Zusammenfassung
In dem vorliegenden Beitrag wird die Nutzungsmöglichkeit von Verlustvorträgen von Kapitalgesellschaften bei Umwandlungen aus ökonomischer Perspektive untersucht. Dabei gilt es, die steuerlichen Auswirkungen der im Rahmen von Umwandlungen lediglich indirekten Verlustnutzungsmöglichkeit durch Aufstockung der Wirtschaftsgüter sowie der Mindestbesteuerung zu analysieren. Der Beitrag zeigt, dass die für den Gesetzgeber zur Vermeidung von steuergestalterischen Maßnahmen zunächst sinnvolle Anwendung der Mindestbesteuerung auf den Übertragungsgewinn folgende Auswirkungen hat: Zum einen führt die Regelung entgegen den Vermutungen in der Literatur dazu, dass Umwandlungen in keinem Fall mehr vorteilhaft zur Umgehung der Mindestbesteuerung laufender Gewinne eingesetzt werden können. Zum anderen kann es bei einer aus anderweitigen Gründen gewünschten Umwandlung erstaunlicherweise betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, bewusst einen bestehenden Verlustvortrag zumindest zum Teil verfallen zu lassen. Aus ökonomischer Sicht ist hierin ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip zu sehen.
Abstract
This paper investigates the potential utilization of tax loss carry-forwards in case of reorganizations of corporations from an economic point of view. Thereby, we analyze the tax impacts of indirect utilizations of tax loss carry-forwards by means of increasing assets’ book values as well as the tax impacts of the minimum taxation. The paper illustrates that the implementation of minimum taxation on transfer gains – which is reasonable at first glance – results in the following effects: Contrary to assumptions made in literature, the consequence of the regulation is that no reorganization can be utilized in order to avoid minimum taxation of current earnings in a profitable way. Surprisingly, for reorganizations due to other intentions it may be economically reasonable to let tax loss carry-forwards lapse at least partially. From an economic viewpoint this is in breach of the objective net principle.
Notes
Aus Gründen der Vereinfachung sind hier positive Gewinne in jedem Jahr unterstellt.
Auf diese Weise findet die Vorschrift des § 8c KStG grundsätzlich keine Anwendung, da die Verlustgesellschaft das Vermögen nicht übernimmt, sondern selbst überträgt.
Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 4 UmwStG i.d.F. des JStG 2009 für die vorliegende Untersuchung keine Relevanz besitzt, da nicht von einem schädlichen Anteilseignerwechsel i.S.d. § 8c KStG ausgegangen wird. Vgl. hierzu Sistermann u. Brinkmann 2008, S. 2455 ff.; Rödder u. Schönfeld 2009, S. 560 ff.
Für einzelne Perioden wurden auch negative Gewinne nicht ausgeschlossen. In diesem Fall kommt es zu einer zwischenzeitlichen Erhöhung des Verlustvortrags.
Insbesondere wenn sich durch eine lange Abschreibungsdauer ihre Steuervorteile auf einen langen Zeitraum verteilen, ist es möglich, dass die umgewandelte Kapitalgesellschaft in einzelnen Perioden mehr Steuern zahlt als die nicht umgewandelte. Es soll an dieser Stelle nicht behauptet werden, dass dies auf die Vorteilhaftigkeit der Umwandlung hindeutet, sondern nur, dass ihre Nachteiligkeit (paradoxerweise) leichter zu zeigen ist, wenn die umgewandelte Kapitalgesellschaft nach Entrichtung der Steuer auf den Umwandlungsgewinn immer nur Steuervorteile erzielt.
Eine äquivalente Annahme wäre, dass die Abschreibungsdauer nur eine Periode umfasst und der so entstehende Verlustabzug in den Folgeperioden nicht der Mindestbesteuerung unterliegt.
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Danksagung
Für wertvolle Anregungen danken wir zwei anonymen Gutachtern der ZfB und Herrn Professor Dr. Marco Wilkens, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt.
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Brähler, G., Göttsche, M. & Rauch, B. Verlustnutzung von Kapitalgesellschaften bei Umwandlungen – Eine ökonomische Vorteilhaftigkeitsanalyse. Z Betriebswirtsch 79, 1175–1191 (2009). https://doi.org/10.1007/s11573-009-0311-4
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