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Ist der Anstieg der westdeutschen Einkommensungleichheit auf die Zunahme bildungshomogener Partnerschaften zurückführbar?

Eine Dekompositionsanalyse auf Basis des SOEP (1985–2011)

Is rising income inequality a result of an increase of homogamous partnerships?

A decomposition analysis based on SOEP data (1985–2011)

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KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Zwar zog die Zunahme der deutschen Einkommensungleichheit seit den 1980er Jahren wissenschaftliche und politische Aufmerksamkeit auf sich, jedoch blieb sie weitgehend unerklärt. Eine häufig geäußerte Hypothese sieht die Zunahme bildungshomogener Partnerschaften als Ursache dieser Entwicklung. Die steigende Einkommensungleichheit sei somit durch das Entfallen der egalisierenden Wirkung bildungsschichtenübergreifender Partnerschaften bedingt. Im vorliegenden Artikel wird diese Hypothese empirisch überprüft. Durch Kreuztabellierung der Bildungsniveaus von westdeutschen Männern und Frauen wird zunächst eine Haushaltstypologie erstellt. Mit log-linearen Modellen wird die Verteilung der Haushaltstypen als Effekt von Bildungsbeteiligung, Präferenzen der Partnerwahl und Neigung zu Singlehaushalten dargestellt. Es werden dann Gewichte berechnet, welche die Schätzung der Einkommensungleichheit in drei kontrafaktischen Szenarien ermöglichen. Es zeigt sich, dass ein allenfalls marginaler Einfluss von Bildungsexpansion und veränderten Präferenzen der Partnerwahl auf die Ungleichheit westdeutscher Einkommen vorliegt, der, entgegen den Erwartungen, eher zu einer Verringerung der Einkommensungleichheit führt.

Abstract

The increase in German income inequality since the 1980s has attracted considerable scientific and political attention but remained largely unexplained. A frequently voiced hypothesis assumes that the trend towards educationally homogamous partnerships is a crucial factor in this development. Whereas in an educationally heterogamous household economic advantages and disadvantages offset each other, the homogamous household aggravates inequalities by accumulating relative (dis-)advantages. This hypothesis is put to an empirical test. First, a household typology is derived from the cross-tabulation of spousesʼ educational qualifications. The effect of educational expansion and mating preferences on the distribution of household types is estimated using log-linear models. In a second step, weights derived from these models are used to estimate income inequality in three counterfactual scenarios. It turns out that educational expansion and mating preferences at best have only a marginal effect on West German income inequality, which—contrary to the expectations—decreases income inequality.

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Abb. 1
Abb. 2

Notes

  1. Mit dem Begriff „Single-Haushalt“ bezeichnen wir Haushalte, in denen Personen ohne ihren Partner oder ihre Partnerin allein oder mit anderen Personen (z. B. Kindern) leben. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass diese Personen partnerlos sind.

  2. Wenn im Folgenden von hypergamen und hypogamen Partnerschaften und Ehen die Rede ist, dann ist damit immer eine Aufwärts- oder Abwärts-Partnerschaft oder Ehe von Frauen gemeint, es sei denn, es wird durch Nennung des Geschlechtes eine andere Bedeutung angezeigt.

  3. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wurden von der Analyse ausgeschlossen. Dies wäre durch eine weniger heteronormative Codierung, welche nicht nach Geschlecht der Partner im Haushalt, sondern nach „Stellung zum Haushaltsvorstand “ unterscheidet, vermeidbar gewesen. Für die Beantwortung der Fragestellung, die vor allem die Entwicklung der Bildungsverteilung von Frauen berücksichtigt, erscheint die Unterscheidung nach Geschlecht jedoch unverzichtbar. Auch aufgrund der sehr geringen Fallzahlen ist eine Erweiterung der Haushaltstypologie um gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht besonders sinnvoll.

  4. Der Code 0 zeigt an, dass es sich um einen Single-Haushalt handelt, in dem entweder nur ein Mann (j = 0) oder nur eine Frau (i = 0) lebt.

  5. Damit das Modell identifiziert ist, wird jeweils eine der Kategorien einer Variablen als Referenzkategorie verwendet und der entsprechende Parameter auf null fixiert (Dummy-Kodierung; vgl. Andreß et al. 1997, S. 148 ff.)

  6. Für die entsprechenden Zahlen, auch für die Bruttoerwerbseinkommen siehe online-Anhang unter: http://www.uni-koeln.de/kzfss/materialien/KS-66-4-Andress.pdf

  7. Es mag erstaunen, warum in Szenario 3, in dem die Partnerpräferenzen (Homogamie und Hypergamie) nicht konstant gehalten werden, die Zunahme dieser hypergamen Haushalte übersehen wird. Der Grund dafür ist die konstant gehaltene Bildungsbeteiligung. In der Realität haben jedoch die Anteile der Frauen mittleren Bildungsniveaus und der Männer hohen Bildungsniveaus zugenommen, was natürlich die Chancen erhöht, dass Männer und Frauen sich zu den entsprechenden hypergamen Haushalten zusammenschließen. In Szenario 2, in dem die Partnerpräferenzen konstant gehalten werden, wird dementsprechend die Zunahme dieser hypergamen Haushalte um 1,36 Prozentpunkte unterschätzt.

  8. Dieser Haushaltstyp ist auch aufgrund der überdurchschnittlichen internen Heterogenität der Einkommen ungleichheitsrelevant.

  9. Sie haben nur leicht überdurchschnittliche Einkommen, die unterdurchschnittlich variieren.

  10. Die größten Abweichungen der kontrafaktischen von den tatsächlichen Bevölkerungsanteilen zeigen sich bei den hypergamen Haushalten mit Frauen niedriger Bildung (um 7,4 Prozentpunkte überschätzt) sowie bei den Single-Haushalten der Männer und Frauen mittlerer Bildung (um 5,6 und 6,3 Prozentpunkte unterschätzt).

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Spitzenpfeil, M., Andreß, HJ. Ist der Anstieg der westdeutschen Einkommensungleichheit auf die Zunahme bildungshomogener Partnerschaften zurückführbar?. Köln Z Soziol 66, 575–601 (2014). https://doi.org/10.1007/s11577-014-0290-5

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