Hintergrund und Fragestellung

Das Aufkommen von COVID-19 („coronavirus disease 2019“) im Dezember 2019 führte infolge der schnellen Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus („severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“) und der fortwährenden Dynamik zu bedeutenden Belastungen für das deutsche Gesundheitssystem [21]. Einrichtungen der Gesundheitsversorgung mussten darauf achten, die Gesundheit von Patient:innen, deren Angehörigen und des medizinischen Fachpersonals gleichermaßen zu schützen. Eine Herausforderung für die stationäre Versorgung war es zudem, ausreichend Kapazitäten für die Intensivversorgung von COVID-19-Erkrankten bereitzustellen sowie die Regelversorgung aufrechtzuerhalten [13]. Während sich die Bevölkerung mit gesundheitsbezogenen Fragen im Zusammenhang mit dem Virus sowie mit der Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen konfrontiert sah, spielten die Maßnahmen der Gesundheitseinrichtungen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung gesundheitsbezogener Entscheidungen von Patient:innen unter Pandemiebedingungen [4, 14, 36].

Inwieweit eine entsprechende Unterstützung bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen während der COVID-19-Pandemie erfolgte, zeigen sowohl erkrankungsspezifische als auch allgemeine Untersuchungen [1, 4, 35]. So kamen etwa Bitzer et al. [4] nach der Analyse von 25 Internetauftritten von Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen zu dem Fazit, dass, obwohl Informationen über COVID-19-Infektionen (z. B. Schutzmaßnahmen) digital vorhanden waren, nur selten nichtinfizierte, akut oder chronisch Erkrankte zu einer informierten und begründeten Entscheidung über die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen kommen konnten. Eine repräsentative Studie aus Deutschland zum gesundheitsbezogenen Informationsverhalten während der COVID-19-Pandemie aus dem Jahr 2020 zeigt dabei die Relevanz von Organisationen im Gesundheitswesen und deren Akteur:innen auf. So waren – verglichen mit 2018/2019 – Ärzt:innen und weiteres medizinisches Fachpersonal 2020 die häufigsten Ansprechpartner:innen für Gesundheitsinformationen. Allerdings gewinnen das Internet und soziale Medien an Bedeutung, insbesondere die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Informationen spielen eine zentrale Rolle [24].

Der Zugang zu und die Verfügbarkeit von Informationen sind Teile des grundlegenden Konzept der organisationalen Gesundheitskompetenz (OGK) des Instituts of Medicine („Ten attributes of health literate health care organizations“; [7]; vgl. Abb. 1). Dabei verfügen die Einrichtungen der Gesundheitsversorgung über OGK, die die Gesundheitskompetenz (GK) der Bürgerinnen und Bürger angemessen berücksichtigen und sie entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen in den Versorgungsprozess einbeziehen [5, 12, 34]. Das OGK-Konzept adressiert Organisationen wie Krankenhäuser und Arztpraxen, die die Gesundheit ihrer Patient:innen unmittelbar beeinflussen. Brach et al. [7] fordern, dass sämtliche Prozesse und Vorgänge in Gesundheitsorganisationen unter Berücksichtigung des Bildungsstandes, der Sprache und der kulturellen Hintergründe von Patient:innen systemübergreifend bearbeitet werden. Ziel ist ein Bekenntnis zur Förderung der GK in allen Strukturen und Abläufen innerhalb der Organisationen.

Abb. 1
figure 1

10 Attribute gesundheitskompetenzfördernder Gesundheitseinrichtungen; in Anlehnung an Brach et al. [7], Kickbusch et al. [19]

Das Konzept mit den in Abb. 1 aufgeführten 10 Attributen ist im deutschsprachigen Raum – teils in adaptierten Varianten – verfügbar und auch für Einrichtungen außerhalb der stationären Versorgung eingeführt [2, 9, 17, 31]. Basierend darauf [7] haben Kowalski et al. [22] das Messinstrument „health literate health care organization 10 item questionnaire“ (HLHO-10) für Einrichtungen der Gesundheitsversorgung entwickelt, welches die Umsetzung der Inhalte der 10 Attribute und somit die OGK erfasst. Die HLHO-10-Validierungsstudie von Kowalski et al. [22] und weitere, lokale Untersuchungen liefern erste Daten zum Stand der OGK in Deutschland [8, 16, 25, 28, 31]. Allerdings gibt es bislang keine bundesweite Studie zur Situation in allgemeinen Krankenhäusern. Zudem ergeben sich unter pandemischen Bedingungen neue Herausforderungen bei der Frage, wie Patient:innen bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützt werden können [18].

Das Ziel dieses Beitrags ist eine Bestandsaufnahme der OGK-Aktivitäten in deutschen Krankenhäusern während der COVID-19-Pandemie. Dabei werden auch die OGK-Aktivitäten der Krankenhäuser im Vergleich betrachtet, d. h. während und außerhalb pandemischer Zeiten. Die Einbeziehung verschiedener Krankenhaustypen, Leitungen verschiedener Fachrichtungen und Krankenhäuser unterschiedlicher Bettenanzahl ermöglicht zudem einen tieferen Einblick in die Gesundheitsversorgung während der COVID-19-Pandemie.

Methode

Eingeschlossen wurden Krankenhäuser, die im deutschen Krankenhausverzeichnis nach § 108 SGB V gelistet sind und mehr als 50 Betten betreiben (n = 1250). Ausgeschlossen wurden Krankenhäuser, die bereits für den Pretest kontaktiert wurden (n = 20) sowie Tageskliniken, Fachkliniken, Reha-Einrichtungen und Krankenhäuser, die nicht per E‑Mail erreichbar waren (n = 226). Zielgruppe der querschnittlichen Befragung waren die ärztlichen, pflegerischen und kaufmännischen Krankenhausleitungen der eingeschlossenen Krankenhäuser (n = 3301). Sie wurden per E‑Mail kontaktiert und zur Teilnahme eingeladen. Diese war sowohl digital über die Befragungswebseite als auch in Papierform möglich. In Anlehnung an Dillman wurde zweimal an die Befragung erinnert [10]. Wir teilten allen eingeladenen Leitungen mit, dass die Teilnahme an der Befragung freiwillig ist. Alle persönlichen Daten wurden pseudonymisiert und getrennt von den Forschungsergebnissen aufbewahrt. Die Befragung lief zwischen November und Dezember 2022.

Fragebogen

Das Selbstbewertungsinstrument enthält die 10 Fragen des HLHO-10 von Kowalski et al. [22] sowie eine adaptiere Version der zehn Fragen des HLHO-10 bezogen auf die COVID-19-Pandemie (HLHO-10-Cov). Für beide Skalen besteht eine siebenstufige Likert-Skala (1 = überhaupt nicht bis 7 = in sehr großem Maße). Zudem erfasst der Fragebogen strukturelle Eigenschaften der Krankenhäuser (z. B. Trägerschaft, Bettenzahl, Art des Qualitätsmanagementsystems) und Angaben der ausfüllenden Person (z. B. Position). Er beinhaltet darüber hinaus eine Freitextfrage zu gegenwärtigen OGK-Aktivitäten des Krankenhauses.

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung umfasste neben einer deskriptiven Analyse unter Verwendung von Mittelwerten, Median und Prozentangaben weitere statistische Tests wie ANOVA, Kruskal-Wallis-Test und den gepaarten t‑Test. Dadurch war es möglich, die Daten auf statistische Zusammenhänge wie beispielsweise zwischen verschiedenen Merkmalen (z. B. Anzahl der Jahre in der aktuellen Position, dem Krankenhaustyp) und der Bewertung des HLHO-10-Cov zu untersuchen. Die Ergebnisse der ANOVA-Tests wurden einer Post-hoc-Analyse unterzogen und der Tukey-Test genutzt, um signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Variablen zu identifizieren und zu bewerten. Um Gruppenunterschiede für die unterschiedlichen Qualitätsmanagementsysteme zu veranschaulichen, wurde anschließend an den Kruskal-Wallis-Test der Bonferroni-Test eingesetzt. Der gepaarte t‑Test wurde berechnet, um die HLHO-10-Cov-Mittelwerte, die sich auf die pandemische Phase konzentrierten, mit den HLHO-10-Mittelwerten zu vergleichen, die sich auf die allgemeine und somit nicht-pandemische Zeit bezogen. Für die Skala HLHO-10-Cov wurde zusätzlich Cronbachs Alpha analysiert. Alle statistischen Analysen wurden mithilfe der Software IBM® SPSS® 28.0 (IBM Corporation, Armonk, NY, USA) mit Bonferroni-Korrektur und einem Signifikanzniveau von 0,05 durchgeführt.

Um die Freitextantwort zu den OGK-Aktivitäten während der COVID-19-Pandemie auszuwerten, erfolgte eine qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker [23]. Das deduktiv-induktiv entwickelte Kategoriensystem basiert auf den zehn Merkmalen einer GK-fördernden Organisation nach Brach et al. ([7]; Abb. 1) und wurde auf Grundlage der Nennungen um weitere Kategorien ergänzt. Die Auswertung der Angaben wurde von zwei Forschenden mithilfe von MAXQDA 2022 (VERBI GmbH, Berlin, Deutschland) durchgeführt.

Ergebnisse

Stichprobenbeschreibung

Insgesamt haben 328 von 3301 Krankenhausleitungen (10 %) den COVID-19-Pandemie-bezogenen Fragebogen (HLHO-10-Cov) vollständig ausgefüllt und bilden die Stichprobe für die weitere Analyse. Tab. 1 stellt die Charakteristika der Befragten dar. Am häufigsten sind die Krankenhausleitungen in der Pflegedirektion tätig (49 %) und haben ihre aktuelle Position seit weniger als 5 Jahren inne (33 %). Mehr als ein Drittel der Befragten arbeitet in freigemeinnützigen Krankenhäusern (40 %). Ein Großteil der Krankenhäuser nutzt das Qualitätsmanagementsystem DIN EN ISO 9001 (78 %).

Tab. 1 Stichprobenmerkmale der Krankenhausleitungen (n = 328, bedingt durch fehlende Werte variiert der Umfang der Gesamtstichprobe)

Im Vergleich zur Grundgesamtheit der allgemeinen Krankenhäuser in Deutschland im Jahr 2021 (N = 1534) ist die Verteilung nach Krankenhaustyp in unserer Stichprobe nicht repräsentativ [37]. Aktuell sind 38 % Krankenhäuser in privater Trägerschaft, 33 % in freigemeinnütziger Trägerschaft und dazu bestehen 29 % öffentliche Krankenhäuser [37]. Repräsentativ sind unsere Daten bezüglich der Größe der Krankenhäuser, wobei die Krankenhausleitungen größtenteils in Einrichtungen von 200–499 Betten tätig sind (46 %). Diese Gruppe umfasst bundesweit einem Anteil von 32 %. Es folgen Krankenhäuser mit bis zu 99 Betten (30 %), danach mit bis zu 199 Betten (22 %) und zuletzt mit > 500 Betten (16 %; [37]). Es gibt keine Referenzwerte, die die Anwendung und Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen (QM) in Krankenhäusern abbilden. Jedoch gibt es Hinweise darauf, dass DIN ISO 9001:2015 das am häufigsten verwendete QM-System ist, was sich auch in unseren Studienergebnissen zeigt [11, 26, 29].

In Tab. 2 sind die Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) des HLHO-10-Cov aufgeführt, dessen interne Konsistenz 0,89 beträgt und damit hoch sowie gut vergleichbar mit der des ursprünglichen HLHO-10 ist. Der durchschnittliche Mittelwert der 10 HLHO-10-Cov-Items beträgt 4,61 (SD = 1,20). Die Befragten geben an, dass sie während der COVID-19-Pandemie eher selten Informationen für unterschiedliche Patient:innen über verschiedene Medien bereitgestellt haben (M = 3,81; SD = 1,76). Auch wurden während der COVID-19-Pandemie Gesundheitsinformationen z. B. zur Entscheidungsfindung nur in geringem Umfang gemeinsam mit Patient:innen entwickelt (M = 3,44; SD = 1,74). Die Leitungsebene berichtete, dass während der Pandemie innerhalb der Krankenhäuser eine transparente Kommunikation der Kosten erfolgte (M = 5,10; SD = 1,72). Sie achteten während dieser Zeit weiterhin auch besonders darauf, dass Patient:innen sich einfach zurechtfinden können (M = 5,18; SD = 1,54) und stellten sicher, dass diese auch in kritischen Situationen alles verstanden haben (M = 5,07; SD = 1,72). Außerdem wurden während der Pandemie die Mitarbeitenden gezielt zum Thema Gesundheitskompetenz geschult (M = 5,08; SD = 1,71).

Tab. 2 Deskriptive Statistik zu den HLHO-10-Cov-Items während der COVID-19-Pandemie und zum HLHO-10

Unterschiede in der Bewertung des HLHO-10-Cov in pandemischer gegenüber nicht-pandemischer Zeit

Im Vergleich der Einschätzung der HLHO-10-Fragen für den Zeitpunkt der COVID-19-Pandemie gegenüber der nicht-pandemischen Zeit ergeben sich bei vier Fragen statistisch signifikante Unterschiede (Tab. 2). Erstens zeigt sich ein Unterschied bezogen auf die erste Frage, wobei sich die Leitungen häufiger während der COVID-19-Pandemie als zu nicht-pandemischen Zeiten dem Thema GK widmeten (t[327] = 3,61; p < 0,001; d = 0,2). Zweitens weisen die Ergebnisse der siebten Frage darauf hin, dass Gesundheitsinformationen während der COVID-19-Pandemie häufiger über verschiedenen Medien den Patient:innen bereitgestellt wurden gegenüber der nicht-pandemischen Zeit (t[324] = 2,08; p = 0,038; d = 0,12). Bei der neunten Frage zur Kostentransparenz ist zu erkennen, dass die Kommunikation der Kosten während der Pandemie weniger offen und transparent erfolgte (t[322] = 5,12; p < 0,001; d = −0,29). Viertens ist die zehnte Frage zur Schulung von Mitarbeitenden zu benennen, wobei während COVID-19 deutlich mehr Schulungen mit explizitem Bezug zum Thema GK stattgefunden haben als in nicht-pandemischen Zeiten (t[325] = 13,77; p < 0,001; d = 0,76).

Unterschiede in der Bewertung des HLHO-10-Cov nach Merkmalen der Befragten und des Krankenhauses

In Bezug auf die Bewertung der HLHO-10-Cov-Fragen ergeben sich Unterschiede je nach Merkmal. Während die Position innerhalb des Krankenhauses keine signifikanten Unterschiede bei der Bewertung des HLH-10-Cov aufweist, zeigen sich diese jedoch anhand der Länge der Tätigkeit im Krankenhaus (s. Online-Material 1, Tabellen A1 und A2). So geben Krankenhausleitungen für die zweite Frage (Tab. 2), welche auf die Berücksichtigung der GK im Qualitätsmanagement eingeht, eine differenzierte Einschätzung ab (F[3,285] = 3,104; p = 0,027; η2 = 0,073). Führungskräfte, die mehr als 15 Jahre in ihrer aktuellen Position tätig sind, geben eine höhere Berücksichtigung der GK im Qualitätsmanagement an als diejenigen, die kürzer in ihrer Position (z. B. 5–9 Jahre) tätig sind. Unterschiede zeigen sich auch hinsichtlich der Trägerschaft und der Bereitstellung von Maßnahmen zur Navigation der Patient:innen (Nr. 6), (F[2,284] = 3,201; p = 0,042; η2 = 0,062; Online-Material 1, Tabelle A3). Während Leitungen aus privaten Krankenhäusern eine höhere Beurteilung hinsichtlich der Maßnahmen zur Navigation der Patient:innen vornehmen, sind die Werte der freigemeinnützigen und öffentlichen Krankenhäuser niedriger. Auch die Anzahl der Betten und damit die Größe des Krankenhauses steht bei einem Merkmal in Zusammenhang wie die Krankenhausleitungen ihre Einrichtung bewerten (Online-Material 1, Tabelle A4). Inwiefern Informationen über verschiedene Medien zur Verfügung gestellt werden (Nr. 7), ist abhängig von der Größe des Hauses (F [3,282] = 4,676; p = 0,003; η2 = 0,096). Leitungspersonen aus Krankenhäusern mit ≥ 500 Betten geben höhere Werte an als Leitungen aus kleineren Krankenhäusern. Unterschiede anhand der verschiedenen QM-Systeme zeigen sich zudem bei zwei Fragen (Online-Material 1, Tabelle A5). Diese bestehen zum einen bezüglich der ersten Frage, inwiefern sich die Leitung dem Thema OGK widmet (H [4] = 10,34; p = 0,035). Im Vergleich zeigen sich Unterschiede bei den Krankenhäusern, welche DIN ISO 9001 sowie DIN ISO 15224 oder KTQ im Gegensatz zu den Krankenhäusern, die andere QM-Systeme nutzen. Zum anderen bestehen Unterschiede für die zweite Frage, welche auf die Integration von GK in das QM-System des Krankenhauses eingeht (H [4] = 12,75; p = 0,013). Krankenhausleitungen, die das EFQM-Modell (European Foundation for Quality Management) in ihrer Einrichtung verwenden, bewerten eine höhere Integration als Krankenhausleitungen von Einrichtungen mit anderen QM-Systemen.

OGK-Umsetzungsbeispiele während der COVID-19-Pandemie

Im Hinblick auf Maßnahmen, die die GK der Patient:innen in Krankenhäusern fördern sollen, können aus den Freitextantworten (n = 120) einige Beispiele für den Zeitraum der COVID-19-Pandemie dargelegt werden. In den Krankenhäusern waren für alle Patient:innen und Interessierten Informationsmaterialien zur COVID-19-Erkrankung sowie weiteren medizinischen Themen wie beispielsweise zu Darmkrebs oder zu Diabetes mellitus (konkret: Aufklärungsbroschüren zur Erkrankung und Therapie) verfügbar. Diese wurden sowohl digital (z. B. über Bildschirme im Wartebereich) als auch in Papierform bereitgestellt. Um auch die GK der Allgemeinbevölkerung zu unterstützen, wurden seitens der Krankenhäuser in der jeweiligen lokalen Presse oder über Social Media medizinische Artikel (z. B. zu Präventionsmaßnahmen wie Impfungen) veröffentlicht. Ebenso wurden digitale Patientenseminare zu Erkrankungen und Therapien wie beispielsweise zu Alzheimer-Demenz angeboten, Telefonsprechstunden ausgebaut und weitere Hinweisschilder zur Navigation im Krankenhaus angebracht. Im Zusammenhang mit der Pandemie wurde häufig die Aktion Saubere Hände genannt. Krankenhäuser erhielten von dem Aktionsbündnis Fortbildungs- und Aktionsmaterialien für ihre Mitarbeitenden, wenn sie an der Aktion teilnahmen. Daneben wurde die Einführung einer Koordinatorenstelle bzw. einer/s Pandemiebeauftragten erwähnt, wobei die Person bei der Erarbeitung von Pandemieplänen und deren Umsetzung agierte und Empfehlungen, Hinweise und Checklisten erarbeitete. Diese sollten die GK der Mitarbeitenden sowie der Patient:innen und Angehörigen fördern.

Allerdings identifizierten die Krankenhausleitungen für ihre OGK-Aktivitäten auch Optimierungsbedarf. Mehrfach wurden die personellen Ressourcen genannt, um beispielsweise individuelle Informationsgespräche durchführen zu können. Ebenso sahen sie Potenzial bezüglich der individuellen, digitalen Patienteninformation (z. B. Apps mit Gesundheitsinformationen auf Bedside-Terminals) und mehrsprachigen Gesundheitsinformationen.

Diskussion

Die vorliegende Studie hat zum Ziel, den Stand der organisationalen Gesundheitskompetenz in deutschen Krankenhäusern während der COVID-19-Pandemie darzustellen und daraus Anregungen zu gewinnen, was in zukünftigen Pandemien und Krisen getan werden könnte. Die Ergebnisse zeigen, dass in den Einrichtungen während der COVID-19-Pandemie in geringem Umfang Gesundheitsinformationen über verschiedene Medien für Patient:innen bereitgestellt wurden. Bei zukünftigen Pandemien und Krisen kann eine Medienvielfalt sowie deren partizipative Weiterentwicklung mit Patientenvertretungen, beispielsweise über Krankenhaus‑/Gesundheits-Apps auf Tablet-PC’s, von großer Bedeutung sein, um Patient:innen dabei zu unterstützen, die bestmögliche gesundheitsbezogene Entscheidung für sich zu treffen. Denn auf organisationaler sowie systemischer Ebene hat eine geringe GK von Patient:innen umfangreiche Folgen: Personen mit geringer GK nehmen gesundheitliche Dienstleistungen wie die Akutversorgung der Krankenhäuser oder den ärztlichen Notfalldienst häufiger in Anspruch und haben zugleich eine höhere Inanspruchnahme an Arztkontakten [3, 38], wohingegen Präventions- und Vorsorgeuntersuchungen deutlich seltener in Anspruch genommen werden [20].

Bezüglich der Angaben der Krankenhausleitungen in dieser Studie wurden Patient:innen nur selten bei der Entwicklung von Gesundheitsinformationen einbezogen. Dies kann etwa durch die kontinuierliche Kooperation mit Patientenvertretungen, Angehörigen und Selbsthilfegruppen umgesetzt werden, auch kann ein Patienteninformationszentrum eine neue und wichtige Anlaufstelle werden, um auf die Bedürfnisse der Zielgruppen einzugehen [20, 20, 36].

Zudem zeigen die Befragungsergebnisse, dass in den Krankenhäusern während der COVID-19-Pandemie verstärkt GK-bezogene Schulungen für Mitarbeitende durchgeführt wurden. Ein möglicher Grund ist, dass während dieser Zeit die Sensibilität für GK-bezogene Themen (z. B. Schulung zur Kommunikation mit Patient:innen und deren Angehörigen aufgrund Schutzmaßnahmen) entstanden ist [18, 36].

In Bezug auf die Unterschiede der Einschätzung der OGK im Krankenhaus für den Zeitraum der COVID-19-Pandemie stehen die Trägerschaft, die Bettenanzahl und damit Größe des Krankenhauses, die Anzahl der Jahre in der Tätigkeit und das verwendete QM-System im Zusammenhang mit der Bewertung der einzelnen OGK-Fragen. Hierbei handelt es sich um grundsätzlich plausible, aber noch explorative Ergebnisse, die jedoch zumindest teilweise im Einklang mit den Befunden anderer Studien sind. Für nicht-pandemische Zeiten zeigt die Validierungsstudie des HLHO-10 in deutschen Brustkrebszentren, dass Kontextfaktoren wie Trägerschaft und Größe keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Bewertung des HLHO-10 ausmachten [22], im internationalen Vergleich werden dazu jedoch andere Ergebnisse präsentiert [6, 15]. In den Studien aus der Türkei und Italien wurden beispielsweise ebenso Unterschiede in der Bewertung des HLHO-10 aufgrund der verschiedenen Krankenhaustypen festgestellt [6, 15].

Die von den Krankenhäusern berichteten Beispiele von OGK-Aktivitäten während der COVID-19-Pandemie reichen von Informationsmaterialien zu gesundheitsbezogenen Themen über digitale Patientenseminare bis hin zu Telefonsprechstunden und COVID-19-Pandemie bezogenen Navigationshinweisen in den Krankenhäusern. Diese Aktivitäten belegen, dass Krankenhäuser durchaus bestrebt sind, die GK der Patient:innen, deren Angehörigen und der Bürger:innen zu fördern und auf die besonderen Herausforderungen der Pandemie zu reagieren [18, 40]. Zur weiteren Förderung der OGK bestehen unterstützende Toolboxen für Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und diese sollten in der Praxis fortlaufend adaptiert und eingesetzt werden [30]. Auf systemischer Ebene sollten dazu entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen und gesetzlich verankert werden [20].

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die COVID-19-Pandemie die Umsetzung von GK-bezogenen Maßnahmen in Krankenhäusern (z. B. Mitarbeitendenschulungen) beeinflusst hat. Um eine detailliertere Einsicht zu erhalten, könnten weitere Führungskräfte im Krankenhaus (z. B. Chefärzte und Stationsleitungen) ergänzende Bewertungen der OGK für den Zeitpunkt der COVID-19-Pandemie abgeben oder vertiefende Interviews durchgeführt werden.

Stärken und Limitationen

Eine Stärke der vorliegenden Studie besteht darin, eine deutschlandweite Übersicht zum Stand der OGK in deutschen Krankenhäusern während und außerhalb pandemischer Zeiten aus der Perspektive von Krankenhausleitungen der verschiedenen Verantwortungsbereiche zu gewinnen. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass die Stichprobe Krankenhäuser unterschiedlicher Versorgungsstufen und somit unterschiedlicher Größe enthält. Trotz umfassender Bemühungen für eine hohe Beteiligungsquote konnte nur eine vergleichsweise niedrige Rücklaufquote erreicht werden, wobei Rücklaufquoten bei Patientenbefragungen und Umfragen bei Fachkräften im Gesundheitswesen eher niedrig sind und in den letzten Jahrzehnten abgenommen haben [27]. Ein weiterer, möglicher Grund für den geringen Rücklauf stellt die COVID-19-Pandemie dar, da viele Mitarbeitende im Befragungszeitraum krank waren und sich aufgrund der Pandemie und Grippewelle die Personalsituation in deutschen Krankenhäusern verschärfte [32, 33, 39]. Leider war es aufgrund des gewählten Vorgehens im Projekt auch nicht möglich, eine Non-response-Analyse durchzuführen. Anzumerken ist zudem, dass die Verteilung nach Krankenhaustypen in unserer Stichprobe nicht dem Vorkommen in Deutschland entspricht, jedoch die Verteilung nach anderen Merkmalen wie der Größe/Bettenanzahl [37].

Fazit für die Praxis

  • Während der COVID-19-Pandemie wurden Patient:innen selten in die Entwicklung und Evaluation von Gesundheitsinformationen einbezogen. Während dieser Zeit konnten jedoch vermehrt Informationen in digitalen Formaten wie Online-Patientenseminare und digitale Informationsmaterialien bereitgestellt werden.

  • Während der COVID-19-Pandemie fanden vermehrt Gesundheitskompetenz-bezogene Schulungen für Mitarbeitende statt. Diese sollten in nicht-pandemischen Zeiten verstetigt werden, z. B. im Bereich der Kommunikation und Informationsvermittlung.

  • Durch gezielte Förderung und Unterstützung der OGK-Aktivitäten der Krankenhäuser seitens der Dachorganisationen und der Politik können weitere, strukturelle Verbesserungen erzielt werden.

  • Organisationale Gesundheitskompetenz kann in zukünftigen Krisen und Pandemien förderlich sein, sodass Patient:innen auf Basis guter und verlässlicher Gesundheitsinformationen fundierte gesundheitsbezogene Entscheidungen treffen können.