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Lesen Sie hier ein Update zum Leitthemenbeitrag aus Der Nephrologe 1/2021: Gross O (2021) COVID-19 und die Niere – Klinik. https://doi.org/10.1007/s11560-020-00470-2.
Einleitung
In der Ausgabe 1/2021 wurde der Beitrag „COVID-19 und die Niere – Klinik“ veröffentlicht. Hier soll nun ein kurzes praxisorientiertes Update erfolgen, basierend auf den klinischen Erfahrungen auf der von uns geleiteten COVID-19(„coronavirus disease 2019“)-Normalstation an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG; M. Plüß und B. Tampe) und der COVID-19-Nephritis-Prädiktionsstudie (J. Böckhaus und O. Gross).
Generell muss für alle nachfolgenden Studien eine Vorwarnung gelten: Praktisch keine einzige Diagnose- oder Prognosestudie zu COVID-19 erfüllt die Mindestanforderungen bezüglich der Evidenz- und Datenqualität [1]. Ähnlich kritisch muss man auch die allermeisten Therapiestudien sehen, was auch erklärt, warum weder 2020 noch 2021 ein wirklicher Durchbruch in der Therapierbarkeit der schweren COVID-19-Infektion erfolgte.
Stationäre Versorgung bei COVID-19 aus der Sicht der Nephrologie
Die klinischen S3k-Leitlinien empfehlen, schon in der Notaufnahme eine Urinanalyse durchzuführen [2]. Unsere Hypothese aus April 2020 [3] und Post-mortem-Daten [4, 5] sowie der Göttinger Handlungspfad zur Früherkennung von Multiorganbeteiligung und drohenden Komplikationen mittels Urinstatus, Serumalbumin und Antithrombin-III-Aktivität konnten mittlerweile im Verbund mehrerer Universitätskliniken (Hamburg, Aachen, Köln-Merheim und Göttingen) in einer Prädiktionskohortenstudie validiert werden. Die (pathologische) Urinanalyse bei Krankenhausaufnahme als Hinweis auf Nierenschaden und/oder Nierenbeteiligung durch COVID-19 ermöglicht prospektiv die Identifikation von Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf (Aufnahme auf eine Intensivstation oder Tod) und ist assoziiert mit der Notwendigkeit der invasiven Beatmung, ECMO(extrakorporale Membranoxygenierung)-Therapie, Dialysepflicht und Länge des Intensivaufenthalts [6].
Die klinischen S3k-Leitlinien empfehlen, schon in der Notaufnahme eine Urinanalyse durchzuführen
Im klinischen Alltag nützliche Laborparameter sind Lymphozyten, Laktatdehydrogenase (LDH), Transaminasen, C‑reaktives Protein (CRP), Ferritin und D‑Dimere. Die Parameter „Lymphopenie“ und „erhöhte D‑Dimere“ können unserer Erfahrung nach aufgrund ihrer Dynamik möglicherweise helfen, „survivors“ von „non-survivors“ zu unterscheiden [7]. Zur Risikostratifizierung eines kritischen COVID-19-Verlaufs und Zytokinsturms hilfreich sind Parameter, die z. B. in den Score der Temple University COVID-19 Research Group eingehen [8]. Hier gilt z. B. eine verringerte Anionenlücke als Risiko, möglicherweise getriggert durch eine Hypalbuminämie, die wir schon im April 2020 als Risikofaktor erkannten [3]. Rund ein Drittel aller hospitalisierten Patienten entwickelt ein (akutes) Nierenversagen [9, 10], als verantwortlich dafür werden verschiedene direkte und indirekte Mechanismen diskutiert [11]. Auch in unserer Patientenkohorte an der UMG waren chronische Nierenerkrankung („chronic kidney disease“, CKD) und Dialysepflicht mit einem schlechten Outcome und hoher Mortalität assoziiert. In welchem Ausmaß COVID-19-Infektionen mit akuten Schüben von Vaskulitiden assoziiert sind, wird sich noch zeigen. Wie manch andere Viren kann wohl auch SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) Nierenerkrankungen wie eine fokal-segmentale Glomerulosklerose triggern, insbesondere bei bestimmten APOL(Apolipoprotein L)-Risikoallel-Konstellationen [12].
SARS-CoV‑2 kann auch andere Organe wie die Nieren befallen und so die Prognose verschlechtern
Bei den Therapiestrategien zeigt sich auch 2021 kein entscheidender Durchbruch, hier spiegeln sich die Komplexität der Erkrankung und die eingangs erwähnte oftmals geringe Datenqualität wider. Die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zu Remdesivir (ACTT[Adaptive COVID-19 Treatment Trial]-1- und SOLIDARITY-Studie), Dexamethason (RECOVERY- und REACT-Studie), routinemäßiger Antibiose (oder keiner Antibiose) und (nur prophylaktischer) Antikoagulation finden sich unter [13]. Bei der stationären Versorgung tun sich neue Fragen auf, beispielsweise zeigt sich oft eine initial in der Phase der Virämie kaum zu substituierende Hypokaliämie [14], Erklärungsansätze wären eine starke RAAS(Renin-Angiotensin-Aldosteron-System)-Aktivierung und eine ischämiebedingte tubuläre Dysfunktion [15].
Schwerer Verlauf bei COVID-19: Fokus Zytokinsturmsyndrom
Der schwere Krankheitsverlauf bei COVID-19 scheint mit einer überschießenden systemischen Freisetzung von Zytokinen assoziiert. Aufbauend auf diesen „Zytokinsturm“, postuliert man den Nutzen von Steroiden, Interleukin(IL)-6- und IL-1-Antagonisten [16,17,18]. Davon abgeleitet, wurden Risikosysteme erarbeitet, welche den COVID-19-assoziierten Zytokinsturm anzeigen und sogar vorhersagen können [8]. Diese Risikostratifizierung konnte in eigenen Arbeiten in einer intensivmedizinischen COVID-19-Kohorte bestätigt werden und unterstreicht die Relevanz des Zytokinsturmsyndroms bei schweren COVID-19-Fällen [19].
Schwerer Verlauf bei COVID-19: Fokus renaler Tropismus oder virale Sepsis
Die akute Nierenschädigung ist eine häufige Komplikation bei COVID-19 und ein entscheidender Mortalitätsfaktor [3,4,5]. Etablierte laborchemische Marker für die akute Nierenschädigung geben hier keinen Einblick in den zugrunde liegenden Pathomechanismus bei COVID-19. Der renale Tropismus von SARS-CoV‑2 mit direktem Nachweis des virusspezifischen Proteins SARS-CoV-2 N („SARS-CoV‑2 nucleocapsid protein“) in der Niere lässt eine direkte Schädigung der Niere durch das Virus vermuten [4, 5]. Der renale Tropismus von SARS-CoV‑2 wurde mit einem direkten Nachweis von Zellmembranproteinen in der Niere assoziiert, welche für den Viruseintritt in die Zielzelle wichtig sind: ACE2 („angiotensin-converting enzyme 2“) und TMPRSS2 („transmembrane protease serine subtype 2“; [20]). Nach eigenen Arbeiten ist der Nachweis von virusspezifischen (SARS-CoV-2 N) und Zellmembranproteinen (ACE2, TMPRSS2) im Urin ein nicht-invasiver Frühmarker für das Risiko einer akuten Nierenschädigung bei schweren COVID-19-Verläufen [21]. Neben der Messung von SARS-CoV-2 N im Urin dient die Hypoalbuminämie der Risikostratifizierung für ein COVID-19-assoziiertes Nierenversagen [22]. Die Genese der Hypoalbuminämie bei Sepsis wird als sekundär durch erhöhte Permeabilität der Kapillaren („capillary leak“), verminderte Proteinsynthese und erniedrigte Halbwertszeit vermutet. Somit stellen nach heutigem Kenntnisstand sowohl der renale Tropismus wie auch die virale Sepsis durch SARS-CoV‑2 wichtige Risikofaktoren für eine COVID-19-assoziierte Nierenschädigung dar [3,4,5,6, 11].
Langzeitverlauf, Long COVID, Post COVID und Post-COVID-CKD-Ambulanz
Unsere Krankenhäuser werden nicht nur durch akute COVID-19-Infektionen belastet, sondern zunehmend auch die Ambulanzen durch viele Betroffene, die noch Wochen und Monate nach der Infektion nicht beschwerdefrei sind. Die Begriffe „Post COVID“ und „Long COVID“ umfassen dieses noch unklare Krankheitsbild. Auch hier ist die Datenlage unzureichend [1]. Rund ein Drittel der hospitalisierten Personen haben 6 Monate nach der akuten Infektion noch eine eingeschränkte Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate [GFR] <90 ml/min; [23]). Die Nephrologie steht hier vor der Herausforderung der langzeitigen Organprotektion, damit nicht eine Welle an chronisch Nierenkranken auf uns zurollt [24, 25]. Mögliche Therapieansätze für Long/Post COVID sind die supportive Gabe von Erythropoetin aufgrund seiner positiven Wirkung auf respiratorische Reserve, Mikrozirkulation und andere Organfunktionen als Gegenspieler der überschießenden Entzündung und als Neuroprotektivum bzw. -regenerativum [26]. Die Rationale erschließt sich aus deutlich erniedrigten Erythropoetinspiegeln bei schweren COVID-19-Verläufen und dem „Hypoxieparadoxon“ aufgrund der Entkoppelung der physiologischen Hypoxiesignalwege bis hin zur mitochondrialen Dysfunktion [26]. Ein weiterer Ansatz ist die Organprotektion von Herz, Hirn und Niere durch präventive RAAS-Blockade und SGLT2(„sodium-glucose linked transporter 2“)-Inhibition. In der randomisierten, placebokontrollierten DARE-19-Studie schützte Dapagliflozin zwar zahlenmäßig, aber nicht statistisch signifikant vor dem primären Endpunkt (Organversagen oder Tod), ebenso wurden schwere Ereignisse (inkl. akutes Nierenversagen) zahlenmäßig in der Interventionsgruppe seltener beobachtet [27]. Die nephrologische Nachbetreuung und der langfristige organprotektive Einsatz der RAAS-Blockade und SGLT2-Inhibition z. B. in einer Post-COVID-CKD-Ambulanz erscheinen pathophysiologisch sehr sinnvoll.
Ausblick
Aktuell in der zweiten Jahreshälfte 2021 steht die Gesellschaft vor der Problematik des zunehmenden Mangels an medizinischem Fachpersonal und vor der 4. Welle, die mangels breiter Durchimpfung unsere junge Generation in Schule, Ausbildung und Studium besonders hart treffen wird.
Durch die breite Erfahrung der Nephrologie bei der Nierenersatztherapie und in der Intensivmedizin können wir alle bei schweren Patientenfällen wesentlich zur Verbesserung der Prognose beitragen. Nutzen Sie die Niere als Seismographen für schwere Verläufe bei COVID-19!
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Böckhaus, J., Plüß, M., Tampe, B. et al. Update zu: COVID-19 und die Niere – Klinik. Nephrologe 16, 314–318 (2021). https://doi.org/10.1007/s11560-021-00530-1
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