Frühgeburten sind für betroffene Eltern oft traumatisch und herausfordernd für die Eltern-Kind-Bindung. Förderliche und hinderliche Faktoren für den Bindungsaufbau sind gegenwärtig wenig bekannt.

Einführung

In der Schweiz wurden 2023 über 6 % der neugeborenen Kinder vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren [7]. Frühgeborene Kinder (FG) sind körperlich oft wenig vollständig entwickelt mit Adaptionsproblemen: Vitalfunktionen, Thermoregulation oder Atmung sind eingeschränkt. Unvollständig ausgereifte Gefäßwände, Darmschleimhaut und Organe führen zu neurologischen Problemen, Gedeihstörungen und Infekten. FG benötigen so engmaschige Betreuung auf einer Neonatologie [11, 17, 19]. Die Hospitalisation bedeutet für FG Lärm, Stress und Schmerzen durch Blutentnahmen, Legen von venösen Zugängen oder Beatmung [2].

Befürchtungen zum Gesundheitszustand und der kindlichen Entwicklung, das Trauma der vorzeitigen Geburt, die elterliche Rollenfindung und medizinische Geräte führen zu elterlichen Ängsten, Stress, Kraftlosigkeit und Wut gemäß Querschnitts- und Übersichtsstudien [11, 14]. Eltern von FG haben Angststörungen (50 %), Depressionen (40 %) oder posttraumatische Belastungsstörungen (30 %). Bei einigen Eltern (20 %) bestehen die Belastungsstörungen länger als 2 Jahre nach der Geburt gemäß Übersichtsstudien [14, 20]. Medizinische Geräte, Geräusche und mangelnde Privatsphäre auf der Neonatologie halten Eltern vom FG ab [1]. Durch die Hospitalisation hinterfragen Eltern ihre Rolle und fürchten die Pflege des Kindes. Eltern benötigen Unterstützung durch die Fachpersonen, fühlen sich aber gleichzeitig in der Autonomie eingeschränkt. So fühlen sich Eltern oft unsicher und als Besuchende ihrer Kinder gemäß qualitativen Studien [10, 19].

Elterliche Präsenz ist zentral für die FG-Entwicklung. Die mütterlichen neurologischen Systeme sind mit jenen des FG auch nach Geburt verbunden. So wird der Eltern-Kind-Bindungsaufbau gefördert gemäß einer Querschnittsstudie [17]. Haut-zu-Haut-Kontakte fördern beim FG Schlafstruktur und Hirnaktivität, reduzieren Sterblichkeit, Sepsisrisiko und Rehospitalisationen [10]. Jedoch sind viele Neonatologien sehr beengt und elterliche Präsenz eingeschränkt gemäß einer qualitativen Studie [9].

Die FG-Eltern sind in ihrer Rollenfindung und im Beziehungsaufbau stark eingeschränkt. Die traumatischen Erlebnisse um Geburt, Hospitalisation und Neonatologieräume fördern die Eltern-FG-Trennung. Auch die Haltung der Fachpersonen beeinflusst den elterlichen Einbezug in die Pflege des FG. Wenig bekannt sind die förderlichen und hinderlichen Faktoren aus Elternsicht wie auch aus Sicht der Fachpersonen zur Förderung der Eltern-Kind-Bindung auf der Neonatologie.

Methode

Dafür wurde eine qualitative Studie in einer Deutschschweizer universitären Neonatologie mit 25 Betten – ohne Möglichkeit für Elternübernachtungen – durchgeführt. Eltern können ständig beim Kind sein, auch während Behandlungen. Jährlich werden rund 600 FG und kranke Termingeborene betreut. Seit 2012 erhalten alle Eltern eine Informationsbroschüre zu Frühgeburtlichkeit, elterlichen Aktivitäten für das Kind und Empfehlungen zur Austrittsplanung gemäß „creating opportunities for parent empowerment“ (COPE; [15]).

Stichprobe, Rekrutierung und ethische Überlegungen

Gemäß Schweizer Humanforschungsgesetz [16] zeigte sich die Ethikkommission als nicht zuständig. Jedoch wurde die Helsinki-Deklaration [23] berücksichtigt.

Mit zweckgebundenem Sampling wurden Oktober 2021 bis Februar 2022 deutschsprachige Eltern angefragt mit einem FG, die/der für mindestens 10 Tage auf der teilnehmenden Neonatologie hospitalisiert war. Nach Interessensbekundung bei Erstkontakt mit den Eltern durch eine Neonatologiefachperson informierten zwei der Autorinnen (NF, MS). Alle teilnehmenden Eltern wurden um ihre schriftliche Einwilligung gebeten, konnten aber jederzeit, ohne Folgen, von der Studie zurücktreten.

Alle Fachpersonen der teilnehmenden Neonatologie wurden im selben Zeitraum zur Studie informiert und zur Teilnahme an einer Online-Umfrage und Interviews gebeten. Die Teilnahme an Online-Fragebogen und Interviews konnte jederzeit beendet werden ohne Folgen. Komplette Online-Fragebogen wurden als Zustimmung gewertet. An den Interviews interessierte Fachpersonen wurden um ihre schriftliche Einwilligung gebeten. Teilnehmende waren Fachpersonen mit einem Berufsabschluss in Medizin, Pflege und Psychologie aller Hierarchiestufen. Studierende wurden nicht eingeschlossen.

Datensammlung

Mit beiden Gruppen – Eltern und Fachpersonen – wurden literaturbasierte semistrukturierte Interviews geführt (Tab. 1), geeignet für die Erhebung von Sichtweisen [3]. Eltern wurden nach Verfügbarkeit in Paar- oder Einzelinterviews befragt. Pflegefachpersonen wurden in Gruppen interviewt. Vorgesetzte Personen oder Nicht-Pflegefachpersonen wurden einzeln befragt. Die Interviewart war angepasst auf die Teilnehmenden. Alle Interviews wurden vor Ort oder online durchgeführt, aufgenommen und wörtlich transkribiert.

Tab. 1 Beispielfragen

Eltern wurden zu Familie, Kind, Schwangerschaft und ähnlichem befragt. Fachpersonen wurden nach Arbeitserfahrung und Anzahl Jahre auf der teilnehmenden Neonatologie gefragt.

Zusätzlich wurden alle Fachpersonen gebeten, den FINC-na („families importance in nursing care“; [4]) online zu komplettieren. Damit wurden Haltung und Einstellung zum Familieneinbezug erhoben. Der FINC-na besteht aus vier Unterskalen (Familie als Ressource [Fam-RNC], Familie als Gesprächspartner:innen [Fam-CP], Familie als Last [Fam-B], Familie als eigene Ressource [Fam-OR]) mit total 26 Items (Cronbachs alpha: 0,92) und ist valide [5, S. 27].

Datenanalyse

Alle Einzel- und Gruppeninterviews wurden mit thematischer [6] und Inhaltsanalyse [13] bearbeitet. Zunächst wurde thematisch analysiert [6] mit ausführlichem Lesen, Kodieren und Themenidentifikation. Anschließend fand die Inhaltsanalyse [13] statt mittels Paraphrasieren und Kategorienbildung.

Die FINC-na-Daten wurden gemäß Benzein et al. [4] in RStudio bearbeitet. Danach wurden für FINC-na- und soziodemografische Daten Häufigkeiten, Tendenzen, Verteilungen und weitere beschreibende Werte mit RStudio (statistische Software Open Access, Posit - The Open Source Data Science Company, Boston, USA) berechnet.

Ergebnisse

Elterninterviews

Insgesamt wurden N = 7 Elternpaare (7 Frauen, 2 Männer) mit Altersdurchschnitt 32,5 (29–37) Jahre und total n = 9 Kindern (2 Mädchen, 7 Knaben) befragt (Tab. 2). Bei zwei Interviews waren beide Elternteile anwesend (Interviewdauer: Im Schnitt = 26 min, 14–33 min).

Tab. 2 Soziodemografische Daten der Eltern und Kinder

Die Analyse der Elterninterviews ergab zwei Bereiche: In die Rolle der Eltern finden und Leben in zwei Welten.

In die Rolle der Eltern finden

Für alle Eltern klaffen Vorstellungen zu Schwangerschaft, Geburt und Realität auseinander. Die Geburt ist überraschend früh. Partner:innen sind nicht immer dabei und entwickeln Schuldgefühle: „Sie haben mir (das Kind) kurz gezeigt. Man hat noch kurz die Nabelschnur geschnitten. Und dann war sie weg.“ Einige Eltern sehen ihr Kind sogar kurz nach der Geburt um Atem ringen.

Die Kennenlernphase ist stark eingeschränkt und überlagert mit Sorge um das Kind: „Hoffentlich hat (das Kind) keine Blutungen, hoffentlich (…) keinen Infekt, hoffentlich atmet sie gut.“ Insbesondere in den ersten Tagen sind die Kinder an medizinischen Geräten angeschlossen und das Kind dahinter kaum greifbar. Die FG schlafen viel und haben geschlossene Augen. Die Kontaktaufnahme durch Ansehen oder Berühren ist erschwert. Hautkontakt ist oft nur mit Unterstützung der Fachpersonen möglich. Erst mit der Zeit wagen Eltern das Kind zu berühren. Sie wären jedoch gerne selbständig in Pflege und Ernährung des Kindes. Auch beobachten Eltern schmerzhafte Handlungen am Kind.

„Ich habe gesehen, wie (das Kind) vom Operationssaal auf die Neonatologie gekommen ist. Wie verkabelt und die Magensonde gelegt wurde. Danach der Sauerstoff, das CPAP … (und) ich dachte: ‚Jesses Gott, was machen sie mit ihm!‘“

Solche Momente erschweren Bindungsaufbau und Rollenfindung. Die Vorteile häufiger Anwesenheit beim Kind sind den Eltern klar. Je mehr die Eltern beim Kind sind, desto mehr entwickeln sie Freude und Stolz über die Geburt und das Kind.

In zwei Welten leben

Eltern pendeln zwischen Neonatologie und zu Hause. Sie verbringen wenige Stunden bis ganztags im Spital. Partner:innen lassen sich sogar krankschreiben. Dennoch müssen Eltern zwischendurch nach Hause, um sich zu pflegen, schlafen und ernähren, die anderen Kinder betreuen oder berufliche Aufgaben wahrzunehmen. Grundsätzlich wollen Eltern immer beim Kind sein. Dafür müssen sie genau planen: „Also man geht jetzt um 15.00 Uhr heim (…) Noch vor dem Stau. Man hat genug Zeit mit den Kindern zuhause. Aber ich merke, ich bin nicht bereit zu lösen. Es ist brutal.“ Dabei sind die Eltern in Gedanken beim FG. Diese Gefühle sind umso stärker, wenn sie weitere Kinder haben.

„Dann wird es Abend, und dann sind die Gedanken noch schwerer (…) Die räumliche Trennung! Am Anfang hatte ich sehr Mühe! Aber inzwischen geht es, weil ich weiß, dass ich am nächsten Tag wiederkommen kann.“

Manchmal erfahren Eltern von Fachpersonen Druck, dass sie mehr Zeit auf der Neonatologie verbringen sollen. Dabei wird jeweils auf die Wichtigkeit der elterlichen Anwesenheit für das Kind verwiesen.

Für Mütter ist das Zeitmanagement besonders herausfordernd. Sie müssen Milch abpumpen für das FG und für Momente des Hautkontakts im Spital sein. Aber sie müssen auch für sich selbst und ihre Familie sorgen. Die Eltern leben in zwei Welten und es besteht ein Gefühl der Unvollständigkeit, egal wo sie sich befinden.

„Wenn ich zuhause bin, fühle ich mich schon nicht so gut. Und es fehlt halt einfach wie etwas. (…) wir ist nur komplett, wenn wir zusammen hier sind.“

Hingegen schätzen einige Eltern schätzen ruhige Nächte zu Hause. Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre auf der Neonatologie fehlen. Nur eine Familie erwähnt ein Familienzimmer. Dadurch können sie beim FG verweilen und Fortschritte erleben.

„Ein Raum würde helfen, wo man kurz telefonieren kann. (…) Manchmal hat man halt schon Gefühle, die man nicht vor dem Kind rauslassen möchte (…) sich kurz zurückziehen können.“

Eltern schätzen Gespräche mit Fachpersonen und wollen einbezogen werden. Mit Maßnahmen wie gezielten Einsätzen von Hautkontakten stärken Fachpersonen die elterliche Rollenfindung. Dadurch erhalten Eltern Verantwortung und werden selbständig. Unruhe, hohes Arbeitspensum und gestresste Fachpersonen sind abschreckend. Dann wagen Eltern selten, nach „Kleinigkeiten“ zu fragen wie ein warmes Tuch vor dem Stillen.

Fachpersonenumfrage und -interviews

Die Fachpersonen (N = 125) wurden gebeten, den FINC-na online zu beantworten (Rücklauf: 45 %). Insgesamt waren 34,4 % der Fragebogen (n = 43, 42 Frauen, 1 Mann) komplett (Tab. 3).

Tab. 3 FINC-na („families importance in nursing care“)

Insgesamt wurden N = 14 Personen (12 Frauen, 2 Männer) in 6 Einzel- und Gruppeninterviews (Dauer: Im Schnitt = 29,5 min, 10–58 min) befragt (Tab. 4).

Tab. 4 Soziodemografische Daten

Die Analyse der Fachpersoneninterviews ergab zwei Bereiche: Anwesende Eltern und Personelle Ressourcen.

Anwesende Eltern

Gemäß allen Fachpersonen sollen Eltern so oft wie möglich anwesend sein und einbezogen werden. Dadurch geht es Eltern und FG besser. Jedoch kann elterliche Anwesenheit und aktive Beteiligung auch problematisch sein. „Denn Du weißt nie wie die Eltern sind oder die Situation des Kindes ist, gerade beim Eintritt.“

Dabei anerkennen Fachpersonen, dass der Elterneinbezug stärker verankert sein muss. Längere Besuchszeiten verbessern elterliche Anwesenheit und Einbezug.

„Wir müssen auch zuerst reinwachsen (…) Jahrzehnte lang war es anders (…) Unsere Haltung (…) muss ändern beim Thema, was Eltern machen dürfen und nicht. Es ist noch schwierig. Wenn du ein großes Team hast, dann sind es 30, 40 oder 50 verschiedene Meinungen und Haltungen.“

Die elterliche Anwesenheit ist bei kritischen Handlungen wie Erstversorgung des FG teils störend und stressauslösend. Auch sind Fachpersonen oft uneins über Handlungen, die Eltern bei den FG übernehmen sollen und dürfen. Die Fachpersonen anerkennen, dass die Situation der Eltern schwierig ist. Trotzdem finden Fachpersonen, dass Eltern eigentlich täglich beim FG sein sollen. „Eltern sollen nicht nur ‚Besuchende‘ sein. Die Qualität der elterlichen Anwesenheit ist ausschlaggebend, nicht die Quantität.“

Fachpersonen haben gute Erfahrungen gemacht mit Eltern, die schwierige kindliche Situationen miterleben. Dazu weisen sie auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Sind Eltern in solchen Situationen dabei, sind sie informiert und erleben den Einsatz. Die elterliche Anwesenheit trägt dazu bei, dass Fachpersonen ihre Handlungen nochmal kritisch begutachten.

„Wir hatten neulich eine Reanimationssituation (…) und im Nachhinein haben die Eltern zurückgemeldet, dass es für sie gut war, dabei gewesen zu sein. Dass sie gesehen haben, dass wir alles Mögliche gemacht haben. Es einfach nicht gegangen ist. Das war für die Eltern eigentlich das Wichtigste.“

Für alle Fachpersonen muss die Neonatologie also neben Kinder- auch Elternfreundlich sein. Nur so können Momente wie nachfolgende entstehen:

„Als ein Vater mal sein Kind selbstständig aus dem Känguru zurück ins Bett legte, sagte er danach, dass er sich mit dem Kind auf dem Arm zum ersten Mal als richtiger Vater gefühlt hat.“

Personelle und andere Ressourcen

Pflegefachpersonen betreuen FG vom Eintritt auf die Neonatologie und fühlen sich stark verantwortlich. Sie glauben sich in einer Stellvertreterrolle der Eltern. Fachpersonen finden Familienzentrierung nötig. Jedoch sind Abläufe oft vorrangig vor elterlichen und kindlichen Bedürfnissen.

„Alle Ärzt:innen genauso wie alle Pflegenden sagen, dass ihnen die Eltern-Kind-Beziehung (wichtig) ist. Aber im Umsetzen ist das Fachteam chronisch überlastet.“

Hohe Arbeitsbelastung und wenig Personal beschränken die Betreuung von Eltern. Daher sind Eltern dann auch nicht erwünscht. Zudem ist die Neonatologie räumlich beengt. Fachpersonen müssen ihr Arbeitsfeld mit Eltern teilen, was Konflikte fördert. Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre fehlen für beide.

„Es ist mir alles zu eng, zu nahe. Ich kann mich nicht mehr bewegen oder drehen. Und dann kommt noch eine Mutter im Bett vom Gebärsaal! Dann würde ich sie am liebsten wegschicken … einfach, weil es ein Stressfaktor ist.“

Die räumliche Enge wird von allen Fachpersonen kritisiert. So empfehlen sie, die Erstversorgung direkt bei der Geburt neben der Mutter durchzuführen. So können Eltern das Kind sehen, es vielleicht sogar anfassen.

Stark strukturierte und unflexible Abläufe sind problematisch. Auch sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede sind hinderlich, bei der Informationsvermittlung und Schulung. Eine Fachperson empfiehlt, dass gleich nach der „Visite beim Kind, den Eltern ein Update“ gegeben wird. Gemeinsame Entscheidungen können besser getroffen werden. Eltern benötigen „Kompetenzen“ für die Betreuung des Kindes. Um solche Aspekte zu erfassen, sind validierte Instrumente nötig. Aktuell schätzen Fachpersonen die Situationen „nach Gefühl“ ein.

Grundsätzlich sehen sich die Pflegefachpersonen als Bindeglied zwischen Eltern und Kind. Sie fördern daher die erste Gelegenheit für den Aufbau der Eltern-Kind-Bindung, leiten Eltern an, ermutigen und schulen sie. „Fixe Ansprechpersonen“ wie eine „Bezugspflegeperson“ sind unterstützend. Aber die Fachpersonen benötigen auch aktuelles Wissen zu Herausforderungen von FG-Eltern.

Diskussion

Ziel der vorliegenden Studie war es, förderliche und hinderliche Faktoren für die Eltern-Kind-Bindung aus Sicht von Eltern von FG auf einer Neonatologie sowie betreuenden Fachpersonen zu erfassen.

Elterliche Anwesenheit

Die Geburt eines FG löst Angst und Stress aus, auch aufgrund der Neonatologie. Gängige Vorstellungen der Geburt werden in Frage gestellt. Eltern sind in ihrer Rollenfindung herausgefordert. Die Spitalumgebung mit den Gerätschaften erschwert den Zugang zum Kind. Zudem sind Eltern in ihren Handlungen für das Kind von Fachpersonen abhängig [9, 19, 20]. Geringes Gestationsalter und Geburtsgewicht, aber auch ein schlechter Gesundheitszustand des Kindes gefährden den Bindungsaufbau und fördern die Distanzierung [10, 11, 19].

Hautkontakte oder selbstständiges Versorgen des Kindes durch die Eltern stärken die Bindung und reduzieren Verlustängste [9, 17] wie bei schmerzhaften Handlungen [2]. Manchmal fühlen sich Eltern jedoch nur als Besuchende. Daher ist es wichtig, Eltern gezielt und fortwährend in Entscheidungsprozesse und Handlungen einzubeziehen und ihnen Mitverantwortung in der Versorgung des Kindes zu übergeben [10].

Fachpersonen sind ambivalent zum elterlichen Einbezug. Einige Fachpersonen sind dankbar über elterliche Beteiligung, andere sind kritisch, fühlen sich gestört und beobachtet. Einerseits fühlen sich Fachpersonen für FG stark verantwortlich, andererseits lösen zunehmende elterliche Aktivitäten Kontrollverlust aus [12]. Systematische Bestimmung der elterlichen Pflegefähigkeiten für das Kind mit einer validierten Skala kann Klärung schaffen [18].

Um den Bindungsaufbau zwischen Eltern und FG zu fördern, ist Familienzentrierung essenziell. Eltern müssen gezielt in die Pflege einbezogen, ermutigt und geschult werden [2, 8, 22]. Fachpersonen müssen Eltern als Teil der FG-Betreuung erkennen [1, 9, 19, 22].

Rahmenbedingungen

Elterliche Anwesenheit ist abhängig von vorherrschenden Rahmenbedingungen der Neonatologie. Grundsätzlich wollen Eltern immer beim Kind sein. Aber der Alltag, die anderen Kinder oder auch die Arbeit sind hinderlich [9, 19]. Daher ist es zentral, die genaue Arbeits- und Familiensituation der Eltern zu erfassen wie es in der familienzentrierten Pflege üblich ist. Ein Familiensystem ist eine Einheit, hat Anrecht auf transparente und ehrliche Informationen und soll flexibel und aktiv in Handlungen und Entscheidungen einbezogen werden. Unterstützungs- sowie Entlastungsmöglichkeiten müssen Eltern aktiv angeboten werden [4, 22].

Neonatologien haben großen Anpassungsbedarf. Räumliche Enge verhindert Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre. Familienzentrierung und Einrichtungen wie Familienzimmer können abhelfen ebenso wie Erstversorgung im Gebärsaal [17, 22]. Ängste und Stress werden reduziert [21]. Aus Sicht der Fachpersonen ist Familienzentrierung auch herausfordernd. Eltern sind länger anwesend und Absprachen sind vermehrt nötig, auch unter Fachpersonen [12, 22].

Limitationen

Da die Studie während der COVID-19-Pandemie („coronavirus disease 2019“) stattfand, musste der Zugang zur Neonatologie täglich geklärt werden. Alle angefragten Elternpaare nahmen teil. Nur deutschsprachige Personen wurden berücksichtigt. Entsprechend muss die Sichtweise von anderssprachigen Eltern erhoben werden.

Die teilnehmende Neonatologie wünschte diese Studie. Es war ein Vorteil, dass drei Autorinnen (MS, NF, AE) Teilzeit auf der Neonatologie während der Datensammlung arbeiteten. Dem möglichen Interessenkonflikt wurde durch klare Kommunikation begegnet. Interviews wurden gemäß Leitfaden geführt und zusätzlich mit der anonymen Online-Umfrage ergänzt. Alle Daten wurden streng vertraulich gehandhabt und anonymisiert.

Auf das COPE-Programm [15] wurde weder von teilnehmenden Eltern noch von Fachpersonen verwiesen. Die Gründe dafür bleiben unklar und müssen untersucht werden.

Schlussfolgerungen

Eltern mit FG haben Angst und sind gestresst. Das Alltagsmanagement ist herausfordernd. Räumliche und strukturelle Begebenheiten der Neonatologie fordern Eltern und Fachpersonen. Der Familieneinbezug in die FG-Pflege ist noch unsystematisch. Folgende Praxisempfehlungen leiten sich ab:

  • Unterstützung der Eltern im Alltagsmanagement,

  • Einbezug der Eltern in Pflege und Betreuung des FG durch Informieren und Schulen,

  • Umsetzung von Familienzentrierung,

  • Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre.