Zusammenfassung
Die Lehrbuchliteratur zur Kostenrechnung und Investitionsrechnung/Unternehmensbewertung unterscheidet sich trotz einer fortschreitenden konzeptionellen Annäherung der Teilgebiete der Unternehmensrechnung sehr stark, wenn es um die Einbeziehung von Steuern geht. Während Modelle der IR/UB zunehmend Steuerwirkungen integrieren, machen Darstellungen der KR die Einbeziehung von Steuern noch immer von deren „Kostencharakter“ abhängig, der nicht nach ökonomischen, sondern steuerrechtlichen Merkmalen bestimmt und vor allem der Gewerbesteuer zugeschrieben wird. Diese hat auch Eingang in Regulierungsvorschriften der Kostenrechnung gefunden, für die der Wegfall der für den Kostencharakter der GewSt ursprünglich relevanten rechtlichen Merkmale infolge der UntStR 2008 folgenlos blieb. Eine zur Überprüfung der Relevanz ökonomischer und rechtlicher Kriterien vorgenommene Befragung von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden/IHK zeigt, dass deren Auffassungen hinsichtlich des Kostencharakters der GewSt stark divergieren. Während Unternehmen mehrheitlich die GewSt nicht zu den Kosten zählen und offensichtlich nicht in den Preisen überwälzen, zählen Wirtschaftsverbände/IHK die GewSt auch nach der UntStR 2008 nach wie vor zu den Kosten.
Abstract
Textbooks in the areas of Management Accounting, Finance and Valuation treat taxes very differently. Finance and Valuation increasingly consider tax effects. Management Accounting considers taxes only if they meet certain legal “cost” criteria. These criteria follow tax law rules, but not economic rules and primarily consider tax effects of the local business tax only. This view is also reflected in recent cost accounting regulations. We present evidence from a survey of managers and chambers of commerce, according to which practitioners’ views of whether the local business tax is a cost are heterogeneous. The majority of managers do not consider the local business tax as a cost and do not pass it on to customers. The chambers of commerce however still consider the local business tax as a cost.
Notes
Vgl. Ewert und Wagenhofer (2008, S. 64 ff.).
Ebd., S. 451 ff.
Die Inhaltsanalyse erfasst die Bestände der Bibliothek des Wirtschaftswissenschaftlichen Seminars der Universität Tübingen am 30.8.2010. Da die Thematik auf Entscheidungsrechnungen beschränkt wird, wurde Controlling-Literatur aus der Publikationsanalyse ausgeklammert, zumal Stichproben zeigen, dass dort steuerliche Probleme nahezu nie angesprochen werden.
Vgl. hierzu die Übersicht bei Engels (1962).
Vgl. als Überblick über die traditionelle Sichtweise Wöhe (1965, S 7–113); Wöhe widmete dem Problem des Kostencharakters der Steuern und ihrem Einfluss auf das Kostenniveau noch einen Textumfang von 107 Seiten und der Einbeziehung von Steuern in die Investitionsrechnung 50 Seiten.
IDW (2008).
Vgl. Schwenk (2003) und die dort angegebene Literatur.
Siepe (1997).
Vgl. Jonas (2008).
Vgl. Knirsch und Niemann (2006).
Vgl. Zitzelsberger (1990, S. 146 ff.).
Ebd., S. 100.
Ebd.
Die letzte bekannt gewordene empirische Studie von Wagner und Pasternak (1985, S. 149) wies noch 63 Nennungen für den Kostencharakter der GewKSt und 33 für den der GewESt auf. Vereinzelt wird auch in jüngeren Darstellungen z. B. bei Fandel et al. (2009, S. 121) die 1998 abgeschaffte GewKSt noch als Kostensteuer genannt.
Vgl. jüngst Kilger et al. (2007, S. 326).
Zur sachlichen Entscheidungsfeldabgrenzung vgl. Rümmele (1998, S. 12 ff.).
Vgl. aber Grob und Bensberg (2005, S. 86).
Vgl. Klinger (1954).
Vgl. als Überblick Scheffler (2009, S. 251 ff.).
Vgl. Zitzelsberger (1990, S. 107).
Wagner (1999, S. 674).
Vgl. auch Wagner und Pasternak (1985, S. 195).
Zu sachlichen Abgrenzungsproblemen vgl. Rümmele (1998, S. 12 ff.).
Zur Darstellung von Bemessungsgrundlageneffekten vgl. bereits Wagner (1999).
Vgl. Wirtschaftswoche Heft 44 vom 26.10.2009, S. 29.
Vgl. als Überblick Streitferdt (2004).
Vgl. auch Grob und Bensberg (2005, S. 82).
Zur Darstellung von Kontigenztabellen vgl. Fahrmeir et al. (2010, S. 113 f.).
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Wagner, F., Sill, R. Wird die Relevanz von Ertragsteuern für die Unternehmensrechnung nach rechtlichen oder ökonomischen Kriterien beurteilt?. Z Betriebswirtsch 82 (Suppl 5), 191–215 (2012). https://doi.org/10.1007/s11573-012-0601-0
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