Die Anzahl der mit SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) infizierten Menschen in Deutschland hat im Oktober 2020 die 400.000er-Marke überschritten [1]. Im Hinblick auf die SARS-CoV-2-Pandemie stellen Patienten mit Nierenerkrankungen aus mehreren Gründen eine Risikopopulation dar. Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz zeigen ein signifikant erhöhtes Risiko für Hospitalisierung aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion, verglichen mit Patienten, die keine Einschränkung der Nierenfunktion aufweisen [2]. Außerdem konnte in einer aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion hospitalisierten Patientenkohorte festgestellt werden, dass eine zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme bestehende eingeschränkte Nierenfunktion, eine Proteinurie oder eine Hämaturie mit einer signifikant erhöhten Mortalität einherging [3]. Es ist deshalb verständlich, dass auch immunsupprimierte Patienten (z. B. nach Nierentransplantation oder im Rahmen der Therapie einer Autoimmunerkrankung), aber v. a. Dialysepatienten als Risikopatienten im Hinblick auf eine SARS-CoV-2-Infektion gelten.

Dialysepatienten sind SARS-CoV-2-Risikopatienten

Dialysepatienten haben ein erhöhtes Risiko sowohl für eine Infektion mit SARS-CoV‑2 als auch für einen ungünstigen Verlauf der dadurch verursachten COVID-19(„coronavirus disease 2019“)-Erkrankung. Patienten unter einer ambulanten Dialysetherapie können nicht ohne Weiteres in häuslicher Quarantäne isoliert werden und sind darauf angewiesen, regelmäßig in einem Zentrum behandelt zu werden. Hierbei haben sie Kontakt mit einer Vielzahl von Personen, sowohl auf dem Weg zum Zentrum (z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Taxi, bei der Krankenbeförderung etc.) als auch während der Behandlung (medizinisches Personal im Zentrum, andere Patienten, Hilfspersonal etc.). In einer Studie aus den USA wurden Serumproben von 28.503 Dialysepatienten untersucht, um die Prävalenz von SARS-CoV‑2 zu ermitteln. In dieser Population, die im Sommer untersucht wurde, zeigte sich eine Seroprävalenz für SARS-CoV‑2 von 8 % [4]. Es gibt eine Vielzahl von Studien, die einen ungünstigen Verlauf und eine ungünstige Prognose von Dialysepatienten nach einer SARS-CoV-2-Infektion berichten. Leider kommen viele Risikofaktoren, die mit einer ungünstigen Prognose einer SARS-CoV-2-Infektion assoziiert sind, bei Dialysepatienten regelhaft vor. Dazu gehören beispielsweise hohes Alter, kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus usw. Hinzu kommt, dass bei dialysepflichtigen Patienten von einer eingeschränkten Immunkompetenz ausgegangen werden kann.

Mortalität bei SARS-CoV-2-infizierten Dialysepatienten

Eine Studie aus New York zeigte eine deutlich erhöhte Mortalitätsrate bei hospitalisierten Dialysepatienten, verglichen mit Patienten, die bei Hospitalisierung nicht chronisch dialysepflichtig waren (Odds Ratio [OR]: 1,38, 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 1,12–1,70). Auch nach Adjustierung für demographische Angaben und Komorbiditäten bestand das erhöhte Mortalitätsrisiko für Dialysepatienten fort [5]. Lokale Registerstudien aus Europa oder den USA haben eine Mortalität der SARS-CoV-2-infizierten dialysepflichtigen Patienten von 24–40 % berichtet [6,7,8,9,10]. Eine nationale Registerstudie aus Frankreich beschreibt eine Mortalität von 21 % bei Dialysepatienten mit SARS-CoV-2-Infektion, während die Prävalenz der Erkrankung in den verschiedenen Regionen zwischen 1 und 10 % stark variierte [11]. Bei den genannten Studien handelt es sich um Registerstudien, sodass in diesem Zusammenhang auch die Limitationen in der Interpretationsmöglichkeit dieser Daten berücksichtigt werden müssen. Es kann beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen einer Registererhebung nicht alle Daten (oder nicht alle Patientenfälle) erhoben werden. V. a. in Bezug auf die Endpunkte (z. B. Mortalität) ist eine vollständige Erhebung aller Fälle und der kompletten Verläufe von hoher Relevanz. Auch klinische Definitionen können zwischen Registerstudien variieren (z. B. die Definition eines „schweren Verlaufs“), sodass die Vergleichbarkeit der Daten eingeschränkt wird. Dadurch können Verzerrungen in der Datenanalyse entstehen, die eine Interpretation der Daten weiter erschweren.

Daten aus Registerstudien können zwischen verschiedenen Ländern stark variieren

Im Rahmen einer globalen Pandemie kommt erschwerend hinzu, dass die lokalen (oder auch nationalen) Gegebenheiten stark variieren. Dazu gehören unter anderem der Aufbau eines Gesundheitssystems, das staatliche Vorgehen im Rahmen der Pandemie (z. B.: Wie schnell wurden Maßnahmen ergriffen? Wie ausgedehnt waren diese Maßnahmen, und wie lange dauerten sie?), der Umstand, ob die Kapazitätsgrenzen eines Gesundheitssystems erreicht wurden oder nicht, die Anzahl der erkrankten Patienten sowie Dynamik der Pandemie. Aus diesen Gründen sind Registerdaten nicht ohne Weiteres von einem Land auf das andere übertragbar.

COVID-19-Register der DGfN

Bereits im März 2020 wurde unter dem Schirm der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) ein Register für Dialysepatienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion entwickelt. Das Register wurde in 2 Stufen aufgebaut. In der ersten Stufe des Registers wurde darauf gezielt, eine möglichst vollständige Datenbasis für die Prävalenz und Mortalität von SARS-CoV-2-infizierten Dialysepatienten zu gewinnen. Dafür wurde ein Fragebogen entwickelt, in dem die wichtigsten Parameter erfragt wurden:

  • Anzahl der im Zentrum (chronisch) behandelten Dialysepatienten (jeweils für Hämodialyse- und Peritonealdialysepatienten);

  • Anzahl der Patienten, die aktuell an einer SARS-CoV-2-Infektion erkrankt sind, und ihre jeweilige Betreuungssituation (ambulant, stationär oder intensivstationär);

  • Anzahl der SARS-CoV-2-Patienten, die bisher genesen bzw. verstorben sind.

Die SARS-CoV-2-Infektions-Prävalenz stieg im Frühjahr im Rahmen der ersten Infektionswelle auf bis zu 1,5–2 % der Dialysepatienten an und sank über den Sommer kontinuierlich ab. Auch die Hospitalisierungsrate und die Mortalität zeigten einen ähnlichen Verlauf und verzeichneten einen Anstieg im Frühjahr, gefolgt von einer Stabilisierung der Zahlen im Verlauf des Sommers. Aktuell erfolgt die Datenerhebung weiterhin wöchentlich und standardisiert mit dem Ziel, zeitnah einen Überblick über die Entwicklung der Erkrankung zu gewinnen und somit die Möglichkeit zu haben, rechtzeitig entsprechende regionale oder nationale Maßnahmen zu initiieren. Diese Möglichkeiten sind insbesondere in der aktuellen Phase der Pandemie, in der ein starker Anstieg der Infektionsfälle verzeichnet wird, sehr relevant.

In der zweiten Stufe des Registers erfolgt der Einschluss von nierenkranken Patienten, die eine SARS-CoV-2-Infektion entwickelt haben. Die Datenerhebung erfolgt zum Zeitpunkt der Infektion sowie nach 2 und 24 Wochen. Es werden sowohl klinische Befunde als auch Daten zur Therapie und zum Verlauf erhoben mit Ziel, neue wissenschaftliche Erkenntnisse, beispielsweise zu prognostischen und Therapiemarkern, zu gewinnen [12]. Die Datenauswertung ist noch nicht abgeschlossen.

Fazit für die Praxis

  • Dialysepflichtige Patienten stellen bezüglich sowohl der Krankheitsprävalenz als auch der Prognose und der Mortalität eine Risikogruppe für eine SARS-CoV-2(„severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“)-Infektion dar.

  • Unter Berücksichtigung des zu erwartenden wellenförmigen Verlaufs der Pandemie ist die Erhebung von zuverlässigen Prävalenz- und Verlaufsdaten aus diesem Patientenkollektiv hoch relevant.

  • Für die Qualität und die Aussagefähigkeit der Daten ist eine nationale, möglichst vollständige Datenbasis von hoher Wichtigkeit.

  • Die hohe Mortalitätsrate der an SARS-CoV‑2 infizierten Dialysepatienten zeigt die hohe Relevanz der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs.

  • Bis dahin spielt die Prävention eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie.