Zur Erkennung und kontinuierlichen Betreuung demenzieller Erkrankungen bietet die Hausarztmedizin gute Voraussetzungen. Dennoch wird immer wieder Kritik an der Effektivität der allgemeinärztlichen Demenzversorgung geübt. Der bestehende Mangel an entsprechenden Forschungsarbeiten wurde zum Anlass genommen, im Zuge einer groß angelegten Befragung eine ganzheitliche Betrachtung der Demenzsensibilität von Hausärzt*innen anzustellen. Dabei zeigen sich Stärken aber auch Schwachpunkte, sodass eine gezielte Optimierung der hausarztbasierten Demenzversorgung ratsam erscheint.

Hintergrund

Derzeit sind in Deutschland ca. 1,8 Mio Menschen an Demenz erkrankt; bis zum Jahr 2050 könnte sich diese Zahl verdoppeln [24]. Zwar wird die hausärztliche Breitenversorgung mit positiven Potenzialen bei der sensitiven Erkennung und Betreuung von demenziellen Erkrankungen sowie der Vermeidung kritischer Versorgungsszenarien in Verbindung gebracht, was u. a. mit der guten und kontinuierlichen Patientenkenntnis von Allgemeinärzt*innen begründet wird [12, 15, 17, 25]. Allerdings haben verschiedene Studien aufgezeigt, dass die hausärztliche Versorgung von Demenzpatienten zuweilen Defizite aufweist [9,10,11,12, 19, 20, 23].

Dies manifestiert sich zunächst an vergleichsweise niedrigen Erkennungs- bzw. Diagnoseraten [2, 3, 12, 17]. Zudem gibt es Hinweise auf eine mangelnde Kenntnis von Leitlinien und therapeutischen Optionen [12, 13, 15] sowie eine unzureichende Abklärungs- und Ausschlussdiagnostik [16]. Damit korrespondierend, konnten mehrere Arbeiten eine unter Hausärzt*innen eher geringe Bereitschaft zur konsequenten und frühzeitigen Anwendung von Demenztests nachweisen [17]. Ferner wurde festgestellt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Hausärzt*innen dazu tendiert, eine (leitliniengerechte) Demenzdiagnose vorzugsweise Fachärzt*innen zu überlassen und eine begrenzte Involvierung in den Versorgungsprozess vorzieht [8, 18, 19]. Eine zentrale Begründung bestehender Schwierigkeiten lautet, dass das hohe Maß an notwendiger Spezialisierung bei der Detektion und Betreuung von Demenzerkrankungen kaum mit dem hohen Zeit- und Ressourcendruck im hausärztlichen Setting sowie der unselektierten Patientenschaft konform geht [20, 23].

Trotz solcher partiellen Befunde haben bislang wenige Untersuchungen den Versuch unternommen, ein ganzheitliches Bild über den Status quo der hausärztlichen Demenzversorgung abzubilden und dabei zugleich die Erfahrungs- und Handlungsperspektive von Hausärzt*innen selbst zu fokussieren [19]. Die vorliegende Studie zielte darauf ab, anhand einer gebündelten Betrachtung relevanter Betreuungs- und Versorgungsdimensionen in Bezug auf Demenzpatient*innen und deren pflegende Angehörige mögliche Stärken und Schwachpunkte des hausärztlichen Settings zu identifizieren. Auf dieser Grundlage sollen Schlussfolgerungen über Voraussetzungen und Prädikatoren für die Qualität und Wirksamkeit der hausärztlichen Demenzversorgung gezogen und Ansatzpunkte für eine weitere Optimierung aufgezeigt werden.

Das Erkenntnisinteresse der Studie bestand in den folgenden Fragestellungen:

  • Welche Ansichten und Einstellungen vertreten Hausärzt*innen in Bezug auf die Demenzdiagnostik und -versorgung?

  • Welche Handlungsmuster zeigen sie im Umgang mit Demenzerkrankten und deren pflegenden Angehörigen?

  • Inwiefern erleben sie bei der Versorgung spezifische Herausforderungen und wie erheblich sind diese?

  • Wie schätzen Hausärzt*innen ihre eigene Kompetenz in punkto (leitliniengerechter) Diagnostik und Krankheitsmanagement ein?

  • Welche zentralen Ansatzpunkte für eine Verbesserung der hausarztbasierten Demenzversorgung lassen sich aus den Ergebnissen ableiten?

Methodik

Studiendesign und Fragebogen

Die Studie bediente sich eines quantitativen Forschungsdesigns. Mittels schriftlicher Befragung sollte eine große Zahl von Hausärzt*innen befragt werden, um belastbare Befunde zum oben genannten Erkenntnisinteresse zu gewinnen.

Der eingesetzte Fragebogen wurde weitgehend aus einem Teilprojekt der clusterrandomisierten, innovationsfondsgeförderten Studie DemStepCare übernommen, wo er erfolgreich entwickelt, erprobt und im Zuge einer begleitenden Evaluation eingesetzt wurde [1, 21]. Innerhalb dieses regional begrenzten Versorgungsmodells wurde lediglich eine kleine Zahl von eingeschriebenen Hausärzt*innen (N = 63) zu drei verschiedenen Projektzeitpunkten befragt (Panelbefragung), um mögliche Versorgungseffekte überprüfen zu können; hinzu kamen Fragen zur Prozessevaluation. Letztere wurden im für die vorliegende Studie adaptierten Fragebogen weggelassen.

Anders als im Kontext von DemStepCare wurde die vorliegende Studie als Querschnitterhebung ausgestaltet, bei der es nicht um die Überprüfung von positiven Versorgungseffekten aufgrund einer spezifischen Intervention ging, sondern um die breite Erfassung des Status quo der hausärztlichen Demenzversorgung. Hierzu wurde zur Ermittlung eines umfassenden Lagebildes ein Bündel an Indikatoren zur Demenzkompetenz und -sensibilität abgefragt.

Die durchgeführte Erfassung der Demenzsensibilität bündelt Einstellungs‑, Handlungs- und Kompetenzindikatoren zur Demenzdiagnostik bzw. -versorgung. Aufbauend auf in den zurückliegenden Jahren durchgeführten Vorstudien im hausärztlichen Kontext (u. a. [18,19,20]) und unter Zuhilfenahme weiterer Studien (u. a. [12, 13, 16, 17]) wurde Demenzsensibilität als Konstrukt operationalisiert, bei dem Schwerpunkte u. a. auf der Erfassung von Einstellungen zum Krankheitsbild Demenz, hausärztlichen Selbstwirksamkeitsannahmen, einschlägigen Indikatoren zu Diagnostik, Management und Leitlinienadhärenz, Versorgungsbereitschaft sowie wahrgenommenen Herausforderungen lagen. Der Fragebogen (Ausfülldauer: 10–12 min, 18 Fragen) ist dem Anhang zu entnehmen.

Innerhalb des entwickelten Fragebogens handelt es sich bei 14 der insgesamt 18 Fragen um eine Einfachauswahl, bei 4 Fragen um eine Mehrfachauswahl. Als soziodemografische Merkmale ermittelt wurden Geschlecht, Alter, Praxisstandort (entlang der gängigen Einteilung in Landgemeinde, Kleinstadt, Mittelstadt, Großstadt), Niederlassungsmodell, Patient*innen pro Quartal, Vorliegen einer Zusatzweiterbildung bzw. Fachkunde Geriatrie.

Rekrutierung

Der als Online-Befragung ausgestaltete Survey wurde zwischen August und November 2022 durchgeführt. Voraus ging ein schriftlich-postalisches Anschreiben, das sämtliche als Behandler*innen aktive Hausärzt*innen in Hessen (n = 3839) und Baden-Württemberg (n = 6664) zur Teilnahme einlud.

Die verwendeten Kontaktdaten entstammten einem über Jahre aufgebauten und systematisch gepflegten Datenpool. Dieser stützt sich maßgeblich auf die öffentlich zugänglichen Arztfinderportale der bundeslandspezifischen Kassenärztlichen Vereinigungen, wo Ärzt*innen jeder Fachrichtung recherchiert werden können.

Die Teilnehmer*innen erhielten keine Aufwandsentschädigung. Die Einwilligung zur Studienteilnahme erfolgte zu Beginn der Online-Befragung.

Datenanalyse

Nach Bereinigung des Datensatzes wurden die Daten mittels SPSS 23.0 für Windows (IBM, Armonk, New York) ausgewertet. In den Tabellen werden u. a. Mittelwert (X̄) und Median (˜ x) abgebildet. Zur Feststellung von signifikanten Unterschieden zwischen zwei Gruppen kam ein T‑Test bei unabhängigen Stichproben zum Einsatz (Signifikanzniveau p ≤ 0,001).

Um unterschiedliche Einstellungs‑, Handlungs- und Kompetenzindikatoren zur Demenzversorgung anhand von Clustern besser sichtbar zu machen, wurde auf das Verfahren der Faktorenanalyse (Varimax-Rotation) zurückgegriffen, bei der Variablen aufgrund von systematischen Beziehungen (Korrelationen) untereinander zu Faktoren zusammengefasst werden [20]. Im Vorfeld wurden die Voraussetzungen für die Faktorenanalyse geprüft (Stichprobeneignung nach Kaiser-Meyer-Olkin, signifikantes Ergebnis bei Bartlett-Test auf Sphärizität, Kommunalitäten aller eingeschlossenen Variablen über Grenzwert 0,5). Als Grenze, ab der ein Item auf einen Faktor lädt, wurde gemäß gängiger Konvention der Wert 0,4/−0,4 gewählt [5].

Ergebnisse

Stichprobe

Von den 2305 bearbeiteten Fragebögen gingen 2257 vollständig ausgefüllte Bögen in die Auswertung ein (Gesamtrücklauf: 21 %). Die Stichprobe ist wie folgt strukturiert:

  • Geschlecht: 51 % männlich, 49 % weiblich,

  • Praxisumgebung: 35 % mittel- bis großstädtisch, 65 % ländlich bis kleinstädtisch,

  • Praxisform: 39 % Einzelpraxen, 52 % Gemeinschaftspraxen, 9 % Sonstiges,

  • Patienten pro Quartal: 13 % < 1000, 36 % 1000–1500, 51 % > 1500,

  • Durchschnittsalter: 53 (Median: 54) Jahre,

  • Zusatzweiterbildung bzw. Fachkunde Geriatrie: 35 %.

Diagnostik und interdisziplinäre Zusammenarbeit

Gefragt nach den Patient*innen, bei denen in den letzten Jahren eine (beginnende) Demenz vorgefunden oder ein Verdacht formuliert wurde, geben 93 % der Befragten an, dass die ersten Anhaltspunkte, durch sie die auf das Vorliegen einer möglichen Demenz aufmerksam wurden, die Hinweise Angehöriger gewesen seien. 79 % nennen die eigene Beschäftigung mit den Patient*innen, während 57 % Beschwerden der Patient*innen selbst anführen. 38 % bezogen Hinweise auf eine mögliche Demenzerkrankung über das Praxispersonal.

Während 85 % der Befragten angeben, im Verdachtsfall bzw. zur Verlaufskontrolle auf Demenztests zurückzugreifen, machen 70 % im Rahmen des geriatrischen Basisassessments hiervon Gebrauch. 34 % setzen Demenztests dezidiert zu Screeningzwecken (außerhalb des GBA) ein. Auffällig ist, dass Ärzt*innen mit geriatrischer Weiterbildung deutlich häufiger Dementests zur Verlaufskontrolle einsetzen als Ärzt*innen ohne einen solchen Hintergrund (60 % zu 40 %; p < 0,001).

In der eigenen Praxis können 39 % der Hausärzt*innen auf demenzgeschultes Personal, das entsprechende Fortbildungen durchlaufen hat, zurückgreifen. Unter Ärzt*innen mit geriatrischer Weiterbildung liegt der Anteil geschulten Personals mit 49 % deutlich höher als bei Ärzt*innen ohne adäquate Weiterbildung (34 %; p < 0,001). Ärzt*innen, die über demenzgeschultes Personal verfügen, geben häufiger an, dass über das Personal Hinweise auf mögliche Demenzerkrankungen bezogen wurden (47 % zu 30 %; p < 0,001).

Nach eigener Aussage führen lediglich 10 % der Befragten in der Regel selbst eine (S3-leitliniengerechte) Demenzdiagnose durch; 64 % überweisen Patient*innen mit Verdacht auf Demenz in der Regel zur weiteren Abklärung bzw. zur Stellung einer Diagnose (26 % ganz unterschiedlich). 88 % der Befragten stellen die Patient*innen beim niedergelassenen Neurologen bzw. Psychiater vor; 50 % überwiesen gelegentlich an eine Gedächtnisambulanz.

Nach eigener Aussage sind 25 % der Hausärzt*innen generell bei der Therapie von Demenzpatienten eingebunden und übernehmen in Abstimmung mit Fachärzt*innen entsprechende Aufgaben. Bei weiteren 22 % erfolgt eine therapeutische Begleitung ausschließlich in Einzel- bzw. Ausnahmefällen. 53 % überlassen die Therapie in der Regel ausschließlich Spezialist*innen.

Demenzsensibilität

(Tab. 1)

Tab. 1 Indikatoren zur Demenzsensibilität, rotierte Komponentenmatrix

Die Abfrage der Indikatoren zur Demenzsensibilität zeigt unterschiedliche Prioritäten, Stärken und Schwachpunkte in der hausärztlichen Versorgung. So hält das Gros der Befragten die Betreuung dieser Patient*innenklientel für eine genuine Aufgabe von Hausärzt*innen, die nicht ausschließlich Fachärzt*innen überlassen werden sollte. Auch sind sich die Befragten der Bedeutung einer funktionierenden und rechtzeitigen Demenzdiagnostik prinzipiell bewusst, insbesondere wenn diese leitlinienkonform erfolgt. Viele Befragte sehen die eigene Selbstwirksamkeit als durchaus gegeben an, wenn es darum geht, einen Beitrag zur Lebensqualität von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu leisten. Zugleich werden Problematiken deutlich, die sich insbesondere in der praktisch-diagnostischen Abgrenzung einer Demenzerkrankung von anderen kognitiven Beeinträchtigungen und der Antizipierung von Versorgungs- bzw. Therapiebedarfen niederschlägt. Auch zeigen sich die Befragten bei der Compliance-förderlichen Gesprächsführung (Demenzverdacht bzw. -diagnose) vergleichsweise unsicher. Weiter bekunden viele Hausärzt*innen, sich nicht gut mit Hilfs- und Unterstützungsangeboten auszukennen, an die Patient*innen und Angehörige verwiesen werden können.

Urbane Ärzt*innen gehen erheblich stärker davon aus, sich gut mit Hilfsangeboten im Bereich Demenz auszukennen und bedarfsorientiert an diese zu vermitteln. Ähnliches gilt für geriatrisch weitergebildete Befragte, wobei diese es zusätzlich als weniger schwierig empfinden, mögliche Versorgungsbedarfe zu antizipieren.

Eine Faktorenanalyse offenbart mit Blick auf Einstellungen und Handlungsmuster in Bezug auf die Demenzversorgung verschiedene Cluster von Ärzt*innen. Die größte Gruppe erachtet die kontinuierliche hausärztliche Beschäftigung mit Demenzerkrankungen und eine funktionierende Diagnostik als zentral. Innerhalb des zweiten Clusters gibt es u. a. einen Schwerpunkt auf Beratung bzw. Vermittlung von Patient*innen und Angehörigen. Im dritten und vierten Cluster dominieren klar skeptische und resignative Haltungen in Bezug auf die Diagnostik, Versorgung und Kommunikation (Tab. 2).

Tab. 2 Subjektive Kompetenzeinschätzung bei diagnostischem und therapeutischem Vorgehen

Die Abfrage subjektiver Kompetenzeinschätzungen bestätigt eine bei vielen Hausärzt*innen verbreitete Unsicherheit in Bezug auf ein leitliniengerechtes diagnostisches Vorgehen und ein entsprechendes Krankheitsmanagement. Auffällig ist, dass unter Ärzt*innen in Kleinstädten und Landgemeinden die persönliche Kompetenzwahrnehmung gegenüber Ärzt*innen in Groß- und Mittelstädten deutlich schwächer ausgeprägt ist. In ähnlicher Weise fallen die Selbsteinschätzungen geriatrisch weitergebildeter Befragter positiver aus.

Herausforderungen im Praxisablauf

(Tab. 3)

Tab. 3 Erlebte Herausforderungen bei Demenzdiagnostik und -versorgung

Mittels einer Itembatterie wurden die Hausärzt*innen explizit gefragt, inwieweit sie im Praxisalltag verschiedene Aspekte und Tätigkeitsabläufe der Demenzversorgung als Herausforderung erleben. Als besonders schwierig wird neben dem erfolgreichen therapeutischen Management die differenzialdiagnostische Abklärung eingeschätzt, aber auch kommunikative und Compliance-Probleme, die sich im Patient*innengespräch im Zuge der Aufklärung über die Diagnose ergeben können.

Analog zu den oben stehenden Befunden empfinden Ärzt*innen im urbanen Umfeld sowie mit einem geriatrischen Weiterbildungshintergrund bestimmte Problematiken als weniger gravierend, etwa diagnostische Vorgehensweisen oder den Umgang mit bzw. die Beratung von Demenzerkrankten und Angehörigen.

Eine Faktorenanalyse weist drei Gruppen von Hausärzt*innen aus. Die erste Gruppe empfindet Herausforderungen vornehmlich in kommunikativen Zusammenhängen, die beiden anderen in diagnostisch-therapeutischen. In allen Clustern gibt es einen erhöhten Anteil von Ärzt*innen, die die Beratung von Patient*innen und deren Angehörigen als anspruchsvoll erleben.

Diskussion

Zusammenfassung

Die vorgestellte Studie hat hausärztliche Einstellungs‑, Handlungs- und Kompetenzindikatoren zur Demenzversorgung beleuchtet. Wie die Ergebnisse zeigen, halten die Befragten es für bedeutsam, dass Hausärzt*innen in Fragen der Betreuung demenziell erkrankter Personen präsent sind und sich zutrauen, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität Betroffener und Angehöriger zu leisten. Die meisten Hausärzt*innen äußern den Wunsch, Patient*innen und Angehörige nicht nur an Spezialist*innen weiterzuleiten, sondern diese aktiv zu begleiten.

Zugleich wird deutlich, dass viele Hausärzt*innen sowohl praktisch-diagnostische Schritte der (leitliniengerechten) Identifizierung einer Demenz als auch das konsequente Krankheitsmanagement inklusive der Antizipierung von Versorgungs- bzw. Therapiebedarfen von Erkrankten und Angehörigen im zeitkritischen Praxisalltag als herausfordernd erleben. Mit Blick auf erlebte Hürden und Problematiken im Praxisalltag zeigt sich, dass insbesondere Ärzt*innen mit ländlichem Praxissitz größere Schwierigkeiten beim diagnostischen Vorgehen und im Beratungskontext wahrnehmen. Ferner zeigt sich, dass ein erheblicher Teil der Stichprobe sich nur bedingt zutraut, einschlägige Hilfs- und Unterstützungsangebote zu überblicken und bedarfsorientiert dorthin zu verweisen.

Ein durchgehender Befund besteht darin, dass Ärzt*innen mit urbanem Praxissitz sowie mit geriatrischer Weiterbildung teils beträchtliche Kenntnis‑, Orientierungs- und Sicherheitsvorteile verbuchen. Besonders deutlich wird dies beispielsweise, wenn es um den Überblick über lokale oder regionale Hilfs- und Unterstützungsangebote im Bereich Demenz geht sowie die Vermittlungstätigkeit hin zu selbigen. Hinzu kommt, dass Ärzt*innen mit geriatrischer Weiterbildung häufiger auf geschultes Praxispersonal zurückgreifen können.

Befunde anderer Studien

Die Ergebnisse spiegeln sich in den Befunden anderer Arbeiten, denen zufolge in der hausärztlichen Versorgungsrealität hinsichtlich der Versorgung von Demenzpatient*innen eine Reihe von Hemmnissen bestehen [10,11,12, 19, 20, 23]. So haben Low et al. festgestellt, dass die Entscheidung von Hausärzt*innen, sich einer konsequenten Demenzdiagnostik zu bedienen und entsprechende Aufgaben beim Krankheitsmanagement zu übernehmen, u. a. von Einstellungen und Ansichten in Bezug auf das Krankheitsbild und verfügbare Therapieoptionen abhängt, vom persönlichen Zutrauen in Bezug auf diagnostische und kommunikative Fähigkeiten, den bei Patienten und Angehörigen vorhandenen psychosozialen Ressourcen sowie der ärztlichen Kenntnis und Verfügbarkeit von Hilfsakteuren [9].

Auch in unseren Vorstudien [19, 20] gab ein beträchtlicher Teil der einbezogenen Hausärzt*innen an, dass sich u. a. die differenzialdiagnostische Abklärung unter den Bedingungen von Zeit- und Kostendruck herausfordernd gestalte. Unsicherheiten bei der Abgrenzung einer Demenz von anderen Formen kognitiver Beeinträchtigungen werden verstärkt durch Unklarheiten im diagnostischen und therapeutischen Ablauf sowie durch Probleme bei der Zusammenarbeit mit Fachärzt*innen. Auch im internationalen Bereich sind systematische Reviews vorgelegt worden, die konstatieren, dass es auf Seiten von primärärztlichen Versorger*innen bei der Demenzversorgung „a lack of training and confidence“ gebe, verstärkt um systembezogene Barrieren, insbesondere „a lack of time during consultations and lack of support services“ [10]. Zudem gibt es Anzeichen für kommunikative Unsicherheiten bei der Stellung von Demenzdiagnosen [9, 14].

Die unter urbanen Ärzt*innen feststellbare Tendenz zu einem besseren Überblick über Versorgungsangebote lässt sich damit erklären, dass solche im städtischen Umfeld in höherem und ausdifferenzierterem Maße verfügbar sind [2, 4]. Stichhaltiger erscheint insoweit der Blick auf geriatrische Zusatzkompetenzen, die den Befragungsergebnissen zufolge einen erheblichen Unterschied beim ärztlichen Umgang mit Demenzerkrankungen bewirken können. Auch in anderen Studien fiel auf, dass Hausärzt*innen ohne geriatrische Weiterbildung im Vergleich mit fortgebildeten Kolleg*innen in geringerem Maße Demenzscreenings durchführen, seltener über geschultes Praxispersonal verfügen und Hinweise des Praxispersonals weniger stark bei der Demenzerkennung berücksichtigen [8, 20]. Ähnliches gilt für die Kenntnis und systematische Anwendung der S3-Leitlinie [5, 13, 14]. Nicht zuletzt kann geriatrisches Hintergrundwissen helfen, stabilisierende Gesprächsstrategien erfolgreich umzusetzen. Vor dem Hintergrund der Befunde scheint es geboten, die geriatrische Kompetenz von Hausärzt*innen zu stärken.

Der ebenfalls in früheren Untersuchungen festgestellte Befund, dass viele Hausärzt*innen sich nicht ausreichend mit regionalen Versorgungsstrukturen zur Betreuung von Demenzpatienten und Angehörigen auskennen, knüpft an die systematischen Reviews von Mansfield et al. sowie Low et al. an. Diese konstatieren, dass der Mangel an verfügbaren oder aktiv herangezogenen Hilfsnetzwerken im Bereich der Demenzversorgung ein limitierender Faktor für die ärztliche Versorgung sein kann [9, 10, 18]. Eine wesentliche Ursache für diese Defizite wird für Deutschland auf das weitgehende Fehlen multiprofessioneller Strukturen zur ambulanten Krisenintervention zurückgeführt, die ärztliche, pflegerische und weitere Akteure verzahnen [13]. Damit einhergehend können Versorgungsbedarfe und -risiken häufig nicht systematisch und zeitnah klassifiziert werden. Diese Versorgungslücke führt vermehrt zu krisenhaften Versorgungssituationen und komplikationsträchtigen Krankenhauseinweisungen [7, 22]. Aufgrund dessen erscheint es essenziell, Hausärzt*innen stärker an Kooperations- und Hilfsstrukturen im Bereich Demenz heranzuführen [10]. Dies betrifft nicht nur eine fundiertere Kenntnis von Unterstützungsangeboten, sondern auch eine ausgeprägtere Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren. Indem Patient*innen und Angehörige rechtzeitig an regionale Beratungs- und Versorgungsnetzwerke [19] verwiesen werden, kann zum einen die Patient*innenversorgung aufgewertet, zum anderen die Gefahr eines „Burnouts“ pflegender Angehöriger minimiert werden [6].

Stärken und Schwächen

Obwohl eine heterogene, große Stichprobe gewonnen werden konnte, die in die Breite der Hausärzteschaft hineinreicht, müssen verschiedene Limitationen der Befragung reflektiert werden. Hierzu gehören ein regionaler Rekrutierungsschwerpunkt in zwei Bundesländern und ein begrenzter Rücklauf. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Hausärzte mit thematischem Interesse in stärkerem Maße an der Befragung teilgenommen haben („selection bias“). Der sehr hohe Anteil von geriatrisch weitergebildeten Ärzt*innen lässt dies vermuten.

Bei bestimmten Fragen (z. B. bei der Frage nach der Durchführung einer leitliniengerechten Demenzdiagnose) kann nicht ausgeschlossen werden, dass Antworten im Sinne sozialer Erwünschtheit gegeben wurden („social bias“).

Schlussfolgerung

Wie die Ergebnisse zeigen, halten die Befragten es grundsätzlich für bedeutsam, dass Hausärzt*innen in Fragen der Betreuung demenziell erkrankter Personen präsent sind. Die meisten Hausärzt*innen äußern den Wunsch, Patient*innen und Angehörige aktiv zu begleiten. Zugleich wird deutlich, dass viele Hausärzt*innen sowohl praktisch-diagnostische Schritte der (leitliniengerechten) Identifizierung einer Demenz als auch das konsequente Krankheitsmanagement inklusive der Antizipierung von Versorgungs- bzw. Therapiebedarfen im zeitkritischen Praxisalltag als herausfordernd erleben. Ferner zeigt sich, dass ein erheblicher Teil der Stichprobe sich nur bedingt zutraut, einschlägige Hilfs- und Unterstützungsangebote zu überblicken und bedarfsorientiert dorthin zu verweisen.

Im Licht der Befunde scheint es geboten, die geriatrische Kompetenz von Hausärzt*innen zu stärken. Zudem erscheint es essenziell, Allgemeinmediziner stärker über Kooperations- und Hilfsstrukturen im Bereich der Demenzversorgung aufzuklären und in diese zu integrieren.

Fazit für die Praxis

  • Das hausärztliche Setting ist für die konsequente Erkennung und das Management demenzieller Erkrankungen von großer Bedeutung. Die Studie zielte darauf ab, anhand einer gebündelten Betrachtung relevanter Betreuungs- und Versorgungsdimensionen (Konstrukt „Demenzsensibilität“) mögliche Stärken und Schwachpunkte der hausarztbasierten Demenzversorgung zu identifizieren.

  • Die Befragten halten es für wichtig, dass Hausärzt*innen in Fragen der Betreuung demenziell erkrankter Personen präsent sind. Zugleich wird deutlich, dass viele Hausärzt*innen sowohl praktisch-diagnostische Schritte der (leitliniengerechten) Identifizierung einer Demenz als auch das konsequente Krankheitsmanagement inklusive der Antizipierung von Versorgungs- bzw. Therapiebedarfen als herausfordernd erleben.

  • Im Licht der Befunde scheint es v. a. geboten, die geriatrische Kompetenz von Hausärzt*innen zu stärken. Zudem erscheint es essenziell, diese stärker über Kooperations- und Hilfsstrukturen im Bereich der Demenzversorgung aufzuklären und zu integrieren.