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Anamnese
Primär erfolgte die konsiliarische Vorstellung einer 28-jährigen weiblichen Patientin bei neu aufgetretener Proteinurie nephrotischen Ausmaßes und Gewichtszunahme von 7 kg innerhalb der letzten 4 bis 6 Wochen über die Hautklinik, wo sich die Patientin aktuell zur Behandlung eines Schubes einer bekannten Graft-versus-host-Erkrankung („graft-versus-host disease“, GvHD) mittels extrakorporaler Photophorese befand.
Zweieinhalb Jahre zuvor war die Erstdiagnose eines myelodysplastischen Syndroms mit Blastenexzess Typ 2 gestellt worden. Mit einem Risikoscore von 5 war nach IPSS‑R (Revised International Prognostic Scoring System) eine Hochrisikokonstellation gegeben. Es erfolgte die allogene periphere Blutstammzelltransplantation (hämatopoetische Stammzelltransplantation, HSZT). Eine im Behandlungsverlauf auftretende GvHD mit chronisch-schubweisem Verlauf und hepatischer sowie dermatologischer Manifestation wurde initial mit Prednisolon therapiert. Die Steroidgabe wurde bei wiederkehrend einsetzenden schweren depressiven Episoden und der Entwicklung eines steroidinduzierten Diabetes mellitus nicht gut vertragen. Es erfolgte zur Einsparung von Glukokortikoiden die Einstellung auf den Calcineurininhibitor (CNI) Cyclosporin A (CsA) in einer spiegelüberwachten Dosierung von 2‑mal 75 mg pro Tag (Zielspiegel: 100–150 ng/ml) und den Antimetaboliten Mycophenolat-Mofetil (MMF) in einer Dosis von 2‑mal 500 mg pro Tag.
Klinischer Befund
Wir sahen eine Patientin in reduziertem Allgemein- und adipösem Ernährungszustand mit hypertensiven Blutdruckwerten von 160/120 mm Hg, einer Herzfrequenz von 80/min und einer normalen Körpertemperatur von 37,6 °C. Klinisch imponierten neben einem cushingoiden Habitus ein Lidödem (Abb. 1a) und deutliche symmetrisch ausgeprägte prätibial betonte Ödeme sowie besonders an Gesicht und Stamm auch ein florides erythematöses makulopapilläres Exanthem (Abb. 1a, b), welches als Hautmanifestation der GvHD zu werten war. Die übrige körperliche Untersuchung ergab keine auffälligen Befunde.
Paraklinische Befunde
Laborchemisch zeigte sich eine makrozytäre hyperchrome Anämie mit einer Hämoglobinkonzentration von 6 mmol/l. Im Plasma imponierte ein erniedrigter Albuminspiegel von 29 g/l (> 35 g/l) bei erhöhten Fettstoffwechselwerten (Hypertriglyzeridämie: 7,26 mmol/l [< 1,70 mmol/l], Hypercholesterinämie: 9,41 mmol/l [< 5,2 mmol/l]). Die Serumkreatininkonzentration war mit 58 μmol/l (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate [eGFR] gemäß Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration [CKD-EPI]: 109 ml/min/1,73 m2 Körperoberfläche [KOF]) im Referenzbereich. Die Leberwerte (Alaninaminotransferase [ALAT]: 1,72 μmol/l [0,17–0,58 μmol/l], Aspartataminotransferase [ASAT]: 0,94 μmol/l [0,17–0,6 μmol/l]) und die Lakatatdehydrogenase (LDH; 6,81 μmol/l [2,25–3,55 μmol/l]) zeigten sich auf vorbekanntem Niveau milde erhöht. Im Blutbild zeigte sich eine ebenfalls bekannte milde Thrombozytopenie (161 Gpt/l [176–391 Gpt/l]). Die Elektrolyte, der pH-Wert und die Blutgase waren ausgeglichen.
Die Diurese betrug 1400 ml/Tag, in der Urindiagnostik war eine unspezifische Mikrohämaturie, mikroskopisch ohne Akanthozyten- oder Erythrozytenzylindernachweis, nachweisbar. Die Proteinurie betrug mehr als 3064 mg/Tag, ersichtlich an der Protein/Kreatinin-Ratio (PCR) von 3955,75 mg/g Kreatinin, und die Albumin/Kreatinin-Ratio betrug 3274,34 mg/g.
Die Ultraschalluntersuchung zeigte normalgroße Nieren ohne fokale Läsionen oder einen Harnstau. Die Vena cava inferior war dilatiert mit eingeschränkter Atemvariabilität.
Es erfolgte zur weiteren diagnostischen Klärung des nephrotischen Syndroms eine erweiterte Laborchemie. Hier konnte kein Komplementverbrauch nachgewiesen werden, die Autoimmundiagnostik war negativ, und die Immunfixation erbrachte keinen Hinweis auf monoklonale Banden im Serum.
Zur diagnostischen Abklärung des nephrotischen Syndroms wurde eine Nierenbiopsie durchgeführt.
Histologie
Die Nierenbiopsie erbrachte den lichtmikroskopischen Befund einer Glomerulopathie vom Typ der chronisch verlaufenden thrombotischen Mikroangiopathie (TMA) mit mäßiggradigem herdförmigen tubulointerstitiellen Begleitschaden der Rinde. Von den 19 getroffenen Glomeruli war 1 vollständig vernarbt. Die übrigen zeigten teils kollabierte, ansonsten doppelt konturierte, verdickte periphere Kapillarwände und geschwollene Endothelien (Abb. 2a). Der tubuläre Apparat war nur in geringem Ausmaß atrophiert. Immunhistologisch zeigten sich entlang der veränderten Kapillaren uncharakteristische Ablagerungen von Immunglobulin M (IgM) und C1q und keine glomerulären Ablagerungen von IgA, IgG und C3. Die Elektronenmikroskopie zeigte deutlich veränderte glomeruläre Kapillaren mit geschlängelt verlaufenden peripheren Basalmembranen, geschwollenem Endothel mit Verlust der Fenestrierung und deutlich verbreitertem subendothelialen Raum mit elektronendichten Depots (Abb. 2b). Die Podozyten zeigten einen ausgedehnten Verlust der Fußfortsätze (Abb. 2b).
Diagnose
In Zusammenschau der Patientengeschichte, der Klinik und der Histopathologie wurde eine CsA-induzierte, renal limitierte, chronisch verlaufende TMA mit assoziiertem nephrotischen Syndrom diagnostiziert.
Klinisch dominant war die seit Wochen progrediente Proteinurie im Rahmen des nephrotischen Syndroms mit entsprechender Symptomatik. Bei dem Ausmaß der umgebauten Basalmembran wurde eine vollständige Remission der Proteinurie auch im Langzeitverlauf nicht erwartet. Andere Organbeteiligungen waren klinisch nicht ersichtlich. Als laborchemisch hinweisend für eine TMA konnte die länger bestehende leichtgradig erhöhte LDH interpretiert werden. Der angefertigte mikroskopische Blutausstrich ergab den Nachweis von 8 Fragmentozyten/1000 Erythrozyten. Ein relevanter Thrombozytenabfall oder eine hämolytische Anämie bestand nicht. Die ADAMTS-13(„a disintegrin and metalloproteinase with a thrombospondin type 1 motif, member 13“)-Diagnostik war negativ (normale Aktivität, keine erniedrigte Konzentration).
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Therapie und Verlauf
CsA wurde aufgrund seiner potenziell endothelschädigenden Wirkung als am ehesten ursächlicher Trigger der TMA abgesetzt. Die immunsuppressive Therapie wurde zunächst auf eine Kombination aus MMF 1000 mg 2‑mal täglich und Prednisolon 40 mg täglich angepasst. 6 Monate nach Diagnosestellung zeigte sich die Nierenfunktion stabil mit einem Serumkreatininwert von 92 μmol/l (eGFR: 73 ml/min/1,73 m2 KOF gemäß CKD-EPI) entsprechend einem Stadium 2 nach KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes). Die Proteinurie war deutlich rückläufig mit einer PCR von 451,33 mg/g. Die immunsuppresive Therapie zur Kontrolle der GvHD wurde im Verlauf auf Ruxolitinib, einen Januskinase(JAK)-1- und -2-Inhibitor, umgestellt.
Diskussion
Die allogene HSZT ist für viele hämatologische Erkrankungen die kausale Erstlinientherapie. Das Auftreten von Nierenschädigungen nach HSZT ist eine bekannte Komplikation mit erhöhter Morbidität und Mortalität [1, 2].
Die Manifestation eines nephrotischen Syndroms post transplantationem ist mit einer Inzidenz zwischen 1 und 6 % eine seltene Komplikation nach allogener HSZT [3].
Typischerweise ist das Auftreten eines nephrotischen Syndroms erst im Langzeitverlauf von mehr als 6 Monaten nach HSZT zu erwarten, im Median nach etwa 19 Monaten und dabei häufig im Kontext einer chronischen GvHD bei kürzlich erlittenem Schub der GvHD oder im Anschluss an eine Reduktion der immunsuppressiven Therapie [4].
In Biopsiestudien wurde bei Patienten, die nach HSZT ein nephrotisches Syndrom entwickelten, in über 65 % der Fälle eine membranöse Glomerulonephritis gesichert, gefolgt von einer Minimal-change-Nephropathie (19 %; [3]).
Differenzialdiagnostisch ist in diesem speziellen Patientenkollektiv an Nephrotoxizität durch Bestrahlungstherapie oder immunsuppressive Medikamente oder eine TMA zu denken. Umstritten ist die Assoziation mit einer Zytomegalievirus(CMV)-Infektion als mögliche Ätiologie [5, 6].
Diagnose: Cyclosporin‑A-induzierte thrombotische Mikroangiopathie
Aus diesem Grund ist die bioptische Sicherung zur Diagnosestellung angezeigt.
Im vorliegenden Fall lag vor dem Auftreten zwar der Schub einer GvHD vor, die immunsuppressive Therapie war aber nicht geändert worden. Die histologische Aufarbeitung ergab keinen Hinweis auf eine intrarenale GvHD, sondern zeigte das Bild einer chronischen, bereits abgelaufenen TMA.
Die TMA ist eine multifaktorielle Systemerkrankung, bei der eine generalisierte Endothelzelldysfunktion zu mikroangiopathischer hämolytischer Anämie und zur Störung der Mikrozirkulation führt, mit nachfolgend ischämischen Schädigungen der involvierten Organe, prädominant der Nieren und des Gehirns [7].
Aufgrund uneinheitlicher diagnostischer Kriterien für eine HSZT-TMA variieren die in der Literatur angegebenen Inzidenzen je nach Studie stark. Wesentliche Risikofaktoren, die mit dem Auftreten einer HSZT-TMA assoziiert sind, weil zur Endothelzellschädigung beitragend, sind eine akute GvHD und die Applikation von CNI, weitere bekannte Risikofaktoren sind in der Infobox zusammengefasst [7, 8].
Infobox Risikofaktoren für das Auftreten einer HSZT(hämatopoetische Stammzelltransplantation)-TMA (thrombotische Mikroangiopathie)
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weibliches Geschlecht
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non-myeloablative Stammzelltransplantation
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Ganzkörperbestrahlung
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akute Graft-versus-host-Erkrankung (Grad II–IV) oder Schub einer chronischen Graft-versus-host-Erkrankung
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Einsatz von Calcineurininibitoren (Cyclosporin A, Tacrolimus)
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Verwendung von mTOR(„mechanistic target of rapamycin“)-Inhibitoren (Sirolimus)
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Infektionen (humanes Polyomavirus 1 [BK-Virus], Zytomegalievirus, Parvovirus B19)
Klinische Zeichen, die an eine HSZT-TMA denken lassen sollten, sind ein erhöhter Anteil (> 4 %) Fragmentozyten pro 1000 Erythrozyten im Blut, eine neu aufgetretene oder fortschreitende Thrombozytopenie mit weniger als 50 Gpt/l oder ein Thrombozytenabfall um 50 %, ein plötzlicher und anhaltender Anstieg der LDH im Serum, ein Hämoglobinabfall und eine Verringerung der Haptoglobinkonzentration im Serum [9].
Mögliche renale Manifestationen einer TMA sind Hypertonie, Proteinurie und Abfall der GFR. Pathomechanistisch sind für die renale TMA mit großer Proteinurie neben der Endothelschädigung die Podozytendysfunktion und -schädigung entscheidend [10].
Biopsiestudien zeigten auch, dass bei histologisch gesicherter renaler TMA nach HSZT nicht immer die typischerweise geforderten Laborkriterien für eine TMA erfüllt waren [11]. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer weiten Indikationsstellung der Biopsie zur Abklärung solcher Fälle. Von Bedeutung ist auch, dass die CsA-assoziierte TMA nicht notwendigerweise das klinische Vollbild eines atypischen hämolytisch-urämischen Syndroms (aHUS) mit allen klassischen systemischen Laborveränderungen präsentiert [12].
Das Fehlen der für eine TMA typischen Laborkonstellation erschwerte die Diagnosestellung in diesem Fall. Die Histologie nach Nierenbiopsie erbrachte letztlich Klarheit.
Für unsere Patientin ist die renale Komplikation mit nephrotischem Syndrom unter CNI-Behandlung ein therapeutisches Dilemma, da Patienten nach allogener HSZT auf eine adäquate immunsuppressive Therapie zur GvHD-Prophylaxe angewiesen sind, die in der Regel einen CNI oder einen mTOR-Inhibitor umfasst, wobei beide Medikamentenklassen mit dem Auftreten einer TMA und einer Proteinurie assoziiert sein können. Nach passagerer GvHD-Therapie-Kontrolle mittels Glukokortikoiden und MMF wurde dann ein Therapieversuch mit Ruxolitinib eingeleitet.
Fazit für die Praxis
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Ein nephrotisches Syndrom ist ein seltener Befund unter den renalen Komplikationen nach allogener hämatologischer Stammzelltransplantation.
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Eine renale thrombotische Mikroangiopathie kann auch ohne Vorliegen der typischen laborchemischen Konstellation Ursache eines nephrotischen Syndroms sein.
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Die Indikation zur Nierenbiopsie ist zur Klärung der Genese und zur Festlegung des therapeutischen Prozedere in solchen Fällen großzügig zu stellen.
Literatur
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Bender, S.T., Ganz, M., Wiech, T. et al. Hypertonie, persistente LDH-Erhöhung und Proteinurie. Nephrologie 18, 99–102 (2023). https://doi.org/10.1007/s11560-022-00607-5
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