Hintergrund und Fragestellung

Die professionelle Betreuung und Förderung der altersgerechten Entwicklung von Kindern durch pädagogische Fachkräfte war während der SARS-CoV-2-Pandemie („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) eingeschränkt, weil KiTas schließen mussten. Ein Notbetreuungsprogramm war nur für einen Teil der betreuten Kinder zugänglich, sodass Eltern vielfach vor der Herausforderung einer Vereinbarkeit von Betreuung und Beruf standen [3, 12, 13, 17, 35]. Einhergehend mit elterlicher Mehrfachbelastung und sozialen Restriktionen stieg zum Zwecke der Beschäftigung der Medienkonsum von Kindern, der mit psychischen und physischen Auffälligkeiten assoziiert ist [10, 11, 20, 30]. Körperliche Aktivitäten mit dem Potenzial, die psychische Belastung zu reduzieren, waren durch vermehrt sitzendes Verhalten und Schließungen von Bewegungsräumen wie Spielplätzen oder Sportvereinen eingeschränkt [1, 22]. Andererseits erlebten Familien die zusätzliche Zeit miteinander z. T. positiv und bei einem Teil der Kinder reduzierte ein entschleunigter Alltag das Stresserleben [10, 15,16,17].

Bisherige Untersuchungen bei Kindern im Vorschulalter nach SARS-CoV-2-bedingten KiTa-Schließungen belegen u. a. Auffälligkeiten in der Sprachkompetenz und Feinmotorik sowie Verhaltensauffälligkeiten [4, 18, 23, 29]. Ziel dieser explorativen Untersuchung ist es, Veränderungen der sprachlichen, sozialemotionalen und motorischen Entwicklung von Vorschulkindern im Anschluss an die passageren KiTa-Schließungen aus Perspektive pädagogischer Fachkräfte in KiTas zu erheben und mögliche Einflussfaktoren zu identifizieren. Explizit sollen nicht nur negative, sondern auch potenziell positive Entwicklungen erfasst werden.

Methoden

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Es wurde eine qualitative Studie mit teil-standardisierte telefonischen Leitfadeninterviews mit pädagogischen Fachkräften der Kindertagesbetreuung im niedersächsischen Landkreis Hameln-Pyrmont durchgeführt. Ziel war es, von 82 KiTas im Landkreisgebiet zum Befragungszeitpunkt eine KiTa pro 100 betreuter Kinder im Alter von 5 bis 7 Jahren innerhalb einer Gemeinde in die Analysen einzuschließen, um der Diversität der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Bei der Kontaktaufnahme wurden die KiTas mit der höchsten und der niedrigsten Anzahl betreuter Kinder in den jeweiligen Gemeinden priorisiert (Tab. 1). Befragt werden sollte pro Einrichtung mindestens eine pädagogische Fachkraft, die über mindestens 3 Jahre Berufserfahrung verfügt. Als Grundlage für die Befragung diente ein umfangreicher Leitfaden mit Fragen zum Umgang der KiTas und Familien mit den gesetzlichen Schließungen vom 16. März bis 31. Juli 2020 und 14. Dezember 2020 bis 08. März 2021 und den Erfahrungen aus dem Einsatz von Notbetreuungsgruppen. Auch wurden dezidiert die von den Fachkräften beobachteten Veränderungen von Verhalten, Sprache und gesundheitlicher Entwicklung der Kinder nach Rückkehr in die KiTa und nach den aus ihrer Sicht erwarteten langfristigen Entwicklungen der Kinder sowie Fragen hinsichtlich familiärer Hintergründe integriert. Zwei Interviews waren als Pretest angelegt. Da sich der Leitfaden bereits hier als praktikabel erwies, mussten keine Veränderungen erfolgen, so dass beide Interviews in die Analyse einflossen.

Tab. 1 Charakteristika der Gemeinden, geplante und durchgeführte Interviews entsprechend der Betreuungszahlen je Gemeinde im Landkreis Hameln-Pyrmont. Datenbasis: 2021 ([5], Fortschreibung Bedarfsplan Kindertagesstätten & Kindertagespflege 2020–2026: internes Dokument – nicht öffentlich zugänglich; Daten der Einwohnermeldeämter im Landkreis Hameln-Pyrmont: Internes Dokument – nicht öffentlich zugänglich)

Für das Studienvorhaben wurde bei der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover ein Ethikvotum eingeholt (Nr. 10064_BO_K_2021). Die Teilnahme war freiwillig und wurde nicht vergütet.

Durchführung der Studie

Von 54 schriftlich kontaktierten KiTas lehnten 38 die Teilnahme hauptsächlich aus personellen Gründen ab oder gaben keine Rückmeldung, 16 KiTas stimmten einer Teilnahme zu. Zwischen November 2021 und Juni 2022 wurden 16 Telefoninterviews mit weiblichen pädagogischen Fachkräften (Erzieherinnen) durchgeführt (Tab. 1). Die Interviews führte eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes (JE). Sie fanden telefonisch statt, da zum Befragungszeitpunkt in allen teilnehmenden KiTas noch strenge Zugangsbeschränkungen galten. Die Gespräche dauerten durchschnittlich 46 min (00:27–01:28 h), wurden auditiv aufgezeichnet, transkribiert und anonymisiert. Nach 16 Interviews waren alle Gemeinden des Landkreises gemäß der Planung vertreten und kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten, sodass die Rekrutierung beendet wurde.

Datenanalyse

Die Auswertung erfolgte mit der Software MAXQDA (VERBI - Software. Consult. Sozialforschung. GmbH, Berlin, Deutschland) mittels inhaltlich strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz [27]. Der Interviewleitfaden bildete die Grundlage zur Definition der Hauptkategorien individuelle Entwicklung der Kinder, Familienbegleitung während der Schließzeiten, Teilnahme an der Notbetreuung und Betreuung in KiTa nach Schließzeiten sowie der Subkategorien soziale Entwicklung, emotionale Entwicklung und motorische Entwicklung (Abb. 1). Drei Personen kodierten unabhängig voneinander drei Interviews im Sinne des konsensuellen Kodierens anhand der vorab definierten Hauptkategorien. Anschließend wurde das Kategoriensystem überarbeitet. Alle Kategorien, die Unterschiede zwischen den beiden Lockdowns in der kindlichen Entwicklung oder dem organisatorischen Vorgehen der KiTa darstellten, wurden zusammengefasst, da keine relevanten Unterschiede identifiziert wurden. Zwei zusätzliche Hauptkategorien „Schutzfaktoren“ und „Übergang KiTa-Schule“ sowie weitere Subkategorien wurden induktiv gebildet. Nach Überarbeitung des Kategoriensystems kodierte eine Person (JE) die übrigen Interviews.

Abb. 1
figure 1

Deduktiv („d“) und induktiv („i“) gebildete Hauptkategorien und Subkategorien zur individuellen Entwicklung von Vorschulkindern aus Sicht pädagogischer Fachkräfte der Kindertagesbetreuung im niedersächsischen Landkreis Hameln-Pyrmont

Nach fallbezogenen thematischen Zusammenfassungen wurden in fallübergreifenden Analysen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Erfahrungsberichte herausgearbeitet. Im Fokus der Datenanalyse stand die individuelle Entwicklung der Kinder hinsichtlich sozial-emotionaler, motorischer und sprachlicher Entwicklung. Abb. 2 gibt eine Auswahl entsprechender Ankerbeispiele. Qualitative Gruppenvergleiche erfolgten nach Lage der KiTa (städtisch vs. ländlich) KiTa-Größe (bis zu 4 Gruppen vs. mehr als 4 Gruppen) und nach Betreuungskonzept (offenes Betreuungskonzept vs. geschlossene Gruppen). Die Zuordnung der KiTas zu vorrangig städtisch oder ländlich geprägten Räumen orientierte sich an der Lage innerhalb des Landkreises: KiTas innerhalb der Mittelzentren (Gemeinden [1] und [2]), sowie eine KiTa einer dem Landkreis zugehörigen Stadt mit ähnlichen Sozialstrukturen (Gemeinde [3]) wurden als städtisch definiert. Alle anderen wurden dem ländlichen Raum zugeordnet. Entsprechend wurden je 8 Interviews bzw. die zugehörigen KiTas dem städtischen bzw. ländlichen Raum zugeordnet.

Abb. 2
figure 2

Ankerbeispiele mit paraphrasierter Zusammenfassung durch pädagogische Fachkräfte beobachteter Auffälligkeiten der sozial-emotionalen, motorischen und sprachlichen Entwicklung von KiTa-Kindern

Ergebnisse

Während der pandemiebedingten Schließzeiten hielten 15 der 16 an den Interviews teilnehmenden KiTas weiterhin regelmäßigen Kontakt zu Familien und Kindern und boten unterschiedliche Unterstützung an (Familienbegleitung während der Schließzeiten). Nach der Rückkehr in die KiTas beobachteten die Erzieherinnen sowohl positive als auch negative Veränderungen in der sozialemotionalen, der motorischen und sprachlichen Entwicklung der Kinder. Dabei fielen in Gruppenvergleichen Unterschiede nach ländlicher bzw. städtischer Lage der KiTa auf, während die Größe der KiTa und das Betreuungskonzept keine erkennbare Rolle spielen. Induktiv wurden die Schutzfaktoren innerfamiliäre Förderung und ländlicher Wohnort abgeleitet (Abb. 1) Erzieherinnen identifizierten darüber hinaus die „Teilnahme an der Notbetreuung“ als Schutzfaktor. Im Folgenden wird die individuelle Entwicklung der Kinder in Abhängigkeit von den Schutzfaktoren aus Perspektive der Erzieherinnen dargestellt.

Innerfamiliäre Förderung

Alle Erzieherinnen berichteten Auffälligkeiten in der sozial-emotionalen Entwicklung nach Rückkehr der Kinder in die KiTa. Insbesondere die soziale Interaktion unter den Kindern, die Rückgewöhnung an feste Strukturen und der Umgang mit Konfliktsituationen stellten laut Erzieherinnen Herausforderungen für Kinder dar. In der motorischen und sprachlichen Entwicklung beschrieben die Erzieherinnen weniger Auffälligkeiten, wenn während der Schließzeiten eine verstärkte Interaktion mit bzw. Förderung durch die Eltern stattfand. Die Erzieherinnen berichteten auch motorische Entwicklungsfortschritte bei gezielter Förderung durch die Eltern. Die Sprachkompetenzen der Kinder wurden allgemein als problematisch beschrieben. Für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund berichteten Erzieherinnen sprachliche Defizite, sofern sich die Kinder noch im Lernprozess der deutschen Sprache befanden. Andernfalls hatte es laut Erzieherinnen keinen Einfluss auf die Sprachkompetenzen der Kinder, wenn innerhalb der Familien überwiegend eine andere Sprache als deutsch gesprochen wurde.

Ländliche und städtische Räume

Die Erzieherinnen beobachteten bei Kindern in ländlich im Vergleich zu in städtisch gelegenen KiTas nach Beendigung der Schließzeiten seltener grobmotorische Auffälligkeiten. Sie interpretierten dies als Schutzwirkung von ländlich geprägten Räumen auf die motorische Entwicklung und erklärten dies mit den vielfältigeren Möglichkeiten von naturnaher Bewegung und Freizeitaktivitäten im Vergleich zu städtisch verorteten KiTas. Zwischen einer ländlichen Lage der KiTa und der innerfamiliären Unterstützung zeigt sich eine positive Interaktion. Erzieherinnen in ländlich gelegenen KiTas berichteten bei Kindern eher Fortschritte in der Grobmotorik, was sie auf die größere innerfamiliäre Unterstützung zurückführten. Dagegen berichteten sie bei Kindern in städtischen KiTas vermehrt fein- und grobmotorische Auffälligkeiten, insbesondere in Bezug auf Gleichgewicht und Koordination. In städtisch gelegenen KiTas nahmen sie insgesamt eine besondere Belastung der Kinder wahr, wenn die Familie ohne Garten oder in beengten Wohnverhältnissen lebte.

„Also, […] denen hat das einfach gefehlt, da auszuprobieren und sich da weiterzuentwickeln, weil sie die Möglichkeiten zu Hause auch nicht hatten. Die eventuell einen Garten hatten oder so nicht, aber die jetzt in beengten Verhältnissen wohnten, da ist das schon aufgefallen.“ (GA-14: 36)

Teilnahme an der Notbetreuung

Nach den Schließungen im Frühjahr 2020 richteten alle KiTas entsprechend der gesetzlichen Vorgaben eine Notbetreuung für Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen ein. Aus Sicht der befragten Erzieherinnen bot die Notbetreuung im Gegensatz zur häuslichen Betreuung aufgrund geregelter Strukturen und Alltagserlebens während der Pandemie einen „Schutzraum“ (GA-6) für die Kinder. Die Kontakte innerhalb der Notbetreuungsgruppen unterstützten die sozial-emotionale Entwicklung der Kinder. Dieser positive Effekt zeigte laut Erzieherinnen seine Wirkung mit steigender Gruppengröße und war zu Beginn der Notbetreuung 2020, als erst sehr wenige Kinder in der Betreuung waren, noch nicht erkennbar.

„Je kleiner die Gruppe, um bestimmte Sachen zu machen, je besser. Anders ist es natürlich, wenn man auf die sozialen Kompetenzen geht oder so, dann ist natürlich so eine kleine Gruppe, da lernen sie nicht so viel, da streiten sie auch nicht so viel. Die Plattform, um auszuprobieren ist ja viel kleiner, wenn nur sechs Kinder da sind.“ (GA-5: 99)

Die deutlich geringere Zahl der Kinder in kleineren Gruppen während der Notbetreuung ermöglichte aus Sicht der Erzieherinnen einen engeren Kontakt zu den Kindern mit stärkerem Fokus auf das einzelne Kind. Dies unterstützte eine individuellere und bedürfnisorientiertere Betreuung mit gezielter Förderung der sprachlichen, grob- und feinmotorischen Entwicklung.

„Also in der Notgruppenzeit war es natürlich fantastisch, weil da hatte man so viele Kinder individueller, viel individueller im Blick, also das war, das was gut war in der Coronazeit war einfach die Individualität, dass auf jedes Kind eingehen können, nochmal hier gucken, nochmal da gucken. Also das war schon toll. Das hat gezeigt, wie wichtig es wäre, wenn die Gruppen weniger stark besetzt sind.“ (GA-1: 65)

Die Erzieherinnen betonten auch die Schutzwirkung von gezielten Bewegungsangeboten innerhalb der KiTa für die motorische Entwicklung während der Notbetreuung. Die räumlichen Voraussetzungen für Bewegungsangebote waren jedoch aufgrund von geschlossenen Sporträumen und unterteilten Außenbereichen zur Einhaltung von Hygieneregelungen eingeschränkt. Zusätzlich zur Bewegung innerhalb der KiTa wurde daher die Umgebung (Waldspaziergänge) verstärkt genutzt. Auch nach Beendigung der Schließzeiten bzw. Notbetreuung spielten Bewegungsangebote in Abhängigkeit von den Hygieneregelungen eine große Rolle.

Die Abb. 3 gibt eine Übersicht der von den Erzieherinnen beschriebenen Faktoren für positive und negative Veränderungen bei den Kindern.

Abb. 3
figure 3

Einflussfaktoren auf die sozial-emotionale motorische und sprachliche Entwicklung von Vorschulkindern aus Sicht von pädagogischen Fachkräften in KiTas. grün positive Veränderungen, rot negative Veränderungen

Diskussion

Nach den pandemiebedingten Einrichtungsschließungen berichteten die befragten Fachkräfte der Kindertagesbetreuung in leitfadengestützten Telefoninterviews sowohl negative als auch positive Veränderungen bei den Vorschulkindern. Eine innerfamiliäre Förderung, ein ländlicher Wohnort und die Teilnahme an Notbetreuungsgruppen wurden als relevante positive Einflussfaktoren auf die sozial-emotionale, motorische und sprachliche Entwicklung von Vorschulkindern bewertet.

Kinder, die an der Notbetreuung teilnahmen, konnten laut Erzieherinnen aufgrund der kleineren Gruppen individueller und bedarfsgerechter in allen betrachteten Entwicklungsbereichen gefördert werden. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Ergebnissen des Deutschen Jugendinstituts (DJI; [28]). Die Förderangebote waren laut DJI abhängig vom verfügbaren Personal und den organisatorischen Herausforderungen v. a. hinsichtlich der Hygienebestimmungen [28]. In den hier geführten Interviews waren diese Aspekte nicht relevant. Die hieraus abgeleitete Forderung nach kleineren Betreuungsgruppen in KiTas bzw. besserem Personalschlüssel ist nicht neu, kann jedoch kaum prioritär umgesetzt werden, wenn nicht einmal alle Kinder trotz Rechtsanspruchs eine KiTa-Betreuung erhalten [7].

In Familien, die nicht zur Teilnahme an der Notbetreuung berechtigt waren, herrschte vielfach eine Mehrfachbelastung durch Homeoffice, Kinderbetreuung oder Homeschooling [3, 12, 13, 17, 35]. Diese Mehrfachbelastung der Eltern limitierte ihre Möglichkeiten zur kindlichen Förderung und stellte insbesondere für Eltern mit finanziellen Sorgen eine Herausforderung dar [9, 10, 17, 26, 31, 34]. Andererseits zeigten sowohl die Interviews mit Erzieherinnen, als auch Untersuchungen von Oppermann et al., dass Kinder durch eine innerfamiliäre Förderung aktiv in ihrer Entwicklung unterstützt wurden [34]. Reduzierte Sozialkontakte aufgrund der gesetzlichen Kontaktbeschränkungen konnten innerfamiliär allerdings weniger kompensiert werden, was sich in eingeschränkten sozialen Fähigkeiten der Kinder widerspiegelte [16, 34]. Andere Studien legen dar, dass Bildschirmzeit und sitzendes Verhalten in der familiären Betreuung zunahmen [2, 4, 12] und diskutieren den vermehrten Medienkonsum als Ursache für beobachtete Einschränkungen in der Feinmotorik [4]. In den hier geführten Interviews wurden neben fein- auch grobmotorische Auffälligkeiten beschrieben, die ebenfalls durch vermehrt sitzendes Verhalten und Medienkonsum beeinflusst sein könnten.

Die Erzieherinnen berichteten von grob- und feinmotorischen Auffälligkeiten nach Rückkehr der Kinder in die KiTa, die durch ein allgemein eingeschränktes Bewegungsverhalten von Kindern während SARS-CoV-2-bedingter Einrichtungsschließungen erklärt werden können [21, 32, 36]. Die Erzieherinnen setzten daher in der Betreuung gezielt Bewegungsangebote ein, um Bewegungsmangel und mentaler Belastung entgegenzuwirken und die Motorik zu fördern. Als Barrieren in den KiTas nahmen sie dabei eingeschränkte Möglichkeiten der Bewegungsförderung aufgrund geschlossener Sporträume und unterteilter Außenbereiche wahr. Dies deckt sich mit Studien, die belegen, dass Kinder sich mehr bewegen, wenn in Innenräumen der KiTa ausreichend Platz für Bewegung zur Verfügung steht [25, 32]. Je größer zudem das Außengelände der Betreuungseinrichtung ist, desto mehr bewegen sich Kinder dort [24].

Die interviewten Erzieherinnen nahmen KiTas bzw. Wohnorte der Kinder in eher ländlichem Raum als Schutzfaktor für motorische Auffälligkeiten wahr. Fein- und grobmotorische Auffälligkeiten erklärten sie mit kleinerem Wohnraum und eingeschränktem Zugang zu Outdoorflächen (z. B. Gärten) im städtischen Raum. Dies ist im Einklang mit Ergebnissen von Langmeyer et al. (2020), die zeigen, dass sich Kinder im ländlichen Raum im Vergleich zu Kindern im städtischen Raum häufiger draußen aufhielten (44 % vs. 31 %) und ihre Freizeit weniger in Innenräumen mit sitzenden Tätigkeiten wie Fernsehen oder „Rumhängen“ verbrachten (60 % vs. 52 % bzw. 75 % vs. 67 %; [29]). Ergebnisse des Fitnessbarometers 2023 aus Baden-Württemberg belegen eine deutliche Abnahme der motorischen Leistungsfähigkeit von Kindern im städtischen Raum, aber auch aus ländlichen Gebieten [8]. In kleineren Städten und Vororten waren die Auswirkungen der Pandemie dagegen weniger stark erkennbar [8]. Die Zugangsmöglichkeiten zu Außenflächen werden dabei kontrovers diskutiert. Während Langmeyer et al. (2020) in städtischen Räumen einen besseren Zugang der Kinder zu Außenflächen, wie privaten Gärten und öffentlichen Plätzen beschreiben, sehen Newland et al. (2022) im ländlichen Raum bessere Zugänge zu Bewegungsräumen (u. a. Wälder, Höfe) während der Pandemie, da diese nicht wie Spielplätze oder Parks von Schließungen betroffen waren [33]. Es ist anzunehmen, dass der Zugang zu sicheren und altersgerechten Bewegungsräumen im Freien unabhängig von der räumlichen Lage relevant ist. Dabei sind neben der protektiven Wirkung hinsichtlich motorischer Auffälligkeiten auch die positiven Aspekte altersgerechter formeller und informeller Bewegungsförderung auf die sozialemotionale Entwicklung als auch die Sprachentwicklung von Kindern zu beachten [6, 19, 37].

Die Bezirke der städtisch gelegenen KiTas im Landkreis Hameln-Pyrmont wiesen im Vergleich zu den Gemeinden mit ländlicher Struktur eine durchschnittlich höhere Kinderarmut, einen höheren Anteil an Menschen, die Grundsicherung beziehen (SGBII-Quote) und einen höheren Migrationsanteil aus. Entwicklungsrelevante Einschränkungen in Folge der pandemiebedingten Restriktionen 2020/-21 betrafen laut Dohmen et al. (2021) insbesondere Kinder aus benachteiligten Familien [14]. Auch die ermittelten Einflussfaktoren stehen in engem Zusammenhang mit einer verschärften sozialen Ungleichheit während dieser Zeit, die sich in Zugangsvoraussetzungen zu Notbetreuungsgruppen, den elterlichen Unterstützungsmöglichkeiten sowie den Wohnbedingungen mit geeigneten Bewegungsräumen widerspiegelte und die in bestimmten Bevölkerungsgruppen kumulierten [9, 17, 29, 31]. Diese Zusammenhänge wurden in den Interviews jedoch nicht explizit von den Erzieherinnen berichtet, und es ist unklar, ob dies bewusst, z. B. um Stigmatisierung von Kindern zu vermeiden, oder unbewusst geschah.

Limitationen

Die dargestellten Ergebnisse sind limitiert durch die ausschließliche Darstellung der Perspektive erfahrener Erzieherinnen, auf dessen Basis keine validen Zusammenhänge zu den gesellschaftlichen Hintergründen der Familien möglich sind. Entsprechende Bezugnahmen basieren auf statistischen Daten der Gemeinden, in denen die KiTas verortet sind. In den Gruppenvergleichen wurde die Lage der KiTa mit dem Wohnort gleichgesetzt. Die betreuende KiTa ist in der Regel wohnortnah, unterliegt allerdings der freien Wahl, sodass die räumliche Lage der Kita nicht notwendigerweise der Wohnumgebung entspricht. Die Ergebnisse spiegeln die Situation in einer eher ländlichen Region wider. Die in den Gruppenvergleichen generierte städtische Lage entspricht einem kleinstädtischen Raum. Da die Differenzierung zwischen (klein)städtischer und ländlicher Lage der KiTa bereits differente Ergebnisse aufzeigt, sind weitere Untersuchungen auch im Vergleich zu großstädtischen Strukturen anzuregen. Im Wesentlichen führte eine Person die Kodierung der Interviews durch, sodass eine Verzerrung durch Subjektivität nicht ausgeschlossen werden kann.

Fazit für die Praxis

  • Die Ergebnisse unterstreichen die Relevanz einer altersgerechten Förderung der sozial-emotionalen, motorischen und sprachlichen Entwicklung von Vorschulkindern innerhalb von Familien und Betreuungseinrichtungen, die auch in zukünftigen Pandemien berücksichtigt werden sollte. Insbesondere die Bewegungsförderung sowohl im institutionellen als auch privaten Bereich bietet ein wichtiges Präventionspotenzial für eine altersgerechte kindliche Entwicklung.

  • Zugänge zu öffentlichen naturnahen Bewegungsräumen auf kommunaler Ebene sollten unter Berücksichtigung gesundheitlicher Chancengleichheit geprüft und bedarfsgerecht ausgebaut werden.

  • Es wird empfohlen, in den Kitas kleinere Betreuungsgruppen bzw. bessere Personalschlüssel einzusetzen und zu evaluieren.