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Die Entscheidung über den Verkauf von Wertpapieren unter der Abgeltungssteuer und auf Basis subjektiver Erwartungen

To sell or not to sell securities in the presence of capital gains taxation and subjective expectations

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Zusammenfassung

Mit der Einführung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge zum 1.1.2009 sind in Deutschland realisierte Kursgewinne bei Wertpapieren unabhängig von der Haltedauer zu versteuern. Diese Gesetzesänderung hat zur Folge, dass die Besteuerung von Kursgewinnen auch für mittel - oder langfristig engagierte Investoren bei der Entscheidung über die Veräußerung von Wertpapieren zu berücksichtigen ist. Wir analysieren optimale und auch starre Strategien im Hinblick auf die Veräußerung von Wertpapieren. Neben der Besteuerung werden auch subjektive Erwartungen des Investors einbezogen. Dabei stellt sich heraus, dass für die Entscheidung über den weiteren Verbleib eines Wertpapiers in seinem Besitz die Höhe des Kursgewinns und dessen Besteuerung zwar relevant sind, die subjektiven Erwartungen jedoch eine viel gewichtigere Rolle spielen. Dies gilt umso mehr, wenn Transaktionskosten und eine Begrenzung der steuerlichen Verlustberechnung einbezogen werden. Die Abschätzung der relativen Bedeutung von Besteuerung und subjektiven Erwartungen erfolgt insbesondere unter Rückgriff auf numerische Berechnungen.

Abstract

Since January 1, 2009 realized capital gains on securities are taxable in Germany regardless of the investor’s holding period. This paper examines when a rational investor should optimally sell a security in the presence of capital gains taxes. Besides taxes, our analysis considers the relevance of investor’s subjective expectations about future market prices of the security. The results suggest that investors should base divestment decisions primarily on their expectations. To realize losses or to avoid the realization of taxable gains (i.e. the lock-in-effect) is of minor importance for the optimal divestment strategy. This result becomes even more pronounced when transaction costs and limitations to save taxes by realizing losses are considered. Numerical calculations illustrate the results of our analysis.

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Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4

Notes

  1. Vgl. grundlegend Constantinides (1983) und Stiglitz (1983).

  2. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 25.08.2009 (IX R 60/07) entschieden, dass es keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 Abgabenordnung (AO) darstellt, wenn ein Anleger identische Wertpapiere mit Verlust verkauft und dieselben am gleichen Tag wieder zurückkauft. Der in diesem Urteil behandelte Fall betraf zwar geltendes Steuerrecht vor Einführung der Abgeltungssteuer, hat aber auch aktuelle Bedeutung. Vor allem ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Investor unter der Abgeltungssteuer durch einen Sell&Buyback letztlich keine Steuern spart, sondern nur einen zinslosen Steuerkredit in Anspruch nimmt. Wenn er heute bei einem geringen Marktpreis verkauft und gleich wieder zurückkauft, kann er bei der zukünftigen Liquidation der Anlage nur einen geringeren Einstandspreis steuerlich geltend machen. Folglich muss er auf den dann realisierten Kursgewinn Steuern zahlen, die genau um den Betrag höher sind, den er im Zeitpunkt des Sell&Buyback bei negativem Kursgewinn vom Fiskus bekommen hat. Der Vorteil, den der Investor aus der Inanspruchnahme eines solchen zinslosen Steuerkredits zieht, ist relativ gering. Insoweit kann also auch nicht von einem Gestaltungsmissbrauch gesprochen werden.

  3. Ein subjektiver Wert resultiert insbesondere aus subjektiven Wahrscheinlichkeiten, die der Investor zukünftigen Dividendenzahlungen und Kursentwicklungen zumisst. Obwohl solche subjektiven Wahrscheinlichkeiten eben nicht objektiv überprüfbar sind, ist deren Verwendung in Entscheidungssituationen grundsätzlich anzuraten (vgl. z. B. Laux 2007, S. 125–129). In der Bewertung von Wertpapieren konkurriert die subjektive Bewertung allerdings stets mit der Bewertung durch den Markt, die letztlich alle anderen subjektiven Bewertungen aggregiert. Daraus resultiert ein hoher Anspruch an die Verwendung subjektiver Erwartungen, der im Text im übernächsten Satz thematisiert wird.

  4. Harrison und Kreps (1978) zeigen beispielsweise, dass, bei rationalem Verhalten der Anleger mit heterogenen Erwartungen, der gleichgewichtige Preis eines Wertpapiers von dem Barwert der erwarteten Dividendenzahlungen abweichen kann, wobei dies für alle Barwerte, d. h. alle Erwartungen gilt. Auch in weiteren Beiträgen, die wie Harrison und Kreps (1978) auf einer diskreten Modellierung beruhen, liegt der Untersuchungsschwerpunkt auf dem Einfluss von heterogenen Erwartungen auf die gleichgewichtigen Marktpreise von Wertpapieren (vgl. z. B. Varian 1985, 1989; Abel 1990 oder Jouini und Napp 2006). Unter einer stetigen Modellierung haben neben Williams (1977), der den Einfluss subjektiver Erwartungen auf erwartete Renditen in einem Portfoliokontext zeigt, u. a. Basak (2005) und Detemple und Murphy (1994) den Einfluss von subjektiven Erwartungen auf Wertpapierpreise untersucht.

  5. Auch hier ist wieder der Nach-Steuer-Kapitalkostensatz im Sinne der Rendite nach Steuern einer risikoadäquaten Alternativanlage zu verwenden. Wenn allerdings die Brutto-Rendite der Alternativanlage (teilweise) aus Kursgewinnen resultiert, stellt sich im Mehrperiodenkontext das Problem, dass die Netto-Rendite von der Kursgewinnrealisations-Politik abhängt. Wiese (2007) schlägt in diesem Zusammenhang vor, einen effektiven Kursgewinnsteuersatz in die Bestimmung der Nach-Steuer-Kapitalkosten auf Basis des Brennan-Modells (Brennan 1970) Modells einfließen zu lassen, der unter dem Abgeltungssteuersatz liegt. Damit würde die Steuerstundung durch eine nicht periodische Realisation von Kursgewinnen berücksichtigt. Tatsächlich ist aber die Bestimmung arbitragefreier nachsteuerlicher Kapitalkosten ein noch ungelöstes Problem. Es dürfen nicht einfach Steuerbelastungsfaktoren aufgrund empirisch ermittelter Haltedauern an Kapitalkosten „angeklebt“ werden (vgl. Kruschwitz und Löffler (2004) und Kruschwitz et al. (2010)).

  6. Vgl. § 20, Abs. 6 EStG. Dabei ist einschränkend zu beachten, dass Verluste aus der Veräußerung von Aktien gemäß § 20 Abs. 6, Satz 5 EStG nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden können.

  7. Vgl. insbes. die in Endnote 6 genannte Einschränkung.

  8. Eine ausführliche Dokumentation der Vorgehensweise stellen wir dem interessierten Leser auf Anfrage gerne zur Verfügung.

  9. Als Nachsteuerrendite ist hier die Vorsteuerrendite x (1-Steuersatz) angegeben, d. h. \((1 - 0,26375) \cdot 0,1717 = 0,1264\).

  10. Hold-Till-End“ ist schlechter als „Hold“, wenn der Einstandspreis nur geringfügig unter dem aktuellen Marktpreis liegt. Nur unter dieser Bedingung kann später überhaupt noch ein Kursverlust eintreten, der einen Verkauf vorteilhaft werden lässt. Anderenfalls ist die nach der Wahl von Hold noch bestehende Option auf einen späteren Verkauf (mit Rückkauf) wertlos. Der Unterschied zwischen dem Vermögen bei „Hold“ und dem bei „Hold-Till-End“ ist dann jedoch so gering, dass er in der Abb. 1 nicht erkennbar ist.

  11. Auch wenn die Unterbewertung nur noch sehr gering ausfällt, ist bei sehr hohen Kursverlusten Hold wegen des steuerlichen Vorteils eines Verkaufs nicht optimal.

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Für vielfältige und fundierte Hinweise, die wesentlich zur Verbesserung dieses Aufsatzes beigetragen haben, danken wir den beiden anonymen Gutachtern.

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Nippel, P., Podlech, N. Die Entscheidung über den Verkauf von Wertpapieren unter der Abgeltungssteuer und auf Basis subjektiver Erwartungen. Z Betriebswirtsch 81, 519–549 (2011). https://doi.org/10.1007/s11573-011-0460-0

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