Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, ein besseres Verständnis für die Vorteile zu gewinnen, die durch eine Implementierung von ITIL entstehen. Die Studie vergleicht die Herausforderungen und Vorteile für Unternehmen auf verschiedenen Implementierungsebenen. Darüber hinaus wird auch die Anzahl der implementierten Prozesse auf den verschiedenen Ebenen betrachtet. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wahrnehmung von Herausforderungen sinkt, sobald die Reife der Implementierung steigt. Die Ergebnisse zeigen darüber hinaus, dass durch eine Erhöhung der Implementierungsreife auch die Anzahl der realisierten Vorteile steigt. Der Beitrag gibt Einblicke in Bezug auf die Wahrnehmung der Effektivität von ITIL und präsentiert Implikationen für Praxis und Forschung.

1 Einleitung

Im Zuge der Auflistung kritischer Erfolgsfaktoren für Informationssysteme (IS) im Jahr 1980 argumentiert Rockart (1982): „the first, and most obvious, IS critical success factor is service“. Die IT-Abteilungen in vielen Unternehmen konzentrierten sich zuvor auf die Produktion von Softwareanwendungen, während sich hingegen in den späten 1980er-Jahren ein Wandel zu einer serviceorientierten Arbeitsweise vollzog. In Bezug auf IT-Service-Management (ITSM) liegt der Schwerpunkt nicht auf der Entwicklung von IT-Anwendungen, sondern auf der Verwaltung von IT-Services.

In der Literatur existieren mehrere Studien zur Einführung von ITSM-Frameworks sowie zu bestimmten serviceorientierten IT-Frameworks. Winniford et al. (2009) behaupten, dass etwa 45 % aller US-Unternehmen ein ITSM-Framework nutzen und 15 % deren Nutzung planen. Das IT Governance Institute (2008) schätzt, dass die IT Infrastructure Library (ITIL) mit 24 % das IT-Framework mit der höchsten Akzeptanzrate ist, gefolgt von Control Objectives for Information und related Technology (CobiT) mit einer Akzeptanz von 14 %.

Zusätzlich zu den steigenden Akzeptanzraten von ITSM-Frameworks ist es notwendig, die durch IT-Services verursachten Kosten zu betrachten. IT-Dienstleistungen machen schätzungsweise 70 % bis 80 % der Ausgaben einer IT-Organisation aus (Orlov 2005). In der Praxis besteht ein Interesse daran, die möglichen Vorteile zu verstehen, die ein Unternehmen durch die Realisierung eines ITSM-Frameworks erreichen kann.

Die vorliegende empirische Studie konzentriert sich auf ITIL als das bekannteste ITSM-Framework. Der Forschungsbeitrag fokussiert auf das Verständnis für die Entstehung dieser Vorteile, wenn Unternehmen verstärkt durchgängig die Prozesse des ITIL-Modells umsetzen. Darüber hinaus ist die Wahrnehmung der Herausforderungen einer Implementierung von ITIL von Interesse sowie, wie bereits erwähnt, die Entwicklung der Wahrnehmung der Herausforderungen durch die Einführung des Modells im Unternehmen. Schließlich ist es notwendig, zu verstehen, wie die Umsetzung von ITIL-Prozessen die Reife der ITIL-Implementierung beeinflusst.

Bislang existieren keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema und insbesondere eine groß angelegte internationale Studie wurde bisher nicht durchgeführt. Daher befasst sich der vorliegende Forschungsbeitrag damit, mithilfe empirischer Daten aus einer Umfrage mit führenden Unternehmen aus verschiedenen Branchen ein Verständnis für die folgenden Fragestellungen zu schaffen:

  • Welche Auswirkungen hat die Gesamtzahl der implementierten Prozesse auf die Reife der ITIL-Implementierung?

  • Wie werden die Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen der Reife der ITIL-Implementierung wahrgenommen?

  • Wie entwickelt sich die Gesamtzahl der realisierten Vorteile, wenn sich die Reife der ITIL-Implementierung erhöht?

Der vorliegende Beitrag beginnt mit einer Literaturstudie zu IT-Service-Management, ITIL-Prozessen sowie den Vorteilen und Herausforderungen der Implementierung. Anschließend folgt eine Beschreibung der verwendeten Forschungsmethodik. Die in unserer Umfrage gesammelten Daten werden mithilfe der Kruskal-Wallis- und des Mann-Whitney-Tests analysiert, um Vergleiche innerhalb der verschiedenen Implementierungsebenen vorzunehmen. Die Ergebnisse der Umfrage werden dann analysiert und diskutiert. Bevor die Limitationen der Studie und zukünftige Forschungsbereiche betrachtet werden, werden abschließend Schlussfolgerungen gezogen.

2 Literaturreview

ITSM stellt einen Teilbereich innerhalb der Service Sciences dar, die sich mit dem IT-Betrieb (IT-Operations) befassen (Galup et al. 2009). ITSM kann definiert werden als „a set of processes that cooperate to ensure the quality of live IT services, according to the levels of service agreed to by the customer“ (Young 2004). Conger et al. (2008) fügen hinzu: ITSM „focuses on defining, managing, and delivering IT services to support business goals and customer needs, usually in IT Operations“.

Serviceorientiertes IT-Management kann als eine Philosophie für eine Orientierung an Märkten, Services, Lebenszyklen und Prozessen verstanden werden (Zarnekow et al. 2005). Zunächst existiert eine Marktorientierung, die eine Kunden-Lieferanten-Beziehung anstelle einer Beziehung als Projektpartner impliziert. Zweitens besteht eine Serviceorientierung, was bedeutet, dass die Serviceprovider über Serviceportfolios anstelle von Projektportfolios verfügen. Diese Serviceportfolios beinhalten alle der durch den Provider angebotenen IT-Services. Drittens liegt der Schwerpunkt auf dem Service-Lebenszyklus, wodurch ITSM einen methodischen Ansatz für die Verwaltung von IT-Services bietet – von der Gestaltung, der Implementierung, dem Betrieb bis hin zur kontinuierlichen Verbesserung. Dabei stehen nicht nur die technischen Aspekte der IT im Vordergrund, sondern es wird auch die Anpassung der durch die IT realisierten Dienste und Funktionen innerhalb der Organisation ermöglicht. Das Hauptaugenmerk des Managements von IT-Services liegt auf den Kosten des gesamten Lebenszyklus, nicht nur auf den Kosten der Entwicklung. Viertens besteht eine Prozessorientierung, damit die IT-Organisation an Prozessen und nicht an funktionalen Strukturen ausgerichtet ist.

Es existieren verschiedene Konzepte von ITSM-Frameworks. Die häufigste Methode ist ITIL, welches einen de-facto Standard für IT-Serviceprovider darstellt (Hochstein et al. 2005; IT Governance Institute 2008). Eine Vielzahl von ITSM-Frameworks wurde auf Basis von ITIL als Referenz entwickelt, wie bspw. von Hewlett-Packard (HP ITSM Referenzmodell), IBM (IT Process Model) und das MOF von Microsoft (van Bon et al. 2007).

Die aktuelle Version von ITIL, Version 3, wurde im Mai 2007 veröffentlicht. Sie besteht aus 26 Abschnitten, die in den folgenden fünf Phasen des Lebenszyklus enthalten sind: Service Strategy, Service Design, Service Transition, Service Operation und Continual Service Improvement. Die frühere Version, Version 2, verfügt insgesamt über zehn Prozesse in zwei wesentlichen Bereichen: Service Support und Service Delivery. Es existieren darüber hinaus noch weitere Bereiche mit geschäftlichen Leitlinien, wobei sich dieser Beitrag jedoch auf diese zwei wichtige Bereiche konzentriert.

Die wissenschaftliche Forschung zu ITSM befindet sich in einer frühen Phase trotz zahlreicher Publikationen, vor allem in Praktikerzeitschriften. Bestehende wissenschaftliche Literatur präsentiert die Beschreibung der Bereiche, die im Rahmen von ITIL dokumentiert sind (Cervone 2008; Hendriks und Carr 2002) oder analysiert Anwender von ITIL anhand von Fallstudien (Hochstein et al. 2005; Cater-Steel et al. 2006b; Marrone et al. 2010). Wenige Forscher haben sich bisher mit dem Thema der Vorteile, Herausforderungen der Umsetzung und der Effektivität von ITIL auseinandergesetzt. Tabelle  1 stellt die relevanten wissenschaftlichen Forschungsbeiträge zusammen.

Tab. 1 Relevante Forschung zu ITSM und ITIL

Eine Zusammenfassung der Vorteile von ITSM-Frameworks in der Literatur wird in Tab.  2 dargestellt. Tabelle  3 bietet eine Zusammenfassung der Herausforderungen bei der Umsetzung ITSM-Frameworks.

Tab. 2 Zusammenfassung der Vorteile der Implementierung von ITSM-Frameworks
Tab. 3 Herausforderungen der Implementierung eines ITSM-Frameworks

Von zahlreichen Forschern, darunter Cater-Steel et al. (2007) und Marrone et al. (2010), wurde das Reifegradmodell verwendet. Die Ebenen des Reifegradmodells basieren in diesen Studien auf dem Modell von CobiT und Capability Maturity Model Integration (CMMI). Diese Ebenen sind als Profile von IT-Prozessen vorgesehen und werden von Unternehmen als Beschreibung ihres aktuellen Zustands identifiziert.

Bis heute existieren keine Untersuchungen, die die Vorteile, Herausforderungen und die Umsetzung von Prozessen sowie deren Zusammenhang mit der Reife der ITIL-Implementierung ermitteln. Abgesehen davon wurde das Instrument einer groß angelegten Umfrage für verschiedene Länder bisher nicht eingesetzt.

3 Forschungsdesign

Dieser Abschnitt beschreibt die einzelnen Einführungsniveaus, auch als Reifegradmodell bezeichnet, sowie die in diesem Beitrag untersuchten Thesen. Für die drei in der Einleitung aufgeführten Fragen werden insgesamt fünf Thesen beschrieben. Diese werden im Folgenden dargestellt.

3.1 Ebenen des Reifegradmodells

Das Reifegradmodell ist unterteilt in verschiedene Stufen, die von nicht existent (0) bis hin zu optimiert (5) reichen. Sie wurden ursprünglich vom CMM-Framework und später von CobiT verwendet. Die vorliegende Studie verwendet die gleichen Reifegrade, die im Rahmen dieser Frameworks vorgeschlagen werden. Auf der untersten Ebene des Reifegradmodells werden die Managementprozesse überhaupt nicht angewendet. Auf der folgenden Ebene, als anfänglich bezeichnet, sind Prozesse ad-hoc und desorganisiert. Die zweite Stufe, innerhalb derer die Prozesse intuitiv sind und in den meisten Fällen deterministische und wiederholbare Ergebnisse erzielen, wird als wiederholbar bezeichnet. Auf Ebene drei sind Prozesse dokumentiert und bieten Standardverfahren sowie klar definierte Ergebnisse/Leistungen. Diese Stufe wird als definiert bezeichnet. Die vierte Stufe (kontrolliert), basiert auf kritischen Erfolgsfaktoren, wobei Key Performance Indikatoren (KPIs) zur Quantifizierung der Prozessleistung definiert und kontinuierlich gemessen werden. Der höchste Reifegrad wird als optimiert bezeichnet. Hier wurde der Zyklus der kontinuierlichen Verbesserung umgesetzt und basiert auf Kennzahlen und internen Audits. Auf dieser Ebene ist der Prozess in Bezug auf Effektivität, Effizienz und Compliance verbessert. Unternehmen würden diese Stufen im Rahmen der Beschreibung ihres aktuellen Zustands identifizieren.

3.2 Implementierte Prozesse und Reifegrad

Das Verhältnis zwischen der Anzahl der implementierten Prozesse und der Reifegrade ist von Interesse für den vorliegenden Forschungsbeitrag. Um die Wirkung der Gesamtzahl der durchgeführten Prozesse auf den Reifegrad der Implementierung zu verstehen, wurden zunächst zwei mögliche Thesen aufgestellt. Jedoch wurde nur eine von diesen von den Autoren ausgewählt. Die erste mögliche These ist, dass Unternehmen Prozesse auswählen und implementieren, die ihrer Meinung nach die größten Vorteile für ihr Unternehmen bieten oder Prozesse, die ihnen dabei helfen, konkrete Defizite zu beheben. Gammelgård et al. (2007) legen nahe, dass Unternehmen dazu neigen, diejenigen Prozesse einzuführen, die sie am meisten benötigen. Tuttle und Vandervelde (2007) argumentieren, dass während der Umsetzung von Geschäftsprozessmanagement-Frameworks nicht alle Prozesse berücksichtigt werden. Daher würden die Unternehmen, die nur einige der Prozesse implementiert haben, den Reifegrad ihrer ITIL-Implementierung auf Basis der Reife dieser implementierten Prozesse angeben, anstelle der Reife des gesamten ITIL-Frameworks.

Umgekehrt besteht eine weitere mögliche These darin, dass die Reife der ITIL-Implementierung auf dem gesamten Lebenszyklusmodell beruht. Deshalb basiert die Wahrnehmung des Reifegrades eher auf dem vollständigen ITIL-Modell, anstelle der Reife der implementierten Prozesse. Daraus folgt, dass je mehr ITIL-Prozesse von den Unternehmen implementiert werden, desto höher auch die Reife der ITIL-Implementierung in diesen Unternehmen ist. Im vorliegenden Forschungsprojekt wird die letztere These unterstützt. Da die Anzahl der Prozesse je nach Version variiert, wird jede Version separat analysiert. Die These lautet:

  1. T1:

    Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen den implementierten Prozessen und der wahrgenommen Reife der ITIL-Implementierung.

3.3 Wahrgenommene Herausforderungen und Reifegrad

Diese Forschung zielt darauf ab, zu verstehen, welche Auswirkungen vorhandene Reifegrade auf die wahrgenommenen Herausforderungen der Implementierung haben. Die These der Wirkung der wahrgenommenen Herausforderungen auf den Reifegrad basiert auf dem Modell des Lernkurveneffekts. Die Lernkurve, auch als Erfahrungskurve bezeichnet, stellt ein Phänomen dar, das ursprünglich von Wright (1936) beobachtet wurde. Wright argumentiert, dass Lernen für die Produktion von jeglichen Waren oder Dienstleistungen auftreten kann. Durch Anwendung dieses Modells auf unsere These können wir davon ausgehen, dass die Organisation Erfahrungen zu dem Umgang mit Herausforderungen erlangt und effizienter wird, da sie in ihrem Lernen fortschreitet, sodass die Wahrnehmung der Herausforderungen im Lauf der Zeit nachlässt. Dementsprechend lautet unsere zweite These wie folgt:

  1. T2:

    Es besteht eine negative Beziehung zwischen Reifegraden der ITIL-Implementierung und der wahrgenommenen Herausforderungen der Implementierung.

3.4 Anzahl der realisierten Vorteile und Reifegrade

Die nächste Frage zielt auf das Verständnis der Gesamtzahl der realisierten Vorteile durch die Implementierung von ITIL für jedes Unternehmen ab. Anstatt sich auf die einzelnen Vorteile zu konzentrieren, nach denen gefragt wurde, liegt der Fokus dieser Forschung darin, die Gesamtzahl der realisierten Vorteile für die Unternehmen zu untersuchen. Folglich werden für jedes Unternehmen die realisierten Vorteile aufsummiert. Der gleiche Ansatz wird für die Anzahl der Vorteile verwendet, die durch Metriken unterstützt werden sowie für die Anzahl der Vorteile, die von den Geschäftsbereichen wahrgenommen wurden.

Im vorliegenden Beitrag wird die Ansicht vertreten, dass die Vorteile von ITIL zunächst durch die IT festgestellt werden und dass Metriken zum Beleg der Vorteile in früheren Stadien nicht zur Verfügung stehen. Zu späteren Reifegraden werden diese Vorteile von Metriken unterstützt und werden dann auch von den Geschäftsbereichen wahrgenommen.

Für diese These wird das Gesetz des abnehmenden Ertrags in die Betrachtung mit einbezogen. Dieses schlägt vor, dass die Bemühungen im Zuge einer kontinuierlichen Verbesserung für ein bestimmtes Projekt oder Ziel zu einem Rückgang der Effektivität führen, sobald ein bestimmter Grad der Ergebniserreichung erlangt ist (Drucker et al. 1998). Mit anderen Worten: Nach einem gewissen Maß an Standardisierung führt die Erhöhung der Standardisierung zu weiteren Vorteilen. Folglich wird die folgende These vorgeschlagen:

  1. T3a:

    Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Reifegraden der ITIL-Implementierung und der wahrgenommen realisierten Vorteile.

Wir erwarten auch, dass die Zahl der realisierten Vorteile, die durch Metriken unterstützt werden, erst zu späteren Reifegraden und nicht zu den früheren Reifegraden sichtbar wird. Dem Verständnis der Autoren zufolge wird im Falle von späteren Reifegraden von Unternehmen erwartet, Metriken regelmäßig zu nutzen. Insbesondere besteht das Interesse an dieser These nicht darin, zu sehen, ob Unternehmen Metriken per se nutzen, sondern vielmehr, ob die verwendeten Metriken die Wahrnehmung der erreichten Vorteile unterstützen können. Mit anderen Worten: Es ist wichtig, zu verstehen, ob IT-Führungskräfte die Vorteile der ITIL-Implementierung mit dem Einsatz von Metriken quantifizieren können. In ähnlicher Weise kann das Unternehmen die Vorteile der ITIL-Implementierung auf den späteren Ebenen der Akzeptanz erkennen, möglicherweise aufgrund eines besseren Business-IT-Alignments. Daher werden die folgenden Thesen vorgeschlagen:

  1. T3b:

    Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Reifegraden der ITIL-Implementierung und der Nutzung von Metriken, um die realisierten Vorteile zu messen.

  2. T3c:

    Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Reifegraden der ITIL- Implementierung und der Wahrnehmung der realisierten Vorteile durch den Geschäftsbereich.

4 Methodik

Der Fragebogen wurde online in den Monaten April und Mai 2009 zur Verfügung gestellt. Eine Einladung zur Umfrage wurde per E-Mail an Personen gesendet, die auf den Mailinglisten von Hornbill und des IT-Service-Management-Forums (itSMF) in den USA und Großbritannien stehen. Darüber hinaus wurde die Umfrage in einem Versuch, die Ergebnisse dieser Forschung zu erweitern, in verschiedenen Internetgruppen und -foren angekündigt, die sich einzig mit dem Thema ITIL befassen. Die Zielteilnehmer der Umfrage sind Experten in ITIL in ihrer Organisation, die umfassend an der Implementierung von ITIL beteiligt sind.

Die Struktur des Fragebogens adressiert viele Aspekte von ITIL, dessen Einführung, Verwendung, Implementierung und Reife sowie die Effektivität von Prozessen und realisierten Vorteilen. Er umfasst zudem die Themen Business-IT-Alignment und Service-Desk-Nutzung. Die Erhebung beinhaltete Fragen, für deren Antworten Likert-Skalen, nominale Skalen und offene Fragen verwendet wurden.

Zunächst wurden die Befragten gebeten, die Wahrnehmung der Reife ihres ITIL-Prozesses auf einer auf CobiT und CMMI basierenden Skala einzuordnen.

Die Befragten wurden auch gebeten, anzugeben, welche Version von ITIL sie implementiert haben. Darauf aufbauend wurden sie aufgefordert, die Prozesse auszuwählen, die sie unter Berücksichtigung ihrer ITIL-Version umgesetzt haben. Alle Prozesse wurden in der Umfrage aufgeführt.

Darüber hinaus wurden die Befragten nach ihrer Wahrnehmung der Herausforderungen der ITIL-Implementierung befragt. Sie wurden gebeten, Herausforderungen auf einer Skala von 1 bis 5 zu bewerten, wobei 1 keine Herausforderung und 5 große Herausforderung bedeutete. Die untersuchten Herausforderungen, die auf Basis unserer Literaturstudie gesammelt und in Tab.  3 zusammengefasst wurden, sind der Mangel an Unterstützung durch die Geschäftsleitung, das geschäftliche Verständnis der Ziele von ITIL, der Mangel an Ressourcen (Zeit oder Personen), mangelnde interne Kenntnisse/Fähigkeiten in Bezug auf ITIL, fehlende Finanzierung/Kosten der Einführung, organisatorischer/kultureller Widerstand gegen Veränderungen sowie der Erhalt der dynamischen Entwicklung/Fortschritt stagniert.

Schließlich sollten die Befragten die realisierten Vorteile auswählen, die durch die Einführung von ITIL erreicht werden konnten. Die in der Umfrage aufgeführten Vorteile sind Verbesserungen: der Service-Qualität, der Kundenzufriedenheit, als Resultat standardisierter Prozesse, der Interaktion von IT mit dem Rest des Unternehmens, durch Reduzierung der IT-Ausfallzeiten, der Rendite für die IT-Ausgaben (ROI), durch Anwendung der Best-Practice-Erfahrungen anderer, bei der Messung des finanzielle Beitrags der IT für das Unternehmen, der Call-Fix-Rate und der Moral der IT-Mitarbeiter. Diese Vorteile sind in Tab.  2 dargestellt. Wenn die Befragten einen dieser Vorteile realisiert hatten, konnten sie wählen, ob diese Vorteile durch Metriken unterstützt wurden und ob das Unternehmen die Verbesserungen wahrgenommen hatte.

5 Ergebnisse

5.1 Profil der Befragten

Mehr als 5.000 Einladungen wurden an die Mitglieder des itSMF UK und US sowie an die Mailingliste von Hornbill geschickt. Von den 784 IT-Führungskräften, die die Umfrage starteten haben 503 die Befragung abgeschlossen und abgeschickt. Zwölf Antworten wurden als ungültig identifiziert und aus der statistischen Analyse ausgeschlossen. Nur zum Teil ausgefüllte Fragebögen wurden nicht in der Studie verwendet. Vier Fünftel derjenigen, die die Umfrage abgeschlossen hatten, waren Teilnehmer, die direkt zur Umfrage eingeladen wurden, während die restlichen Teilnehmer durch den Eintrag in Foren gewonnen werden konnten. Die Rücklaufquote der Einladungen zur Umfrage betrug acht Prozent.

Die Teilnehmer wurden nach der Branche ihres Unternehmens, der Anzahl der durch die IT unterstützten Standorte, der Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen sowie deren Titel und deren Einsatzort befragt. Tabelle  4 stellt das Profil der Befragten dar. In der Stichprobe stammen rund drei Viertel der Befragten aus den Branchen Technologie, Öffentlichkeit und dem Finanz- und Bankensektor. Andere genannte Sektoren umfassen bspw. die Branchen Freiberufler, Handel und Fertigung.

Tab. 4 Profil der befragten Unternehmen (n=491)

Fast 70 % der Befragten nannten zehn oder mehr Standorte, die durch eine zentrale IT unterstützt werden und knapp 20 % gaben zwei bis fünf Standorte an. Fast 45 % der Befragten arbeitet in einem Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern. Die Aufgabengebiete der Befragten werden ebenfalls in der Tab.  4 angegeben. Bei den Teilnehmern der Umfrage waren 33 % IT-Manager, während es sich bei 23 % um prozessspezifische Manager handelte. Durch den Einsatz von Mailinglisten und die Entsendung von Einladungen zur Umfrage auf englischsprachigen Websites, kam die Mehrheit der Antworten aus Großbritannien (52 %) und den USA (36 %), während verschiedene weitere Antworten aus Kanada, Indien und Irland stammen.

Abbildung  1 zeigt die Implementierungsreife von ITSM-Frameworks für alle Teilnehmer. Wie der Abb.  1 zu entnehmen ist, ordnet mehr als die Hälfte der Befragten ihre Implementierungen entweder auf Stufe 2 (wiederholbar) mit 32 % oder auf Stufe 3 (definiert) mit 25 % ein, während sich eine Minderheit an den Extremen einordnete, Stufe 1 (anfänglich) mit 13 % und Stufe 5 (optimiert) mit 11 %.

Abb. 1
figure 1

Reife der ITIL-Implementierung in den befragten Unternehmen (n=491)

5.2 Empirischer Befund

Für jede Variable wurde eine explorative Analyse durchgeführt, um die Normalitätzu ermitteln. Sowohl der Kolmogorov-Smirnov- als auch der Shapiro-Wilk-Test wiesen Signifikanz für die Versionen von ITIL (p<0,001), für alle Variablen, die die Herausforderungen der ITIL-Einführung beschreiben (p<0,001) und für die durch ITIL realisierten Vorteile (p<0,001) auf. Da die Daten nicht normalverteilt waren, wurde der Kruskal-Wallis-Test, eine nicht-parametrische einseitige Varianzanalyse, genutzt, um die Daten zu analysieren. Wenn die Daten auf Basis des Kruskal-Wallis-Tests signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen zeigten, wurde der Mann-Whitney-U-Test angewandt.

Da es für die Studie von Relevanz ist, wie die genannten Variablen durch die Erhöhung der ITIL-Implementierung beeinflusst werden, wurden die Testmaßnahmen sorgsam ausgewählt. Der Mann-Whitney-U-Test erhöht die Typ-I-Fehlerrate, sodass die Wahl der getroffenen Vergleiche sorgfältig durchgeführt wurde.

Die vorgeschlagenen Vergleiche sind zwischen den ersten und mittleren Reifegraden der ITIL-Implementierung, den ersten und letzten Reifegraden der ITIL-Implementierung sowie zwischen den mittleren und letzten Reifegraden der ITIL-Implementierung.

Daher wurden die folgenden drei Tests durchgeführt:

  • Test 1: Reifegrad 1 (anfänglich) verglichen mit Reifegrad 3 (definiert)

  • Test 2: Reifegrad 1 (anfänglich) verglichen mit Reifegrad 5 (optimiert)

  • Test 3: Reifegrad 3 (definiert) verglichen mit Reifegrad 5 (optimiert)

Da drei Tests durchgeführt wurden, wurde eine Bonferroni-Korrektur angewandt. Durch diese Korrektur, anstelle der Verwendung des kritischen Signifikanzniveaus von 0,05, wiesen alle Effekte ein Signifikanzniveau von 0,0167auf. Alle resultierenden p-Werte verwenden 2-Tailed Monte-Carlo p-Werte mit einem Konfidenzniveau von 99 % und einer Reihe von Samples mit 10.000. Dieses Verfahren wurde aufgrund der großen Stichprobe eingesetzt.

Zusätzlich wurde der Jonckheere-Terpstra-Test verwendet, um die Trends innerhalb der Daten zu untersuchen. Schließlich wurde r verwendet, um die Intensität der Beziehung zwischen den Variablen zu messen (Rosenthal 1991, S. 19). Cohen schlägt vor, dass die Größen für die Wirkungen klein (0,1), mittel (0,3) oder groß (0,5) einzuordnen sind. In den nächsten Abschnitten werden folgende Abkürzungen verwendet: H entspricht der Kruskal-Wallis-Statistik, U repräsentiert die Mann-Whitney-U-Statistik, während J die beobachtete JT-Statistik symbolisiert.

5.2.1 Implementierte Prozesse und Reifegrad (T1)

Die Anzahl der implementierten Prozesse für beide Versionen von ITIL, Version 2 (n=248) und Version 3 (n=193), wurden untersucht, um die Auswirkungen auf den Reifegrad der Implementierung zu verstehen. Abbildung  2 zeigt den Mittelwert und den Median der Zahl der realisierten Prozesse für die ITIL-Version 2 oder ITIL-Version 3 für jeden der einzelnen Reifegrade.

Abb. 2
figure 2figure 2

Deskriptive Statistiken der implementierten Prozesse für Version 2 und 3

Im Allgemeinen beeinflusst die Zahl der implementierten Prozesse den Reifegrad der Umsetzung signifikant (Version 2 H(4)=99,03, p<0,001, Version 3 H(4)=82,108, p<0,001). Es wurden Mann-Whitney-U-Tests durchgeführt, um die Ergebnisse weiter zu untersuchen. Tabelle  5 zeigt, dass die Anzahl der implementierten Prozesse beim Vergleiche der Stufen anfänglich (1) und definiert (3) signifikant ist. Die gleiche Situation lässt sich beim Vergleich der Stufen anfänglich (1) und optimiert (5) feststellen. Beim Vergleich des Grades definiert (3) mit dem Grad optimiert (5) wurde ebenfalls Signifikanz beobachtet. Mithilfe des Benchmarks von Cohen zeigt sich, dass es eine mittlere bis große Veränderung der Anzahl der implementierten Prozesse gibt, wenn die Reife zunimmt.

Tab. 5 Ergebnisse des Mann-Whitney-Tests für ITIL-Versionen und Reifegrad

Mithilfe des Jonckheere-Tests kann ein signifikanter Trend in den Daten beobachtet werden. Wenn der Grad der Reife steigt, steigt auch der Median der Anzahl der implementierten Prozesse (Version 2: J=18001, z=10,49, r=0,67, Version 3: J=11398, z=9,63, r=0,69).

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass unabhängig von der jeweiligen ITIL-Version die Anzahl der implementierten Prozesse mit dem Grad der Reife der Implementierung steigt.

5.2.2 Wahrgenommene Herausforderungen und Reifegrad (T2)

Die Befragten wurden gebeten, Herausforderungen auf einer Skala von 1 bis 5 einzuordnen, wobei 1 keine Herausforderung und 5 große Herausforderung bedeutete. Abbilding  3 zeigt die wahrgenommene Reihenfolge der Herausforderungen. Die am niedrigsten eingeordnete Herausforderung war das Fehlen von Wissen und Fähigkeiten, sehr dicht gefolgt von der Unterstützung durch die Unternehmensführung. Eine Herausforderung, die von den Befragten als sehr hoch eingestuft wurde, ist das Fehlen von Ressourcen.

Abb. 3
figure 3

Deskriptive Statistik für die Bewertung der Herausforderungen (1=keine Herausforderung, 5=große Herausforderung)

Tabellen  6 und 7 zeigen die Mittelwerte und Mediane für jede Herausforderung und den Reifegrad, während Abb.  4 und 5 eine graphische Darstellung der durchschnittlichen Bewertung der Wahrnehmung der Herausforderung für jede der untersuchten Herausforderungen für Unternehmen zu verschiedenen wahrgenommenen Reifegrade darstellen. Hier kann ein Abwärtstrend beobachtet werden. Sobald der wahrgenommene Reifegrad steigt, nimmt die Wahrnehmung der Herausforderung der Umsetzung ab.

Abb. 4
figure 4

Deskriptive Statistik zu jedem Reifegrad für jede Herausforderung (Teil I)

Abb. 5
figure 5

Deskriptive Statistiken zu jedem Reifegrad für jede Herausforderung (Teil II)

Tab. 6 Deskriptive Statistik zu jedem Reifegrad für jede Herausforderung (Teil I)
Tab. 7 Deskriptive Statistik zu jedem Reifegrad für jede Herausforderung (Teil II)

Im Allgemeinen sind Herausforderungen der Einführung von ITIL wesentlich durch die Reife der ITIL-Implementierung geprägt: Mangelnde Unterstützung durch die Geschäftsleitung (H(4)=37,75, p<0,001), Geschäftliches Verständnis der Ziele von ITIL (\(H(4)= 42{,}19\), p<0,001), Mangel an Ressourcen, Zeit oder Personen (H(4)=32,39, p<0,001), Mangel an internen Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ITIL (H(4)=42,86, p<0,001), Fehlende Finanzierung/Kosten der Einführung (H(4)=14,21, p<0,01), Organisatorischer/Kultureller Widerstand gegen Veränderungen (H(4)=33,41, p<0,001), Erhalt der dynamischen Entwicklung/Fortschritt stagniert (H(4)=18,88, p<0,005). Auch im Anschluss an diese Ergebnisse wurden Mann-Whitney-Tests durchgeführt.

Tabelle  8 stellt die Ergebnisse der selektiven Vergleiche dar. Es kann beobachtetwerden, dass zwischen den Ebenen anfänglich (1) und definiert (3) Signifikanz für ein Verständnis der Ziele von ITIL im Geschäftsbereich, den Mangel an Ressourcen, Zeit oder Personen, den Mangel an internen Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ITIL sowie einen organisatorischen bzw. kulturellen Widerstand gegen Veränderungen besteht. Basierend auf dem Benchmark von Cohen kann eine kleine bis mittlere Veränderung bei der Reduzierung der Wahrnehmung der Herausforderungen festgestellt werden, sobald die sich die Reife der Implementierung erhöht. Es konnte jedoch keine Signifikanz für die mangelnde Unterstützung durch dieGeschäftsleitung, fehlende Finanzierung/Kosten der Einführung und den Erhalt der dynamischen Entwicklung/Fortschritt stagniert festgestellt werden.

Tab. 8 Ergebnisse des Mann-Whitney-Tests für die Wahrnehmung der Herausforderungen und Reifegrade

Beim Vergleich von anfänglich (1) mit optimiert (5) kann Signifikanz für alle Variablen mit einer mittleren Effektstärke beobachtet werden.

Schließlich kann Signifikanz beim Vergleich von Reifegrad definiert (3) und Reifegrad optimiert (5) für fehlende Unterstützung durch die Geschäftsleitung, geschäftliches Verständnis der Ziele von ITIL, Mangel an Ressourcen, Zeit oder Personen, Fehlende Finanzierung/Kosten der Einführung, Organisatorischer/Kultureller Widerstand gegen Veränderungen festgestellt werden. Marginale Signifikanz besteht bei den Herausforderungen Mangel an internen Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ITIL und Erhalt der dynamischen Entwicklung/Fortschritt stagniert.

Der Jonckheere-Test ergab einen signifikanten Trend in den Daten. Wenn der Grad der Reife steigt, nimmt der Median der Herausforderungen ab (Mangel an Unterstützung durch die Geschäftsleitung J=36500, z=−5,9, r=−0,26, Geschäftliches Verständnis der Ziele von ITIL J=35298, z=−6,6, r=−0,30 Mangel an Ressourcen, Zeit oder Personen J=37332, z=−5,5, r=−0,25, Mangelnde interne Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf ITIL J=35233, z=−6,7, r=−0,30, Fehlende Finanzierung/Kosten der Einführung J=40536, z=−3,6, r=−0,16, Organisatorischer/Kultureller Widerstand gegen Veränderungen J=36699, z=−5,8, r=−0,26, Erhalt der dynamischen Entwicklung/Fortschritt stagniert J=39816, z=−4.0, r=−0,18).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Reife der Implementierung erhöht, wenn die Wahrnehmung der Schwierigkeiten bei der Bewältigung der im Rahmen dieser Forschung untersuchten Herausforderungen abnimmt. Die Herausforderung „Erhalt der dynamischen Entwicklung/Fortschrittstagniert“ ist der einzige Faktor, der keine Signifikanz bei der Analyse der Reifegrade anfänglich (1) und definiert (3) aufweist und nur marginale Signifikanzbeim Vergleich von definiert (3) und optimiert (5) besitzt. Allerdings besteht bei der Überprüfung von anfänglich (1) und optimiert (5) Signifikanz. Bei der Analyse der Variablen Mangel an Unterstützung durch die Geschäftsleitung und Fehlende Finanzierung/Kosten der Einführung kann beobachtet werden, dass auf den unteren Ebenen der Implementierung keine Signifikanz besteht. Vergleicht man jedoch definiert (3) mit optimiert (5), kann Signifikanz festgestellt werden.

5.2.3 Zahl der realisierten Vorteile und Reifegrade (T3)

Abbildung  6 stellt die Vorteile der Unternehmen, die ein ITSM-Framework implementiert haben, im Detail dar. Insgesamt scheint die Abb.  6 die Annahme nahe zu legen, dass die Hälfte der Befragten eine Verbesserung der Servicequalität sowie eine Zunahme der Verwendung standardisierter Prozessen wahrnimmt. Drei Vorteile, die nur von knapp von einem Zehntel der Befragten angegeben wurden, umfassen den Return on Investment (ROI), die Moral des IT-Personals sowie die Verbesserung der Messung des finanziellen Beitrags der IT.

Abb. 6
figure 6

Anteile der Unternehmen, die einen Vorteil realisiert haben

Bei der Durchführung des Kruskal-Wallis-Tests wird die Zahl der realisierten Vorteile signifikant durch den Reifegrad der Implementierung beeinflusst (H(4)=134,49, p<0,001 für die Gesamtzahl der realisierten Vorteile, H(4)=139,37, p<0,001 für die realisierte Vorteile, die durch Metriken unterstützt werden, H(4)=91,64, p<0,001 für realisierte Vorteile, die vom Geschäftsbereich wahrgenommen wirden). Der Mittelwert und der Median der Vorteile für jeden der verschiedenen Reifegrade werden in Tab.  9 dargestellt.

Tab. 9 Deskriptive Statistik der realisierten Vorteile (n=491)

Abbildung  7 stellt die wahrgenommene Anzahl der realisierten Vorteile für Unternehmen mit verschiedenen Reifegraden der Umsetzung dar. In Abb.  7 ist ein Aufwärtstrend zu beobachten. Unternehmen, die sich auf höheren Ebenen der wahrgenommenen Implementierungsreife befinden, glauben, eine größere Anzahl von Vorteilen zu realisieren.

Abb. 7
figure 7

Deskriptive Statistik der realisierten Vorteile (n=491)

Wie in Tab.  10 gezeigt, ist die Zahl der realisierten Vorteile signifikant höher bei einem Vergleich des Reifegrads anfänglich (1) mit dem Reifegrad definiert (3). Basierend auf dem Benchmark von Cohen liegt eine große Veränderung der Zahl der realisierten Vorteile vor, sobald die Reife zunimmt. Dies lässt sich auch beobachten beim Vergleich der Stufe anfänglich (1) mit der Stufe optimiert (5). Schließlich lässt sich beim Vergleich der Grade definiert (3) und optimiert (5) keine Signifikanz feststellen. Dennoch kann Signifikanz bei der Untersuchung der Zahl der realisierten Vorteile, die durch Metriken unterstützt wurden sowie bei der Analyse der Zahl der realisierten Vorteile,die von den Geschäftsbereichen wahrgenommen wurden, festgestellt werden.

Tab. 10 Ergebnisse des Mann-Whitney-Tests für realisierte Vorteile und Reifegrade

Zur Untermauerung der Ergebnisse wurde eine zusätzliche Analyse für jeden der aufgeführten Vorteile durchgeführt. In dieser Analyse werden die individuellen Vorteile der Realisierung auf den verschiedenen Reifestufen ausgewertet. Jede Variable ist dichotom (realisierter Vorteil oder nicht realisierter Vorteil). Der Kruskal-Wallis-Test zeigt, dass alle realisierten Vorteile signifikant durch den Grad der Implementierungsreife beeinflusst werden (Servicequalität H(4)=92,08, p<0,001, Kundenzufriedenheit H(4)=44,41, p<0,001, Ausfallzeit von IT-Ressourcen H(4)=46,41, p<0,001, Vorteile durch die Nutzung einer Best Practice H(4)=42,05, p<0,001, Business-IT-Alignment H(4)=25,45, p<0,001, Call-Fix-Rate H(4)=34,65, p<0,001, standardisierte Prozesse H(4)=68,20, p<0,001, IT-Moral H(4)=19,61, p<0,001, Return on Investment H(4)=26,40, p<0,001, Messung des finanziellen Beitrags H(4)=18,93, p<0,001). Mann-Whitney-Tests wurden im Nachgang zu den Ergebnissen durchgeführt.

Tabelle  11 enthält die Ergebnisse aus diesem Test. Beim Vergleich der Unternehmen auf der Ebene anfänglich (1) mit denen der Ebene definiert (3) wiesen alle Variablen eine signifikante Veränderung auf, mit Ausnahme der Verbesserung der IT-Moral, des Return on Investment und des finanziellen Beitrags. Beim Vergleich der Ebenen definiert (3) und optimiert (5) war nur der Return on Investment signifikant, alle anderen Variablen wiesen keine signifikante Veränderung auf. Dies bestätigt und erweitert die Ergebnisse der vorangegangenen Analyse (T3a). Schließlich kann bei der Gegenüberstellung der Vorteile auf den Ebenen anfänglich (1) und optimiert (5) für alle Variablen Signifikanz beobachtet werden.

Tab. 11 Ergebnisse des Mann-Whitney-Tests für die einzelnen Vorteile und Reifegrade

Der Jonckheere-Test zeigt einen signifikanten Trend in den Daten, da sich bei der Erhöhung des Reifegrads der Median der Zahl der realisierten Vorteile erhöht (J=66553, z=11,44, r=0,52), der Median der Anzahl der realisierten Vorteile, die durch Metriken unterstützt werden, erhöht (J=67164, z=11,69, r=0,54) und sich schließlich ebenfalls der Median der Anzahl der realisierten Vorteile erhöht, die vom Geschäftsbereich wahrgenommen wurden (J=62730, z=9,73, r=0,44).

Es lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Zahl der realisierten Vorteile ebenfalls steigt, sobald der Grad der Reife zunimmt. Allerdings gibt es keine Zunahme in der Zahl der realisierten Vorteile zwischen den Ebenen definiert (3) und optimiert (5). Im Gegensatz dazu zeigt die Untersuchung zu späteren Stadien, dass Unternehmen in der Lage sind, die Vorteile der Implementierung von ITIL durch die verwendeten Metriken aufzuzeigen und auch die realisierten Vorteile darlegen können.

6 Diskussion

Die Ergebnisse der aktuellen Studie bestätigen T1. Diese These besagt, dass die wahrgenommene Reife der ITIL-Implementierung ansteigt, wenn mehr Prozesse von ITIL implementiert werden. Es kann ein positiver direkter Zusammenhang zwischen der Anzahl der implementierten ITIL-Prozesse und dem Reifegrad der ITIL-Implementierung beobachtet werden. Dieses Ergebnis kann auch einen Einblick darüber geben, wie die Unternehmen im Rahmen der Einführung von ITIL die ITIL-Prozesse umsetzen, wobei eher eine Steigerung der Implementierung von Prozessen anstatt der Umsetzung aller Prozesse auf einmal stattfindet. Während IT-Führungskräfte die zu implementierenden Prozesse manuell auswählen, verstehen sie das Framework als Ganzes und nehmen die Reife ihrer Implementierung aus der Perspektive der Reife des gesamten Frameworks wahr.

Im Allgemeinen wird die zweite These T2 ebenfalls bestätigt. Diese besagt, dass die Wahrnehmung der aufgeführten Herausforderungen der Implementierung abnimmt, wenn die Reifegrade der Implementierung steigen. Dies kann als Resultat der Tatsache verstanden werden, dass die Unternehmen, die im Rahmen der Einführung die ersten Herausforderungen der Umsetzung überwinden, Erfahrungen sammeln und die Herausforderungen der Zukunft als weniger komplex wahrnehmen als solche auf den früheren Ebenen. Des Weiteren folgt diese Beobachtung dem Muster des Lernkurvenmodells, bei dem auf den ersten Ebenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung durchlaufen werden, die jedoch durch gewonnene Erfahrung verringert werden können.

Dies kann auch bedeuten, dass diese Herausforderungen reduziert werden, da die Vorteile von ITIL für das Unternehmen und für die im Implementierungsprojekt beteiligten Personen aufgezeigt wurden. Wie Huber (1991) erklärt, tritt organisationales Lernen in einem größeren Ausmaß auf, wenn die gewonnenen Erkenntnisse als nützlich anerkannt werden. Mit anderen Worten wird die Organisation eher lernen, wenn den einzelnen Mitarbeitern und der Organisation die Vorteile bewusst werden. Im Falle dieser Studie kann der Grund für die Reduzierung der Wahrnehmung für die Herausforderungen mit der Zeit auch in den durch die Implementierung erreichten Vorteilen liegen, die die Organisation und die Personen dazu ermutigt, zu lernen und weitere Prozesse zu implementieren.

Bei genauerer Betrachtung zeigen die Herausforderungen wie „Mangel an Unterstützung durch die Geschäftsleitung, fehlende Finanzierung und Erhalt der Dynamik/Projekt stagniert“ keine Signifikanz bei einem Vergleich der Reifegrade der Implementierung anfänglich (1) und definiert (3). Vergleicht man jedoch die Stadien definiert (3) und optimiert (5), sinkt die Wahrnehmung dieser Herausforderungen. Dies kann daraus resultieren, dass in den früheren Reifegraden noch Skepsis vorherrscht. Umgekehrt werden Unternehmen in den späteren Stadien der Implementierung, sobald die Vorteile der ITIL-Implementierung erkannt wurden, eher eine weitere Umsetzung von ITIL unterstützen.

Beim Vergleich der Reifegrade definiert (3) und optimiert (5) kann marginale Signifikanz für die Herausforderungen Mangel an internen Kenntnissen und Fähigkeiten und Erhalt der Dynamik/Projekt stagniert beobachtet werden. Im Fall des Mangels an internen Kenntnisse und Fähigkeiten könnte dies durch die Tatsache begründet sein, dass die Einstellung von Personal, das spezielles Wissen in diesem Bereich hat, schwierig sein kann oder dass die Ausbildungsprogramme, die neu sind, nicht sehr häufig angeboten werden. Erhalt der Dynamik/Projekt stagniert ist die einzige Herausforderung, die nicht als statistisch signifikant in zwei der drei Vergleiche bewiesen werden konnte (Vergleich zwischen anfänglich (1) und definiert (3) sowie von definiert (3) und optimiert (5)). Dies deutet darauf hin, dass diese Herausforderung während des gesamten Projekts im Fokus von IT-Managern liegt und ein kritischer Erfolgsfaktor für die Implementierung sein könnte. Darüber hinaus kann dieser Aspekt als unabhängig von der ITIL-Implementierung betrachtet werden und könnte einen Faktor darstellen, der den Personen zuzuordnen ist, die die Implementierung von ITIL ausführen.

Schließlich erwiesen sich die Ergebnisse der Thesen T3a, T3b und T3C als statistisch signifikant. Die Tatsache, dass Vorteile aus der Einführung von ITIL resultieren stimmt mit den Ergebnissen aus den einzelnen Fallstudien über die Wirksamkeit von ITIL durch Potgieter et al. (2005) und Spremic et al. (2008) überein. Wie Hochstein et al. (2005) berichtet, stellen „quick wins“ kritische Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von ITIL dar. Demnach könnten einige Unternehmen versuchen, Vorteile auf den unteren Ebenen der Implementierung zu realisieren.

Wie durch die Ergebnisse von T3a beobachtet werden kann, erhöht sich die Zahl der realisierten Vorteile, sobald der Reifegrad steigt. Es besteht jedoch keine Signifikanz bei einem Vergleich der Grade definiert (3) und optimiert (5). Daher scheint mit Blick nur auf dieses Ergebnis das Gesetz vom abnehmenden Ertrag für die untersuchten Vorteile von ITIL zuzutreffen. Bei Betrachtung der individuellen Vorteile der Umsetzung zeigte keiner der untersuchten Vorteile eine Veränderung, außer der Return on Investment. Dies deutet darauf hin, dass die Unternehmen während der früheren Stadien den größten direkten Nutzen aus der ITIL-Implementierung erfahren. Es könnte auch darauf hindeuten, dass die meisten der untersuchten Variablen nur für Unternehmen in den früheren Stadien gelten und dass weitere Vorteile existieren könnten.

Betrachtet man die Ergebnisse von T3b und T3C kann nicht sicher gesagt werden, dass das Gesetz des abnehmenden Ertrags gilt. Wie aus den Ergebnissen von T3b ersichtlich wird, werden Verbesserungen, die durch Metriken unterstützt werden, auf den späteren Stufen der Implementierung wahrgenommen. Des Weiteren zeigen sich die Vorteile der ITIL-Implementierung, die von den Geschäftsbereichen wahrgenommen wurden (T3c), ebenfalls erst auf den späteren Stufen der Umsetzung.

Die Untersuchung bietet einen Einblick in die Wahrnehmung der Effektivität von ITIL, der Implementierung von Prozessen und die Entwicklung von Herausforderungen. Darüber hinaus eröffnet dieser Beitrag den Weg für zukünftige Forschungsarbeiten. In der Praxis können die Ergebnisse als Leitfaden für IT-Manager dienen, die eine Einführung von ITIL in Erwägung ziehen oder ITIL bereits eingeführt haben. Für diejenigen, die über eine Einführung nachdenken und Zweifel in Bezug auf den Nutzen von ITIL haben, zeigen die Ergebnisse, dass die Unternehmen durch die Umsetzung von ITIL eine Reihe von Vorteilen erreichen können. Für die IT-Abteilungen, die ITIL bereits eingeführt haben und über die Ausweitung ihrer ITIL-Implementierung nachdenken, wird ein Überblick der Evolution von realisierbaren Vorteilen und darüber, wie die Wahrnehmung der Herausforderungen von der weiteren Implementierung von ITIL beeinflusst wird, geschaffen.

7 Fazit

Basierend auf den erzielten Ergebnissen in den vorangegangenen Abschnitten wurde gezeigt, dass die Anzahl der implementierten Prozesse zunimmt, wenn sich die Reife der ITIL-Implementierung erhöht. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass sich die Herausforderungen der Implementierung verringern, wenn sich die Reife erhöht. Dies wird anhand der Lernkurve sowie von Erkenntnissen des organisationalen Lernens erläutert. Die Ergebnisse führen zu dem Schluss, dass sich die Zahl der realisierten Vorteile erhöht, sobald die Reife von ITIL steigt. Marginaler Nutzen kann beobachtet werden, nachdem die Implementierung den Reifegrad definiert (3) erreicht. Dennoch kann in späteren Phasen der Implementierung weiterer Nutzen durch die ITIL-Implementierung erreicht werden. In diesen späteren Stadien gibt es eine Zunahme in der Nutzung von Metriken, um die Vorteile der Umsetzung zu messen sowie auch in der Anerkennung der Vorteile durch das Unternehmen.

Die Limitationen dieser Studie bestehen darin, dass sich die Untersuchung nur auf die USA und Großbritannien konzentriert und dass sie größere Unternehmen zu stark betrachtet. Diese Forschung zielte nur auf die Befragung von IT-Führungskräften und nur ihre Ansichten sind in der Studie wiedergegeben. Eine weitere Einschränkung ist, dass empirische Studien abhängig von der Qualität der von den Befragten angegebenen Daten sind. Des Weiteren nutzt der Beitrag eine wahrgenommene Reife, die auf einer einzigen Messung beruht. Zudem basieren die Ergebnisse nur auf den Herausforderungen und Vorteilen, die im Rahmen der Umfrage genannt wurden.

Bei der vorliegenden Studie wurden IT-Führungskräfte befragt. Das Ziel weiterer, aktueller Untersuchungen ist daher ein besseres Verständnis durch eine Erweiterung um die Sicht der Geschäftsbereiche auf die Herausforderungen und Vorteile der ITIL-Umsetzung. Ein Vergleich der Ansichten, der Perspektive der IT und der fachlichen Sichtweise, ist hier von großer Relevanz für das Verhältnis von IT und Geschäftsbereichen und damit dem Business-IT-Alignment. Zukünftige Arbeiten sollten eine Längsschnittstudie über den Einfluss von ITIL vervollständigen.