Bildung von FGF23 und Klotho

FGF23 („fibroblast growth factor 23“) gehört zu einer Familie von Proteinen, in der es neben parakrinen Wachstumsfaktoren auch 3 Faktoren mit einer Hormonwirkung gibt, nämlich FGF19, FGF21 und FGF23. Die 3 endokrinen FGF haben keine Wachstumsfaktorwirkung, sondern steuern die Gallensäurensynthese (FGF19), den Glukose‑/Lipidstoffwechsel (FGF21) und die Mineralhomöostase (FGF23). Alle parakrinen und endokrinen FGF wirken über 4 verschiedene Rezeptoren in der Zellmembran (FGF-Rezeptor 1, 2, 3 und 4). Im Gegensatz zu parakrinen FGF, die mit hoher Affinität an FGF-Rezeptoren binden, benötigen endokrine FGF für die Bindung an FGF-Rezeptoren α‑ oder ß‑Klotho als Korezeptor [1].

FGF23 wird unter physiologischen Bedingungen vorwiegend im Knochen in Osteoblasten und Osteozyten produziert (Abb. 1). Während der Sekretion wird bereits ein Teil des FGF23 durch die Protease Furin gespalten, wobei das Verhältnis von intaktem zu gespaltenem FGF23 von der Balance zwischen Glykosylierung und Phosphorylierung an der Spaltungsstelle abhängt. Nur intaktes FGF23 hat eine biologische Wirkung. Die Regulation der Sekretion von FGF23 ist nur teilweise geklärt. Es gilt als gesichert, dass die Transkription von FGF23 durch das Vitamin-D-Hormon stimuliert wird. Weitere Faktoren, die die FGF23-Sekretion – direkt oder indirekt – stimulieren, sind Phosphat, Parathormon, Eisenmangel, manche Eisenverbindungen, proinflammatorische Zytokine, Angiotensin II und Aldosteron. Die physiologische und pathophysiologische Bedeutung dieser Regulatoren ist allerdings nur unzureichend verstanden.

Abb. 1
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FGF23/α-Klotho-Signalachse in der Niere: FGF23 („fibroblast growth factor 23“) wird im Knochen produziert und hemmt im proximalen Tubulus (PT) die Phosphat(Pi)-Absorption, während im distalen Tubulus (DCT) die Kalzium- und Natriumabsorption stimuliert werden. Beide Wirkungen werden über den FGF-Rezeptor-1(FGFR1)/α-Klotho-Rezeptor-Komplex vermittelt. Im proximalen Tubulus führt FGF23-Signalling über mehrere Zwischenstufen zur Phosphorylierung von NHERF1 („Na+/H+ exchanger regulatory factor 1“), was die intrazelluläre Degradierung des Komplexes von NHERF1 mit dem Natrium-Phosphat-Kotransporter NaPi2a und damit eine verminderte Phosphatreabsorption bewirkt. Des Weiteren hemmt FGF23 im proximalen Tubulus die Transkription der 1α-Hydroxylase (CYP27B1) und damit die Synthese des Vitamin-D-Hormons (1,25-Dihydroxyvitamin D3, 1,25(OH)2D3). Im distalen Tubulus führt FGF23-Signalling über mehrere Zwischenstufen zur Aktivierung von WNK1/4 („with-no-lysine kinase 1/4“), was zu vermehrter Natrium- und Kalziumreabsorption durch NCC (Natrium-Chlorid-Kotransporter) und TRPV5 („transient receptor potential channel subfamily vanilloid 5“) führt

α-Klotho wurde völlig unabhängig von FGF23 entdeckt. Bedingt durch den Phänotyp von Klotho-defizienten Mäusen, der viele Charakteristika menschlichen Alterns aufweist – so z. B. verkürzte Lebensspanne, Organatrophie, Gefäßverkalkung und verminderte Knochenmasse – wurde zunächst angenommen, dass α‑Klotho ein „Anti-ging-Gen“ ist. Später wurde dann allerdings erkannt, dass FGF23 und α‑Klotho Teile desselben Signalwegs sind und dass der alternsähnliche Phänotyp von Klotho-defizienten Mäusen im Wesentlichen dadurch entsteht, dass es in diesen Mäusen zu einer entfesselten Produktion des Vitamin-D-Hormons (1,25-Dihydroxyvitamin D) und dadurch zu Hyperkalzämie und Hyperphosphatämie kommt [1].

α-Klotho ist ein Transmembranprotein, das zusammen mit FGF-Rezeptor 1 als Rezeptorkomplex für FGF23 fungiert (Abb. 1). α‑Klotho wird v. a. in der Niere, der Nebenschilddrüse und im Plexus chorioideus der Hirnventrikel exprimiert. Der extrazelluläre Teil von α‑Klotho hat Sequenzhomologien zu Glykosidasen und kann durch an der Zelloberfläche verankerte Proteasen abgespalten werden. Die abgespaltene Form nennt man lösliches („soluble“) Klotho (sKL). sKL zirkuliert im Blut, wobei die wesentlichste Quelle die Niere ist. Obwohl eine Vielzahl von Wirkungen für sKL beschrieben wurde, ist es nach wie vor umstritten, ob sKL eine physiologische Funktion hat. Ein spezifischer Rezeptor für sKL wurde nie gefunden. Eine jüngste Publikation [2] hat dabei die Diskussion in eine neue Richtung geleitet, indem gezeigt wurde, dass sKL keine FGF23-unabhängigen Funktionen hat, sondern ebenso wie die Transmembranform als Korezeptor für FGF23 fungiert. Ob die im Blut vorhandenen physiologischen Konzentrationen von sKL aber ausreichen, um in Zielzellen als Korezeptor zu fungieren, ist ungeklärt.

Regulation des Mineralhaushalts durch FGF23 und Klotho

Wieso führt nun die Klotho-Defizienz zur Überproduktion des Vitamin-D-Hormons? α‑Klotho wird in der Niere im proximalen und distalen Tubulus exprimiert, wobei die Expression auf mRNA- und Proteinebene im distalen Tubulus etwa doppelt so hoch ist wie im proximalen [3]. FGF23 hat unabhängige Wirkungen im proximalen und distalen Tubulus (Abb. 1). Im proximalen Tubulus hemmt FGF23 die Phosphatreabsorption über eine Verminderung von Natrium-Phosphat-Kotransportern in der luminalen Zellmembran. Der Signalweg, der zur FGF23-induzierten Herunterregulation von Natrium-Phosphat-Kotransportern im proximalen Tubulus führt, ist in wesentlichen Teilen bekannt [3], während die molekularen Mechanismen der Regulation der 1α-Hydroxylase durch FGF23 nur bruchstückhaft beschrieben sind. Der suppressive Effekt von FGF23-Signalling auf die renale 1α-Hydroxylase ist ein physiologisch essenzieller Effekt, der nicht durch andere Faktoren kompensiert werden kann. Deshalb führt FGF23- oder α‑Klotho-Defizienz bei Mensch und Tier zu einer ungehemmten Produktion von Vitamin-D-Hormon. Im distalen Tubulus bewirkt FGF23 eine Aktivierung von WNK („with-no-lysine kinases“). WNK arbeiten als Komplex von WNK1, 3 und 4 und steuern unter anderem den Membrantransport und die Aktivierung von epithelialen Kalziumkanälen („transient receptor potential channel subfamily vanilloid 5“, TRPV5) und von Natrium-Chlorid-Kotransportern [4]. FGF23-Signalling bewirkt deshalb im distalen Tubulus eine gesteigerte Kalzium- und Natriumabsorption [5]. Zusammenfassend kann man sagen, dass die FGF23/Klotho-Achse ein essenzielles Protektionssystem gegen Hyperphosphatämie darstellt, weil die renale Phosphatexkretion gesteigert und indirekt die intestinale Phosphatabsorption durch die Suppression der Vitamin-D-Hormon-Synthese gehemmt wird. Daneben hat FGF23/Klotho-Signalling eine kalzium- und natriumkonservierende Wirkung in der Niere.

Pathophysiologische Rolle der Klotho/FGF23-Achse bei CKD

Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für die Nephrologie? Es ist heute davon auszugehen, dass Veränderungen in der renalen Klotho-Expression und der FGF23-Sekretion im Knochen zentrale Elemente in der Pathophysiologie von chronischer Niereninsuffizienz („chronic kidney disease“, CKD) sind. In den letzten 10 Jahren ist zum einen klar geworden, dass ein Anstieg der Blutkonzentrationen von intaktem FGF23 eine der frühesten hormonellen Veränderungen bei CKD-Patienten darstellt [6]. Zum anderen hat sich gezeigt, dass zirkulierendes FGF23 bei CKD-Patienten mit Krankheitsprogression, linksventrikulärer Hypertrophie und Mortalität assoziiert ist [7, 8]. Mit abnehmender Nierenfunktion kommt es zu einem spiegelbildlichen Anstieg von FGF23. Bei Patienten mit fortgeschrittenen Stadien der CKD können dabei bis zu 1000-fach erhöhte Spiegel erreicht werden. Früher dachte man, dass der Anstieg von FGF23 bei CKD-Patienten im Wesentlichen durch die Hyperphosphatämie getrieben wird. Heute weiß man aber, dass der initiale Anstieg von FGF23 bei Patienten im Frühstadium der CKD unabhängig von Phosphat und Parathormon erfolgt [6]. Die Mechanismen, die zum frühen Anstieg von intaktem FGF23 im Blut von CKD-Patienten führen, sind noch unklar. Es gibt dazu verschiedene Hypothesen, aber ein Beweis fehlt. Als wichtigste Szenarien gelten eine Akkumulation von FGF23 durch verminderte renale Filtration, ein Anstieg von zirkulierenden proinflammatorischen Zytokinen, eine renale Klotho-Resistenz durch Abnahme der Klotho-Expression und eine Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS).

Eine der Schlüsselfragen in diesem Zusammenhang ist natürlich, ob es einen mechanistischen Zusammenhang zwischen FGF23-Konzentrationen im Blut und Krankheitsprogression, kardiovaskulärem Risiko und Mortalität bei CKD-Patienten gibt. Als mögliche Szenarien gelten dabei eine direkte, Klotho-unabhängige, prohypertrophe Wirkung von FGF23 am Herzen [8] und ein Volumeneffekt durch die natriumkonservierende Wirkung von FGF23 [5] in der Niere. Es ist allerdings noch völlig offen, welches hier der entscheidende Mechanismus ist und ob sich daraus neue therapeutische Möglichkeiten ableiten lassen.

Fazit für die Praxis

  • FGF23 („fibroblast growth factor 23“) ist ein im Knochen produziertes Hormon, das in der Niere im proximalen Tubulus die Phosphatreabsorption und die Synthese des Vitamin-D-Hormons hemmt und gleichzeitig im distalen Tubulus die Kalzium- und Natriumabsorption stimuliert.

  • Die wesentlichste Funktion von Klotho ist seine Funktion als Korezeptor für FGF23.

  • CKD („chronic kidney disease“) ist assoziiert mit einer Abnahme der Klotho-Expression in der Niere, was möglicherweise zur renalen Klotho-Resistenz führt.

  • Mit zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion kommt es zu einem progredienten Anstieg von FGF23 im Blut.

  • Die Blutspiegel von intaktem FGF23 sind aus ungeklärter Ursache ein unabhängiger Prädiktor von CKD-Progression, kardiovaskulärem Risiko und Mortalität bei Patienten mit CKD.