Unser Ökosystem ist starken Belastungen ausgesetzt, die vor allem auf menschliches, insbesondere wirtschaftliches, Handeln zurückzuführen sind. Studien zufolge besteht mittlerweile eine ernsthafte Gefährdung der Grundlage unserer Zivilisation (World Commission on Environment and Development 1987). Wissenschaftler aller Disziplinen sind aufgerufen, einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten, indem z. B. energieeffizientere Maschinen und Verfahren entwickelt werden. Informationssysteme (IS) wurden als wichtiger Treiber für die Transformation von Organisationen und Gesellschaften hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit identifiziert (Elliot 2011). Die Wirtschaftsinformatik kann und sollte daher einen Beitrag zur Verbesserung unseres ökologischen Fußabdruckes leisten. Während Informationstechnologien (IT) früher als Mitverursacher von Emissionen und Ressourcenverbrauch angesehen wurden, wächst heute die Erkenntnis, dass Informationssysteme (IS) auch einen Beitrag zur Gestaltung und Implementierung nachhaltiger Prozesse, Dienstleistungen und Produkte leisten können (Melville 2010; Watson et al. 2010; Seidel et al. 2013; vom Brocke et al. 2013). Informationssysteme werden dabei als sozio-technische Systeme verstanden, die IT nutzen, um Informationen zu übertragen, zu verarbeiten oder zu speichern (Piccoli 2008). Green IS („grüne“ Informationssysteme) können vielfältige Beiträge leisten, indem sie z. B. einen Einfluss auf individuelle Ansichten und Verhalten von Menschen nehmen (Melville 2010), nachhaltigeres Handeln durch Virtualisierung und Remote-Arbeit ermöglichen (Bose und Luo 2011), Unternehmen ermöglichen, Compliance-Anforderungen und sozialen Normen zu entsprechen (Butler 2011), oder auch direkt die Ressourceneffizienz zu erhöhen (Watson et al. 2008). Auch bereits existierende technische Lösungen können für ökologische Zielsetzungen (z. B. der Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen) genutzt werden. Ein Beispiel sind Business-Intelligence-Systeme, anhand derer Umweltdaten zur Entscheidungsunterstützung bereitgestellt werden (Seidel et al. 2013). Die entscheidende Frage lautet daher: Wie kann die transformative Kraft von IS genutzt werden, um zu einer ökologisch nachhaltigen Gesellschaft beizutragen?

Unserer Auffassung nach befindet sich die Wirtschaftsinformatik in einer einzigartigen Position, Antworten auf diese Frage zu finden und wesentlich zur Lösung der oben beschriebenen Herausforderungen beizutragen: Erstens hat sich die Wirtschaftsinformatik als eine lösungsorientierte Disziplin etabliert, mit dem Ziel, neuartige Systeme zu entwickeln, um betriebswirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme zu lösen (Gregor und Jones 2007; Hevner et al. 2004). Unsere Disziplin kann demnach mit innovativen Lösungen dazu beitragen, auf den sozialen, kulturellen und auch legislativen Druck zu reagieren und auch proaktiv ökologische Nachhaltigkeit im Unternehmertum umzusetzen. Zweitens kann unsere Disziplin auf Basis empirischer sozialwissenschaftlicher Forschung dazu beitragen, die Gestaltung, Einführung, Nutzung sowie die Auswirkungen von IT-Systemen besser zu verstehen. Solche Forschung kann beispielsweise Faktoren individueller oder organisatorischer Akzeptanz von Green IS sowie deren Auswirkungen identifizieren.

Die Bedeutung des Themas „Green IS“ für die Wirtschaftsinformatikdisziplin wurde in der jüngeren Vergangenheit an mehreren Stellen hervorgehoben (z. B. Loos et al. 2011; Pernici et al. 2012; vom Brocke et al. 2013). Es wurde betont, dass die WI-Disziplin untersuchen sollte, in welchem Umfang sich existierende Ansätze der IS-Entwicklung für die Gestaltung von Green IS eignen (Seidel et al. 2013; Zhang et al. 2011) oder auch wie Informationssysteme zu entwickeln sind, um menschliche Handlungen mit dem Ziel erhöhter ökologischer Nachhaltigkeit zu beeinflussen (Melville 2010). So wurde auch von der Interessensgruppe (Special Interest Group) für Green IS (SIGGreen) der Association for Information Systems (AIS) eine Erklärung zum ökologischen Wandel abgegeben (SIGGreen 2012). Green IS erfährt ebenso auf Konferenzen zunehmend Aufmerksamkeit (Brooks et al. 2012; Corbett 2010; Vazques et al. 2011; Kossahl et al. 2012). Verschiedene Bücher zu dem Thema wurden zwischenzeitlich veröffentlicht, z. B. zum Thema Energieinformatik (Watson und Boudreau 2011) oder zum Thema Green Business Process Management (vom Brocke et al. 2012). Dennoch ist Green IS noch immer ein junges Forschungsgebiet, sodass noch grundlegende Fragen zu beantworten sind, z. B. ob sich das Design von Green IS wesentlich von dem „traditioneller“ in der SIGGreen-Mitglieder aufgefordert werden, lösungsorientierte Forschung in Bezug auf Aspekte der Minderung, Umkehrung und Adaption im Kontext nachhaltiger Entwicklung zu betreiben IS unterscheidet oder welche Informationen von Green IS übertragen, verarbeitet und gespeichert werden müssen (Seidel et al. 2013). In einem aktuellen Aufruf wurden spezifische Direktiven für die Wirtschaftsinformatik erarbeitet, die aufzeigen, wie sich die Disziplin entwickeln sollte, um einen wertvollen Beitrag zur Lösung ökologischer Probleme unserer Gesellschaft einzunehmen (vom Brocke et al. 2013).

Die beiden Foki – Green-IS-Forschung innerhalb eines gestaltungsorientierten Paradigmas und Green-IS-Forschung innerhalb eines verhaltenswissenschaftlichen Paradigmas – spiegeln sich in diesem Schwerpunktheftes wider. Zunächst präsentieren Hendrik Hilpert, Johann Kranz und Matthias Schumann ein Informationssystem für Treibhausgasemissionstracking in der Logistik. In ihrer gestaltungsorientierten Studie leiten sie Konstruktionsprinzipien aus der Literatur ab und entwickeln ein System, das ökologisch nachhaltige Praktiken in der Logistik ermöglichen soll. Ihre Evaluation zeigt, dass die Nutzung ihres Systems genauere und detailliertere Informationen über Emissionen bietet. Im zweiten Beitrag untersuchen Ingrid Gottschalk und Stefan Kirn die Rolle von Cloud-Computing für die Entwicklung umweltfreundlicherer Geschäftsprozesse. Insbesondere analysiert ihre Studie Voraussetzungen für die Akzeptanz von Cloud-Computing als eine grüne Technologie. Die Arbeit basiert auf der Theory of Reasoned Action (TRA) und dem Technology Acceptance Model (TAM). Ihre Studie ist somit Teil des Forschungsstroms, der untersucht, wie vorhandene Technologien in Zusammenhang mit ökologischer Nachhaltigkeit neu interpretiert und verwendet werden. Die beiden Artikel sind Beispiele dafür, wie Green IS sowohl durch gestaltungsorientierte Forschung als auch mithilfe der Verhaltensforschung einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung unseres ökologischen Fußabdrucks leisten kann.

Schließlich präsentieren wir im Rahmen dieses Schwerpunktheftes ein Interview mit Daniel Schmid, Head of Sustainability Operations von SAP. Hier wird deutlich, dass ein Wandel zu ökologischer Nachhaltigkeit nicht nur in einem verbesserten ökologischen Fußabdruck resultieren kann, sondern auch einen vielversprechenden Geschäftsansatz darstellt. Herr Schmid unterstreicht, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine sehr konkrete Notwendigkeit, sondern auch ein wichtiger Innovationstreiber ist. Um es in den Worten von Anders Fogh Rasmussen, dem ehemaligen Premierminister von Dänemark zu sagen: „Business as usual is dead – green growth is the answer to both our climate and economic problems.“ Wir hoffen, dass dieses Schwerpunktheft zum Verständnis der Bedeutung von Informationssystemen bei der Schaffung ökologisch nachhaltiger Organisationen und Geschäftsprozesse beiträgt. Wir hoffen auch, dass sie mehr Forschung in diesem wichtigen Bereich stimulieren wird.