Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Berichterstattung sechs regionaler Tageszeitungen über 25 Wahlkreiskandidaten in den letzten sechs Wochen vor der Bundestagswahl 2005 mithilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse. In einer vorgeschalteten Studie wurde die physische Attraktivität der 25 Kandidaten ermittelt. Die Analysen zeigen, dass die Zeitungen über attraktive Wahlkreiskandidaten deutlich häufiger und deutlich positiver berichtet haben als über unattraktive. Dies gilt auch dann, wenn man andere für die Berichterstattung relevante Kandidatenmerkmale (Parteizugehörigkeit, Rolle als Amtsinhaber oder Herausforderer usw.) kontrolliert. Die Befunde deuten darauf hin, dass Journalisten denselben Attraktivitätsstereotypen unterliegen wie andere Menschen. Dies hat jedoch vermutlich weitreichende Folgen, weil politische Kandidaten ihre Wahlchancen durch häufige und positive Berichterstattung erheblich verbessern. Die Ursachen und Konsequenzen der Befunde werden diskutiert.
Abstract
The study analyses the coverage of six regional newspapers on 25 local candidates during the last six weeks of the 2005 German national election by using quantitative content analysis. In an earlier study the physical attractiveness of the 25 candidates has been examined. The study shows that newspapers covered physically attractive candidates much more often and much more positive than unattractive candidates. This held also true when other relevant candidate characteristics (party membership, role as incumbent or challenger etc.) are controlled. The results show that journalists are victims of the same attractiveness stereotypes as other people. But in the case of journalists there may occur more impotent consequences the amount and tone of media coverage on political candidates may affect the results of election campaigns. Causes and consequences of these findings are discussed.
Notes
Es wurde allerdings auch auf einen gegenteiligen Effekt hingewiesen, nach dem mit zunehmender physischer Attraktivität verstärkt geschlechtsspezifische Stereotypisierungen aktiviert werden, so dass sehr attraktive Vertreter des einen Geschlechts in mit dem anderen Geschlecht assoziierten Handlungsfeldern eher mit einem Attraktivitätsmalus als mit einem Attraktivitätsbonus rechnen müssen (Heilman u. Saruwatari 1979; Rennenkampff 2004). Daher könnte man beispielsweise in der nach wie vor eher männlich konnotierten politischen Sphäre für Frauen mit einem negativen Attraktivitätseffekt rechnen. Allerdings ist die empirische Evidenz dazu nicht eindeutig (z. B. Heilman u. Stopeck 1985; Hamermesh u. Parker 2005; Klein u. Rosar 2006; Riniolo et al. 2006; Rosar u. Klein 2009).
Die meisten Studien gehen zumindest implizit davon aus, dass die Attraktivitätseffekte vor allem über Wahlplakate vermittelt werden. Allerdings werden Plakate, sofern sie betrachtet werden, in der Regel mit geringer Aufmerksamkeit genutzt (Schulz et al. 2000; Kühnel et al. 2006, S. 13). Dies lässt es relativ unwahrscheinlich erscheinen, dass die Wähler dezidierte Vorstellungen vom Aussehen der Kandidaten in ihrem Wahlkreis haben.
Da keine Zufallsstichprobe gezogen wurde, verzichten wir darauf, inferenzstatistische Maße anzugeben.
Verwendet man wahlkreisweise standardisierte Attraktivitätsmesswerte, resultieren substanziell identische Ergebnisse. Die entsprechenden Resultate sind bei den Autoren erhältlich.
Die Intercoderreliablität (einfache paarweise Übereinstimmung) betrug 1,00 für das Vorkommen der Kandidaten und 0,76 für die Tendenz der Kandidatendarstellung. Wir danken Sarah Kirschmann und Marlene Mauk für ihren wesentlichen Beitrag zu dieser Untersuchung.
Dagegen erschienen im Untersuchungszeitraum durchschnittlich nur etwa drei Fotos von jedem Kandidaten. Nur insgesamt fünf Beiträge enthielten verbale Hinweise auf die physische Attraktivität einer der Kandidaten. Dies spricht eindeutig dafür, dass die untersuchten Regionalzeitungen nicht als reine Multiplikatoren von Attraktivitätseffekten betrachtet werden können.
Wir haben darüber hinaus eine Reihe weiterer Merkmale der Kandidaten (z. B. Zugehörigkeit zur Bundesregierung und akademische Titel) erhoben, die jedoch bei den von uns betrachteten Bewerbern so wenig Varianz aufweisen, dass sie nichts zur Erklärung der Berichterstattung beitragen können.
Dieser Befund gilt für relative Attraktivität praktisch unverändert, während deren Wirkung im Vergleich zum kumulativen Effekt einer Parteimitgliedschaft und eines Direktmandats etwas schwächer ausfällt.
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Maurer, M., Schoen, H. Der mediale Attraktivitätsbonus. Köln Z Soziol 62, 277–295 (2010). https://doi.org/10.1007/s11577-010-0101-6
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