1 Die ökologische und soziale Dimension des Informationsmanagements

Die zunehmende Verbreitung und steigende Abhängigkeit von Informationstechnologien (IT) und darauf aufsetzender Dienste führen zu bisher unberücksichtigten ökologischen und sozialen Herausforderungen. Das Informationsmanagement sieht sich aufgrund dieser Entwicklung mit neuen Anforderungen seitens der Geschäftsbereiche, der Kunden und der Mitarbeiter konfrontiert. Nachhaltiges Informationsmanagement erweitert die bislang primär ökonomisch orientierten Konzepte des Informationsmanagements um zwei neue Dimensionen, einer ökologischen und einer sozialen Perspektive.

In der Wissenschaft wird der ökologische Einfluss der IT auf Mensch und Umwelt in Form von Schadstoffen, Strahlung und Energieverbrauch schon seit vielen Jahren erforscht (Eder 1994, S. 600 ff). In der aktuellen Diskussion um „Green IT“ steht der ökologische Einfluss der IT im Fokus öffentlicher und wissenschaftlicher Betrachtungen. IT-Dienstleister, wie beispielsweise Google, dessen 450 000 Server pro Jahr 800 Gigawattstunden Elektrizität konsumieren, verantworten enorme Mengen indirekter CO2-Emissionen (Chou 2008, S. 93). Der Stromverbrauch aller Server weltweit entspricht in etwa dem Konsum der gesamten polnischen Volkswirtschaft (Koomey 2007).

Die Bedeutung sozialer Fragestellungen für das Informationsmanagement wird nicht zuletzt durch die in jüngster Zeit mit zunehmender Regelmäßigkeit in den Medien kolportierten Fälle von Datenmissbrauch deutlich, bei denen Unternehmen, Mitarbeiter oder Kunden betroffen sind. Der Umgang mit Daten innerhalb vieler Unternehmen wird als problematisch beschrieben (BSI 2009, S. 7). Infolgedessen rückt das Informationsmanagement verstärkt in das Blickfeld externer Interessensgruppen. Die soziale Dimension des nachhaltigen Informationsmanagements bezieht sich einerseits auf Themen der Anwendung von IT durch Individuen und Organisationen, andererseits fallen hierunter auch Herausforderungen der Generierung, Erhaltung und des Schutzes von Wissen, Informationen und Daten.

2 Nachhaltigkeit und Ressourcenorientierung

2.1 Historie und Begriff der Nachhaltigkeit

Das heute vorherrschende Verständnis der Nachhaltigkeit wurde durch die Definition der Brundtland-Kommission im Jahre 1987 geprägt, die „nachhaltige Entwicklung“ als eine Entwicklung bezeichnet, die „den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (Hauff 1987, S. 57).

Auf betrieblicher Ebene hat sich das Konzept der Nachhaltigkeit, ausgehend von Zielen der Ressourcenschonung und des Umweltschutzes, zu einer gleichberechtigten und gleichzeitigen Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele, dem Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, weiter entwickelt. Nachhaltiges Management kann in diesem Zusammenhang als langfristiger, simultaner Optimierungsprozess von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen zur Sicherung einer dauerhaften Geschäftstätigkeit definiert werden (Elkington 1997).

Das Drei-Säulen-Modell bietet Unternehmen und Organisationen einen Rahmen, ihr Wirken auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zu strukturieren und zu beurteilen.

Adressaten eines nachhaltigen Managements sind insbesondere unternehmensinterne (z. B. Fachbereiche, Mitarbeiter) und -externe (z. B. Kunden, Eigentümer, Lieferanten, Geldgeber) Anspruchsgruppen, die über verschiedene Wirkmechanismen einen materiellen oder immateriellen Einfluss auf das Unternehmen ausüben und dadurch zu umwelt- und sozialverträglicher Wertschöpfung anreizen (Freeman 1984). Nachhaltiges Informationsmanagement spricht durch die ausgewogene Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte die Bedürfnisse jeder dieser Anspruchsgruppen an. Dadurch erfolgt ein Beitrag zu den strategischen Zielen des Unternehmens und zu den erfolgskritischen Ressourcen des Informationsmanagements.

2.2 Ressourcenorientierte Sicht auf das Informationsmanagement

Im Kontext unternehmerischer Nachhaltigkeit hat sich die Ressourcentheorie als geeigneter Bezugsrahmen zur Schonung und Erhaltung strategisch wichtiger Unternehmensressourcen bewährt. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die Frage aufzugreifen, welche Anstöße die Ressourcentheorie für die Entwicklung eines nachhaltigen Informationsmanagements leisten kann und wie diese effizient umgesetzt werden können. Die traditionelle, limitierte Fokussierung auf die Ressourcen Information, Kommunikation und Informationstechnik wird der heutigen Rolle des Informationsmanagements im Unternehmen nicht gerecht. Der Erfolg des Informationsmanagements ergibt sich aus Sicht der Ressourcentheorie aus dem Einsatz und der optimalen Kombination bestimmter materieller und immaterieller Ressourcen der Organisation. Wade u. Hulland (2004, S. 107 ff) identifizieren diesbezüglich aus einer Vielzahl von Studien acht wesentliche Kernressourcen des Informationsmanagements. Diese unterscheiden die Autoren in inputbezogene, übergreifende und outputbezogene Ressourcen (Tab. 1).

Tab. 1 Ressourcen des Informationsmanagements (Wade u. Hulland 2004, S. 112)

Die Ressourcentheorie geht von der Annahme aus, dass die Wettbewerbsvorteile und der damit einhergehende Erfolg einer Unternehmensfunktion, in diesem Fall des Informationsmanagements, davon abhängen, inwieweit es dazu beiträgt, diese Ressourcen zu beschaffen, effizient zu nutzen, zu erhalten und langfristig zu sichern (Wade u. Hulland 2004, S. 107 ff).

3 Aufbau eines nachhaltigen Informationsmanagements

3.1 Grundlagen und Merkmale

Im deutschsprachigen Raum hat sich eine Vielzahl von Konzepten des Informationsmanagements etabliert. Grundsätzlich werden diese in problemorientierte, aufgabenorientierte, prozessorientierte, ebenenorientierte und architekturorientierte Konzepte unterschieden (Krcmar 2005, S. 28–47). Diese Konzepte beinhalten bereits viele Aspekte eines nachhaltigen Informationsmanagements, ohne sie jedoch explizit herauszustellen.

Anhand des vorgestellten Grundkonzepts der Nachhaltigkeit und der Ressourcentheorie kann ein idealtypisches Modell des nachhaltigen Informationsmanagements herausgearbeitet werden (Tab. 2).

Tab. 2 Merkmale eines nachhaltigen Informationsmanagements

Der Zweck eines nachhaltigen Informationsmanagements besteht in seinem Beitrag zur Unternehmensvision und -strategie sowie den daraus abgeleiteten strategischen Zielen des Unternehmens, in der neben ökonomischen auch ökologische und soziale Ziele konkret angesprochen werden.

Diese Ziele gelten nicht nur für die Ressource Information, sondern für alle, aus Sicht der Ressourcentheorie als wesentlich identifizierten, Ressourcen. Adressaten eines nachhaltigen Informationsmanagements sind explizit sämtliche Anspruchsgruppen. Da Umwelt- und Sozialthemen strategische Querschnittsaufgaben im Unternehmen sind, kann sich die Hauptverantwortung für das Informationsmanagement im Unternehmen auf die Ebene eines Chief Operating Officers (COO) verlagern.

3.2 Wirkungskreislauf

Die in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellten Einzelaspekte der Nachhaltigkeit, der Ressourcentheorie und des Informationsmanagements können im Rahmen eines Wirkungskreislaufs für nachhaltiges Informationsmanagement zusammengefasst werden (Abb. 1).

Abb. 1
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Wirkungskreislauf eines nachhaltigen Informationsmanagements

Im Mittelpunkt jeder planerischen Überlegung des nachhaltigen Informationsmanagements stehen die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen (Abb. 1, (1.)). Je nach Bedeutsamkeit und Einflusspotential leiten sich gewichtete, kurz- und langfristige ökonomische, ökologische und soziale Ziele für das Informationsmanagement ab, die sich auf dem Drei-Säulen-Modell des nachhaltigen Managements begründen (Abb. 1, (2.)). Diese Ziele erreicht das Informationsmanagement durch Aufbau, Nutzung, Erhaltung und Sicherung seiner wesentlichen Ressourcen (Abb. 1, (3.)). Die dazu notwendigen Umsetzungsschritte erfolgen in Anlehnung an das Metamodell des Business Engineering auf der Strategie-, Prozess- und Systemebene des Informationsmanagements (Österle u. Blessing 2000) (Abb. 1, (4.)). Am Ende bedienen die konkreten Maßnahmen und Handlungsfelder des Informationsmanagements die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen. Zahlreiche aktuell diskutierte Themen, wie z. B. Serviceorientierung oder Grid-Computing, lassen sich eindeutig durch die Ziele eines nachhaltigen Informationsmanagements motivieren (Abb. 1, (5.)).

Maßnahmen aus dem Bereich der „Green IT“ verbessern beispielsweise durch die Senkung des Energieverbrauchs die ökonomische und ökologische Bilanz (Buhl et al. 2009, S. 55). Dadurch werden Bedürfnisse der Geschäftsführung und der Fachbereiche, aber auch der Mitarbeiter und der Kunden, angesprochen. Die Ressourcen, die in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle spielen, sind in erster Linie die Infrastruktur, die internen und externen Beziehungen sowie die Marktorientierung. Damit ist das Modell des nachhaltigen Informationsmanagements in der Lage, komplexe Beziehungen und Wirkungen zwischen Akteuren, Zielen, Ressourcen und Maßnahmen zu veranschaulichen.

3.3 Maßnahmen und Umsetzung auf der Prozessebene

Einzelne Maßnahmen können den Ebenen des Informationsmanagements zugeordnet werden. So betrifft beispielsweise der Einsatz von Servervirtualisierung im Rechenzentrum insbesondere den IT-Produktionsprozess und die Systemebene, wohingegen komplexere Maßnahmen, wie unter anderem das Grid- oder Cloud-Computing, Anpassungen in der gesamten Strategie, den Prozessen und den Systemen des Informationsmanagements erforderlich machen.

Auf diese Weise lassen sich aktuelle Maßnahmen strukturiert einordnen. In Anlehnung an Schmidt et. al. (2009) kann beispielsweise die Prozessebene des nachhaltigen Informationsmanagements betrachtet und mit der ökologischen und sozialen Zieldimension in einem Portfolio verknüpft werden. Dadurch ergeben sich vielfältige Kombinationsmöglichkeiten (Tab. 3). Auf diese Weise kann gezeigt werden, welchen – über die ökonomische Dimension hinausgehenden Einfluss – eine Maßnahme haben kann.

Tab. 3 Exemplarische Maßnahmen und ihr Beitrag zu den ökologischen und sozialen Zieldimensionen der Nachhaltigkeit (Schmidt et al. 2009, S. 7

4 Bedeutung für die Wirtschaftsinformatik

In Zukunft wird die Bedeutung ökologischer und sozialer Themen im Informationsmanagement weiter zunehmen. Einerseits soll sich der durch die IT verursachte Anteil an den gesamten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 auf drei Prozent erhöhen. Andererseits kann die IT durch intelligente Geschäfts- und Produktionsprozesse oder durch Umweltinformationssysteme einen wichtigen Beitrag zur Ressourcenschonung im Unternehmen leisten (Buhl et al. 2009, 54 ff). Diese nach innen und außen gerichteten Perspektiven werden im Konzept des nachhaltigen Informationsmanagements integriert.

Für die Wirtschaftsinformatik bietet sich durch die explizite Berücksichtigung der Anspruchsgruppen, der Nachhaltigkeitsziele und der Ressourcen ein ganzheitlicher Strukturierungsansatz mit einer Vielzahl von Forschungsfragen. So stellt sich die Frage, durch welche konkreten Maßnahmen die IT dazu beitragen kann, die spezifischen ökologischen und sozialen Bedürfnisse einzelner externer und interner Gruppen zu befriedigen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Potentiale und Risiken der zunehmenden Vernetzung zu erkunden und Implikationen für das Informationsmanagement in den Unternehmen abzuleiten.

Entwickelt sich die IT analog zu anderen Branchen, z. B. der Automobilindustrie, dann bleibt zu erwarten, dass Umwelt- und Sozialthemen sowie regulatorische Rahmenbedingungen zukünftig eine größere Rolle spielen werden. So geben in zahlreichen Großunternehmen die Geschäftsbereiche der IT quantitative Nachhaltigkeitsziele vor. Die Ergänzung bestehender Ansätze um eine ökologische und soziale Dimension erscheint daher sinnvoll.

Die Wirtschaftsinformatik kann zukünftig mit einer stärkeren Integration sozialwissenschaftlicher Perspektiven, im Zusammenspiel mit einer Renaissance der Ressourcentheorie, ein breites, gesellschaftlich relevantes Forschungsfeld besetzen und zu dessen systematischer Erforschung einen wichtigen Beitrag leisten.