Hintergrund

Neuroenhancement (NE) unter Studierenden dient häufig dem Zweck, den hohen Anforderungen im Studium gerecht zu werden. NE ist dabei der Versuch, die geistige Leistungsfähigkeit und emotionale Verfassung durch den Konsum psychotroper Substanzen zu verbessern [14]. Im Folgenden wird NE als Oberbegriff für leistungsbezogenen Substanzkonsum gebraucht, der ohne medizinische Notwendigkeit, aber nicht aus Genussgründen, erfolgt.

NE wird unterschieden in pharmakologisches NE (PN) und Soft-Enhancement (SE) (Abb. 1). Unter PN wird die Einnahme von Psychostimulanzien verstanden. Hierunter fallen zum einen verschreibungspflichtige Substanzen (VS), wie das bei einer Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verschriebene Medikament Methylphenidat und zum anderen illegale Substanzen (IS; [4, 6, 9, 12, 15, 20]). Zu den sog. „Soft-Enhancern“ zählen alle frei verkäuflichen Substanzen (FS) wie koffeinhaltige Mittel, Vitaminpräparate und Alkohol [6, 12, 20].

Abb. 1
figure 1

Definition substanzgebundenes Neuroenhancement und inkludierte Substanzen. (Darstellung mod. nach [17 S. 3]). Anmerkung: Seit dem 01. April 2024 ist Cannabis in Deutschland keine illegale Substanz mehr. Da Cannabis zum Zeitpunkt der Studie noch illegal war, wurde es unter „Illegale Substanzen“ berücksichtigt

Studierende stellen eine besonders vulnerable Gruppe für NE dar [17]. Global schwanken die Prävalenzen laut eines aktuellen systematischem Reviews zwischen 2 und 80 %, wobei der Mittelwert bei 23 % liegt [7]. Die Vergleichbarkeit der Studien wird durch die Heterogenität der eingesetzten Definitionen und Methoden bzw. fehlende Angaben eingeschränkt [23].

Die Beweggründe für NE im Studium scheinen je nach Substanz zu variieren. Nicht nur die Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit, der Wachheit oder des Gedächtnisses spielen dabei eine Rolle. Die Stimmungs- und Verhaltensbeeinflussung, z. B. zur Motivationssteigerung oder Verringerung von Nervosität, sind ebenfalls relevant. Substanzbezogene Schlaf- und Entspannungsförderung können ebenso einen Leistungsbezug aufweisen und werden dann ebenfalls NE zugerechnet [6, 20].

Aufgrund der inkonsistenten Datenlage und fehlender Daten bei Studierenden außerhalb von Großstädten hatte diese Studie zum Ziel, die Prävalenz von NE an einer deutschen HAW im ländlichen Raum zu bestimmen sowie die Beweggründe und mögliche Genderunterschiede zu analysieren.

Methodik

Die Datenerhebung der quantitativen Querschnittstudie erfolgte von 07.01.–11.02.2020 an der HAW Coburg mit Hilfe eines standardisierten Online-Fragebogens (s. Online-Anhang 1). Dieser wurde auf Grundlage einer ausführlichen Literaturrecherche konzipiert, mit Hilfe der Befragungssoftware QuestorPro implementiert und nach einem Pretest via Rundmail an alle 5420 Studierenden der HAW Coburg versandt. Die Teilnahme erfolgte freiwillig und anonymisiert.

Eine einleitende Begriffsdefinition von NE in Bezug auf die Studie und Untergliederung nach FS, VS und IS sollte die Verständlichkeit gewährleisten, wobei die Gruppe der FS vorangestellt wurde, um psychologische Hürden zur ehrlichen Beantwortung zu verringern. Um sozial erwünschtes Antwortverhalten zu reduzieren, wurden stigmatisierende Begriffe wie Hirndoping oder Substanzmissbrauch vermieden. Da ADHS-Patienten zur Risikogruppe für PN zählen [28], wurden diese nicht ausgeschlossen. In Anlehnung an Middendorff et al. [20] beurteilten die Studierenden selbst, ob Substanzen nicht bestimmungsgemäß eingesetzt wurden. Daher wurde bei jeder Frage explizit auf das Konsummotiv „zur besseren Bewältigung des Studiums (z. B. zur geistigen Leistungssteigerung und/oder Beruhigung) ohne medizinische Notwendigkeit und nicht aus Genussgründen“ hingewiesen. Nach Abfrage der Substanzen und Beweggründe wurden Belastungen im Studium sowie soziodemographische Daten erfragt.

Statistische Analyse

Die statistische Analyse erfolgte mit SPSS-Version 26. Ungültige Werte wurden als fehlend gewertet. Abgebrochene Fragebögen wurden nicht einbezogen. Zur deskriptiven Statistik wurden absolute und relative Häufigkeiten berechnet. Zur inferenzstatistischen Analyse wurden die Daten in Subgruppen nach Gender sowie Anwender und Nicht-Anwender von PN unterteilt und mögliche Unterschiede mithilfe von χ2-Tests bzw. dem exakten Test nach Fisher untersucht [27]. Letzterer wurde ebenfalls bei erwarteten Häufigkeiten ≤ 2 bzw. > 20 % der Häufigkeiten ≤ 5 eingesetzt [22]. Die Effektstärke wurde mittels Kontingenzindex nach Cramer (V) sowie bei 4‑Felder-Tafeln mittels Phi (φ) bestimmt [27]. Zur Überprüfung des Zusammenhangs von Gender und NE wurden Personen mit diversem Gender aufgrund zu geringer Fallzahlen exkludiert. Bei metrischen Variablen wurde aufgrund Verletzung der Normalverteilungsannahme [27] der Mann-Whitney-U-Test zum Vergleich unabhängiger Subgruppen herangezogen [22]. Für die Zusammenhangsmaße V und φ wurden die Effektstärken wie folgt interpretiert: 0–0,25: schwach, 0,25–0,5: moderat, 0,5–0,75: stark, > 0,75: sehr stark [22]. Alle Signifikanztests erfolgten zweiseitig bei einem Signifikanzniveau α von 5 %.

Ergebnisse

Von 574 eingegangenen Fragebögen waren 503 vollständig ausgefüllt und wurden in die Datenanalyse einbezogen (Rücklaufquote 9 %). Die Stichprobencharakteristika sind in Tab. 1 dargestellt. Das Durchschnittsalter betrug 23,2 (SD = 4,1, R = 18–60) Jahre. Die 22- bis 24-Jährigen bildeten mit 42 % (n = 209) die größte Altersgruppe. Es nahmen Studierende aus allen Fakultäten sowie dem 1. bis 14. Fachsemester teil, davon 94 % Vollzeitstudierende (n = 471). Die Mehrheit strebte einen Bachelorabschluss an (85 %, n = 427).

Tab. 1 Charakteristika der Stichprobe

Neuroenhancement unter Studierenden

Der Begriff NE war 85 % der Studierenden geläufig (n = 425). Frauen und Männer unterschieden sich hierbei nicht signifikant (♀ 84 %, n = 277; ♂ 85 %, n = 144; exakter Fisher-Test, p = 0,795). Von den Befragten gaben 35 % (n = 178) an, PN-Anwender im Freundes- und Familienkreis zu kennen, 31 % (n = 158) innerhalb der Hochschule und 32 % (n = 178) außerhalb der Hochschule, während 39 % (n = 197) keine PN-Nutzer kannten.

Im Studium hatten 91 % (n = 459) der Befragten mindestens einmal SE genutzt. Am häufigsten wurde hierbei Kaffee genannt (70 %, n = 352), gefolgt von Softdrinks (66 %, n = 331) und Tees (60 %, n = 304). Die Studienzeitprävalenz für PN betrug 28 % (n = 143), dabei gaben 15 % (n = 74) die Anwendung von VS an und 23 % (n = 113) von IS. Cannabis war mit 21 % (n = 103) die meistkonsumierte Substanz für PN, gefolgt von Methylphenidat mit 8 % (n = 38), illegalen Amphetaminen mit 7 % (n = 33) sowie Schlaf- und Beruhigungsmitteln mit 5 % (n = 25). Die meisten Befragten hatten im bisherigen Studium ein einziges PN-Präparat (53 %, n = 76) genutzt, 16 % (n = 23) verwendeten 2 Substanzen, 11 % (n = 16) 3 und eine Person kombinierte 15 PN-Präparate. Abb. 2 zeigt die Konsumfrequenz der PN-Anwender, wobei die meisten angaben, VS (40 %, n = 30) und IS (46 %, n = 51) sehr selten zu konsumieren und die wenigsten regelmäßig (VS: 9 %, n = 7; IS: 6 %, n = 7).

Abb. 2
figure 2

Konsumfrequenz der Konsumenten verschreibungspflichtiger (VS) und illegaler Substanzen (IS)

Während 63 % der Befragten ausschließlich SE (n = 317) und nur eine Person ausschließlich PN nutzten, betrieben 28 % (n = 142) sowohl SE als auch PN (exakter Test nach Fisher, p < 0,001; φ = 0,181). Eine ergänzende Übersicht zu den 30-Tages-, 3‑Monats-, 12-Monats- und Studienzeitprävalenzen für alle NE-Substanzen ist in Online-Anhang 2 dargestellt.

Die Studienzeitprävalenz von SE lag bei Frauen bei 90 % (n = 296) und bei Männern bei 94 % (n = 158), der Genderunterschied war nicht signifikant (exakter Test nach Fisher, p = 0,243; φ = 0,059; Online-Anhang 3). Mindestens ein PN-Präparat hatten im Studium bereits 24 % der Frauen (n = 80) und 37 % der Männer (n = 62) konsumiert, der Unterschied war signifikant (p = 0,005; φ = 0,130). VS wurden von 23 % der Männer (n = 38) und 11 % der Frauen (n = 36) eingenommen (p = 0,001; φ = 0,154), IS von 30 % der Männer (n = 51) und 19 % der Frauen (n = 61; p = 0,004; φ = 0,132).

Konsumbereitschaft und Beweggründe

Insgesamt zogen 55 % (n = 278) der Befragten PN nicht in Betracht, während sich 17 % (n = 85) vorstellen konnten, PN sehr selten zu betreiben, 14 % (n = 71) ab und zu sowie 6 % (n = 32) regelmäßig (Abb. 3). Frauen lehnten PN häufiger ab als Männer (♀ 64 %, n = 211 vs. ♂ 39 %, n = 65), der Zusammenhang zwischen Konsumbereitschaft und Gender war signifikant (χ2 [4, n = 498] = 39,802, p < 0,001; V = 0,283). Darüber hinaus zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Konsumbereitschaft und Studienzeitprävalenz von PN (χ2 [4, n = 503] = 173,283, p < 0,001; V = 0,587). Für 70 % der PN-Nicht-Anwender (n = 253) und 18 % (n = 25) der PN-Anwender kam PN nicht bzw. nicht mehr in Frage. Hingegen berichteten 14 % (n = 50) der PN-Nicht-Anwender und 25 % (n = 35) der Anwender, dass sie sich vorstellen könnten, PN ganz selten zu betreiben. Eine regelmäßige Anwendung konnten sich 1 % (n = 2) der PN-Nicht-Anwender und 21 % (n = 30) der Anwender vorstellen.

Abb. 3
figure 3

Konsumbereitschaft von pharmakologischen Neuroenhancementsubstanzen

Vor dem Studium hatten 16 % (n = 81) der Befragten bereits PN betrieben (♀ 12 %, n = 39; ♂ 24 %, n = 41). Zwischen der Studienzeitprävalenz von PN und Personen, die bereits vor dem Studium PN konsumierten, bestand ein signifikanter Zusammenhang (exakter Fisher-Test, p < 0,001; φ = −0,551). So hatten 15 % (n = 74) erst im Studium damit angefangen, während nur 2 % (n = 12) PN vor, aber nicht im Studium weiter betrieben. Sowohl im Studium als auch davor betrieben 14 % (n = 69) PN. Die Lebenszeitprävalenz von PN beläuft sich damit auf 31 % (n = 155). Diese lag bei Männern signifikant höher als bei Frauen (♂ 40 %, n = 68; ♀ 26 %, n = 86; exakter Fisher-Test, p = 0,002; φ = 0,144).

Als Beweggründe für NE (s. Abb. 4) nannten 77 % Müdigkeit (n = 214), 63 % die Verbesserung der Aufmerksamkeit und Konzentration (n = 175), 36 % Entspannung (n = 101), 36 % Schlafförderung (n = 99), 31 % Termin‑/Abgabedruck (n = 87) und 27 % Leistungsdruck (n = 76). Die akademischen Leistungen wollten 12 % (n = 33) der Befragten damit steigern. Am häufigsten wurden Prüfungsvorbereitungen (68 %; n = 196) als Anwendungssituationen von NE genannt, gefolgt von generellem Stress (52 %; n = 150), in der Freizeit (44 %, n = 127; z. B. zum Entspannen/„Abschalten“, um das Studium bewältigen zu können) und in Prüfungssituationen (32 %; n = 94). Vereinzelt wurden Vorlesungen, Projekt- und Schreibarbeiten wie Hausarbeiten und Pausen ergänzt, aber auch die Zeit nach den Prüfungen.

Abb. 4
figure 4

Beweggründe für Neuroenhancement (n = 279)

Diskussion

Diese Querschnittstudie bietet erstmals einen differenzierten Überblick zu SE und PN an einer HAW im ländlichen Raum, aufbauend auf einer NE-Definition, die über die einseitige Betrachtung von Stimulanzien und des Wirkungsziels der Leistungssteigerung hinausgeht. Dabei wurde eine Studienzeitprävalenz von 91 % für SE und 28 % für PN nachgewiesen. Cannabis (21 %), MPH (8 %) und Amphetamine (7 %) wurden am häufigsten als PN verwendet. Kaffee (70 %), Softdrinks (66 %) und Tees (60 %) dominierten bezüglich SE. Frauen hatten eine signifikant geringere Konsumbereitschaft und geringere PN-Prävalenz. NE wurde insbesondere in der Prüfungsvorbereitung und zur Verbesserung der Wachheit, Konzentration und Aufmerksamkeit eingesetzt.

Das NE war 85 % der Studierenden bekannt. Middendorff et al. [20] fanden eine Kenntnisquote von 84 % an Fachhochschulen. Dies zeigt einen stabilen Kenntnisstand zu NE, wobei nur wenigen Studierenden der Begriff fremd ist.

Unter Studierenden verschiedener Hochschulen in Braunschweig wurde die 12-Monats-Prävalenz von SE zur Leistungssteigerung mit 86 % angegeben [2]. Diese entspricht in etwa der 12-Monats-Prävalenz für SE von 89 % an der HAW Coburg. Allerdings stimmte die Definition von SE in den beiden Studien nicht exakt überein. So wurden in Braunschweig SE zur Verbesserung des psychischen Wohlbefindens (46 %) getrennt ausgewertet, wohingegen an der HAW Coburg auch Nikotin und Alkohol mit einbezogen wurden, sodass die Vergleichbarkeit der Daten eingeschränkt ist.

Auffällig ist, dass die HAW Coburg mit 28 % deutschlandweit die höchste Prävalenz für PN aufweist. Studien wie die von Eickenhorst et al. [6] oder Jochmann et al. [13] mit einer Studienzeitprävalenz von jeweils 7 % erfragten jedoch ein kleineres Spektrum an PN-Präparaten. Die 12-Monats-Prävalenz von PN belief sich in der vorliegenden Untersuchung auf 24 %. Unter deutschen Studierenden zeigten sich hierzu vergleichbare Schätzwerte von 18 % bzw. 23 % [4]. Dietz et al. [3] ermittelten eine 12-Monats-Prävalenz von 20 %, wobei sie Sedativa wie Cannabis nicht einberechneten, dafür Koffeintabletten [3], die in dieser Studie zu SE gezählt wurden. Hungerland und Weik [12] erfassten für den Bereich Soziale Arbeit eine Studienzeitprävalenz von 21 %. In der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit der HAW Coburg lag diese bei 25 %, wobei hier ein größeres Spektrum an PN-Präparaten erhoben wurde. Schilling et al. [25] folgerten, dass die Verbreitung von PN in Deutschland bislang unterschätzt wurde. Majori et al. [18] hatten eine mögliche Steigerung von PN aufgrund steigender Stressbelastung prognostiziert. Da in Übereinstimmung mit Schäfer [22] die Vergleichbarkeit der Studienergebnisse zu NE in Anbetracht der heterogenen Definitionen, Methoden sowie der Fragebogen- und Stichprobenqualität nur bedingt gegeben ist, sollte NE an Hochschulen weiter erforscht werden.

Eine aktuelle Studie, die PN vor und nach der COVID-19-Pandemie („coronavirus disease 2019“) verglich, fand 12-Monats-Prävalenzen von 10 % (2019), 11 % (2020) und 8 % (2021) für Studierende der Universität Mainz, wobei hier keine Schlaf‑/Beruhigungsmittel und Antidepressiva mit einbezogen wurden [5]. Letztere waren jedoch nach Cannabis, Methylphenidat und illegalen Amphetaminen die gängigsten PN-Präparate an der HAW Coburg. Auch laut Middendorff et al. [20] nutzten PN-Anwender am häufigsten Schlaf- oder Beruhigungsmittel, Cannabis und Antidepressiva. Dass Cannabis, konsistent mit der Literatur [2, 5, 8, 11, 15, 20], das populärste PN-Präparat darstellt, mag mit dessen Wertung als weiche Droge und der zunehmenden Debatte um dessen Legalisierung [21] zusammenhängen. (Anmerkung: Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis in Deutschland keine illegale Substanz mehr.) CBD wurde am häufigsten in den Freitextfeldern ergänzt und sollte in zukünftigen Studien als FS mit einbezogen werden. Aufgrund seiner entspannenden, angst- und schmerzlösenden Wirkung scheint das freiverkäufliche CBD an Popularität zu gewinnen [21]. Dies verdeutlicht, dass unter PN nicht vornehmlich Stimulanzien zur reinen Leistungssteigerung zu verstehen sind. Mittel wie Cannabis, Ecstasy oder LSD können neben einer entspannenden auch eine euphorisierende, kreativitäts- und antriebssteigernde Wirkung haben [1]. Dies könnte die hohe PN-Verbreitung in kreativen Studiengängen erklären [16], was sich ebenfalls in der hohen Studienzeitprävalenz von 38 % an der Fakultät Design der HAW Coburg zeigt. Daher sind Sedativa und Psychedelika sowie eine vielseitige Motivbetrachtung, inkl. entspannende, bewusstseins- und kreativitätserweiternde Zwecke, in weiterführenden NE-Studien zu berücksichtigen.

Ähnliches wird bei Betrachtung der Soft-Enhancer deutlich. Hier nutzten 55 % Alkohol. Alkohol wurde auch von Eickenhorst et al. [6] sowie Hungerland und Weik [12] unter NE inkludiert, die Prävalenzen lagen bei 83 % resp. 62 %. Allgemein ist der regelmäßige Alkoholkonsum bei jungen Erwachsenen rückläufig [24]. Dieser Trend betrifft vermutlich auch den Konsum zu NE-Zwecken. Zudem ist Nikotin unter NE zu bedenken, da 34 % hiermit SE betrieben. Dies bekräftigt die von Eickenhorst et al. [6] unter NE erhobene Nikotinprävalenz von 33 %.

Zu beachten ist außerdem der Zusammenhang zwischen PN und SE. Denn 99 % der Hirndopenden betrieben ebenfalls SE. Middendorf et al. [20] gaben eine Überschneidung von 72 % an. Wechselwirkungen zwischen NE-Präparaten, wie Alkohol und Medikamenten, können ein Gesundheitsrisiko darstellen, auf das auch Ganz et al. [10] hinweisen. Doch schon SE alleine kann ein Risiko darstellen, da die Folgen gerade bei neu auf dem florierenden Markt erschienenen Präparaten und bei Mischkonsum schwer abzuschätzen sind.

Die Betrachtung nach Gender zeigte in Einklang mit der Literatur [2, 3, 11,12,13], dass signifikant mehr Männer PN während des Studiums betrieben als Frauen. Bereits die Konsumbereitschaft für PN war bei Männern signifikant stärker ausgeprägt, die Regelmäßigkeit des Konsums, konsistent mit Middendorff et al. [19, 20] jedoch nicht. Wie auch Dietz et al. [3] ausführten, könnte dies mit einer höheren Risikobereitschaft von Männern zusammenhängen. Kein signifikanter Genderunterschied erwies sich bzgl. der Studienzeitprävalenz von SE. Somit konnte der Befund, dass mehr Frauen SE betreiben als Männer [16, 19, 20], nicht bestätigt werden. Genderunterschiede sind allerdings multifaktoriell und unter Einbezug biopsychosozialer Faktoren weiter zu erforschen.

Limitationen

Der Rücklauf war aufgrund der sensiblen Fragestellung zufriedenstellend, jedoch zu gering, um gesicherte Aussagen über die Gesamtpopulation der Studierenden an der HAW Coburg treffen zu können. Somit können Selektionseffekte in der Gender- und Prävalenzbetrachtung nicht ausgeschlossen werden. Trotz Bemühungen, den Fragebogen kurz zu halten, betrug die Abbrecherquote 12 %, was mit der Länge der Befragung zusammenhängen könnte. Obschon Online-Befragungen für sensible Themen als geeignet angesehen werden, da die erhöhte Anonymität sozial erwünschte Antworten reduziert [26], sind diese nicht auszuschließen. Die hohen Prävalenzzahlen weisen jedoch darauf hin, dass sozial erwünschte Antworten minimiert werden konnten, z. B. durch die klare, stigmatisierungsfreie Begriffseingrenzung, die getrennte Abfrage nach Substanzklassen sowie den Einbezug mitstudierender Multiplikatoren in die Rekrutierung. Der Befragungszeitpunkt kurz vor bzw. während der Prüfungsphase könnte sich steigernd auf die Prävalenzzahlen ausgewirkt und gleichzeitig die Teilnehmerquote reduziert haben. Gleichzeitig bestand damit jedoch der direkte Bezug zu einer Hochleistungsphase.

Fazit für die Praxis

  • Viele Studierende nutzen Soft-Enhancement (SE) und pharmakologisches Neuroenhancement (PN) während des Studiums.

  • Es sind zielgruppenspezifische, gendersensible Präventionsmaßnahmen nötig, um über Neuroenhancement (NE) aufzuklären und die Gesundheitskompetenz zu stärken, z. B. durch Stressbewältigungsangebote.

  • Die NE-Prävention sollte SE-Anwender einbeziehen, systemische Faktoren berücksichtigen und ein studierendenfreundliches, gesundes Studienumfeld schaffen.

  • Es ist wichtig, NE auf Landes- und Bundesebene zu thematisieren und finanzielle Unterstützung für Interventionen zu gewähren.