Hinführung zum Thema

Der Ansatz der Gesundheitsförderung im Setting Betrieb konnte sich in Groß- und zunehmend auch in Mittelbetrieben erfolgreich etablieren, nicht jedoch bei der überwiegenden Mehrheit der Klein- und Kleinstbetriebe (KKU). Für eine breite einschlägige Intervention müssen weit mehr KKU als bisher erschlossen werden. Es stellt sich hier die Frage der Anschlussfähigkeit bestehender BGF-Konzepte (betriebliche Gesundheitsförderung). Um zukünftig KKU mit BGF-Maßnahmen besser zu adressieren, werden hier übergeordnete Strukturebenen wie z. B. Netzwerke, Cluster, Regionen in den Fokus gerückt.

Hintergrund und Fragestellung

Gesundheitsförderung im Setting Betrieb

Der Ansatz der ganzheitlichen Gesundheitsförderung knüpft an die Frage an, wie und wo Gesundheit hergestellt wird [15] und zielt auf die Lebensbereiche von Menschen bzw. auf die dort vorliegenden kulturellen, sozialen, organisatorischen und weiteren Rahmenbedingungen [22]. Die Kernstrategie liegt im Setting- bzw. sog. „Lebensweltansatz“, bei dem die Gesundheit als Resultat einer wechselseitigen Beziehung zwischen individuellen, sozialen und ökologischen Einflussfaktoren aufgefasst wird [16]. Die BGF stellt eine Möglichkeit zur Änderung des Gesundheitsverhaltens am Arbeitsplatz dar und bietet ein ideales Umfeld für Gesundheitsgewinne [13]. BGF wird im Wesentlichen als langfristige Organisationsentwicklungsstrategie begriffen und verfolgt das Ziel, Gesundheitsressourcen im Kontext der Arbeit aufzubauen und das Wohlbefinden der Beschäftigten zu verbessern bzw. Krankheiten vorzubeugen [5]. Für die Wirksamkeit von BGF liegen zahlreiche wissenschaftlich gestützte Erkenntnisse vor, die das Potenzial der BGF belegen [6, 18, 19], insbesondere wenn umfassende (d. h. multimodale, ganzheitliche) Maßnahmen sowohl in Bezug auf Beschäftigte als auch das Arbeitsumfeld umgesetzt werden [3, 8, 17].

Umsetzung von BGF in kleineren Betrieben

Österreichweit gab es im Jahr 2021 rund 358.600 Klein- und Mittelunternehmen, das entspricht 99,6 % aller Unternehmen der marktorientierten Wirtschaft. 87 % aller Betriebe zählten zu den Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten [2]. Zahlen des österreichischen BGF-Qualitätsmanagementsystems belegen, dass immer mehr Unternehmen auf BGF setzen [9], aber damit weit mehr Groß- und Mittelbetriebe als Kleinbetriebe erreicht werden. Forschungsarbeiten zu Betriebsgrößen belegen, dass die Wahrscheinlichkeit zur Umsetzung gesundheitsbezogener Interventionen mit abnehmender Betriebsgröße sinkt [11], insbesondere wegen Umsetzungsbarrieren [14, 21]. Bei KKU liegen oft geringere finanzielle Spielräume vor, das Investitionsrisiko wird gescheut [8, 14, 21], es mangelt an spezifischen personellen Kompetenzen, interner Expertise [12] oder externen BGF-Unterstützungsangeboten [8]. Nicht selten herrscht dort auch eine geringere Akzeptanz und ein geringeres Interesse für BGF vor [21], z. B. seitens Geschäftsführung oder Führungskräften. Hinzu kommt, dass die üblichen Umsetzungsmethoden überwiegend am Beispiel Großbetrieb entwickelt wurden und nicht immer direkt auf KKU (sinnvoll) übertragbar sind.

Dem steht eine kürzere Liste potenzieller Vorteile gegenüber, wie z. B. geringere bürokratische Hürden, weniger komplexe Implementierung, höhere Partizipationsraten, direktere Möglichkeit der Berücksichtigung von Vorschlägen Beschäftigter, höheres Potenzial für Teamarbeit/Bindung [14].

BGF in Netzwerken, Clustern und Regionen

Da die genannten Hürden nicht leicht von KKU selbst überwunden werden können, stellt sich die Frage, wie dieses Betriebssegment besser mit BGF-Maßnahmen erreicht werden kann. Neben der sonst üblichen Strategie, BGF im einzelnen Unternehmen umzusetzen, bietet sich hier an, mehrere Betriebe in einer Projektstruktur zusammenzufassen. Die Bündelung von Betrieben kann unter Berücksichtigung einer übergeordneten Strukturebene erfolgen, etwa nach wirtschaftlichen Aspekten (z. B. Branchen der beteiligten Betriebe), nach organisatorischen Gründen (z. B. bestehende Netzwerke, Anbindung an Unternehmen mit BGF-Erfahrung) oder nach geografischer Nähe bzw. sozialräumlichen Gesichtspunkten (z. B. einer Region, Gemeinde, Stadt bzw. eines Stadtteils)Footnote 1.

Das Forschungsprojekt „Gesunder Mittelstand Deutschland“ hat beispielsweise Wege überbetrieblicher Betreuung kleinerer Unternehmen eruiert und einen Handlungsleitfaden zur Initiierung und Betreuung von BGF-Betriebsnachbarschaften entwickelt [20]. Auch das Projekt ERZgesund entspricht dieser Zugangsweise und bündelt BGF-Fachexpertise, um (kleine und mittelständische) Betriebe und öffentliche Einrichtungen bei der Einführung und Realisierung gesundheitsorientierter Maßnahmen zu unterstützen [10].

Auf Basis der dargestellten Überlegungen trägt diese Arbeit zur Evaluierung bis dato noch selten verbreiteter Strategien der Implementierung von BGF in KKU bei und geht folgenden Fragen nach:

  • Was sind die bisherigen Erfahrungen in der Praxis von BGF-Cluster- und Regionenprojekten (BGF-CRP)?

  • Welche Zugänge, Aktivitäten und Methoden wurden dabei gewählt, und welche haben sich bewährt?

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Für die Studie wurde ein explorativer Zugang gewählt, der verschiedene Methoden entsprechend aufeinanderfolgenden Prozessschritten kombiniert.

Ausgehend von einer orientierenden Literatursuche wurden konkrete Projekte recherchiert und auf Basis verfügbarer Berichte und mittels vertiefender Fokusgruppeninterviews analysiert (s. Abb. 1).

Abb. 1
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Überblick über Methoden und Prozessschritte (BGF betriebliche Gesundheitsförderung, FGÖ Fonds Gesundes Österreich, ÖNBGF österreichisches Netzwerk BGF)

Literatur- und Projektrecherche

Eine orientierende internetbasierte Literaturrecherche (via Google Scholar, Bibliothekskataloge) diente einer groben Sichtung vorhandener theoretischer Konzepte und Umsetzungserfahrungen auf Basis vordefinierter Stichworte: BGF-Cluster, Regionenansatz, BGF für KKU. Die Recherche wurde lediglich in deutscher Sprache durchgeführt, jedoch nicht auf einzelne Länder beschränkt. Darauf aufbauend wurden in der Förderdatenbank des Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) Praxisbeispiele nach folgenden Kriterien gesucht: Projekte zur BGF, Verankerung in einer regionalen Struktur, Umsetzung von BGF-Angeboten in mehreren Unternehmen (z. B. Kleinbetrieben). Zusätzlich wurde das Österreichische Netzwerk BGF (ÖNBGF) in die Projektsuche einbezogen. Insgesamt konnten so neun österreichische Projekte ausfindig gemacht und in die engere Analyse einbezogen werden (s. Tab. 1).

Tab. 1 Liste recherchierter BGF-Cluster- und Regionenprojekte (BGF-CRP)

Projektkonzepte, Abschluss- und Evaluationsberichte dieser Projekte wurden gesichtet, bezüglich BGF-Ansatz, Branche und Betriebsgröße, Projektstruktur und Nachhaltigkeit sowie Lernerfahrungen und Weiterentwicklungen analysiert und gemeinsam mit der Literaturrecherche in einem unveröffentlichten Bericht zusammengefasst.

Fokusgruppen

Fragen, die sich aus Berichtsanalysen auftaten, wurden in vertiefenden Fokusgruppeninterviews mit Projektbeteiligten erörtert, um aus unterschiedlichen Perspektiven mittels reaktiver qualitativ-explorativer Methode Informationen zu Qualität und Dynamik – insbesondere Strukturen und Projektprozessen – einzuholen [4, 7]. Abgezielt wurde auf eine möglichst vollständige Vertretung der recherchierten Projekte und jedenfalls der Einbeziehung von Projekten mit Alleinstellungsmerkmalen. Die Kontaktaufnahme und Einladung zu den Fokusgruppen erfolgte per E‑Mail und wurde durch den FGÖ unterstützt. Acht Akteurinnen und Akteure betriebsexterner Begleitung (Gesamtprojektleiter:innen bzw. Projektträger:innen, Berater:innen, Evaluator:innen, Netzwerke) wurden im Rahmen zweier Fokusgruppen leitfadengestützt interviewt. Daraus wurde ein weiterer Leitfaden für Betriebsvertreter:innen, die in BGF-CRP für ihre beteiligten Unternehmen verantwortlich waren, entwickelt, mit sechs von ihnen wurde eine Fokusgruppe durchgeführt.

Die Leitfäden wurden vorweg übermittelt und skizzierten das Forschungsinteresse, bestehend aus der Einholung konkreter Erfahrungen aus der Abwicklung von BGF-CRP, um Aktivitäten in diesem Handlungsfeld weiterzuentwickeln. In den Fokusgruppen mit den betriebsexternen Begleiterinnen/Begleitern standen Fragen der Projektstruktur und Arbeitsmethoden im Mittelpunkt, z. B. was das Besondere an den Projekten war, welche Ansätze und Projektstrukturen es gab, welche Erfolgsfaktoren sowie auch Herausforderungen beobachtet wurden und Weiterentwicklungen für die Zukunft gesehen werden. Der dafür erstellte Leitfaden umfasste elf Hauptfragen und war für die Gesprächsführung mit 18 Unterfragen gestützt. In den Fokusgruppen mit den Projektverantwortlichen aus beteiligten Betrieben wurden mit 5 Fragen – gestützt mit 14 Unterfragen – der Einstieg in das übergeordnete Projekt, die Projektorganisation innerhalb des Unternehmens, die Zusammenarbeit mit externer Begleitung und anderen beteiligten Unternehmen, das Projektmanagement und die Nachhaltigkeit angesprochen.

Die Fokusgruppen (je 90–120 min) wurden online via Videokonferenztool durchgeführt, von 2 Personen moderiert sowie protokolliert und zusätzlich aufgenommen. Eine wörtliche Transkription der Audioaufnahmen wurde jedoch nicht vorgenommen. Die Auswertung folgte den Leitfäden, zusätzlich eingebrachte Gesichtspunkte wurden im Sinne des explorativen Charakters der Untersuchung ergänzend berücksichtigt.

Synthese der Ergebnisse

Aus diesen Dokumentationen wurden Definitionen, Beschreibungen, Statements und Diskussionsbeiträge paraphrasiert und kategorisiert [7]. Leitend für diese Analyse waren:

  • Projektstrukturen – Gemeinsamkeiten und Unterschiede betreffend die Zusammensetzung von Netzwerken oder beteiligten Betrieben (Größe, Verortung und Branchen der Unternehmen),

  • Aspekte der Projektprozesse und ihrer Umsetzung in verschiedenen Projektphasen mit besonderem Fokus auf die Startphasen,

  • Modalitäten von Steuerung und Beteiligung mit Fokus auf Abstimmungen zwischen betriebsinternen und -externen Strukturen und Aktivitäten.

Entsprechend diesen Aspekten wurden Aussagen bewertet und, soweit möglich, konsistente Schlussfolgerungen abgeleitet und gegebenenfalls Vergleiche zu Beispielen aus der Literaturrecherche gezogen.

Ergebnisse

Projektstrukturen – Setting

Projekte, die an KKU adressiert sind, sind sehr heterogen, und für die Beschreibung der Strukturen werden unterschiedliche Begriffe verwendet. In recherchierten deutschen Beispielen wird häufig von regionalen Gesundheitsnetzwerken gesprochen, wobei räumliche Nähe ein durchgängiges Kriterium darstellt, daneben existieren Kriterien wie Branchenzugehörigkeit für Zusammenschlüsse. Diese Beispiele beziehen sich auf Netzwerke mit Betrieben unterschiedlicher Größe, denen auch mittelständische Unternehmen oder Großunternehmen (oft auch um Gesundheitsanbieter herum etabliert) angehören. Für Österreich wurde u. a. ein Projekt recherchiert, das auch größere Unternehmen inkludierte. Die Beispiele aus Österreich bündeln sich als Standortcluster oder um regionale oder auch kommunale Wirtschaftsinitiativen.

Projektprozesse – Netzwerk- oder Projektaufbau

Großbetriebe interagieren in der Regel direkt mit einschlägigen BGF-Akteurinnen und -Akteuren. Alle identifizierten BGF-CRP wurden durch dazwischen liegende vermittelnde Strukturen angestoßen wie in der Sozialversicherung etablierte BGF-Netzwerke, einschlägige (z. B. kommunale) Serviceeinrichtungen und auch Forschungsprojekte. Die vorgefundenen Zugänge können durchwegs als Top-down-Approach bezeichnet werden. Die Betriebe, an welche die Idee von BGF in der Regel von extern herangetragen wird, erscheinen diesbezüglich selbst recht unterschiedlich informiert und interessiert. Aus den Gesprächen mit Projektbetreibern aus Österreich zeigt sich, dass BGF in KKU mangels Wissens und Ressourcen noch nicht konkret in Erwägung gezogen geworden ist. Die Entscheidung für eine Beteiligung an einem Netzwerk wurde begünstigt, so eine Bereitschaft zu Reflexion („readiness“) gegeben war, Aussicht auf passende inhaltliche Perspektiven und auch unterstützendes Projektmanagement gesehen wurde. So ist es wichtig, dass in der Akquisitionsphase Themen anschaulich angesprochen werden, bei denen im Unternehmen Handlungsbedarf oder auch Leidensdruck wahrgenommen wird. Als besonders anschlussfähig, gerade bei Unternehmensleitungen, stellten sich (gesundes) Führen und anerkennender Erfahrungsaustausch dar. Im Erstkontakt mit dem Unternehmen entstand meist auch Vertrauen, dass das Projektmanagement zum Unternehmen und zu den Beschäftigten „passen“ wird. Neben fachlichem Wissen wird das Eingehen auf Bedürfnisse und Besonderheiten der Unternehmen mit vertrauten Kommunikationsstilen erwartet. So die Projektbegleitung aus der Region kommt und wie das begleitete Unternehmen auch selbst eine kleinbetriebliche Struktur hat, werden derartige Ähnlichkeiten positiv wahrgenommen.

Steuerung und Projektmanagement

Projektbeispiele aus Deutschland beschreiben Netzwerke, welche Ressourcen größerer Betriebe, die bereits BGF etabliert haben, nutzen. Weitgehend formalisierte und differenzierte Konzepte skizzieren, wie, aufbauend auf bestehender Projektkoordination bei einem größeren Unternehmen, ein Netzwerk und ergänzende Projektstrukturen entwickelt werden können. In den für Österreich analysierten Projekten ist das Projektmanagement durchgängig bei einer externen Leitung oder Begleitung angesiedelt. Von Unternehmensseite der in Österreich recherchierten Projekte wird Flexibilität und Serviceorientierung eingefordert. So liegt es an der Projektbegleitung, Standards und inhaltliche Prinzipien von BGF-Projekten an Bedürfnisse und Ressourcen des Unternehmens anzupassen. Als Erwartungen werden unkomplizierte Terminabstimmungen genannt, welche Arbeitszeiten und Routinen des Unternehmens berücksichtigen. Sehr geschätzt wird eine professionelle Dokumentation durch Externe, welche für interne Reflexionen und zur Sicherung von Erfahrungen genutzt werden kann. Ob die unternehmensbezogene Verantwortung für BGF besser bei der Betriebsleitung angesiedelt sein soll oder ob besser eine gesonderte Projektverantwortung zu installieren ist, kann nicht allgemein beantwortet werden.

Beteiligung und Motivation – treibende und aufrechterhaltende Kräfte

In allen für Österreich analysierten Projekten fand sich ein hohes Commitment der Unternehmensleitung für das BGF-CRP, was auch als entscheidend wahrgenommen wird. Seitens der Unternehmensleitungen wurden als förderliche Qualitäten der externen Beratung die strukturierte und inhaltliche Arbeit genannt, aber ganz besonders auch eine vertrauensvolle Gesprächsbasis. Unverzichtbar dabei die Gewissheit, dass mit sensiblen Informationen vertraulich umgegangen wird. Entsprechendes Vertrauen erlaubte auch Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen innerhalb des Netzwerks beteiligter Betriebe, der als sehr wertvoll beurteilt wurde. Die Erkenntnis von Führungskräften, dass bestimmte Prozesse und Problemlagen für KKU (auch ganz unterschiedlicher Branchen) sehr ähnlich sind, unterstützt den BGF-Prozess innerhalb der Betriebe. Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten der beteiligten Betriebe unterstützen auch langfristige Kooperationen in BGF-Netzwerken von KKU.

Diskussion

Gegenwärtig werden sehr unterschiedliche BGF-Konzepte für KKU beschrieben. Hier wird eine Differenzierung entlang der Settingdefinition in zumindest drei Typen vorgeschlagen (s. Tab. 2).

Tab. 2 Identifizierte Typen und Charakteristika von BGF-Ansätzen

Die BGF in KKU kann nicht als Miniatur von BGF in Großunternehmen betrachtet werden, die Gegebenheiten unterscheiden sich deutlich. Ein Zusammenschluss mehrerer Betriebe bedeutet heterogenere Konstellationen von Gesundheitsdeterminanten. Die Arbeit in derart komplexen Strukturen wird von Bloch et al. [1] unter dem Begriff „Supersettings“ als ökologischer Settingansatz miteinander in Beziehung stehender Settings diskutiert. Das Konzept, das eine partizipatorische Vorgehensweise und die Notwendigkeit koordinierter Aktivitäten in unterschiedlichen Einzelsettings innerhalb einer geografischen Einheit betont, scheint für Netzwerk‑, Regionen- bzw. Clusteransätze fruchtbar zu sein, weil Synergieeffekte aus Aktivitäten mobilisiert werden, die in verschiedenen Settings auf koordinierte Weise genutzt werden.

Die für Deutschland beschriebenen Beispiele [10, 20] knüpfen am klassischen Settingkonzept an und weiten dieses auf einen Typus aus, der als „Leitbetrieb mit angegliederten Betrieben“ beschrieben werden kann. Die für Österreich analysierten Projekte unterscheiden sich mehrfach und werden hier als eigener Typus „KKU-Netzwerk“ beschrieben. Die unterschiedlichen strukturellen Gegebenheiten dieser Settings implizieren auch unterschiedliche Anforderungen an Projektaufbau, -prozesse, -steuerung und -beteiligung. KKU-Netzwerke benötigen eine weitere Akteursebene – jene der Gesamtleitung/Trägerschaft und externer Begleitung mit Rollen, Funktionen, Einflusssphären und Verantwortungen –, die für BGF in Einzelunternehmen in dieser Form nicht existiert. Geeignete Akteurinnen und Akteure für diese Prozesse sind wohl von Fall zu Fall zu identifizieren (z. B. mittels Stakeholder-Analyse). Die Beteiligung von Betrieben ist von extern und „top-down“ zu entwickeln. Spezifische Projektmanagement- und -steuerungsstrukturen sind unabhängig von Ressourcen beteiligter Betriebe zu etablieren. Herausfordernd sind hier die Sicherstellung fairer Beteiligung und der Schutz betriebsinterner Interessen. Eine ausgewogene Betreuung aller Netzwerkbetriebe und jeweils sachlich fundierte Intervention und Beratung sind Grundvoraussetzungen für die externe Begleitung.

Die Motivation für Beteiligung und konsequente Umsetzung von BGF erfordert bei KKU neben Fragen der Betriebswirtschaft und vielfältiger Managementziele einen starken Fokus auf thematische Schwerpunkte und spezifische Problemlagen. Für KKU-Netzwerke ist dabei die Anschlussfähigkeit an Sichtweisen der Geschäftsleitungen besonders bedeutsam. Gesunde Unternehmensführung, die Aussicht, Beschäftigten Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen, sowie Erfahrungsaustausch und gegenseitiges Lernen zwischen Unternehmen stellen besondere Anreize dar. Für den Projektfortschritt und längerfristigen Bestand von Netzwerken bedarf es eines stringenten Projektmanagements, das zugleich flexible Anpassungen an spezifische Bedingungen vornimmt, das Informationen angepasst an Zielgruppen und Beteiligte aufbereitet bzw. adressiert und das mit seinen Dokumentationen einzelne Unternehmen in deren Aktivitäten und Reflexion unterstützt, andererseits die Prozesse des Gesamtnetzwerkes transparent und nachvollziehbar abbildet.

Mit Blick auf Qualitätsaspekte der Gesundheitsförderung ergeben sich für KKU-Netzwerke einige Herausforderungen. Da Beteiligungen in KKU-Netzwerken nicht an unternehmensintern formalisierten Prozessen und Strukturen anknüpfen können, müssen – mitunter lange etablierte – Verhaltens- und Kommunikationsroutinen und informelle Prozesse sorgfältig beachtet und moderiert werden. Zur Sicherstellung fairer Beteiligung aller Betriebe innerhalb eines Netzwerks erscheint eine spezifische Qualifizierung der externen Begleitung im Hinblick auf die Besonderheiten von Beteiligung in diesen Konstellationen nötig, ergänzt durch periodische Reflexion, etwa im Rahmen betriebsübergreifender Austauschtreffen externer Begleiter:innen oder auch per Supervision. Kommunikation, die an unternehmensspezifischen Gepflogenheiten anknüpft und transparente Dokumentation und Darstellung von Prozessen können Ungleichgewichten in der Beteiligung entgegenwirken.

Um die üblicherweise knappen Ressourcen von KKU für BGF zu kompensieren, sind Unterstützung und Anreize erforderlich, die über bislang etablierte Nachhaltigkeitsprogramme und Zertifizierungssysteme hinausgehen. Modelle für die Nachhaltigkeit von Netzwerken müssen – unter Berücksichtigung der Ressourcen und Rollen externer Begleitung – entwickelt werden.

Limitationen

Bei der vorliegenden Arbeit sind folgende Einschränkungen zu berücksichtigen:

  • Beim Design der Fokusgruppen handelte es sich um Online-Formate, die Vorteilen (leichtere Teilnahme, geringerer zeitlicher und finanzieller Aufwand) aber auch gewissen Einschränkungen unterliegen (z. B. reduzierte Dauer, Intensität, Austauschmöglichkeit).

  • Die Projektrecherche hat sich lediglich auf die FGÖ-Datenbank und das ÖNBGF beschränkt. Es konnten so zwar sehr unterschiedliche, aber nur wenige Projektbeispiele identifiziert und in der qualitativen Analyse berücksichtigt werden. Eine breiter angelegte Recherche hätte idealerweise weitere informationsträchtige Projekte hervorgebracht.

  • Verallgemeinerungen der Ergebnisse (z. B. betreffend Detailprozesse) sind daher nicht bzw. nur exemplarisch möglich und bedürfen der Sammlung weiterer Praxisbeispiele.

Fazit für die Praxis

  • BGF-Netzwerke/-Projekte (betriebliche Gesundheitsförderung) für Kleinbetriebe müssen als eigenständiger Settingtypus betrachtet werden.

  • Als stabile Vertretung für derartige Settings gilt es nachhaltige Strukturen zu konzipieren, die nicht von zeitlich begrenzten Projektlaufzeiten abhängen.

  • Eindeutige universelle strukturelle Vorgaben für derartige „Settingvertretungen“ (Netzwerkkoordination) lassen sich aus den vorliegenden Befunden nicht ableiten.

  • Eine Reihe wünschenswerter Qualitäten und Leistungen dieser „Settingvertretungen“ (Netzwerkkoordination) liegt nahe: hohe Anschlussfähigkeit („Ähnlichkeiten“) bezüglich der beteiligten Unternehmen, hohe soziale Kompetenzen und Kommunikationsbereitschaft, Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit in Bezug auf spezifische Bedürfnisse von Unternehmen, Transparenz, Fairness und Kontinuität im Projektmanagement.

  • Im Fokus künftiger Projekte und Forschungen sollte daher die Kompetenzentwicklung für die Netzwerkkoordination stehen.