Seit geraumer Zeit wird über die gesundheitsbezogenen Folgewirkungen diskutiert, die öffentlich geprägte Altersbilder mit Blick auf individuelles Handeln oder das Erleben des persönlichen Älterwerdens haben können. Insbesondere mediale Repräsentationen des höheren Lebensalters stehen hierbei im Zentrum. Allerdings fehlt es bislang an belastbaren Studien, die konkreten Wirkmechanismen von Altersbildern nachspüren. Eine multimethodische Studienreihe hat ältere Proband*innen mit prototypischen Altersframes konfrontiert und Konsequenzen für Alterserleben und psychische Gesundheit antizipiert.

Viele Menschen haben intuitiv bestimmte Vorstellungen, anhand welcher Merkmale sie ältere Menschen erkennen und welche Verhaltenserwartungen bei Personen im höheren Lebensalter sie zugrunde legen [2, 22]. Dahinter stehen Altersbilder, die gesamtgesellschaftlich geteilte Konzepte von Alter(n) regulieren und legitimierende, handlungsorientierende und normierende Funktionen haben. Sie können als Stereotype wirksam sein und individuelles Handeln sowie das Erleben des persönlichen Älterwerdens beeinflussen [3, 5, 21, 25].

Bereits seit längerem wird der Einfluss von Altersbildern auf körperliche, kognitive und psychische Funktionen sowie gesundheitsrelevantes Verhalten älterer Menschen diskutiert [1, 5, 11, 12, 23, 26]. Beispielsweise zeigte eine Auswertung des Deutschen Alterssurveys, dass ältere Menschen mit negativem Altersbild sich bei gleicher Gesundheit deutlich weniger bewegen und gesundheitsbewusster leben als ältere Menschen mit positivem Altersbild [2]. Liegen Vorstellungen von Passivität und Rückzug im höheren Lebensalter vor, können sie zu einem schleichenden Vorgang der Einschränkung und geminderter Lebensqualität führen; die mentale Gesundheit kann nachhaltig Schaden nehmen. Der Grad der Aktivität im Alter korreliert also mit Vorstellungen davon, was im Alter an Verhaltensweisen und Potenzialen unterstellt wird. Ferner liegen Untersuchungen vor, die Effekte negativer Altersbilder bzw. Stereotype in Bezug auf Gedächtnisleistung und Depressionsanfälligkeit belegen [11, 18, 23, 28]. Erkenntnisse mehrerer Forscher*innen zeigen, dass ältere Menschen mit positiverem Altersbild eher Versorgungsleistungen im Gesundheitswesen (z. B. im Bereich psychischer Gesundheit) in Anspruch nehmen als Menschen mit negativem Altersbild [9], was mit größerer Resilienz in Verbindung gebracht wird.

Für die Frage, welche gesamtgesellschaftlichen Altersbilder geprägt werden, spielen heute Massenmedien eine zentrale Rolle. Mittels Selektion, Strukturierung und Salienz heben Medien bestimmte Aspekte des Alters hervor, während andere vernachlässigt oder außer Acht gelassen werden [15, 16]. Auf diese Weise entstehen kohärente Darstellungsmuster, die zugespitzte Optiken und Eigenschaftszuschreibungen in Bezug auf die abschließende Lebensphase eröffnen [8].

Bislang liegen kaum empirische Befunde darüber vor, wie medienvermittelte (Re)präsentationen des Alters konkret auf Menschen wirken, also Vorstellungen und Einstellungen in Bezug auf Alter(n) beeinflussen und insoweit Einfluss auf die mentale Gesundheit nehmen können (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Wirkungsannahmen in Bezug auf medienvermittelte Altersdarstellungen (eigene Darstellung). (Frames kohärente Darstellungsmuster, die mittels Selektion, Strukturierung und Salienz bestimmte Aspekte und Zusammenhänge des Alter[n]s hervorheben, während andere außer Acht gelassen oder vernachlässigt werden, „old age cues“ Altersmarker [z. B. in Bezug auf äußeres Erscheinungsbild, Sprache, Verhalten und andere kontextualisierende Merkmale], die eine Zuordnung zur Kategorie „älterer bzw. alter Mensch“ implizieren)

Denkbar sind unterschiedliche Wirkungspotenziale, die sich anhand einer Reihe von sozialpsychologischen Theorien zur Interaktion von Altersfremd- und Altersselbstbildern verdeutlichen lassen. Während das Altersfremdbild als eine Art „Außenbetrachtung“ auf die abschließende Lebensphase gelten kann, das vermeintlich typische Eigenschaften sowie Verhaltens- und Rollenerwartungen bereithält, beinhaltet das Altersselbstbild v. a. das subjektive Alterserleben und eine Projektion des künftigen Selbst. Im Fokus dieser Theorien stehen ältere Menschen, weil davon auszugehen ist, dass sie über ein gleichermaßen entwickeltes Fremd- wie Selbstbild des Alters verfügen [22, 25].

Im Verständnis der Terror-Management-Theorie wird die Konfrontation mit einem Altersbild, das Gebrechlichkeit, Hilflosigkeit und Sterblichkeit bereithält, als bedrohlich empfunden [7, 14]. Die Internalisierungshypothese unterstellt, dass ältere Menschen dazu neigen, negative Altersstereotype, die in der Öffentlichkeit dominieren, zu verinnerlichen, was Selbstkonzept und Resilienzfähigkeit nachhaltig schädigen kann [5, 6, 12, 20]. Umgekehrt kann angenommen werden, dass positive Altersbilder das Selbstbild unterstützen [29]. Vor dem Hintergrund der Resilienztheorie ist indes von einer gewissen Barriere bei der Übertragung von negativen Altersfremdbildern auf das Selbstbild auszugehen, da ältere Menschen bestrebt sind, ihr Selbstkonzept zu schützen [29].

Die Vergleichshypothese erachtet Altersbilder als Referenzpunkte für soziale Vergleiche. Statt negative Informationen in ihr Selbstbild zu integrieren, wird ein selbstwertdienlicher Abwärtsvergleich mit dem negativen Altersstereotyp vollzogen [13]. Auf diese Weise kann es zu einer Instrumentalisierung negativer Altersbilder zwecks Verbesserung des Selbstwerts kommen [8]. Die Verstärkerhypothese geht davon aus, dass die Art und Weise, wie Altersfremdbilder empfangen und erlebt werden, stark von den Voraussetzungen des Selbstbilds abhängt [21, 24]. So muss als Bedingung für eine Widerstandsfähigkeit gegen negative Altersbilder ein intaktes Selbstbild gegeben sein. Dadurch nehmen ältere Menschen v. a. positive Aspekte des auf sie einströmenden Fremdbilds wahr und sind mitunter auch in der Lage, selbstwertdienliche Aufwärtsvergleiche vorzunehmen.

Bei der Rezeption medienvermittelter Altersdarstellungen sind die persönlichen Voraussetzungen nicht außer Acht zu lassen [24, 30]. Hierzu zählen beispielsweise die Bedingungen der Medienrezeption oder auch Prädispositionen wie ein schwaches Selbstwertgefühl (vgl. Abb. 1).

Erkenntnisinteresse

Im Folgenden sollen Befunde einer mehrteiligen Studienreihe gebündelt werden, in deren Mittelpunkt folgende Fragestellungen stehen: Wie reagieren ältere Menschen auf mediale Altersdarstellungen? Wie wirken sich (prototypische) mediale Altersdarstellungen auf Einstellungen zum Alter (Altersfremdbild) und persönliches Älterwerden (Altersselbstbild) aus? Inwiefern zeigen sich speziell Auswirkungen auf das Empfinden von Älterwerden, Gesundheit und Körperlichkeit?

Als Grundlage für dieses Forschungsprojekt haben wir den Framing-Ansatz verwendet [15]. Altersbilder werden hier als spezifische Darstellungs- und Deutungsmuster (Frames) operationalisiert. Als Zielgruppe haben wir ältere Menschen gewählt, da davon ausgegangen werden kann, dass sie mediale Altersbilder aus einer Perspektive der Fremd- sowie Selbstbetrachtung wahrnehmen bzw. verarbeiten.

Methodik

Studiendesign und Setting

Da es an belastbaren Untersuchungen fehlt, wie medienvermittelte Altersdarstellungen sich auf Einstellungen zum Alter(n) auswirken, wurden mehrere explorative Studien durchgeführt. 2020 wurde eine quasiexperimentelle schriftliche Befragung realisiert, bei der ältere Proband*innen mit prototypischen Altersframes konfrontiert wurden [30]. Sie wurden jeweils vor und nach dem „treatment“ zu ihren Einstellungen in Bezug auf Alter und persönliches Älterwerden befragt. Die Frames entstammten einer vorangegangenen inhaltsanalytischen Studie zum Nachrichtengenre.

Um zu prüfen, inwieweit die damaligen Ergebnisse bestätigt werden können, wurde zwischen Herbst 2021 und Frühjahr 2022 eine qualitative Studie mittels weitgehend standardisierter fokussierter Interviews durchgeführt, bei denen dieselben Altersdarstellungen zum Einsatz kamen. Dieser Artikel verknüpft die zentralen Befunde beider Studien.

Inhaltsanalytische Vorstudie zur Ableitung der Frames

Im Vorfeld wurde eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt, mit der verbreitete Darstellungsmuster identifiziert werden sollten. Zudem ging es darum, Stimulusmaterial für das Fragebogenexperiment zu gewinnen.

Mithilfe der Datenbank LexisNexis wurde die Berichterstattung in den deutschsprachigen Nachrichtenmagazinen Spiegel, Stern und Focus betrachtet. Zugriffskriterien waren der Zeitraum 01.01.1999 bis 31.12.2019, ein Artikelumfang ab 500 Wörter und ein inhaltliches Kriterium, demzufolge Alter bestimmendes Thema des Beitrags sein muss.

Die Inhaltsanalyse mündete in ein Kategoriensystem (vgl. Anhang 1), das die framedefinierenden Indikatoren enthält, darunter: Thema, Aktivität/Passivität älterer Menschen, zahlenmäßiges Auftreten älterer Menschen, Umfeld älterer Menschen, Geschlecht älterer Menschen, Schichtzugehörigkeit älterer Menschen, Beziehung alt-jung, Beziehung alt-alt, Rolle älterer Menschen. Im Zuge einer zweiten Materialsichtung wurden auf Grundlage der Indikatoren die Frames abgeleitet.

Anschließend wurde das Stimulusmaterial selektiert. Hier war für den jeweiligen Frame derjenige Artikel erste Wahl, in dem wichtige Indikatoren am idealtypischsten ausgeprägt sind und keine konkurrierenden Frames auftreten. Anschließend wurde der Beitrag nach folgenden Kriterien angepasst:

  • maximal 400 Wörter,

  • Erhaltung für den Text wichtiger persönlicher Beispiele,

  • weitgehende Kürzung ohne Veränderung der Kernaussagen und Argumentation.

Rekrutierung und Durchführung der Befragten

Für die quantitative Befragung wurden die Teilnehmer*innen in Hessen und Rheinland-Pfalz rekrutiert, wobei es sich jeweils zur Hälfte um Einzelpersonen handelt sowie um Gruppen älterer Menschen, die im Zuge eines Besuchs örtlicher Seniorengruppen und kommunaler Seniorentreffs gewonnen werden konnten. Versuchsleiter war der Erstautor.

Es wurden insgesamt 910 Personen ab 60 Jahre befragt. Im Rahmen der Befragung existieren drei gleich große Gruppen, die nach Alter und Geschlecht zugeteilt wurden und in dieser Hinsicht annähernd gleichartig aufgebaut sind. Die drei Gruppen erhielten jeweils einen Altersframe. Die Befragten waren zwischen 60 und 94 Jahre alt; das Durchschnittsalter betrug 72 Jahre (vgl. Anhang 2).

Für die qualitative Studie wurden die Interviewten aus entfernten Bekanntenkreisen des Erstautors rekrutiert. Alle 36 Interviews wurden zwischen September 2021 und März 2022 im Wechsel der Autoren mündlich-persönlich geführt (Dauer: 40 bis 80 min) und audiotechnisch aufgezeichnet.

Erhebungsinstrumente

Die quantitative Befragung (vgl. Anhang 3) konzentrierte sich auf ausgewählte Indikatoren des Altersfremd- und Altersselbstbildes, die die abhängige Variable in der Studie darstellen und vor bzw. nach der Konfrontation mit dem Stimulus abgefragt wurden. Die verwendeten Indikatoren zum öffentlichen und Selbstbild des Alters wurden dem Deutschen Alterssurvey entnommen. Der Stimulus beinhaltete einen prototypischen Altersframe. Ebenfalls ermittelt wurde das rezipierte Altersbild, das sich auf die Wahrnehmung und Bewertung von Altersdarstellungen bezieht. Als moderierende Variablen wurden ausgewählte (Vor)bedingungen der Rezeption und soziodemografische Merkmale einbezogen.

Im Verlauf der fokussierten Interviews wurde jeder Teilnehmer mit einem prototypischen Altersframe konfrontiert (12 pro Frame). Schwerpunkte des Interviewleitfadens der fokussierten Interviews (vgl. Anhang 4) waren:

  • allgemeine Fragen zum öffentlichen Fremd- und persönlichen Selbstbild des Alters (vor der Konfrontation mit einem Frametext).

  • Rezipiertes Altersbild (nach Konfrontation mit dem Frame):

    • Wahrnehmung der Darstellung älterer Menschen (Wiedergabe des Inhalts mit eigenen Worten),

    • Gedanken und Gefühle (rezeptionsbegleitend und unmittelbar im Anschluss an die Rezeption),

    • (Gesamt)eindruck, Plausibilität, Glaubwürdigkeit und Wirklichkeitsbezug der Darstellung,

    • Identifikation mit der Darstellung,

    • Wahrnehmung der Darstellung älterer Menschen in den Medien (Abgabe einer Einschätzung oder Vermutung durch die Befragten vor dem Hintergrund des Stimulus).

Datenanalyse

Neben der deskriptiven Analyse der Befragungsergebnisse kam zur Feststellung von signifikanten Unterschieden innerhalb der Experimentalgruppen ein t‑Test für abhängige Stichproben (Messwiederholung) zum Einsatz. Überprüft wurde eine Mittelwertdifferenz auf dem Niveau p < 0,001.

Mit Blick auf die fokussierten Interviews wurden die im Anschluss an die Datenerhebung erstellten Transkripte vom Erstautor mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet (Software MAXQDA, Version 2020 [VERBI Software GmbH, Berlin, Deutschland]). Das erstellte Kategoriensystem orientierte sich eng am Leitfaden und wurde mit Fortgang der Auswertung wiederholt geprüft und ggf. modifiziert. Im Mittelpunkt stand dabei, die unterschiedlichen Sichtweisen und Reaktionen logisch zu kategorisieren.

Ergebnisse

Im Zuge der Inhaltsanalyse konnten drei dominante Altersframes identifiziert werden:

  • Frame 1 („Alter als Niedergang“) modelliert Alter als umfassendes Problem und Leidensschicksal, teilweise als Zustand des physischen und psychischen Niedergangs. Hierzu wird ein Lebensabschnitt großer Hilflosigkeit, Passivität, Abhängigkeit von anderen und somit Fremdbestimmung illustriert, v. a. am Beispiel von in Pflegeheimen oder Krankenhäusern untergebrachten älteren Menschen. Diese können nicht gegen Unrecht, das ihnen widerfährt, angehen.

  • Frame 2 („Alter als [Über]macht“) inszeniert Alter als Machtfaktor, der das Gemeinwesen politisch, ökonomisch und institutionell neu ordnet. In Anbetracht der demografischen Wende wird das Gefühl einer drohenden Übermacht beschworen, die den letzten Freiraum besetzt. Senior*innen treten als organisierte politische Gruppe auf und vertreten ihre Interessen zusehends offensiv. Mit Ansprüchen an mehr Wohlstand bedrohen sie dabei die jüngere Generation, die ihre Renten durch Erwerbsarbeit finanziert.

  • Frame 3 („Alter als neuer Aufbruch“) schreibt Alter ein äußerst positives Image zu. Es erscheint als späte Freiheit mit glücklichen, gesunden und wohlhabenden Senior*innen, die keine Bedrohung für das Generationenverhältnis, sondern aufgrund deutlich verjüngt wirkender älterer Personen eher Hoffnung für eine „Revolution des Alters“ bereithält. Im Vordergrund steht, wie sich die Werbe‑, Elektronik- oder Gesundheitsindustrie auf vermögende und selbstbestimmte „best ager“ umorientiert. Ebenfalls wird die geistige Fitness, Lebensfreude und physische Vitalität älterer Menschen gezeigt. Indem die „jungen Alten“ das Konsumverhalten und den Lebensstil ihrer Kinder und Enkelkinder imitieren, heben sie traditionelle Altersvorstellungen auf. Damit ist dieser Frame in vielerlei Hinsicht anschlussfähig an die Anti-aging-Trends, die in der Werbung anzutreffen ist [17, 19].

Wirkungsuntersuchungen

Die Reaktionsmuster auf die Frames sind in Tab. 1 vergleichend dargestellt. Die wichtigsten Ergebnisse werden im Folgenden angesprochen.

Tab. 1 Rezeption der Altersframes, fokussierte Interviews

Reaktion und Artikelbewertung

Die homogenste Reaktion zeigte sich beim Frame Alter als Niedergang. Die Befragten empfanden den Artikel als plausibel, sachlich und überzeugend. Trotz einiger kritischer Äußerungen wird ein hohes Maß an Authentizität bescheinigt. Die Art der rezeptionsunmittelbaren Reaktion schwankte zwischen direkter Zustimmung und deutlichen Anzeichen von Bestürzung und emotionalem Stress.

„Das ist ein sehr guter Artikel. Ja, der Artikel trifft es auf den Kopf. Genauso ist es, wenn man alt ist. Es tut wirklich weh, so etwas zu lesen.“ (I-1m)

Als eher unglaubwürdig, übertrieben und provokativ erlebten die Interviewten den zweiten Frame Alter als Über(macht). Manche Befragte zeigten sich sichtlich empört, andere hinterfragten vehement die Behauptungen einer älteren Generation, die ohne Rücksicht auf ihren Wohlstand bedacht ist.

„Es ist so geschrieben, als würden die Alten alles beherrschen. Und dass die Alten gierig und maßlos sind, weil sie immer mehr Geld und Macht wollen. Also, ich glaube nicht, dass das glaubwürdig ist.“ (I-8w)

Im Gegensatz dazu rief der dritte Frame, der Alter als neuer Aufbruch entwirft, zunächst verbreitet positive Reaktionen und Gefühlsbekundungen hervor. Der Artikel erhielt hohe Zustimmung mit Blick auf die unterstellte Plausibilität. Er wurde i. Allg. mit Freude, Neugier oder Faszination für das dargestellte Phänomen des modernen Alterns aufgenommen; der Artikel wurde als authentisch erachtet, insbesondere im Hinblick auf die Veränderung von Alter(n) im Generationenvergleich.

„Traditionelle Menschen wie der Opa, der mit seinen Pantoffeln am Kamin sitzt und seine Pfeife raucht, erlebten eine andere Zeit der Jugend, des Berufslebens, des Familienlebens und so weiter als die älteren Menschen von heute. Es ist heute viel üblicher, dass jemand, der aktiv und fit ist, sein Alter nicht wirklich bemerkt.“ (I-11m)

„Das lässt doch wirklich hoffen, oder?“ (I-19w)

Dennoch wurde ein beträchtlicher Teil der Interviewten deutlich kritischer und skeptischer, nachdem sie den gesamten Artikel gelesen und genauer darüber nachgedacht hatten. So beurteilten sie den Artikel negativ, wo eine Abgrenzung des neuen, anderen und positiven Alterungsprozesses gegenüber seiner vermeintlich traditionellen Form erfolgt. Dabei zeigten sich viele Befragte auffallend und zunehmend verunsichert bzw. gestresst, als sie feststellten, dass sie den im Artikel dargestellten Anforderungen des „modernen“ Alterns nicht gerecht werden könnten.

„Da steht: Das Alter gibt es heute nicht mehr, denn die Leute altern in dem Sinne eigentlich gar nicht mehr. Und da steht, dass früher, vor dreißig Jahren, Alter im Rumhocken vorm Kamin und Gassigehen mit Dackel Waldi bestand. Das heißt, alte Menschen von damals waren engstirnig und unflexibel. Da kommt man sich als alter Mensch glatt ziemlich dumm vor. Muss ich jetzt so sein wie die im Artikel? So hyperagil, super fit und ewig schön? Was ist, wenn ich nicht so bin? Was ist, wenn ich Krankheiten und Einschränkungen habe? Soll ich mich deswegen schämen?“ (I-9w)

Identifikation

Trotz der emotionalen Bestürzung, die nach dem Lesen des ersten Frameartikels zum Ausdruck kam, stellten die Befragten keinen persönlichen Bezug zu den im Artikel dargestellten älteren Menschen her, auch weil das persönliche Altern oft im Widerspruch zur gezeigten Darstellung des Alters empfunden wurde. Einige Interviewte gaben unmissverständlich an, wie gut das Leben im Alter für sie bislang verlaufen sei.

„Okay, ich bin auch alt und meine Gesundheit ist nicht die beste. Aber wenn ich das lese, fühle ich mich wie ein Außenseiter, der das alles sieht, aber nicht wirklich von diesem Horror betroffen ist. Es lässt mich tatsächlich erkennen, wie gut es das Leben mit mir gemeint hat.“ (I-4m)

„Muss ich mich jetzt schlecht fühlen, wenn ich sage, dass es mir besser geht, nachdem ich das gelesen habe? […] Weil mir klar ist, dass wir privilegierte alte Menschen sind.“ (I-22w)

Mit dem zweiten Frame konnten sich die Befragten nicht identifizieren, was sie v. a. mit der dargestellten Generationenbeziehung begründeten. Weder die Befragten mit noch ohne Kinder konnten sich an das im Artikel dargestellte Konfrontations- und Dominanzverhalten der älteren Generation gewöhnen.

Beim dritten Frame fällt auf, dass eine anfänglich positive Einschätzung des Artikels bei genauerer Betrachtung nach und nach revidiert wurde. Im weiteren Verlauf des Gesprächs äußerten diese Interviewten Zweifel und Skepsis.

„Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass ein solches Alter zwar oberflächlich wünschenswert ist und manche sich danach sehnen, es aber eigentlich nur eine Karikatur des tatsächlichen Alterns ist.“ (I-29w)

„Das sieht fast kindisch aus. Als ob ältere Menschen nicht in dieser Lebensphase ankommen könnten. Oder sie lehnen es kategorisch ab. Es ist irgendwie großartig und schrecklich zugleich.“ (I-13m)

Auffällig ist, dass diese Art der Präsentation bei rund der Hälfte der Befragten, die diesen Frame erhielten, erkennbare Schuldgefühle und Unbehagen hervorrief.

„Ich fühle mich jetzt schlechter als zuvor. Ich habe das Gefühl, dass ich modernen Anforderungen nicht entspreche. Das wird in der Werbung und in der Öffentlichkeit immer vorgeführt: Die supervitalen, reisefreudigen, wohlhabenden und gebildeten Großeltern, ständig unterwegs.“ (I-24w)

„Als ich das gelesen habe, ist mir eines klar geworden, ich passe nicht in dieses Bild der älteren Menschen von heute, ich gehöre zu den Lahmen und Lethargischen.“ (I-15w)

„Wenn ich das lese, fühle ich mich schlicht und ergreifend unzulänglich und schlecht. Ich habe wohl einiges versäumt oder auch nicht richtig gemacht, dass ich nicht so geworden bin.“ (I-18m)

Quasiexperimentelle Befragung

Bei der Befragung [8] entsprachen die emotionalen Reaktionen und die Bewertung des Artikels weitgehend den Interviewergebnissen. Eine zentrale Erkenntnis der Studie besteht darin, dass sich nach Konfrontation mit dem negativen Darstellungsmuster (Frame 1) abgefragte Indikatoren zum Altersfremdbild deutlich verschlechterten, aber zum Altersselbstbild (Erwartungen an persönliches Älterwerden) merklich verbesserten. Umgekehrt verhielt es sich nach der Konfrontation mit dem positiven Darstellungsmuster (Frame 3). Hier verbesserte sich das Altersfremdbild signifikant, wohingegen sich das Altersselbstbild erheblich verschlechterte (vgl. Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Altersselbst- und Altersfremdbild mit Messwiederholung (Mittelwerte). Niedrige Werte = hohe Zustimmung, vierstufige Likert-Skala. Mittelwertdifferenz zwischen vorher und nachher auf dem Niveau p < 0,001 (Asterisk). Vollständige Formulierung der Vorher-Nachher-Items für das Selbstbild: „Älterwerden bedeutet für mich persönlich … 1) dass ich immer mehr Angst habe; 2) dass ich mein Leben weiterhin selbst bestimmen kann; 3) dass ich mich nur noch für mich selbst interessiere“. Vollständige Formulierung der Vorher-Nachher-Items für das Fremdbild: „Alter bedeutet … 1) dass einem immer mehr Dinge Angst machen; 2) dass man sein Leben weiterhin selbst bestimmen kann; 3) dass man sich nur noch für sich selbst interessiert“ (grün Zustimmung signifikant erhöht, gelb Zustimmung nicht signifikant verändert, rot Zustimmung signifikant verringert)

Diskussion

Zusammenfassung und Befunde anderer Studien

Altersbilder spielen eine wichtige Rolle, wenn es um körperliche, kognitive und psychische Funktionen sowie gesundheitsrelevantes Verhalten und Selbstwirksamkeitserleben im höheren Lebensalter geht [1, 5, 11, 12, 23, 26]. Zugleich regulieren gesellschaftlich vorherrschende Altersbilder auch die Lebens- und Entfaltungschancen für ältere Menschen in beträchtlichem Maße [2].

Die Studienreihe hat sich mit der bisher vernachlässigten Frage nach den Wirkungen medialer Altersdarstellungen auf ältere Menschen befasst. Wie die Befragung gezeigt hat, ist im Vorher-Nachher-Vergleich des Stimuluseinsatzes eine markante Divergenz zwischen den Indikatoren zum Altersfremd- und Altersselbstbild festzustellen: Das Selbstbild verbesserte sich bei Konfrontation mit dem negativen Altersframe, während sich das Fremdbild deutlich verschlechterte. Im Fall des positiven Altersframe hingegen verbesserte sich das Fremdbild, während sich das Selbstbild verschlechterte.

Die fokussierten Interviewergebnisse unterstützen diese Resultate. Auffällig ist, dass der erste Frame als deprimierend empfunden wurde, die Befragten aber in Anbetracht dieses Stimulus angaben, wie gut es ihnen eigentlich gehe. Die Reaktionen auf den dritten Frame (positive Altersdarstellung) verhielten sich umgekehrt. Diese Art der Präsentation löste bei etwa der Hälfte der Befragten, die diesen Frame erhielten, ausgeprägte Schuldgefühle und Stresserleben aus.

Im Lichte der Ergebnisse lässt sich die Theorie sozialer Vergleichsprozesse heranziehen [4, 8, 24]. Ihr zufolge geben Medien Rezipient*innen nutzbare Vergleichsmaßstäbe an die Hand. Für den Frame „Alter als Niedergang“ kann vermutet werden, dass die Probanden einen sozialen Abwärtsvergleich vornehmen. Konfrontiert mit der Dramatik des Altseins, kommt es zu einer Aufwertung des Selbstbilds, indem den Versuchspersonen bewusst wird, wie gut es ihnen im Vergleich zu den gebotenen älteren Menschen geht. Im Fall des Frames „Alter als neuer Aufbruch“ sehen sich die Probanden einem sozialen Aufwärtsvergleich ausgesetzt. Da die präsentierten „best agers“ durch ihre Aktivität und Fitness traditionelle Altersvorstellungen ad absurdum führen [17, 19], reagiert ein Teil der Proband*innen eher mit Selbstzweifeln.

Diese Studienreihe ist kompatibel mit den Ergebnissen von Pinquart [20], der ältere Menschen mit negativen Altersstereotypen konfrontierte. Pinquart fand heraus, dass sich die allgemeine Alterseinschätzung der Proband*innen verschlechterte, während sich die Selbsteinschätzung in der Versuchsgruppe verbesserte, die negative Informationen über Fähigkeiten im Alter erhielt. Erwähnenswert ist auch die Studie von Mares und Cantor, die ergab, dass ältere Menschen im Fernsehen bewusst soziale Vergleiche nach oben und unten mit älteren Charakteren vollziehen [13].

Immer wieder wird hervorgehoben, dass öffentlich geprägte Altersbilder eine unmittelbare Relevanz für Fragen der Prävention, Resilienzfähigkeit und Gesunderhaltung haben. Soll der Übergang zu einem Gemeinwesen mit einem höheren Anteil älterer Menschen gelingen, ohne dabei die ökonomische und gesellschaftliche Dynamik zu verlieren, wird es entscheidend darauf ankommen, welche Altersbilder im öffentlichen Raum zirkulieren und so Zuschreibungen und Erwartungen, Hoffnungen und Ängste in Bezug auf das höhere Lebensalter regulieren [1, 2, 22]. Verschiedene Autor*innen verweisen auf das latente Diskriminierungspotenzial, das nicht nur negativen, sondern auch positiv verklärten Altersdarstellungen innewohnt [7, 10, 19, 20, 27]. Sie können „unrealistische Erwartungen wecken und Schuldgefühle auf Seiten derjenigen erzeugen, die den mitunter überzogenen Idealvorstellungen eines „erfolgreichen Alterns“ nicht gerecht werden“ [16, S. 120]. Aus diesem Grund gilt es, Bemühungen zu unternehmen, der medialen Darstellung des Alters eine möglichst große Reichhaltigkeit zu verleihen und es aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, sodass sowohl Chancen als auch Herausforderungen der Lebensphase Alter vermittelt werden.

Stärken und Schwächen

Diese Studienreihe ist als explorativer Zugang zu einem weitgehend unerforschten Gebiet zu verstehen. Trotz der großen Stichprobe und der präganten Ergebnisse weist insbesondere die schriftliche Befragung verschiedene Limitationen auf:

  • Die Rekrutierung der drei Experimentalgruppen erfolgte nicht so, dass im strengen Sinne und über eine Vielzahl von Kriterien hinweg Strukturgleiche zwischen den Gruppen hergestellt wurde (dies galt im Wesentlichen für die Merkmale Alter und Geschlecht).

  • Die gemessenen Veränderungen des Altersfremd- und Altersselbstbildes sind kurzfristige Effekte. Es stellt sich die Frage, wie sich mediale Altersdarstellungen im längerfristigen Rezeptionsprozess unter Alltagsbedingungen bzw. im umfassenden Lebenszusammenhang auswirken.

  • Die Veränderung von Altesfremd- und Altersselbstbild wurde an einer kleinen Zahl von Indikatoren gemessen.

  • Zur Messung der Veränderung von Altersfremd- und Altersselbstbild wurden Mittelwertvergleiche auf Gruppenebene durchgeführt und keine Vorher-Nachher-Messungen auf Individualebene.

  • Es wurde nicht gemessen, wie beeinflussbar ein Altersfremd- bzw. Altersselbstbild relativ zu subjektiv bestehenden Voreinstellungen in Bezug auf Alter(n) ist.

Die qualitative Studie konnte zentrale Erkenntnisse der quantitativen Befragung bestätigen und damit einige ihrer Schwächen ausgleichen.

Schlussfolgerungen

Öffentlichen und medienvermittelten Altersbildern kommt große Bedeutung zu, da sie gesellschaftliche Vorstellungen vom höheren Lebensalter maßgeblich mitprägen. Wie die Ergebnisse zeigen, können mediale Altersdarstellungen eine ambivalentere Wirkung haben als ihr inhaltlicher Gehalt vermuten lässt. So scheinen negative Altersdarstellungen mitunter dazu zu führen, dass sich ältere Personen in ihrer vermeintlichen Abgrenzung von der Kategorie „Alt“ leichter bestätigt fühlen („Alt sind immer nur die anderen“), wohingegen (über)positive Altersrepräsentationen diese Abgrenzung unter Umständen erschweren.

Künftig sollten wissenschaftliche Studien gerade die komplexe Beziehung von Altersfremd- und Altersselbstbildern bei der Wirkung von Altersdarstellungen beachten und die Gesundheitsdimension der Altersbildforschung vertiefen. In jedem Fall gilt: Altersbilder beeinflussen die Wirklichkeit, die sie zu spiegeln vorgeben, und können damit das Alters- und Gesundheitserleben älterer Menschen entscheidend prägen.

Fazit für die Praxis

  • Öffentlich zirkulierende Altersbilder geben Vorstellungen von Alter(n) vor; sie können individuelles Handeln oder das Erleben des persönlichen Älterwerdens beeinflussen. Damit haben Altersbilder eine gesundheitsrelevante Dimension.

  • Bislang fehlt es an Erkenntnissen, wie Altersbilder sich auf Einstellungen und Selbstkonzepte niederschlagen können. Denkbar sind unterschiedliche Wirkungspotenziale, die sich auf das Altersfremd- und Altersselbstbild beziehen.

  • Die Ergebnisse der Studienreihe zeigen, dass negative und positive Altersbilder nicht in der erwarteten Weise wirksam werden, da z. B. soziale Vergleichsprozesse bei der Rezeption eine Rolle spielen.