer Merkmale der beschriebenen Arbeitsstelle unterscheiden. Die befragten Frauen schätzen dann die Attraktivität der Stellenausschreibung ein. Faktorielle Surveys bieten den Vorteil, dass für jedes Merkmal der Stellenausschreibung der kausale Effekt auf die Attraktivitätseinschätzung bestimmt werden kann. Indem in dieser Studie sowohl Kontextfaktoren der Arbeitsstelle als auch die sprachliche Gestaltung einzelner Merkmale variiert werden, können wir deren Einfluss auf die Attraktivitätseinschätzung von Stellenausschreibungen bestimmen.

Im Folgenden legen wir dar, wie Stellenausschreibungen die Wahrnehmung eines Jobs beeinflussen und inwiefern sich bestimmte Aspekte einer Stellenausschreibung darauf auswirken können, wie passend sich Frauen für den entsprechenden Job einschätzen. Wir identifizieren Faktoren, die eine Position eher „männertypisch“ – und damit vermeintlich weniger passend für Frauen – erscheinen lassen und leiten jeweils Hypothesen ab, die diese Faktoren mit der Attraktivitätseinschätzung einer Stellenausschreibung in Zusammenhang bringen. Anschließend stellen wir unser Experimentaldesign vor und geben ein Beispiel einer Stellenausschreibung, wie sie den befragten Frauen zur Bewertung vorgelegt wurden. Des Weiteren geben wir einen Überblick zur Datenerhebung, unseren Maßnahmen zur Qualitätssicherung und der sozialstatistischen Zusammensetzung des Datensatzes. Abschließend präsentieren wir die Ergebnisse unseres Mehrebenenmodells und betten diese in den Kontext beruflicher Geschlechtersegregation und sozialer Ungleichheit ein.

2 Theorie und Hypothesen

Stellenausschreibungen haben das Ziel, passende und qualifizierte Arbeitssuchende zu rekrutieren. Unternehmen nutzen Stellenausschreibungen, um ihre Organisation darzustellen sowie die Aufgaben des Jobs und das gewünschte Profil der Bewerberinnen und Bewerber zu beschreiben. Stellenausschreibungen beeinflussen, wie Arbeitssuchende einen Job wahrnehmen und ob sie sich selbst als geeignet wahrnehmen (Chapman et al. 2005; Rafaeli und Oliver 1998). Grundsätzlich nehmen wir an, dass die Art und Weise, wie Stellenausschreibungen und ihre spezifischen Merkmale formuliert werden, einen Einfluss darauf hat, ob Frauen diese Stelle als für sich passend und damit als attraktiv einschätzen.

Gemäß des Lack-of-Fit-Modells (Heilman 1983) schätzen Personen ihre Passung für ein Berufsfeld oder eine spezifische Arbeitsstelle anhand der wahrgenommenen Anforderungen dieser Position und der wahrgenommen persönlichen Eigenschaften ein. Hierbei spielen Geschlechterstereotype eine entscheidende Rolle. Nehmen Frauen eine geringe Passung mit männertypischen Positionen wahr, kann dies sowohl eine geringere Identifikation mit der Position als auch die Erwägung eines Positionswechsels zur Folge haben (Peters et al. 2012). Wie „männertypisch“ eine Position erscheint, wird unter anderem von der Formulierung der Stellenausschreibung (Bem und Bem 1973; Gaucher et al. 2011; Horvath und Sczesny 2016; Stout und Dasgupta 2011), den Eigenschaften im Anforderungsprofil (Born und Taris 2010; Taris und Bok 1998) sowie der Diskrepanz zu typischen weiblichen Rollenerwartungen (Eagly und Wood 1991) beeinflusst.

Im Folgenden fokussieren wir uns auf Frauen und deren Wahrnehmung von gendersensibler Sprache, stereotypen Formulierungen und Kontextmerkmalen der Arbeitsstelle, um anschließend Hypothesen hinsichtlich der Attraktivitätseinschätzung einer Stellenausschreibung ableiten zu können. Eine hohe Attraktivitätseinschätzung wird in diesem Zusammenhang als Indikator für eine hohe Passung interpretiert.

2.1 Gendersensible Sprache in Stellenausschreibungen

Aktuelle Studien zeigen, dass das grammatische System einer Sprache die Wahrnehmung der Welt beeinflusst (Boroditsky et al. 2003). Somit scheint Sprache neben ihrer Funktion als Kommunikationsmedium als strukturbildendes Element an der Entwicklung grundlegender psychologischer Prozesse von Wahrnehmung und Kognition beteiligt zu sein. Dieser Annahme folgt auch feministische Sprachkritik, welche die sprachliche Benachteiligung von Frauen anprangert. Ihr zufolge findet sich eine asymmetrische sprachliche Behandlung von Frauen und Männern sowohl im Sprachgebrauch als auch im Sprachsystem wieder (Samel 2000). Kritisiert werden die sprachlichen Mittel, mit denen Sprachhandlungen ausgeführt werden – wie das Unterlassen der Beidbenennung – sowie Sprachnormen in dem Sinne, dass beispielsweise weibliche Formen häufig eine Ableitung der männlichen sind und sich maskuline Pronomen auf alle Personen beziehen können. Folglich werden über Sprache Geschlechterstereotype geformt, in Wahrnehmung und Denken integriert und Geschlechterhierarchien aufrechterhalten. Beispielsweise ergab ein Ländervergleich, dass unter Kontrolle anderer Einflussfaktoren, wie geografischer Lage oder Kultur, das sprachliche System mit dem Maß an Geschlechterungleichheit in einem Land korreliert (Prewitt-Freilino et al. 2012).

Eine Asymmetrie zwischen den Geschlechtern wird insbesondere durch den androzentrischen Sprachgebrauch geschaffen, nach welchem maskuline Personenbezeichnungen neutral seien und stellvertretend auch zur Bezeichnung von Frauen – und allen anderen nichtmännlichen Personen – verwendet werden können (Samel 2000). Das generisch verwendete Maskulinum inszeniert den Mann als Norm und alle anderen als Abweichung, sodass es dem Mann immer erlaubt ist, sich exklusiv angesprochen zu fühlen und den Rest vor die Frage stellt, ob sie (mit-)gemeint sind oder nicht (Frank 1992).

Verschiedene Forschungsergebnisse spiegeln diese Annahme wider und zeigen, dass mit vermeintlich neutralen Formen, wie etwa dem generischen Maskulinum, Männer spontan und unmittelbar als typische Referenzen assoziiert werden (für einen Überblick siehe Stahlberg et al. 2007). So ist der gedankliche Einbezug von Frauen bei Personenreferenzen im generischen Maskulinum geringer und die Verwendung gendersensibler Formen führt zu einer häufigeren Nennung weiblicher Personen (Heise 2000; Stahlberg und Sczesny 2001). Diese Ergebnisse finden sich auch im Arbeitsmarktkontext wieder. Beispielsweise halten die Teilnehmenden einer experimentellen Studie Frauen trotz gleicher Qualifikation lediglich dann für ebenso geeignet für eine hohe Führungsposition wie Männer, wenn diese Position mit männlichem und weiblichem Titel beschrieben wird (Horvath und Sczesny 2016). In Stellenausschreibungen beeinflusst die Ansprache von Frauen mit maskulinem Personalpronomen (Stout und Dasgupta 2011) oder männlicher Positionsbezeichnung (Bem und Bem 1973) deren Bewerbungsinteresse negativ. Der androzentrische Sprachgebrauch wirkt sich somit auch auf die Berufs- und Karrierepläne von Frauen aus.

Der androzentrische Sprachgebrach macht nicht deutlich, dass Frauen ebenso wie Männer angesprochen sind und ignoriert Frauen darüber hinaus als Gesprächsteilnehmerinnen oder potenzielle Amtsinhaberinnen (Samel 2000). Daher vermuten wir, dass Frauen sich durch verschiedene Formen der Positionsbezeichnung in Stellenausschreibungen unterschiedlich stark angesprochen fühlen und sich folglich als unterschiedlich geeignet für eine Position wahrnehmen. Auf diesen Überlegungen aufbauend leiten wir die folgende Hypothese ab:

H 1

Frauen schätzen Stellenausschreibungen mit gendersensibler Positionsbezeichnung im Vergleich zu solchen mit maskuliner Positionsbezeichnung als attraktiver ein.

2.2 Stereotype Formulierungen in Stellenausschreibungen

Agency und Communion sind zwei auf Bakan (1966) zurückgehende fundamentale Dimensionen sozialer Informationsverarbeitung und Verhaltensorientierung (für einen Überblick siehe Abele und Wojciszke 2014). Während sich Communion auf die Einbindung des Individuums in die Gemeinschaft bezieht und sich in Kooperation, Freundschaftlichkeit und dem Streben nach sozialer Integration ausdrückt, betont Agency die Autonomie eines Individuums und manifestiert sich in Selbstbehauptung, Durchsetzungsfähigkeit und dem Streben nach Selbstverwirklichung.

Für die vorliegende Studie von Bedeutung ist die geschlechterspezifische Assoziation von agentischen Verhaltensorientierungen mit Männern und kommunalen Verhaltensorientierungen mit Frauen (Bakan 1966), als deren Ursprung Eagly und Wood (1991) insbesondere die geschlechterspezifische Arbeitsteilung und die darauf beruhenden Geschlechterrollenerwartungen ausmachen. Geschlechterspezifische Assoziation meint, dass bestimmte Verhaltensweisen eher Frauen oder eher Männern zugeschrieben werden und dadurch gedanklich mit einem Geschlecht verknüpft sind. Gemäß der Rollentheorie verhalten sich Menschen tendenziell konsistent mit ihren jeweiligen Geschlechterrollen (Eagly und Wood 1991), weshalb Frauen besonders für solche Positionen eine hohe Passung annehmen, für die stereotyp weibliche Eigenschaften gefordert werden (Heilman 1983). Stereotype können dabei in Stellenausschreibungen über das Anforderungsprofil auf direkte oder indirekte Weise vermittelt werden. Direkt, indem agentische oder kommunale Eigenschaften gefordert werden (Born und Taris 2010; Taris und Bok 1998), und indirekt durch die Forderung einer vermeintlich neutralen Eigenschaft – einer Eigenschaft also, die weder Frauen noch Männern typischerweise zugeschrieben wird, welche aber durch ihre Formulierung geschlechtsspezifische Assoziationen hervorruft (Gaucher et al. 2011). Für beide Formen findet sich empirische Unterstützung, weshalb folgende Hypothesen abgeleitet werden:

H 2

Frauen schätzen Stellenausschreibungen mit einer stereotyp weiblichen Eigenschaft im Anforderungsprofil im Vergleich zu solchen mit stereotyp männlicher Eigenschaft als attraktiver ein.

H 3

Frauen schätzen Stellenausschreibungen mit einer typischerweise mit Frauen assoziierten Formulierung im Anforderungsprofil im Vergleich zu solchen mit typischerweise mit Männern assoziierten Formulierung als attraktiver ein.

2.3 Kontextmerkmale der Stellenausschreibung

Nach dem Konzept der Gendered Organization bestimmt das Geschlecht einer Person systematisch die Verteilung von Einkommen, Aufgaben und Positionen (Acker 1990). Die im Zuge der Industrialisierung etablierte gesellschaftliche Trennung der Lebensbereiche Produktion und Reproduktion ist fest in Organisationsstrukturen eingebettet. Das ideale Mitglied der Arbeitswelt steht dem Unternehmen uneingeschränkt zur Verfügung und hat keine anderen Verpflichtungen außerhalb der Erwerbsarbeit (Williams 2000). Dieser Norm können vor allem Männer entsprechen, denen die Haus- und Familienarbeit von einer anderen Person – meist einer Frau – abgenommen wird. In dieser Aufteilung von Frauen und Männern auf unterschiedliche Lebensbereiche liegt gemäß der Rollentheorie der Ursprung von Geschlechterrollenerwartungen, welche wiederum das Sozialverhalten von Frauen und Männern auf verschiedene Weisen beeinflussen (Eagly und Wood 1991). Solche traditionellen Erwerbs- und Arbeitszeitmuster sind noch immer weit verbreitet (Wanger 2015), weshalb weibliche Lebensverläufe weiterhin stark von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geprägt zu sein scheinen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestimmt neben der geleisteten Arbeitszeit auch das Karrierevorhaben von Frauen. Personen, die ihr Leben an der Erwerbsarbeit ausrichten, sind besser für verantwortungsvolle Positionen geeignet als Personen, die ihr Engagement aufteilen müssen (Acker 1990). So gehört eine hohe zeitliche Verfügbarkeit zu den Charakteristika einer Führungstätigkeit und nimmt erheblichen Einfluss auf Aufstiegsmöglichkeiten (Holst und Friedrich 2017). Bezüglich der Zeitaufteilung zeigt sich, dass Frauen seltener als Männer Stellen besetzen, die mit langen Arbeitszeiten einhergehen und so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschweren (Busch 2013a, 2013b; Cha 2013). Frauen scheinen hohen Wert auf eine flexible Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu legen (oder legen zu müssen), um der zusätzlich zu leistenden Reproduktionsarbeit gerecht werden zu können.

Aus diesen Argumenten schließen wir, erstens, dass Frauen Stellen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen präferieren und, zweitens, zeitintensive Führungspositionen meiden. Wir leiten die folgenden Hypothesen ab:

H 4

Frauen schätzen Stellenausschreibungen mit flexiblem Arbeitszeitmodell im Vergleich zu solchen mit festem Arbeitszeitmodell als attraktiver ein.

H 5

Frauen schätzen Stellenausschreibungen ohne vorgesehene Führungsverantwortung im Vergleich zu solchen mit vorgesehener Führungsverantwortung als attraktiver ein.

Neben dem Umfang und der Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeit entscheiden auch andere Faktoren darüber, ob Frauen bestimmte Positionen als für sich geeignet wahrnehmen oder nicht. Um den Frauenanteil in der Organisation und in Führungspositionen zu erhöhen, können Unternehmen gezielt Maßnahmen zur Frauenförderung einsetzen. Als hierfür geeignet zeigt sich beispielsweise der Einsatz weiblicher Rollenvorbilder in interner und externer Kommunikation (Lutz 2018). Das Selbstkonzept einer Person kann durch den Kontakt mit erfolgreichen Individuen aus der gleichen sozialen Gruppe positiv beeinflusst werden. Darüber hinaus wird das Zugehörigkeitsgefühl zu dem Bereich, in welchem das Rollenvorbild erfolgreich ist, gestärkt und die Motivation steigt, sich ebenfalls in diesem zu engagieren (Dasgupta 2011). Durch die Konfrontation mit weiblichen Führungskräften können also Geschlechterrollenerwartungen aufgebrochen werden, sodass sich Frauen dem Unternehmensumfeld zugehöriger fühlen. Studien zeigen etwa, dass weibliche Rollenvorbilder die Selbsteinschätzung bei Frauen (Asgari et al. 2012) oder deren Streben nach einer Stellung mit Führungsverantwortung (Hoyt und Simon 2011) positiv beeinflussen. Bereits bei der Abbildung einer Frau auf einer Stellenausschreibung zeigt sich ein positiver Effekt auf die selbsteingeschätzte Eignung (Bosak und Sczesny 2008). Durch weibliche Rollenvorbilder scheinen sich Frauen einem Unternehmen oder einer Position in diesem zugehöriger zu fühlen, weshalb folgende Hypothese abgeleitet wird:

H 6

Frauen schätzen Stellenausschreibungen mit weiblichem Rollenvorbild im Vergleich zu solchen ohne weibliches Rollenvorbild als attraktiver ein.

3 Daten und Methodik

Um unsere Hypothesen zu testen, verwenden wir einen faktoriellen Survey. Mit dieser experimentellen Methode können wir die kausalen Effekte der sprachlichen Merkmale sowie der Kontextmerkmale auf die Attraktivitätseinschätzung einer Stellenausschreibung identifizieren. Im Rahmen eines faktoriellen Surveys werden den Befragten konkrete Situationsbeschreibungen (Vignetten) vorgelegt, die nach einem bestimmten Kriterium bewertet werden sollen. Dabei werden verschiedene Merkmale (Dimensionen) unabhängig voneinander variiert, sodass die Wirkung der einzelnen Vignettendimension auf die Bewertung der Befragten bestimmt werden kann (Auspurg und Hinz 2015). Konkret simulieren wir eine Stellensuche, bei der die Variationen in den Stellenausschreibungen den Unterschieden in realen Jobangeboten entsprechen. Um die Bewertungssituation möglichst realitätsnah zu gestalten, sind die Vignetten so konzipiert, dass alle nach Moser und Sende (2014) wichtigen Elemente einer üblichen Stellenausschreibung entweder unmittelbar in den Vignetten selbst oder in dem vorangestellten allgemeinen Einführungstext enthalten sind. Ergänzt werden die Vignetten durch einen Fragebogen, welcher neben Angaben zu soziodemografischen Daten auch Fragen bezüglich der Wichtigkeit der in den Vignetten abgebildeten Dimensionen enthält.

3.1 Aufbau der Vignetten

Insgesamt werden in jeder Vignette sechs Dimensionen variiert: die Positionsbezeichnung, das Anforderungsprofil mit sowohl einer stereotyp männlichen oder weiblichen Eigenschaft als auch einer neutralen Eigenschaft, deren Formulierung typischerweise mit Frauen oder Männern assoziiert wird, außerdem das Arbeitszeitmodell, die Karrieremöglichkeiten und das Vorhandensein von weiblichen Rollenvorbildern. Im Folgenden werden die einzelnen Dimensionen mit ihren jeweiligen Ausprägungen genauer vorgestellt, eine Übersicht gibt Tab. 1.

Tab. 1 Dimensionen und Ausprägungen der Vignetten

Die Dimension Positionsbezeichnung beinhaltet insgesamt fünf Varianten der Ansprache: „Mitarbeiter“, „Mitarbeiter (m/w)“, „Mitarbeitende“, „Mitarbeiter*innen“ sowie „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Im Vergleich zu der rein männlichen Form „Mitarbeiter“ wird bei „Mitarbeiter (m/w)“ zwar das generische Einlesen durch die Ergänzung in Klammern unterstützt, durch die an sich unberührte maskuline Ansprache als „Mitarbeiter“ verbleibt jedoch der Fokus auf Männern.Footnote 1 Die Partizipialform „Mitarbeitende“ ist grammatikalisch neutral und spricht somit weder ein Geschlecht direkt an noch schließt es andere aus. Neben anderen Möglichkeiten des Genderns wurde das Gendersternchen in der Form „Mitarbeiter*innen“ gewählt, da es aktuell immer gängiger wird – beispielsweise einigten sich die Mitglieder der Partei Bündnis 90/Die Grünen offiziell auf diese Form (Kohlmaier 2015) – und seine Wirkungsweise daher von besonderem praktischen Interesse ist.

Für das Anforderungsprofil wird sich bei der Auswahl der beiden stereotypen und der neutralen Eigenschaft an häufig verwendeten Formulierungen in Stellenausschreibungen orientiert. In Anlehnung an die Unterscheidung von Communion und Agency von Bakan (1966) wird „teamorientierte Zusammenarbeit und Kooperationsvermögen“ als stereotyp weibliche und „eigenständige Arbeitsweise und Durchsetzungsvermögen“ als stereotyp männliche Eigenschaft gesetzt. Die Wahl der geschlechtlich assoziierten Formulierungen basiert auf einer entsprechenden Studie von Gaucher et al. (2011), die eine umfassende Liste von Worten mit deutlicher geschlechtlicher Assoziation identifizieren konnten und diese in einer Folgestudie bei der Beschreibung eines geschlechtergemischten Berufs verwendeten. Zur Variation in den Vignetten wurden die Formulierungen „motivieren“ als weiblich und „herausfordern“ als männlich assoziiert gewählt.

Im Rahmen der Kontextmerkmale wird in der Dimension Arbeitszeitmodell zwischen „Gleitzeit“ und „festen Arbeitszeiten“ unterschieden und bezüglich der Dimension Karrieremöglichkeiten die Übernahme einer zukünftigen Führungsverantwortung zwischen „optional“ und „vorgesehen“ variiert. Das innerbetriebliche Vorhandensein eines weiblichen Rollenvorbildes wird über den Verabschiedungsgruß in der Vignette operationalisiert, indem entweder die Teamleiterin „Stefanie Müller“ oder der Teamleiter „Christian Schmidt“ als Subjekt auftreten. Stefanie und Christian entsprechen gemäß einer Liste der Gesellschaft für deutsche Sprache (o.J.) den beliebtesten Vornamen bei heute Mitte 30-Jährigen; Müller und Schmidt sind laut des Digitalen Familienwörterbuchs Deutschlands (Brandmüller und Peschke 2019; Kunz 2019) die beiden häufigsten Nachnamen in Deutschland.

Insgesamt ergibt sich ein Universum von 160 Vignetten, welches der Anzahl aller möglichen Kombinationen an Vignettendimensionen entspricht (5 · 2 · 2 · 2 · 2 · 2). Keine der Kombinationen muss aus Plausibilitätsgründen ausgeschlossen werden, weswegen alle 160 Vignetten bei einer Vollerhebung berücksichtigt werden. Diese werden zufällig auf 20 verschiedene Decks aufgeteilt, sodass jedes Deck jeweils acht Vignetten enthält. Nach Auspurg und Hinz (2015) können bei einer maximalen Anzahl von zehn Vignetten pro Person Ermüdungs- und Lerneffekte vermieden werden, weshalb diese Aufteilung entsprechend geeignet scheint. Allen Befragten wurde ein zufälliges Deck bestehend aus acht Stellenausschreibungen vorgelegt, welche anhand der Beschreibung hinsichtlich ihrer Attraktivität eingeschätzt werden sollten. Für diese Angabe stand eine elfstufige Skala zur Verfügung. Damit die Befragten keine Rangfolge erstellen, wurden die einzelnen Vignetten nacheinander gezeigt. In nachfolgender Tab. 2 ist beispielhaft die Vignette zu sehen, von welcher die höchste Attraktivitätseinschätzung seitens der befragten Frauen erwartet wird.

Tab. 2 Beispiel einer Stellenausschreibung

Über die variierenden Dimensionen in den Vignetten hinaus werden weitere relevante Charakteristika einer Stellenausschreibung im Einführungstext konstant gehalten. Die Befragten sollen davon ausgehen, dass sie über die erforderlichen fachlichen Kompetenzen für die angebotenen Stellen verfügen, die Beschäftigungen jeweils unbefristet sind, angemessene Konditionen bieten sowie einen Wohnortwechsel nicht erfordern.

3.2 Operationalisierung weiterer Variablen

Neben den variierenden Vignettendimensionen als Prädiktoren werden noch weitere Befragtenmerkmale in den Analysen berücksichtigt. Insbesondere erheben wir Einschätzungen und Einstellungen der Befragten hinsichtlich verschiedener Merkmale beruflicher Arbeit. Wir fragen die Wichtigkeit verschiedener Dimensionen beruflicher Arbeit direkt ab (für einen Überblick bezüglich der Fragen siehe Abb. 1 im Anhang), indem die Befragten auf einer Skala von 1 „überhaupt nicht wichtig“ bis 5 „sehr wichtig“ angeben sollen, wie wichtig ihnen die jeweiligen Dimensionen sind. Dabei fragen wir sowohl nach der Wichtigkeit einer gendersensiblen Ansprache durch Führungspersonen als auch durch Kolleginnen und Kollegen. Des Weiteren sollen die Befragten angeben, wie wichtig ihnen flexible Arbeitszeiten, gute Aufstiegschancen und verschiedene Gleichbehandlungsgrundsätze (ausgewogene Behandlung aller in Vergütung und Anerkennung, Vermeidung von Bevorzugung in Einstellung und Beförderung, Verhinderung von Diskriminierung) sind.

Schließlich erheben wir noch weitere Merkmale der Befragten. Neben den soziodemografischen Angaben zu Geschlecht, Alter, Geburtsort, Familienstand und Anzahl der eigenen Kinder werden auch Informationen zur aktuellen Erwerbstätigkeit sowie dem höchsten beruflichen Bildungsabschluss berücksichtigt. Die Zufriedenheit mit der aktuellen Stelle wird mittels einer fünfstufigen Skala erhoben, die täglich geleistete Arbeitszeit unterscheidet die Ausprägungen „ganztags“ für eine Arbeitszeit von über 30 Wochenstunden und „halbtags“ für 10 bis unter 30 Wochenstunden. Für den höchsten beruflichen Bildungsabschluss wird die Untergliederung in berufliche oder nichtberufliche Sekundarausbildung, Bachelor- und Masterabschluss gewählt.

3.3 Datenerhebung und sozialstatistische Zusammensetzung des Datensatzes

Die Daten wurden Ende Februar bis Anfang März 2019 mithilfe des Norstat Panels online erhoben (www.norstat.de). Auch wenn mit einem kommerziellen Panel keine repräsentative Bevölkerungsstichprobe gezogen werden kann, ist die interne Validität der Ergebnisse durch das experimentelle Design im Sinne der randomisierten Zuweisung der Vignettendecks zu den Befragten gegeben (Czymara und Schmidt-Catran 2016). Zwischen den Vignettendimensionen sind keine bivariaten Korrelationen festzustellen, weshalb die Experimentalfaktoren als unabhängig voneinander angesehen werden können und das Experimentaldesign diesbezüglich eine hohe interne Validität aufweist (siehe Tab. 4 im Anhang).

Damit an der Untersuchung nur Personen teilnehmen, welche für die Thematik des Experiments relevant sind, wurden die Befragten nach bestimmten Kriterien per E‑Mail eingeladen. So sind alle Befragten hauptberuflich erwerbstätig. Darüber hinaus wurden nur Personen ohne Personalverantwortung berücksichtigt, damit die Passung mit der ausgeschriebenen Position als Teammitglied gegeben ist. Das Alter wird mit 25–40 Jahre auf eine Lebensphase festgesetzt, in der ein Jobwechsel als wahrscheinlich angesehen werden kann.

Da es von besonderer Bedeutung ist, dass die Befragten die Anweisungen des experimentellen Designs sorgfältig lesen und jede Stellenausschreibung gewissenhaft beurteilen, ergreifen wir anlehnend an Stumpf et al. (2020) zwei Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Erstens nehmen wir ein zusätzliches Profil in die Vignettenserie auf und bitten die Befragten, in der Beschreibung einen bestimmten Skalenwert anzukreuzen. Wenn die Befragte den gewünschten Skalenwert nicht ankreuzt, wird die Umfrage sofort beendet. Zweitens wurden alle Befragten aus der Analyse ausgeschlossen, die in Summe weniger als 80 Sekunden Bearbeitungsdauer für alle Vignetten benötigten. Eine kurze Bearbeitungsdauer kann als Hinweis gedeutet werden, dass die Vignetten nicht sorgfältig gelesen und bewertet werden. Mit diesen Maßnahmen schließen wir mögliche Verzerrungen durch Personen aus, welche die Befragung nicht sorgfältig bearbeiten und stellen sicher, dass die Daten nur Antworten von Befragten enthalten, die die Umfrage ernst nehmen.

Insgesamt umfasst der Datensatz 224 Frauen. Mit Blick auf deren sozialstatistische Zusammensetzung zeigt sich, dass diese im Durchschnitt 32 Jahre alt und nahezu ausschließlich in Deutschland geboren sind (95 %). Mehr als die Hälfte der Befragten ist ledig (61 %), ein Drittel ist verheiratet (33 %) und der Großteil ist kinderlos (80 %). Als höchsten beruflichen Ausbildungsabschluss geben 7 % eine nichtberufliche und 57 % eine berufliche Sekundarausbildung an, 15 % haben einen Hochschulabschluss auf Bachelor- und 21 % auf Master-Niveau oder höher. Die Befragten arbeiten ganztags (99 %) meist in unbefristeten Arbeitsverhältnissen (85 %) und sind mit ihrer derzeitigen Beschäftigung im Mittel eher zufrieden als unzufrieden.

4 Ergebnisse

Nachfolgend beschreiben wir die Ergebnisse der Vignettenanalyse. Mit der multivariaten Analyse soll der Einfluss der verschiedenen Dimensionen der Stellenausschreibung auf die Attraktivitätseinschätzung für Frauen geschätzt werden, wobei die Koeffizienten zur Überprüfung der jeweiligen Hypothesen herangezogen werden. Hierfür wird ein Mehrebenenmodell verwendet, welches die hierarchische Datenstruktur berücksichtigt, die sich aus Befragten- und Vignettenebene ergibt.Footnote 2 Ein positives Vorzeichen der in Tab. 3 dargestellten Koeffizienten signalisiert eine höhere Attraktivitätseinschätzung der ausgeschriebenen Stelle. Unter Berücksichtigung verschiedener KontrollvariablenFootnote 3 ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Effektgrößen oder -richtungen der Vignettendimensionen. Da sich unter Einbezug der Kontrollvariablen die Schlussfolgerungen nicht ändern, präsentieren wir in Tab. 3 aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur diejenigen Ergebnisse der Analyse, die nur die Vignettendimensionen selbst enthalten.

Tab. 3 Effekte der Vignettendimensionen auf die Attraktivitätseinschätzung von Stellenangeboten; Mehrebenenmodell, Regressionskoeffizienten

Wir beginnen mit der Frage, inwiefern eine gendersensible Sprache die Attraktivitätseinschätzung beeinflusst. Hinsichtlich der Formulierung der Positionsbezeichnung zeigt sich, dass Frauen gendersensible Formen insgesamt als attraktiver empfinden. Im Vergleich zu Stellenausschreibungen mit der rein maskulinen Positionsbezeichnung „Mitarbeiter“ haben alle anderen Formulierungen ein positives Vorzeichen. Angebote mit den Bezeichnungen „Mitarbeiter (m/w)“ sowie „Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter“ werden von den befragten Frauen um 0,30 bzw. 0,29 Punkte attraktiver eingeschätzt auf der Skala der abhängigen Variable, welche von 1 bis 11 geht. Beide Formulierungen sind statistisch signifikant. Die Bezeichnungen „Mitarbeitende“ und „Mitarbeiter*innen“ haben ebenfalls ein positives Vorzeichen (0,21 und 0,14 Punkte), sind jedoch statistisch nicht signifikant. Damit kann die erste Hypothese zumindest teilweise bestätigt werden.

Mit Blick auf die stereotypen Formulierungen in Stellenausschreibungen zeigt sich insbesondere für die stereotyp weibliche Eigenschaft ein statistisch signifikanter Effekt auf die Attraktivitätseinschätzung einer Stellenausschreibung. Frauen schätzen Stellenausschreibungen mit kommunalen Eigenschaften um 0,18 Punkte attraktiver ein als solche mit agentischen Eigenschaften. Im konkreten Fall wird eine Stelle bevorzugt, die teamorientierte Zusammenarbeit und Kooperationsvermögen verlangt im Vergleich zu eigenständiger Arbeitsweise und Durchsetzungsvermögen. Hinsichtlich der typischerweise mit Frauen assoziierten Formulierung zeigen die Ergebnisse eine Tendenz. Frauen schätzen Stellenausschreibungen als attraktiver ein, wenn die weiblich assoziierte Formulierung „motivieren“ im Gegensatz zur männlich assoziierten Formulierung „herausfordern“ verwendet wird. Der Unterschied von 0,15 Punkten ist jedoch statistisch nicht signifikant, wenngleich an der Grenze (t-Wert = 1,85). Somit wird die zweite Hypothese angenommen, die dritte muss abgelehnt werden.

Im Rahmen der Kontextmerkmale beeinflussen sowohl das Arbeitszeitmodell als auch das Vorhandensein eines weiblichen Rollenvorbildes die Attraktivitätseinschätzung positiv. Im Vergleich zu festen Arbeitszeiten werden Stellenausschreibungen mit flexiblen Arbeitszeiten in Form von Gleitzeit um 0,95 Punkte attraktiver bewertet. Die Höhe des Koeffizienten weist auf die besondere Relevanz von flexiblen Arbeitszeitmodellen hin. Darüber hinaus wirkt sich der Hinweis auf ein weibliches Rollenvorbild in der Stellenausschreibung positiv auf deren Attraktivitätseinschätzung aus (0,19 Punkte). Keinen statistisch signifikanten Effekt hat jedoch die Aussicht auf Karrierechancen und die damit zusammenhängende zeitnahe Übernahme von Führungsverantwortung. Die vierte und sechste Hypothese werden demnach angenommen, die fünfte verworfen.

5 Diskussion und Ausblick

Diese Studie untersucht, ob die im Rahmen einer Stellenausschreibung vermittelbaren Merkmale einer Arbeitsstelle deren Attraktivitätseinschätzung von Frauen beeinflussen. Der Fokus liegt dabei auf der sprachlichen Gestaltung der Positionsbeschreibung, den von Bewerberinnen und Bewerbern geforderten Eigenschaften sowie den Kontextmerkmalen (flexible Arbeitszeiten, Führungsverantwortung und weibliche Rollenvorbilder) der beschriebenen Arbeitsstelle. Mithilfe eines faktoriellen Surveys wird eine Stellensuche mit 224 weiblichen Erwerbstätigen simuliert. Diese sollen hypothetische Stellenausschreibungen auf ihre Attraktivität hin einschätzen, wobei sich die einzelnen Stellenausschreibungen hinsichtlich der Verwendung von gendersensibler Sprache und stereotypen Formulierungen sowie der Gestaltung der Kontextmerkmale unterscheiden. Aufgrund des Experimentaldesigns kann für jede Dimension der Stellenausschreibung der kausale Effekt auf die Attraktivitätseinschätzung bestimmt werden.

Generell zeigen die Ergebnisse, dass Frauen Stellenausschreibungen in Abhängigkeit der gewählten Ansprache in der Positionsbezeichnung sowie hinsichtlich ihrer Anforderungs- und Kontextmerkmale bewerten. Neben den Arbeitsbedingungen selbst – in Form der Arbeitszeitregelungen – hat auch die Gestaltung einer Stellenausschreibung, im Sinne einer gendersensiblen Sprache und geschlechterstereotypen Formulierungen, einen Einfluss auf die Attraktivitätseinschätzung von Stellenausschreibungen. Im Detail zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass Frauen Stellenangebote mit gendersensibler Positionsbezeichnung („Mitarbeiter [m/w]“ sowie „Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter“) tendenziell attraktiver einschätzen als solche mit rein maskuliner („Mitarbeiter“). Jedoch lässt sich der positive Effekt gendersensibler Formulierungen nicht für jede Formulierungsalternative eindeutig zeigen. Die beiden alternativen Formulierungen „Mitarbeitende“ und „Mitarbeiter*innen“ werden im Vergleich zur rein männlichen Positionsbezeichnung nicht als attraktiver bewertet. Mit Blick auf die Anforderungsmerkmale schätzen die befragten Frauen Stellenausschreibungen als besonders attraktiv ein, wenn stereotyp weibliche Eigenschaften im Stellenprofil gefordert werden. Im Gegensatz jedoch zu den Ergebnissen von Gaucher et al. (2011) macht es für die befragten Frauen in der vorliegenden Studie keinen Unterschied, ob im Anforderungsprofil eine typischerweise mit Frauen assoziierte Formulierung im Vergleich zu einer typischerweise mit Männern assoziierte Formulierung verwendet wird. Die Kontextmerkmale von Stellenausschreibungen sind hier durch den Grad an Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung sowie einem Hinweis auf ein weibliches Rollenvorbild im Arbeitsumfeld gekennzeichnet. Wie die traditionellen Erwerbs- und Arbeitszeitmuster (Wanger 2015) nahelegen, zeichnet sich auch in den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung für Frauen eine besondere Wichtigkeit flexibler Arbeitszeitgestaltung ab. Obwohl flexible Arbeitszeiten für Frauen eine große Rolle spielen, scheinen sie einen möglicherweise zeitintensiven Karriereweg nicht aktiv zu meiden. Die Ergebnisse zeigen zumindest, dass es für ihre Attraktivitätseinschätzung einer Stellenausschreibung keinen Unterschied macht, ob eine Stelle hervorragende Karrierechancen mit zeitnaher Übernahme von Führungsverantwortung bietet oder nicht. Darüber hinaus bewerten Frauen Ausschreibungen für Stellen, in welcher bereits eine Frau in ähnlicher oder höherer Position für das Unternehmen tätig ist, besser als Angebote ohne einen solchen Hinweis auf ein weibliches Rollenvorbild. Ähnliche Muster beruflicher Auswahlprozesse zeigen auch andere Studien, welche die Bedeutung struktureller Merkmale für berufliche Geschlechtersegregation betonen (unter anderem Busch 2013b; Damelang und Ebensperger 2020; Leuze und Strauß 2016).

Die Analyse der einzelnen Vignettendimensionen zeigt, dass insbesondere Jobs mit flexiblen Arbeitszeiten als besonders attraktiv bewertet werden. Erklären lässt sich die besondere Bedeutung von flexiblen Arbeitszeiten damit, dass das Arbeitszeitmodell einen direkten Einfluss auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausübt. Unsere Ergebnisse können jedoch auch belegen, dass mit der Gestaltung einer Stellenausschreibung – in Form von Verwendung oder Nichtverwendung gendersensibler Sprache und geschlechterstereotypen Formulierungen – auch solche Faktoren die Attraktivität von Jobs und die damit empfundene Passung signifikant beeinflussen, welche unabhängig sind von Rahmen und Inhalt einer Arbeitsstelle. Für Frauen kann sich eine alle Geschlechter einschließende Sprache demnach positiv auf Berufs- und Karrierepläne auswirken, wohingegen stereotyp männliche Formulierungen und das generisch verwendete Maskulinum sie möglicherweise von Stellen und Positionen fernhalten.

Neben der unstrittigen Bedeutung von flexiblen Arbeitszeiten deuten die Ergebnisse somit auch darauf hin, dass Sprache über den Einfluss, den sie auf berufliche Geschlechtersegregation hat, an der (Re‑)Produktion sozialer Ungleichheit beteiligt ist. Die in unserer Studie gefundenen positiven Effekte gendersensibler Sprache und stereotyp weiblicher Formulierungen lassen sich mit der Wahrnehmung einer besseren Passung mit den Anforderungen der Position erklären, die nach Carless (2005) dazu führt, dass Frauen die Annahme des betreffenden Stellenangebotes eher in Betracht ziehen. Die in Stellenausschreibungen verwendeten Formulierungen ziehen also gewissermaßen eine Grenze zwischen Berufen, die Frauen eher ansprechen und solchen, die Frauen eher nicht ansprechen. In diesem Sinne kann Sprache eine nichtvorhandene Chancengleichheit ausdrücken, welche sich darin äußert, dass Frauen eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, bestimmte Berufe zu wählen. Verläuft diese sprachliche Grenze zwischen Berufen mit hohem und niedrigem Einkommen, hohem und niedrigem gesellschaftlichen Ansehen oder hohem und niedrigem Grad an Verantwortungsübernahme, haben Frauen eine geringere Chance, sich in die gut bezahlten, hoch angesehenen und verantwortungsvollen Berufe zu selektieren. Dadurch werden Geschlechterstereotype gefestigt und Menschen weiterhin in das kategoriale System „Geschlecht“ eingeordnet. Das Geschlecht als zentrales gesellschaftliches Differenzierungsprinzip bleibt demnach genauso bestehen wie die mit beruflicher Geschlechtersegregation verbundene soziale Ungleichheit.

Um Handlungsempfehlungen für die Praxis ableiten zu können, stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die Attraktivitätseinschätzung einer Stellenausschreibung als Indikator für tatsächliches Bewerbungsverhalten dienen kann. Da Validierungsstudien eine enge Verbindung zwischen den Entscheidungen im Vignettenexperiment und jenen in der Realität finden (z. B. Hainmüller et al. 2015; Petzold und Wolbring 2019), scheint dies gegeben. Unterschiede in der Attraktivitätseinschätzung einer Stellenausschreibung (re-)produzieren berufliche Geschlechtersegregation, da Frauen die Identifikation mit einer Stelle erschwert wird und sie dadurch möglicherweise vom Einschlagen eines bestimmten Karriereweges absehen. Daher sollten Unternehmen Stellenausschreibungen hinsichtlich ihrer Wirkung auf Frauen überprüfen und sprachlich achtsam formulieren. Von besonderer Relevanz zeigten sich flexible Arbeitszeiten, weshalb Unternehmen eine entsprechende Arbeitszeitgestaltung ermöglichen und auf diese in ihren Stellenausschreibungen verweisen sollten. Um bei Frauen darüber hinaus ein größeres Interesse an einer Position zu wecken, können diese explizit angesprochen werden, und typischerweise mit Männern assoziierte Eigenschaften in der Positionsbeschreibung gilt es zu vermeiden. Auch kann es hilfreich sein, bereits tätige Frauen in der Organisation sichtbar zu machen, damit diese als Rollenvorbilder für potenzielle Bewerberinnen fungieren können.