Hintergrund und Fragestellung

Die Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizeien bestehen aus speziell trainierten geschlossenen Einsatztruppen, die zur Bewahrung der inneren Sicherheit bei besonderen Einsatzlagen (z. B. Großveranstaltungen oder Gefahrenlagen) landes- und bundesweit herangezogen werden [4, 23]. Im Einsatz führen lange Tragezeiten der Körperschutzausrüstung, hohe körperliche Anstrengungen und eine unregelmäßige und nicht planbare Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu hohen physischen Belastungen [6, 23]. Der regelmäßige Wochenend‑, Schicht- und Bereitschaftsdienst geht zudem mit einer hohen psychischen Belastung einher [6, 23]. Unter diesen Bedingungen steigt das Risiko für Herz-Kreislauf‑, Stoffwechsel- und psychische Erkrankungen [6, 7, 12], wodurch Krankenstände und Mehrbelastungen verstärkt werden [6, 22,23,24]. Eine bedarfsgerechte und gesunde Ernährungsweise kann das Risiko für diese Erkrankungen reduzieren [9, 15], das Wohlbefinden steigern [13, 15] und somit auch die Arbeitszufriedenheit und Einsatzbereitschaft fördern [10, 18, 25]. Somit kommt der Einsatzverpflegung ein großes Potenzial hinsichtlich der Gesundheitsförderung und Prävention zu.

Den gesetzlichen Hintergrund für die Verpflegung im Einsatz bildet der bundesweit gültige Leitfaden: „Versorgung im Einsatz“ [20]. Demnach sind Einsatzkräfte während dem Dienst amtlich unentgeltlich und adäquat zu verpflegen. Unterschiedliche Interpretationen und fehlende Verbindlichkeit der Umsetzung des Leitfadens können zu einer nicht angemessenen Verpflegungssituation im Einsatz führen [20, 21]. Bisher wurde die Ist-Situation der Einsatzverpflegung noch nicht wissenschaftlich evaluiert.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Bewertung der Einsatzverpflegung durch die Einsatzkräfte im Sinne einer Bedarfsanalyse. Konkret sollen Erwartungen mitsamt Erfüllungsgrad, die Zufriedenheit, die Häufigkeit von Lebensmittelresten und eigenen Ergänzungen aufgezeigt werden. Zudem werden der wahrgenommene Veränderungsbedarf, die Bereitschaft eines freiwilligen Selbstbeitrags sowie der Stellenwert einer gesundheitsfördernden Ernährung und diesbezügliche Selbstwirksamkeitserwartungen (SWE) untersucht. Auf der Grundlage der Ergebnisse sollen Bedarfe aufgezeigt und Handlungsempfehlungen für eine Anpassung der Einsatzverpflegung abgeleitet werden.

Material und Methoden

Im Rahmen einer Gesundheitsanalyse wurden 1434 Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei eines Polizeipräsidiums in Deutschland zwischen dem 01.09. und 07.10.2022 einmalig, freiwillig und anonym befragt. Die Teilnehmerrekrutierung erfolgte über das Polizeipräsidium. Für die Befragung wurde ein Votum der Ethikkommission der Hochschule eingeholt. Auf Grundlage der Literatur wurde ein standardisierter Online-Fragebogen entwickelt. Die Fragen oder Aussagen sind mit einer Ausnahme einheitlich im 5‑stufigen geschlossenen Format nach Likert [14] formuliert. Zudem waren Freitextangaben zu Veränderungsbedarf und Selbstbeitrag möglich. Zur Stichprobenbeschreibung wurden Geschlecht und Alter erfragt.

Die quantitativen Daten wurden deskriptiv mit dem Statistikprogramm SPSS Version 27 (IBM, New York, USA) ausgewertet. Der Unterschied der SWE wurde mittels χ2-Test auf Signifikanz geprüft. Die Freitextangaben wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring [17] in MAXQDA Analytics Pro 2022 (VERBI, Berlin, Deutschland) kategorisiert und nach absoluten Häufigkeiten sortiert.

Erwartungen und Erfüllungsgrad

Die Erwartungen an die Einsatzverpflegung wurden für sieben Aspekte erfasst: „Bei dem Verpflegungsangebot ist mir wichtig, dass es …“ „gut schmeckt“, „ansprechend aussieht“, „abwechslungsreich ist“, „Auswahlmöglichkeiten gibt“, „einen hohen Gesundheitswert hat“, „mich angemessen und lange satt macht“, „mich körperlich leistungsfähig macht“, „mich mental leistungsfähig macht“. Jeder Aspekt konnte von „sehr wichtig“ bis „überhaupt nicht wichtig“ bewertet werden. Inwiefern die Erwartungen erfüllt wurden (Erfüllungsgrad), wurde mit der Frage: „Stimmt das Verpflegungsangebot mit ihren Erwartungen überein?“ von „trifft voll und ganz zu“ bis „trifft überhaupt nicht zu“ erfragt.

Zufriedenheit, Lebensmittelreste und -ergänzungen

Die Zufriedenheit des Verpflegungsangebots allgemein wurde mit „sehr zufrieden“ bis „sehr unzufrieden“ erfasst. Wie häufig Reste/Lebensmittel bei der Einsatzverpflegung übrigbleiben und wie häufig eigene Lebensmittel ergänzt oder ersetzt werden, konnte mit „immer“ bis „nie/fast nie“ beantwortet werden.

Veränderungsbedarf und Selbstbeitrag

Der Veränderungsbedarf wurde mit der Frage nach der Notwendigkeit von Veränderungen des Verpflegungsangebotes mit einer 11-stufigen-Skala erfasst und zur Auswertung wie folgt gruppiert: „gar nicht notwendig“: 0–30 %, „notwendig“: 40–60 % und „zwingend notwendig“: 70–100 %. Ideen und Anmerkungen konnten als Freitext angegeben werden.

Des Weiteren wurde nach der Bereitschaft, einen freiwilligen Selbstbeitrag für ein verändertes Verpflegungsangebot zu leisten, gefragt („ja“, „nein“ oder „nur unter der Voraussetzung, dass …“). Bei der letzteren Antwortkategorie konnte ein Freitext ergänzt werden.

Stellenwert gesundheitsfördernder Ernährung und SWE

Die Höhe des Stellenwerts einer gesundheitsfördernden Ernährung wurde von „in sehr geringem Maß“ bis „in sehr hohem Maß“ erfragt. Die SWE wurde hinsichtlich einer gesundheitsfördernden Ernährung im Dienst und im Alltag erfasst: „Ich bin mir sicher, mich gesundheitsfördernd ernähren zu können …“, von „gar nicht sicher“ bis „ganz sicher“ [11].

Ergebnisse

Insgesamt haben 405 Einsatzkräfte an der Befragung teilgenommen, was einer Rücklaufquote von 28 % entspricht. Der Großteil der Einsatzkräfte war männlich (76,2 %) und jünger als 35 Jahre (65 %).

Erwartungen und Erfüllungsgrad

Die Erwartungen an die Einsatzverpflegung sind in absteigender Wichtigkeit in Abb. 1 und der jeweilige Erfüllungsgrad in Abb. 2 dargestellt. Dem größten Teil der Befragten waren alle abgefragten Aspekte eher wichtig oder sehr wichtig (> 75 %). Am wichtigsten war ihnen der Aspekt Geschmack, gefolgt von Gesundheits- und Sättigungswert.

Abb. 1
figure 1

Erwartungen an die Einsatzverpflegung (Anteil in %)

Abb. 2
figure 2

Erfüllungsgrad der Erwartungen an die Einsatzverpflegung (Anteil in %)

Zwischen allen abgefragten Erwartungen und deren Erfüllungsgrad gab es deutlich erkennbare Diskrepanzen, am deutlichsten beim Gesundheitswert. Während für den Großteil der Einsatzkräfte ein hoher Gesundheitswert eher wichtig oder sehr wichtig war (88,7 %), wurde diese Erwartung nur bei wenigen eher oder voll und ganz erfüllt (15,1 %).

Zufriedenheit, Lebensmittelreste und -ergänzungen

Nur 28,5 % der Einsatzkräfte waren mit dem Verpflegungsangebot zufrieden oder sehr zufrieden. Die Mehrzahl gab an, dass bei ihrem Verpflegungsangebot oft oder immer Reste/Lebensmittel übrigbleiben (67,1 %). Ähnlich viele gaben an, dass sie das Verpflegungsangebot oft oder immer mit eigenen Lebensmitteln ergänzen oder ersetzen (66,2 %).

Veränderungsbedarf und Selbstbeitrag

Von den Einsatzkräften fanden 71,0 % eine Veränderung des Verpflegungsangebots zwingend notwendig; 331 Personen machten Freitextangaben. Diese bezogen sich überwiegend auf eine Veränderung der Zusammenstellung (53,0 %), insbesondere dem Wunsch nach mehr Obst, Gemüse oder Vollkornprodukten. Bei einem veränderten Verpflegungsangebot wäre knapp die Hälfte zu einem Selbstbeitrag bereit (ja: 26,5 %; nur unter der Voraussetzung, dass …: 20,9 %). Es gab 104 Freitextangaben zu Voraussetzungen, die sich überwiegend auf die Verbesserung bei Auswahlmöglichkeiten (31,0 %) und die Zusammenstellung (28,0 %) bezogen.

Stellenwert gesundheitsfördernder Ernährung und SWE

Eine gesundheitsfördernde Ernährung hatte für die meisten der Einsatzkräfte einen hohen oder sehr hohen Stellenwert (81,2 %). Die SWE für eine gesundheitsfördernde Ernährung im Dienst unterschied sich signifikant von der im Alltag (p = 0,000, Abb. 3). Im Dienst waren sich nur 26,6 % der Einsatzkräfte sicher oder ganz sicher, sich gesundheitsfördernd ernähren zu können, wohingegen es im Alltag 81,4 % waren.

Abb. 3
figure 3

Selbstwirksamkeitserwartungen der Einsatzkräfte hinsichtlich der Umsetzung einer gesundheitsfördernden Ernährung (χ2-Test: p = 0,000)

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass die Einsatzkräfte hohe Erwartungen an ihre Einsatzverpflegung haben, diese jedoch größtenteils nicht erfüllt werden. Dementsprechend sind derzeit etwa zwei Drittel unzufrieden, was sich auch in der Häufigkeit von Lebensmittelresten wiederspiegelt und konträr zur nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ist [5]. Viele Einsatzkräfte ergänzen oder ersetzen demnach die Einsatzverpflegung mit eigenen Lebensmitteln. Zusätzliche Verpflegungsmehraufwendungen sind jedoch nicht vorgesehen und werden nicht erstattet, weil der Gesetzgeber seiner Verpflegungspflicht nachkommt, indem er diese im Dienst unentgeltlich bereitstellt [3, 20]. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit eines angepassten Verpflegungsangebots, u. a. um unnötige Kosten und Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Dies ist auch im Sinne der Einsatzkräfte, von denen sich zwei Drittel eine Veränderung wünschen, wobei knapp die Hälfte hierfür sogar eine freiwillige Selbstbeteiligung leisten würde. Dies unterstreicht die Unzufriedenheit und den Veränderungsbedarf.

Die Ernährungsweise ist ein bedeutender Faktor für die Gesundheit [9, 15]. Für die allermeisten Einsatzkräfte hat eine gesundheitsfördernde Ernährung allgemein einen hohen Stellenwert. Auch bei der Einsatzverpflegung ist ihnen ein hoher Gesundheitswert wichtig. Allerdings wird diese Erwartung für die allermeisten nicht erfüllt. Dementsprechend fühlen sich die allermeisten im Dienst, im Vergleich zum Alltag, nicht in der Lage sich gesundheitsfördernd ernähren zu können. Da die SWE als Prädiktor für Verhalten gilt [2, 10, 11], ist anzunehmen, dass sich die Einsatzkräfte im Dienst nicht gesundheitsförderlich ernähren (können). Die Ergebnisse decken sich auch mit den Befunden von Bürger und Nachreiner [6], die beschreiben, dass Polizisten im Schichtdienst ihre Ernährungsweise als nicht gesundheitsfördernd bewerten. Dies untermauert nochmals den Veränderungsbedarf der Einsatzverpflegung insbesondere in Hinblick auf eine gesundheitsfördernde Einsatzverpflegung.

Ein ausgewogenes Verpflegungsangebot kann nachweislich eine gesundheitsfördernde Ernährung fördern [1, 2] und somit positive Auswirkungen auf die Gesundheit [2, 16], die Arbeitszufriedenheit [10], das Wohlbefinden [13, 15] und die Arbeitsleistung [18, 25] haben. Zudem können dadurch Fehlzeiten [6, 18], respektive Ausfallkosten [25] verringert werden. Erweiterte Aufgabenfelder, hohe Krankenstände und Personalmangel führen zunehmend zu Mehrbelastungen, was wiederum physische und psychische Erkrankungen fördert [6, 7, 12, 23]. Hierzu sollten beteiligte Entscheidungsträger bei Polizeipräsidien sensibilisiert werden und Maßnahmen zur ernährungsbezogenen Gesundheitsförderung bei Einsatzkräften ansetzen, um attraktive und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Der Leitfaden „Versorgung im Einsatz“ [20] gibt Rahmenbedingungen zur Mahlzeitenplanung vor, enthält jedoch keine ernährungswissenschaftlichen Qualitätskriterien. Außerdem gibt es bundesweit keine einheitlichen Verpflegungssätze. In der Summe führt dies zu einer unterschiedlichen Interpretation des Leitfadens und einem heterogenen Angebot der Einsatzverpflegung [20, 21]. Darum wird von der Polizeigewerkschaft eine Evaluation der Versorgungskonzepte der einzelnen Länder gefordert und eine bundesweite Harmonisierung angestrebt [20, 21]. Um ein gesundheitsförderndes und nachhaltiges Speiseangebot in Betrieben zu gewährleisten hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) einen Qualitätsstandard entwickelt [8]. Die Kriterien dieses Qualitätsstandards können bei der Überarbeitung des Leitfadens genutzt werden und somit ein ernährungswissenschaftlich basiertes und bundesweit einheitliches Verpflegungsangebot ermöglichen. Wie in Untersuchungen gezeigt wurde, könnte bereits ein frei verfügbares Angebot an Obst, Gemüse und Vollkornprodukten zu Verbesserungen gemäß den Zielen einer gesundheitsgerechten Ernährung führen und zur Attraktivität der Arbeitsbedingungen beitragen [1, 2, 25]. Dadurch würden die für die Einsatzkräfte ebenfalls wichtigen Aspekte guter Geschmack, Abwechslung und Auswahlmöglichkeiten berücksichtigt.

Limitationen

An der vorliegenden Untersuchung nahmen 405 Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei eines Polizeipräsidiums teil. Die Teilnahmequote von 28 % erscheint eher gering und ist vermutlich nicht repräsentativ. Die identische Geschlechter- und ähnliche Altersverteilung der TeilnehmerInnen wie bei der Grundgesamtheit der Stichprobe erlaubt jedoch einen ersten Überblick zur Einsatzverpflegung in einem Bundesland.

Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse auf die bundesweit ca. 16.400 tätigen Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei ist, aufgrund der länderspezifischen Unterschiede bei der Umsetzung des Versorgungsleitfadens, jedoch kaum möglich [4, 20].

Die Fragen zur Einsatzverpflegung waren in eine Gesundheitsanalyse eingebettet, wodurch keine übermäßige Stichprobenverzerrung hinsichtlich der Ernährung zu erwarten ist. Bei der Bewertung der gesundheitsbezogenen Aspekte aus subjektiver Sicht der Einsatzkräfte muss berücksichtigt werden, dass VerbraucherInnen oftmals Schwierigkeiten haben Lebensmittel nach wissenschaftlichen Kriterien zu beurteilen [19]. Die Freitextangaben zum Veränderungsbedarf und Selbstbeitrag (z. B. Abwechslung, Obst/Gemüse, Vollkorn) sprechen allerdings für ein relativ hohes Ernährungswissen der Stichprobe. Anzumerken ist auch, dass in dieser Arbeit keine nährwertbezogenen Parameter erfasst wurden, wodurch eine ernährungsphysiologische Einordnung der Einsatzverpflegung nicht möglich ist. Da hierzu bislang keine entsprechenden Studien vorliegen, sollten in weiteren Untersuchungen ernährungswissenschaftliche Analysen der Einsatzverpflegung erfolgen. Auf deren Grundlage könnten konkrete Handlungsempfehlungen für eine Optimierung der Einsatzverpflegung aufgezeigt werden.

Fazit für die Praxis

  • Für die Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Sie haben allerdings aufgrund des derzeitigen Verpflegungsangebots Schwierigkeiten, eine in ihren Augen gesundheitsfördernde Ernährung im Dienst umzusetzen.

  • Um attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen und Mehrbelastungen entgegenzuwirken, sollte wie bereits von der Gewerkschaft der Polizei gefordert, eine bundesweit einheitliche, zufriedenstellende und nach ernährungswissenschaftlichen Kriterien (vgl. DGE-Qualitätsstandards) entsprechende Ernährung umgesetzt werden.

  • Eine Bereitstellung frei auswählbarer gesundheitsfördernder Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukte könnte die Zufriedenheit hinsichtlich des Verpflegungsangebots unmittelbar verbessern und Lebensmittelverschwendung reduzieren.

  • Beteiligte Entscheidungsträger der Polizeipräsidien sollten für die Chancen einer gesundheitsfördernden Ernährung hinsichtlich Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Einsatzkräfte sensibilisiert werden.