Gesundheit wird „von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt […]: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben“ [21]. Um dem gerecht zu werden, etabliert eine wachsende Zahl an Hochschulen neben einem betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) ein studentisches Gesundheitsmanagement (SGM), das die Belange der Studierenden in den Blick nimmt [7]. Ein wichtiges Kriterium eines erfolgreichen SGM bildet die Partizipation der Studierenden [1, 11, 19].

Hintergrund und Fragestellung

Partizipation im Kontext der Gesundheitsförderung beschreibt die Teilhabe von Menschen an für sie, ihr Leben und ihre Gesundheit relevanten Entscheidungen und zählt zu den Merkmalen guter Praxis [9, 17]. Partizipation kann anhand von verschiedenen Modellen konkretisiert, geplant und reflektiert werden. Ein Modell ist die Partizipationspyramide von Straßburger und Rieger (Abb. 1, [20]). Die Pyramide betrachtet 6 bzw. 7 Stufen der Partizipation aus zwei Perspektiven: die der Fachkräfte/Institutionen und die der Bürger*innen [20]. Während zur Steigerung der Effektivität gesundheitsfördernder Angebote seitens der Fachkräfte häufig eine hohe Stufe der Partizipation angestrebt wird, können und wollen nicht alle Beteiligten in jeder Phase eines Projekts gleichermaßen einbezogen werden [23]. Es bedarf der Gelegenheiten zu partizipieren, aber auch der Nutzung dieser [17]. Beide Seiten bergen Herausforderungen, auch bei der Partizipation Studierender im SGM.

Abb. 1
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Partizipationspyramide von Straßburger und Rieger [20]

Partizipation im studentischen Gesundheitsmanagement

Ein SGM zielt auf den Erhalt und die Förderung des körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens der Studierenden ab [12]. Individuelle Gesundheitsressourcen der Studierenden werden aufgebaut und gesundheitliche Chancenungleichheit abgebaut. Ein Kernprinzip des SGM ist die Partizipation der Studierenden als Expert*innen ihrer Lebenswelt [1, 11, 14]. Für die Mitgestaltung benötigen die Studierenden Entscheidungsmacht sowie finanzielle und zeitliche Ressourcen. Verschiedene Ansätze der Partizipation Studierender sind möglich. Darunter die Einbeziehung der Studierendenvertretungen und/oder einzelner Studierender in Gremiensitzungen der Projektsteuerung, themenbezogenen Arbeits- und Projektgruppen, runden Tischen, Informationsgesprächen oder im Rahmen eines Gesundheitszirkels zur Entwicklung von konkreten Maßnahmen [1, 11, 16]. Die Mitwirkung ist auf freiwilliger Basis, aber auch in Form von Praktika oder einer Anstellung als studentische Hilfskraft denkbar [11, 16, 18]. Darüber hinaus erscheint die Integration von Inhalten des SGM in Forschung und Lehre zielführend, denn von einer zusätzlichen Belastung der Studierenden wird aufgrund der ohnehin hohen Stressbelastung abgeraten [16]. Zudem ermöglicht diese Form der Beteiligung einen niedrigschwelligen Zugang und sichert die kontinuierliche Einbindung studentischer Sichtweisen [11]. Es entstehen passgenaue Angebote, mit denen sich die Studierenden stärker identifizieren und daher eher teilnehmen [16]. „Sie [Studierende, d. Verf.] wissen am besten, was sie benötigen, wo Handlungsbedarf besteht, welchen Belastungen sie ausgesetzt sind, aber auch wie sie untereinander kommunizieren und erreicht werden können“ [11]. Findet Partizipation im Rahmen von Lehrveranstaltungen statt, können Studierende verschiedener Fachbereiche erreicht und an das Thema Gesundheit herangeführt werden. Außerdem steigt die Bekanntheit des SGM. Studierende werden für das Thema Gesundheit sensibilisiert und gegebenenfalls zu einer Anpassung ihres Verhaltens angeregt [11]. Nicht zuletzt können Studierende durch die Mitwirkung das Studium ihrer Kommiliton*innen und nachfolgender Kohorten bereichern [11].

Doch wie kann Partizipation im SGM gelingen? Meier [13] zeigt anhand von Interviews, dass das Gefühl, eine amtliche Verpflichtung zu haben und allgemeines Interesse am Thema Gesundheit(sförderung) oder der Methode mögliche Partizipationsmotive darstellen. Auch Zertifikate, mehr Werbung sowie eine deutlichere Darstellung des Nutzens können als Ansporn zur Teilnahme dienen [13]. Barrieren sind insbesondere Zeit- und Planungsprobleme sowie die Ansicht, zu einer sehr gesunden Bevölkerung zu gehören [13]. Im Handbuch Stundentisches Gesundheitsmanagement [11] werden weitere Herausforderungen bei der Verortung von Partizipation innerhalb von Lehrveranstaltungen genannt: Zum einen müssen die Inhalte und der Vorlesungsrhythmus der Lehrveranstaltungen weiterhin den Vorgaben des Modulhandbuchs entsprechen, zum anderen widersprechen sich eine partizipative Arbeit auf Augenhöhe und die abschließende Benotung durch die Dozierenden. Es gilt Rollen, Anforderungen und Kompetenzen klar zur definieren [11]. Ferner bedarf es seitens der Koordinationsstelle und der Lehrenden Offenheit gegenüber dem Prozess und den Ergebnissen [11]. Es ist mit einem erhöhten Zeitaufwand für alle Beteiligten zu rechnen [11]. Den Studierenden fällt die Vereinbarkeit von Engagement im SGM mit dem Studium nicht immer leicht [11]. Stark wechselnde Arbeitsgruppen mit kurzen Wahlperioden und eine hohe Fluktuation der Studierenden verlangsamen die Realisierung von Maßnahmen zusätzlich [11, 16]. Ein ständiger Informationsfluss auf allen Ebenen, Transparenz, ein aktives Einbinden neuer Akteur*innen und viel Flexibilität sind deshalb nur einige Bedingungen, um Partizipation zu ermöglichen [16]. Neben der Gelegenheit zu partizipieren und dem Interesse sich einzubringen, hängt die Beteiligung von der Aufgabenstellung und speziellen Anforderungen, wie Fachwissen und Qualifikation der teilhabenden Akteur*innen, ab. Auch die Rahmenbedingungen wie „Datenschutz, Zeitdruck, Zugangsbeschränkungen [und] rechtliche Zuständigkeiten“ [16] spielen eine Rolle.

Die genannten Studien zeigen erste Annahmen und Erkenntnisse, eine systematische Erfassung von Motiven und Barrieren der Partizipation im SGM liegt nach aktuellen Rechercheergebnissen nicht vor. Die zentrale Forschungsfrage lautet deshalb: Wie kann es gelingen, Studierende partizipativ in das SGM einzubinden?

Methode

Aufgrund des limitierten Forschungsstands zu den Gelingensfaktoren von Studierendenpartizipation im SGM, erschien die Wahl eines qualitativen, explorativen Vorgehens zielführend. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden im Juli und August 2022 9 semistrukturierte Interviews mit Studierenden durchgeführt. Die Interviews fanden, je nach Präferenz der Interviewten, an der Hochschule Kempten oder via online Videokonferenz statt. Als Interviewer*innen fungierten Mitarbeiterinnen eines Forschungsinstituts der Hochschule Kempten, die in die Tätigkeiten des SGM nicht involviert sind und die Interviewteilnehmer*innen nicht kannten. Die Interviews dauerten zwischen 15 und 40 min. Die Interviewteilnehmer*innen wurden vor dem Interview über die Einhaltung des Datenschutzes informiert, ein schriftliches Einverständnis wurde eingeholt.

Interviewleitfaden

Das Interview und der Leitfaden wurden in Anlehnung an die Interviewplanung und Leitfadenentwicklung nach Helfferich [8] konzipiert und jeweils geringfügig an die Interviewten angepasst. Die Fragen entstanden in Anlehnung an die Erfassung von Partizipation von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in unterschiedlichen Projekten [4, 13, 22]. Der erste Fragenblock thematisierte die Partizipation innerhalb und außerhalb der Hochschule Kempten. Es folgten Fragen zur Partizipation im SGM, insbesondere zu Motiven und Barrieren der Partizipation sowie Erwartungen an die Zusammenarbeit. Auch die Wirkung auf das persönliche Umfeld sowie die Meinung zu den Ergebnissen wurde erfasst. Außerdem wurden Fragen zur Eignung verschiedener Rahmenbedingungen der Partizipation im SGM gestellt. Eine Abschlussfrage nach weiteren Ergänzungen beendete das Interview.

Rekrutierung und Sampling

Das SGM der Hochschule Kempten ist ein Pilotprojekt der Fakultät Soziales und Gesundheit, weshalb ausschließlich Studierende dieser Fakultät einbezogen wurden. Studierende aus verschiedenen SGM-Projekten, Studiengängen und Semestern sowie unterschiedlichen Alters und Geschlechts wurden gezielt per E‑Mail angeschrieben. Als Teilnahmeanreiz wurde den Studierenden eine Aufwandentschädigung im Wert von 10 € in Aussicht gestellt. Die Stichprobe setzt sich aus 8 Studentinnen und einem Studenten im Alter von 21 bis 39 Jahren (M = 26,67, SD = 7,05) zusammen; 6 Interviewteilnehmende studieren Soziale Arbeit, 3 Gesundheitswirtschaft. Die Studierenden befanden sich im 2., 4. oder 6. Semester.

Datenanalyse und Auswertung

Die Interviews wurden pseudonymisiert und durch einen Transkriptionsdienstleister wörtlich transkribiert. Die Kodierung und Auswertung erfolgte induktiv-deduktiv mit Hilfe der MAXQDA-Software (VERBI GmbH, Berlin, Deutschland). Als Analysemethode wurde die qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz [10] gewählt. Nach der Auswertung durch die Projektleitung wurde das Interviewmaterial von einer Studierendengruppe ein weiteres Mal unabhängig kategorisiert und kodiert. Die Ergebnisse der Studierenden flossen mit denen der Autorin in einem überarbeiteten Kategoriensystem zusammen.

Ergebnisse

Im Rahmen der Auswertung konnten personenbezogene und verhältnisbezogene Förderfaktoren und Barrieren der Partizipation erfasst werden. Die personenbezogenen Faktoren wurden den Subkategorien individuelle, soziale sowie studiums- und berufsbezogene Einflüsse zugeordnet. Die verhältnisbezogenen Faktoren umfassen Einflüsse der Lebens- und Studienbedingungen auf die Partizipation und gliedern sich in Einbettung der Partizipation, Art des Projekts und der Zusammenarbeit, Zugang zum SGM, Studienrhythmus und Anreize. Ankerzitate in Abb. 2 untermauern die Ergebnisse.

Abb. 2
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Ankerzitate: Partizipation im Studentischen Gesundheitsmanagement (SGM)

Individuelle Einflüsse

Auf der Ebene des Individuums beeinflussen, laut der Studierenden, persönliche Werte wie Verantwortungsbewusstsein, soziale Verpflichtung und Ehrgeiz die Partizipationsbereitschaft. Dies gelte insbesondere, wenn sie selbst betroffen sind und von den Veränderungen direkt profitieren. Neugierde, Interesse, Offenheit und Begeisterung für eine Idee sowie der konkrete Wunsch mitbestimmen zu dürfen, förderten ebenfalls die Mitwirkung. Genauso wie mit der Partizipation verbundene positive Gefühle wie Stolz und das Gefühl gehört zu werden. Als Barrieren der Partizipation wurden auffällig häufig negative Erwartungen genannt, darunter beispielsweise zu viel Arbeit, kein eigener Nutzen oder die Annahme, dass die Meinung eher pro forma abgefragt würde, ohne entsprechende Veränderungen nach sich zu ziehen. Zudem befürchteten einige, dass sie die Anforderungen nicht erfüllen können. Eine Befragte berichtete, dass Studierendengesundheit von einigen als Aufgabe der Studierendenschaft gesehen würde und diese Angst hätten vom SGM „über den Tisch gezogen zu werden“ (Studentin, 23 Jahre #00:09:47-0#).

Soziale Einflüsse

Beweggründe der Partizipation auf der sozialen Ebene sind, so die Interviewten, die Aussichten darauf, neue Leute kennenzulernen, sich zu vernetzen und mit Gleichgesinnten auszutauschen. Mit Freunden zusammen mitzuwirken sowie das Erleben von Gemeinschaft, Zugehörigkeit und gegenseitiger Unterstützung seien weitere Faktoren. Die Studierenden berichteten von der Möglichkeit, voneinander zu lernen und von einem guten Gefühl etwas für Kommilitonen oder nachfolgende Jahrgänge zu tun. Auf der anderen Seite würden sich einige Studierende der Hochschule nicht zugehörig fühlen oder hätten Schwierigkeiten sich alleine einzubringen. Zudem konkurriere die Mitwirkung an der Hochschule mit der Zeit für Freunde, Familie und Freizeitaktivitäten.

Studium- und berufsbezogene Einflüsse

Findet Partizipation innerhalb eines Seminars statt, stelle für viele Studierende das Bestehen des Seminars das Hauptmotiv dar. Darüber hinaus sähen sie die Chance neue Methoden zu erlernen sowie Fähigkeiten (Projektmanagement, Gruppenarbeit, Forschung) zu erproben, zu vertiefen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Die Studierenden schilderten, dass neben den theoretischen Inhalten Einblicke in die Praxis erlangt und Inhalte dadurch besser verstanden werden können. Partizipation ermögliche es den Studierenden zudem direkten Einfluss auf Studienbedingungen zu nehmen. Auch das Kennenlernen von Hochschulstrukturen und -akteuren, Aussichten auf Jobs oder die Betreuung der Abschlussarbeit durch beteiligte Professor*innen, sind genannte Motive. Die individuelle Einstellung zum Studium beeinflusse ebenfalls die Partizipationsbereitschaft. Während diejenigen, die das Studium zügig abschließen und nur wenig Zeit an der Hochschule verbringen möchten, selten mitwirken würden, seien diejenigen, die die Möglichkeiten im Studium voll ausschöpfen möchten, eher engagiert. Zusätzliche, freiwillige Aktivitäten an der Hochschule konkurrierten außerdem mit den Aufgaben im Studium und dem Nebenjob. Da einige Studierende ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren, würden entsprechende Prioritäten gesetzt.

Einbettung

Die Interviewten berichteten, dass freiwillige Arbeitskreise (außerhalb von Lehrveranstaltungen) besonders für Personen mit hohem Eigeninteresse geeignet sind und eine effiziente Arbeitsweise zu erwarten sei. Die freiwillige Mitarbeit würde jedoch stark vom Individuum abhängen. Im Gegensatz dazu biete die Möglichkeit im Rahmen von Lehrveranstaltungen im SGM zu partizipieren den Vorteil, viele Studierende zu erreichen, ohne zusätzliche Zeit zu beanspruchen. Dies begünstige ein breiteres Meinungsbild. Insbesondere wenn durch die Verknüpfung Lehrinhalte praktisch erlebt werden können, befürworteten die Studierenden diese Herangehensweise. Die Abhängigkeit der Note bzw. des Bestehens von der aktiven Partizipation könne die Motivation und den Einsatz steigern, führe jedoch auch dazu, dass Studierende die nicht mitwirken möchten, dennoch mitwirken müssten. Ihr Desinteresse könne sich negativ auf alle Gruppenmitglieder auswirken.

Weitere Möglichkeiten zu partizipieren sahen die Studierenden in Praktika, Wahlmodulen und der Arbeit als studentische Hilfskraft. Eine Studentin schlussfolgerte: „deswegen würde ich sagen, kein entweder oder, sondern umso mehr du dich da einbringen kannst, wenn du es willst, umso schöner ist es, umso vielseitiger.“ (Studentin, 39 Jahre #00:18:20#).

Art des Projekts und der Zusammenarbeit

In Bezug auf die Art des Projekts und die Zusammenarbeit zeigte sich, dass sowohl Umfang und Dauer des Projekts als auch Gruppengröße und Thema die Partizipationsbereitschaft beeinflussen. Zudem scheinen praktische Anwendungen, bei denen etwas Sichtbares entsteht, interessanter als theoretische Aufgaben. Hinsichtlich der Zusammenarbeit war es den Befragten besonders wichtig, Arbeitsaufwand und Termine flexibel gestalten zu können. Die Wahl von Terminen, an denen die Studierenden ohnehin schon vor Ort sind, erhöhten die Teilnahme. Des Weiteren begrüßten die Studierenden Eigenverantwortung, wünschen sich aber gleichzeitig feste Ansprechpartner*innen und bei Bedarf Unterstützung. Eine lockere, interaktive Zusammenarbeit, bei der man ohne Sorge seine Meinung sagen kann, würde geschätzt. Ein sehr „offizieller Charakter“ (Student, 23 Jahre #00:35:26#) in Zusammenhang mit Anwesenheitspflichten sei hingegen hinderlich.

Zugang zum SGM

Um Partizipation im SGM zu erreichen, so die Befragten, müssen die Studierenden das SGM und die Partizipationsmöglichkeiten kennen. Zudem bedürfe es eines niedrigschwelligen Zugangs: Durch mehr Werbung (Flyer, Aushänge, Webseite, Instagram) müsse das Angebot bekannter gemacht werden. Anhand von kurzen Ansagen in Lehrveranstaltungen (bestenfalls von Studierenden zu Studierenden) könne ein Erstkontakt ermöglicht und eine spätere Kontaktaufnahme erleichtert werden. Für die Interviewten ist Transparenz ein weiterer wichtiger Aspekt. Ansprechpartner*innen, Zielsetzung des SGM und des einzelnen Projekts sowie der persönliche Nutzen sollte klar ersichtlich sein. Termine, Aufgabenstellung, Anforderungen und Erwartungen an die Studierenden gelte es frühzeitig zu kommunizieren.

Studienrhythmus

Des Weiteren spiele der Studienrhythmus eine wichtige Rolle. Die Studierenden merkten an, dass der Zeitraum, um sich einzubringen sehr kurz ist: Im ersten Semester müssten sie sich zunächst einfinden, während sie im sechsten Semester gedanklich bereits gehen. Hinzu komme, dass durch die Fluktuation der Studierenden Ansprechpartner*innen, Angebote, Erfahrungen und Wissen oft verloren gingen. Studierende würden den Überblick verlieren. Dies habe sich in der Coronapandemie noch verschärft und hemme die Partizipation.

Anreize

Einige Studierende hielten zusätzliche Anreize für weniger wichtig, andere plädierten dafür. Befürworter*innen erachteten eine Belohnung mit Kreditpunkten in Wahlmodulen oder durch Zertifikate als sinnvoll, sofern der Nutzen des Zertifikats für Studium und Beruf klar ersichtlich sei. Darüber hinaus würden eine kostenlose Mahlzeit, gemeinsame Events oder ein gemeinsamer Raum, um zusammenzukommen, attraktive Anreize darstellen. Geld und verschiedene Gewinne seien ebenfalls mögliche Anreize zur Partizipation.

Diskussion

Die Ergebnisse der Interviews zeigen, dass erfolgreiche Partizipation Studierender im SGM sowohl von personenbezogenen als auch von verhältnisbezogenen Faktoren abhängt. Als besonders wichtige Ansatzpunkte zur Förderung der Partizipation erscheinen die Rahmenbedingungen, weshalb auf diese im Folgenden verstärkt eingegangen wird. Gleichzeitig werden erste Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Hinsichtlich der Einbettung der Partizipation belegen die Interviews einmal mehr, dass unterschiedliche Herangehensweisen möglich sind. Die Einbindung in Form von Praktika, als Hilfskraft oder im Rahmen einer Lehrveranstaltung, wie es beispielsweise im Handbuch Studentisches Gesundheitsmanagement [11] steht, wurde auch von den Kemptener Studierenden befürwortet. Sie äußerten jedoch den bisher nicht berücksichtigten Einwand, dass Personen die nicht mitwirken möchten, durch Lehrveranstaltungen zur Partizipation gezwungen würden und die Motivation der gesamten Gruppe schmälern. Ein Effekt der aus anderen Gruppenarbeiten im Studium bekannt ist [6]. Es gilt Lösungen zu suchen dem entgegenzuwirken, auch um den Konflikt zwischen Partizipation und verpflichtender Teilnahme am Seminar einzugrenzen [11]. Eine Möglichkeit könnte die freie Wahl zwischen verschiedenen Projekten sein.

Die freiwillige Partizipation in der Freizeit wurde von den Studierenden als effektiv aber sehr stark abhängig vom Individuum beschrieben. Hinzu kommt, dass aufgrund des hohen Workloads im Studium und zusätzlichen Nebenjobs, die zeitlichen Ressourcen knapp seien. Selbiges bestätigen Interviews von Ditzel und Bergt [3]. Um Studierende für Partizipation zu gewinnen und gleichzeitig nicht zusätzlich zu belasten, gilt es zu überlegen, ob beispielsweise die Mitwirkung in Lenkungsgremien [11, 16, 19] vermehrt im Aufgabenprofil einer Hilfskrafttätigkeit verankert werden kann.

Neben der Einbettung der Partizipation, bildet das Wissen um und der Zugang zu Partizipationsmöglichkeiten einen wichtigen Ansatzpunkt. Die Interviewergebnisse stehen diesbezüglich im Einklang mit den Erkenntnissen aus anderen Studien zur Partizipation im Kontext Hochschule [13, 15]. Die Studierenden forderten Transparenz durch Informationen über Ansprechpartner*innen, Zielsetzung, den persönlichen Nutzen, bestehende Ergebnisse und Partizipationsmöglichkeiten. Aspekte, die auch Ditzel und Bergt [3] für alle bzw. speziell für weniger engagierte Partizipationstypen empfehlen. Ditzel und Bergt [3] schlagen außerdem vor, bereits in der Orientierungsphase auf Partizipationsmöglichkeiten hinzuweisen. Dadurch könnte auch das von den Studierenden bemängelte kurze Zeitfensters der Mitwirkung bestmöglich genutzt werden. Durch diverse Anreize, wie ECTS-Leistungspunkte, Zertifikate oder gemeinsame Events, kann der persönliche Mehrwert noch gesteigert werden.

Die Interviewten äußerten darüber hinaus konkrete Wünsche an die Art des Projekts und die Zusammenarbeit. Diese stehen häufig im Zusammenhang mit zeitlichen Ressourcen, geringen Verpflichtungen und einem inoffiziellen Charakter. Faktoren, die hinsichtlich der Partizipation Studierender mehrfach gezeigt wurden [13, 15] und möglicherweise auf die ohnehin bereits hohen Belastungen der Studierenden zurückzuführen sind [3, 5]. Eine Verknüpfung mit bestehenden Lehrangeboten, flexible Arbeitszeiten und eine angemessene Vergütung könnten zu einer besseren Vereinbarkeit von Studium und partizipativer Mitwirkung beitragen.

Zusätzlich zur Veränderung der Rahmenbedingungen, erscheint es zielführend auch auf einige der personenbezogenen Förderfaktoren einzuwirken. Aus den Interviews geht hervor, dass negative Erwartungen stark hemmende Faktoren darstellen können. Neben der Annahme, Projekte würden ohnehin nicht gelingen oder zu viel Arbeiten bedeuten, teilten die Studierenden mit, dass sie davon ausgingen nur pro forma ihre Meinung sagen zu dürfen, ohne dass darauf Taten folgen. Eine Befürchtung, die womöglich aus einer eher allgemeinen Annahme resultiert, Studierendenvorschläge würden nicht oder nur sehr langsam umgesetzt [2]. Das Misstrauen der Studierenden wird durch die Unzufriedenheit, das Thema aus den Händen der Studierenden zu geben, untermauert. Einerseits sollte kritisch reflektiert werden, ob den Studierenden ausreichend Entscheidungsmacht zugesprochen wurde, um realen Einfluss zu nehmen. Andererseits empfiehlt es sich die negativen Erwartungen in positive zu wandeln, indem Ergebnisse des SGM sichtbar gemacht und die positiven Effekte der Partizipation auf individueller, sozialer sowie studiums- und berufsbezogener Ebene verstärkt aufgezeigt werden. Gegebenenfalls kann zusätzlich der Nutzen gezielt erhöht werden, beispielsweise durch das Vermitteln berufsbezogener Kompetenzen und die Förderung des sozialen Austausches.

Limitationen und Stärken

Der qualitative Ansatz der vorliegenden Arbeit ermöglichte die Erhebung detaillierter Daten zu den Förderfaktoren und Barrieren der Partizipation Studierender im SGM. Gleichzeitig können durch die Forschungsmethode Verzerrungen aufgrund sozial erwünschter Antworten nicht ausgeschlossen werden. Auch die selektive Auswahl der Interviewten, die zwar unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Semesters sind, jedoch alle einem Studiengang der Sozial- oder Gesundheitswissenschaften nachgehen, muss bei der Interpretation der Ergebnisse kritisch reflektiert werden. Inwiefern sich die Angaben auf Studierende anderer Studiengänge und Hochschulen übertragen lassen, sollte mittels größer angelegter, repräsentativer Befragungen überprüft werden.

Insgesamt stellen die Ergebnisse jedoch eine erste empirische Annäherung dar und bieten wertvolle Hinweise für die Praxis des SGM.

Fazit für die Praxis

  • Durch Studierendenpartizipation im studentischen Gesundheitsmanagement (SGM) werden Angebote passgenauer, akzeptierter und wirkungsvoller.

  • Die Berücksichtigung der Förderfaktoren und Barrieren der Partizipation tragen zu einem gelingenden SGM und dadurch zur nachhaltigen Förderung der Gesundheit Studierender bei.

  • Auf der Verhältnisebene sollte Partizipation keine zusätzliche Belastung darstellen und in der Art des Projekts und der Zusammenarbeit an die Bedürfnisse der Studierenden angepasst sein. Zudem sollten die Partizipationsmöglichkeiten bekannt und der Zugang niedrigschwellig sein. Anreize können die Partizipation steigern.

  • Auf der personenbezogenen Ebene erscheint es lohnenswert individuelle, soziale, studiums- und berufsbezogene Vorteile hervorzuheben und negative Erwartungen abzubauen.

  • Eine Mischung aus verschiedenen Partizipationsmöglichkeiten wird den unterschiedlichen Partizipationsneigungen am ehesten gerecht.