Einleitung

Die Entwicklung gesundheitsförderlicher Strukturen gilt als Kernstrategie von Gesundheitsförderung. So sind „Aufbau“ und „Stärkung“ von gesundheitsförderlichen Strukturen im deutschen Präventionsgesetz von 2015 als zentrale Aufgabe der lebensweltbezogenen Gesundheitsförderung bestimmt worden [4]. Das Präventionsgesetz folgt damit der wissenschaftlichen Evidenz zur sozialen Determiniertheit von Gesundheit und gesundheitlichen Chancen [3, 23, 43] sowie der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von „Gesundheitsförderung“, die den Prozess der Befähigung der Menschen, die Kontrolle über ihre Gesundheit zu erhöhen, mit einer über den Fokus der individuellen Verhaltensänderung hinauszielenden Strategie sozialer und umweltbezogener Interventionen verbindet [46]. Dass strukturbezogene Ansätze den Kern der Gesundheitsförderung ausmachen, wird auch an den zentralen Bereichen gesundheitsförderlichen Handelns deutlich, die neben der Entwicklung persönlicher Kompetenzen die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten, die Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik und die Stärkung von gemeinschaftlichem Engagement umfassen [45].

Was aber wird in der wissenschaftsbasierten Public-Health-Diskussion unter „gesundheitsförderlichen Strukturen“ spezifisch verstanden – und v. a.: Wie lassen sich solche Strukturen gezielt entwickeln? Diese grundlegenden Fragen, bezogen auf die Kernstrategie der Gesundheitsförderung, sind bisher eher vage und wenig theoriebasiert beantwortet worden. Zudem behindert die regelmäßig vorgenommene Gegenüberstellung von strukturellen und individuumbasierten Ansätzen bzw. von Verhältnis- und Verhaltensprävention die Entwicklung einer angemessenen Konzeption und Vorgehensweise der gesundheitsförderlichen Strukturentwicklung [2, 22]. So werden im internationalen Wissenschaftsdiskurs über angemessene Interventionen der Gesundheitsförderung Begriffe wie „structural change“ oder „structural approaches“ zwar zunehmend als relevant anerkannt [2, 16, 22]. Aber in der Regel wird hier kein Bezug genommen zu der theoriebasierten Diskussion, die parallel in Public Health z. B. zu „Struktur und Agency“ sowie gesundheitlichen Handlungsmöglichkeiten geführt wird [1, 36, 42] und in der systematisch die komplexen Zusammenhänge und Interdependenzen von struktur- und individuumbezogenen Komponenten in der Gesundheitsförderung aufgezeigt werden. Stattdessen subsumiert der angesprochene interventionsbezogene Diskurs unter „structural change approaches“ alle möglichen Ansätze zur Modifizierung der physischen, sozialen, politischen und ökonomischen Umwelt sowie eine große Bandbreite von spezifischen Interventionen [2]. Zudem stellt er dem Spektrum „struktureller“ Ansätze individuumbezogene Ansätze („individual-level approaches“), z. B. Ansätze zur individuellen Motivation und Befähigung, gegenüber und plädiert im Grundsatz für ein Nebeneinander oder additives Miteinander (Mehrebenenmodell) von struktur- und individuumbezogenen Ansätzen [22].

Die deutsche Public-Health-Diskussion verwendet zumeist die Termini „Verhältnisse“ und „Verhältnisprävention“ synonym für „Strukturen“ und „Strukturentwicklung“ [8, 19]. Sie bezieht diese ebenfalls eher unspezifisch und ohne expliziten Theoriebezug auf „das Lebensumfeld“ [6] bzw. auf „die Lebens‑, Arbeits- und Umweltbedingungen als Rahmenbedingungen der Gesunderhaltung“ ([41], s. auch GKV-Glossar [15]). Für gesundheitsförderliche Interventionen werden „Zwischenformen“ empfohlen, wobei angeführte Beispiele wie „Mehrebenenkampagnen“ auch hier eine additive Logik nahelegen [41]. Wenn an anderer Stelle mit Bezug zu praktischen Beispielen eine „Wechselwirkung von Verhaltens- und Verhältnisprävention“ konstatiert, aber gleichzeitig „Vorrang für Verhältnisprävention“ gefordert wird [6], behebt dies nicht die vorliegenden Unschärfen der verwendeten Dachbegriffe. Außerdem ersetzt dies auch nicht die fehlende theoriebasierte Erklärung für das Zusammenspiel von Verhalten und Verhältnissen.

Vor diesem Hintergrund wird der vorliegende Beitrag im Abschnitt „Strukturbegriff und Modell der Strukturentwicklung“, anknüpfend an konzeptionelle Vorüberlegungen zum Zusammenspiel von Struktur und Handeln in sozialer Praxis [12, 34, 36], zunächst einen Vorschlag für eine theoriebasierte Bestimmung des Begriffs Struktur für die Gesundheitsförderung vorlegen. Anschließend wird im Abschnitt „Strukturentwicklung und kooperative Planung“ begründet, warum die „kooperative Planung“ [28], die sich in der bundesdeutschen Public-Health-Praxis in zunehmendem Maße als erfolgreiche partizipative und transdisziplinäre Vorgehensweise speziell auch bezogen auf die Verbesserung gesundheitlicher Chancengerechtigkeit etabliert hat [13, 20], ein adäquater Ansatz zur Entwicklung gesundheitsförderlicher Strukturen ist.

Strukturbegriff und Modell der Strukturentwicklung

„Strukturen“ werden nach unserem Verständnis durch menschliche Handlungsfähigkeit (Agency) in sozialen Praxen produziert und reproduziert [14]. In sozialen Praxen werden Strukturen „sichtbar“ und erfahrbar. Sie zeigen sich z. B. in den routinemäßigen Verhaltens- und Interaktionsmustern der handelnden Menschen, die dabei bestimmten Regeln folgen und sich auf bestimmte menschliche und materielle Ressourcen stützen. „Strukturen“ legen den Akteur:innen in einer bestimmten Handlungssituation die Realisierung bestimmter Handlungsschemata und die Aktualisierung darauf bezogener Ressourcen nahe. Sie können folglich als quasi „virtuelle“ Hintergrundmatrix [14, 40] die Gestalt sozialer Praxen prägen und den dort praktizierten Routinen ein hohes Maß an Verhaltens- und Interaktionssicherheit, aber auch an Beharrungsvermögen verleihen. Dies wird zum Problem, wenn z. B. Bedarfe in der Bevölkerung, gesellschaftliche Entwicklungen und ein damit verbundener Wertewandel, wissenschaftliche oder politische Prioritäten den Aufbau neuer Strukturen bzw. die Weiterentwicklung oder Veränderung bestehender Strukturen notwendig erscheinen lassen. Wenn Gesundheitsförderung im weitesten Sinne als „strategy of social change“ aufgefasst wird [26], erscheinen hier die im Folgenden skizzierten theoriebasierten Ansätze, die einerseits das Beharrungsvermögen „ungesunder“ sozialer Praxen „erklären“, andererseits aber auch aufzeigen können, warum und wie Strukturentwicklung möglich ist, besonders relevant.

Der hier verwendete Strukturbegriff ist zunächst im Kontext der oben angesprochenen Public-Health-wissenschaftlichen Theoriediskussion zum Wechselspiel von „structure and agency“ nach Giddens [14] entwickelt worden [36]. In diesem Kontext wurde ein Mehrebenenmodell (BIG8) eingeführt [30, 33, 36], das durch eine Verbindung von Giddens Ansatz [14] mit Sewell [40] Überlegungen zu Möglichkeiten der Strukturentwicklung sowie mit Ostroms [24, 25] Unterscheidung von einer „operativen“ und einer „politischen“ („collective choice“) Handlungsarena, eine Verortung von vier zentralen Bereichen gesundheitsförderlichen Handelns ermöglicht. Diese beziehen sich auf die Entwicklung persönlicher Fähigkeiten, die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten, die Stärkung von Gemeinschaftsaktionen und den Aufbau einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik [45]. Zudem erlaubt das Mehrebenenmodell die Berücksichtigung möglicher Wechselwirkungen zwischen diesen vier Bereichen.

Die Entwicklung persönlicher Fähigkeiten und die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten werden im Modell auf der operativen Ebene des Alltagshandelns verortet, während die Stärkung von Gemeinschaftsaktionen und der Aufbau einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik der Ebene des politischen Handelns („collective choice“) zugeordnet sind [36]. Das im Modell beschriebene Zusammenspiel von Struktur und Agency auf der operativen Ebene zeigt sich beispielsweise daran, dass die Schaffung einer neuen Sportanlage (Struktur) das Bewegungsverhalten der Menschen (Agency) verändern kann (Nutzung der Anlage). Umgekehrt kann das Bewegungsverhalten in der Bevölkerung auch Strukturveränderungen nach sich ziehen (Nachfrage nach bestimmten Infrastrukturen, z. B. zum Radfahren; [36]). Auf der politischen Ebene wiederum kann eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik (Struktur), die beispielsweise bürgerschaftliches Engagement fördert, zu einer Stärkung von Gemeinschaftsaktionen (Agency) führen. Umgekehrt können auch Gemeinschaftsaktionen, z. B. eine Bürgerinitiative zur Förderung des Radverkehrs, dem Aufbau einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik dienen (z. B. durch die sektorübergreifende Berücksichtigung dieses Themas bei politischen Entscheidungen). Darüber hinaus kann das Zusammenspiel von Struktur und Agency auch zwischen der operativen Ebene und politischen Ebene erfolgen [36]. So kann verändertes Bewegungsverhalten (z. B. verstärktes Fahrradfahren) und die Nachfrage nach entsprechenden Infrastrukturen (z. B. Radwegen) zu Gemeinschaftsaktionen (z. B. einer Bürgerinitiative zur Förderung des Radverkehrs) führen, die auf politischer Ebene (z. B. über ein „Bürgerbegehren“) möglicherweise politische Infrastrukturentscheidungen zugunsten des Radverkehrs nach sich ziehen, die schließlich wiederum Auswirkungen auf operativer Ebene haben können (z. B. Bau neuer Radwege).

Anknüpfend an einen Public-Health-wissenschaftlichen Diskurs zu „health practices“ und „social practices“ [5, 11, 42] wurde das auf dem Wechselspiel von Struktur und Agency basierende Mehrebenenmodell von Rütten et al. [34] durch einen die „zwei Seiten einer Medaille“ vermittelnden Begriff der sozialen Praxis erweitert, der entsprechend auch in unserem Strukturbegriff berücksichtigt wird.

Ohne an dieser Stelle vertieft auf das ursprüngliche BIG8-Modell und das erweiternde soziale Praxiskonzept eingehen zu können [12, 30, 33, 34, 36], werden diese theoretischen Fundierungen im folgenden Kapitel einem spezifizierten Modell zugrunde gelegt, das sich auf die Erklärung der Mechanismen gesundheitsförderlicher Strukturentwicklung durch den Ansatz der kooperativen Planung konzentriert.

Strukturentwicklung und kooperative Planung

Als der Ansatz der kooperativen Planung in den 1990er-Jahren in die gesundheitswissenschaftliche Diskussion eingebracht wurde, ist er u. a. mit der „sachlichen Notwendigkeit partizipativer und interaktiver Planung“, einer anzustrebenden Vermittlung von „Interventionen von unten und von oben“ und den Zielen der Gesundheitsförderung (z. B. Empowerment) begründet worden [28]. In diesem Zusammenhang ist auch schon kurz von der erforderlichen „‚Restrukturierung‘ bestehender Strukturen“ [28] die Rede, die im vorliegenden Beitrag als eine zentrale Aufgabe von kooperativer Planung in der Gesundheitsförderung begründet wird.

Demnach definieren wir „kooperative Planung“ als Ansatz, eine innovative soziale Praxis zu etablieren, die zu bestehenden Strukturen in Gesellschaft und Politik in Beziehung gesetzt wird und dabei Möglichkeiten schafft, bestehende Routinen in Frage zu stellen und neue Verhaltens- und Interaktionsmuster auszuprobieren, aus denen veränderte Routinen und weiterentwickelte Strukturen hervorgehen können. Dabei ist in der Gesundheitsförderung der entsprechende Weiterentwicklungsprozess systematisch darauf ausgerichtet, dass die neuen Strukturen sich insbesondere durch ein höheres Maß an gesundheitlicher Chancengerechtigkeit auszeichnen.

Um dies zu erreichen, ist ein zentrales Kennzeichen der kooperativen Planung die gemeinsame Beteiligung und Befähigung unterschiedlicher Stakeholder an einem zielgerichteten und nachhaltigen Prozess der Zusammenarbeit. Dieser Prozess dient zum einen der Entwicklung und Umsetzung von strukturentwickelnden Maßnahmen, zum anderen ist er aber auch selbst eine grundlegende strukturentwickelnde Maßnahme im Sinne der Ermöglichung der kooperativen Mitentscheidung und Mitverantwortung von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen einschließlich von Menschen mit sozialer Benachteiligung, professionellen Gruppen, politischen Entscheidungsträger:innen sowie wissenschaftlichen Akteur:innen.

Anknüpfend an das eben skizzierte theoriebasierte Strukturmodell BIG8 [12, 36] soll Abb. 1 als Übersicht veranschaulichen, auf welchen Wegen und durch welche Mechanismen der Ansatz der kooperativen Planung zur gesundheitsförderlichen Strukturentwicklung beitragen kann. Kooperative Planung ordnen wir in Abb. 1 als gesundheitsfördernde Gemeinschaftsaktion auf politischer Ebene ein, die durch die systematische Beteiligung von Akteur:innen der operativen Ebene der Alltagspraxis sowie der politischen Praxis mit je unterschiedlichen Handlungsfähigkeiten eine innovative soziale Praxis zu konstituieren vermag. „Alltagspraxis“ beschreibt die soziale Praxis, die Menschen in ihrer alltäglichen Lebensführung durch ihr Handeln (z. B. als Sportanbieter:in und/oder Sporttreibende) konstituieren. Unter „politischer Praxis“ fassen wir die soziale Praxis des Politikmachens („policymaking“), d. h. die Realisierung politischer Inhalte („policies“, [17]). Unter „innovativer Praxis“ verstehen wir in diesem Zusammenhang eine soziale Praxis, die es in dieser spezifischen Form und mit diesen Inhalten in einem gegebenen Kontext (z. B. einer Kommune) bisher noch nicht gab und die „erneuernd“ im Sinne der Strukturveränderung auf bereits bestehende soziale Praxen in diesem Kontext einwirkt.

Abb. 1
figure 1

Modell zur Erklärung der Mechanismen gesundheitsförderlicher Strukturentwicklung durch den Ansatz der kooperativen Planung

Vor dem Hintergrund dieser Übersicht in Abb. 1 wird im Folgenden exemplarisch erläutert, was von unterschiedlicher Seite in die kooperative Planung eingebracht werden sollte (notwendiger Input), welche Abläufe für die kooperative Planung kennzeichnend sind (Process) und auf welche Aktionen und Maßnahmen (Output) diese hinauslaufen können. Zudem werden wir differenziert auf die möglichen Wirkungen kooperativer Prozesse sowohl auf der Akteursebene (Outcome) als auch der Strukturebene (Impact) eingehen.

Wir gehen davon aus, dass dieses Mehrebenenmodell auf unterschiedliche Kontexte, z. B. auch auf nationale und internationale Gesundheitsförderungsprozesse, anwendbar ist und in Ansätzen schon für solche Kontexte adaptiert wurde [29, 30, 35, 37, 44]. Im Folgenden wird es aufgrund seines vorrangigen empirischen Entstehungszusammenhangs und dazu vorliegender Evaluationsergebnisse, die im Rahmen eines durch den Erstautor dieses Artikels initiierten BIG-Projekts zur bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung mit Frauen in schwierigen Lebenssituationen (d. h. Frauen, die eine oder mehrere der Kriterien wie Erwerbslosigkeit, geringes Einkommen, Alleinerziehend, Migrationshintergrund aufweisen) entstanden sind [9, 10, 27, 31, 32], auf den kommunalen Kontext und hier speziell auf die bewegungsbezogene Gesundheitsförderung bezogen. Eine schrittweise Erläuterung erfolgt anhand der oben genannten Punkte: Input, Process und Output, Outcome und Impact.

Notwendiger Input

In Abb. 1 ist der notwendige Input für kooperative Planungsprozesse durch die gestrichelten Linien gekennzeichnet. Um die Bedingungen für eine erfolgreiche strukturentwickelnde kooperative Planung zu schaffen, ist neben der gerade angedeuteten Spezifizierung des Kontextes v. a. die Sicherstellung der Beteiligung aller dafür relevanten Stakeholder-Gruppen entscheidend. Dabei ist es wesentlich, erstens unterschiedliche Stakeholder der Alltagspraxis zu beteiligen. Wenn es z. B. um das Thema bewegungsbezogener Gesundheitsförderung in der Kommune geht, sind dies zunächst „betroffene“ Bürger:innen, insbesondere die von einer ungleichen Verteilung von Bewegungschancen betroffenen Bevölkerungsgruppen (z. B. Menschen mit sozialer Benachteiligung), die in der Regel bisher weniger stark an bestehenden sozialen Bewegungspraxen Anteil haben. Darüber hinaus werden Stakeholder beteiligt, die aufgrund ihrer Funktion für die in bewegungsbezogenen sozialen Praxen des Alltags genutzten Ressourcen und deren Organisationsrahmen verantwortlich sind (z. B. Vertreter:innen des Sportamtes, des Stadtplanungsamtes, des Grünflächenamtes und von Sportvereinen). Zweitens ist für eine erfolgreiche kooperative Planung die direkte Beteiligung von unterschiedlichen Stakeholdern der politischen Praxis (z. B. Bürgermeister:innen, Landrät:innen, Mitglieder verschiedener Fraktionen und politischer Ausschüsse) entscheidend. Dazu zählen in der kommunalen Gesundheitsförderung sowohl Entscheidungsträger:innen der Exekutive (z. B. Sportbürgermeister:in) als auch der Legislative (z. B. politische Vertreter:innen des Gesundheitsausschusses, des Stadtrats). Drittens bilden Expert:innen, die „externe Strukturen“ repräsentieren, eine weitere Gruppe von Stakeholdern, deren Beteiligung sich als grundlegend für erfolgreiche kooperative Planungsprozesse erwiesen hat [7]. Dies können Akteur:innen aus der Wissenschaft sein, die sich aus einer transdisziplinären Perspektive [18] heraus in kooperative Planungsprozesse gewinnbringend einbringen und/oder externe „Ermöglicher:innen“, die beispielsweise die Moderation des kooperativen Planungsprozesses übernehmen.

Vorliegende Evaluationsergebnisse zeigen, dass insbesondere die Sicherstellung der direkten und dauerhaften Beteiligung von Bevölkerungsgruppen mit sozialer Benachteiligung sowie von politischen Entscheidungsträger:innen eine Herausforderung darstellt und besondere Anforderungen an die „Ermöglicher:innen“ kooperativer Planungsprozesse stellt [21, 38]. Deswegen soll an dieser Stelle auf die theoriebasierte Begründung der nachhaltigen Beteiligung aller relevanten Stakeholder besonderer Wert gelegt werden:

  • Alle genannten Stakeholder sind „knowledgeable actors“ [14, 40], d. h. sie verfügen über spezifische Kenntnisse und reflexive Fähigkeiten, die mit unterschiedlichen bestehenden Strukturen in Zusammenhang stehen und (gerade deshalb) für die gesundheitsförderliche Strukturentwicklung grundlegend sind. Menschen mit sozialer Benachteiligung, die nicht an der bewegungsbezogenen kommunalen Praxis teilhaben, wissen in der Regel selbst am besten, in welche Alltagspraxen sie eingebunden sind und warum Bewegung bisher keinen Platz darin hat. Sie können vor diesem Hintergrund auch am besten erkennen, warum bestehende Strukturen der kommunalen Bewegungsförderung für sie verschlossen sind und welche Änderungen in der Praxis notwendig wären, damit sie bewegungsaktiver werden können. Genauso verfügen politische Entscheidungsträger:innen über spezifische Kenntnisse, die mit unterschiedlichen bestehenden politischen Strukturen in Zusammenhang stehen. Sie wissen, in welche politischen Praxen sie eingebunden sind und warum Entscheidungen für Bewegungsförderung von Menschen mit sozialer Benachteiligung bisher keinen Platz darin haben. Sie können vor diesem Hintergrund auch am besten erkennen, welche Änderungen in der politischen Praxis notwendig wären, damit Menschen mit sozialer Benachteiligung bewegungsaktiver werden können.

  • Alle genannten Stakeholder sind „capable“ und „creative“ „actors“ [14, 40], die einerseits bestehende Strukturen durch ihre Handlungen im Rahmen bestehender sozialen Praxen reproduzieren, aber unter bestimmten Bedingungen und Konstellationen auch neue Strukturen produzieren können, indem sie z. B. Schemata und Ressourcen aus einem bestimmten strukturellen Kontext auf einen neuen Kontext übertragen [40]. Das heißt natürlich nicht, dass alle Stakeholder über die gleiche Gestaltungsmacht oder gleiche Schemata und Ressourcen verfügen [14, 40], sondern diese hängen z. B. von der Ebene der sozialen Praxen (operativ, politisch), in die die Stakeholder primär eingebunden sind sowie von der Position des jeweiligen „actors“ in bestehenden Strukturen ab. Gerade jedoch die damit angedeuteten unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten der verschiedenen Akteur:innen einerseits und die insbesondere von Sewell [40] herausgearbeiteten Transformationsmöglichkeiten bezogen auf bestehende Strukturen („Why structural change ist possible“), andererseits eröffnen die Möglichkeit der Veränderung bestehender und die Entwicklung gesundheitsförderlicher Strukturen. So können unterschiedliche Stakeholder als „knowledgeable“ und „creative“ „actors“ Handlungsschemata und Ressourcen aus einem bestimmten strukturellen Kontext, z. B. in bestehenden Strukturen bewährte politische Handlungsmuster, auf einen anderen Kontext übertragen und dort in ihr Handeln integrieren. Handlungsschemata, die es bisher ermöglicht haben, im Bereich der Sportstättenversorgung zu politischen Entscheidungen zu kommen, die den Sportvereinen eine vorrangige Nutzung von Sporthallen ermöglicht, können beispielsweise über die kooperative Maßnahmenentwicklung und -umsetzung zur besseren Versorgung von Bevölkerungsgruppen mit sozialer Benachteiligung mit Bewegungsmöglichkeiten verwendet werden. Doch nicht nur die „mächtigen“ Stakeholder können Handlungsschemata derart übertragen und integrieren, sondern z. B. auch Menschen mit sozialer Benachteiligung verfügen über in ihrer Alltagspraxis bewährte Handlungsschemata, die sich möglicherweise im Kontext der kooperativen Planung nutzen lassen. So hat beispielsweise die Evaluation des bereits erwähnten BIG-Projekts mit Frauen in schwierigen Lebenslagen ergeben, dass beteiligte Menschen aus dieser Bevölkerungsgruppe, die nach Interviewaussagen durchaus in der Lage waren, eine Führungsrolle zu übernehmen, solange sie unter muslimischen Frauen waren, sich in der Gegenwart von „Deutschen“ sofort davon zurückzogen. Durch ihre Beteiligung im Rahmen der kooperativen Planung haben sie diese Rückzugs-Handlungs-Schemata nach und nach abgelegt und durch in anderen Kontexten schon genutzte proaktive Schemata ersetzt. So wurde eine Frau dieser Gruppe im Laufe des gesamten Prozesses von einer Interviewpartnerin zu einer Koplanerin und schließlich zu einer führenden „Umsetzerin“ als Koleiterin eines als Maßnahme der kooperativen Planung eingerichteten Projektbüros, aus dem sich später dann eine neue Stelle im Sportamt entwickelte [32].

  • Das letzte Beispiel deutet es bereits an, die Veränderung bestehender Strukturen ist vornehmlich ein kollektiver Prozess, an dem alle relevanten Stakeholder beteiligt sein müssen, damit er wirksam sein kann: „The transpositions of schemas and remobilizations of resources that constitute agency are always acts of communication with others. Agency entails an ability to coordinate one’s actions with others and against others, to form collective projects, to persuade, to coerce, and to monitor the simultaneous effects of one’s own and others’ activities“ [40]. Wer in diesem Prozess welche Handlungsmöglichkeiten hat, hängt, wie oben angesprochen, nicht zuletzt von der Position des jeweiligen „actors“ in bestehenden Strukturen ab. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Steuerung entsprechender kollektiver Prozesse eine besondere Bedeutung. So hat sich in bisherigen kooperativen Planungsprozessen eine von allen Stakeholdern in der Kommune anerkannte externe Moderation z. B. durch wissenschaftliche Akteur:innen bewährt, die eine gewisse Distanz und Neutralität gegenüber den Interessen und „Machtspielen“ des jeweiligen kommunalen Kontexts auszeichnet sowie die Möglichkeit, zusätzliches externes Wissen einzubringen [7]. Solche „Ermöglicher:innen“ müssen nach den Regeln der kooperativen Planung dafür sorgen, dass nicht nur ein bestimmter Ablauf, sondern auch eine gleichgewichtige Interaktion zwischen den verschiedenen Stakeholdern gewährleistet wird und die angedeuteten Machtdifferenzen aufgrund von unterschiedlichen Positionen der jeweiligen Stakeholder in bestehenden Strukturen nicht dazu führen, dass sich einseitig Perspektiven einer bestimmten Gruppe, z. B. der Stakeholder aus Politik und Verwaltung, durchsetzen. Wie das Beispiel der muslimischen Frau oben verdeutlicht, machen es die unterschiedlichen Wirkmechanismen der kooperativen Planung erforderlich, dass alle Stakeholder-Perspektiven, also z. B. auch beteiligter Bevölkerungsgruppen mit sozialer Benachteiligung, als wesentlich für die gesamte strukturelle Wirksamkeit des Prozesses angesehen werden.

Process und Output

Wenn wie gerade skizziert der notwendige Input und eine adäquate Prozesssteuerung gewährleistet sind, kann sich der Prozess der kooperativen Planung Erfolg versprechend entwickeln. Im vorliegenden Kontext der bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung in der Kommune wurde im Prozess der kooperativen Planung zunächst eine kooperative Planungsgruppe eingerichtet, an der die eben genannten Stakeholder teilnahmen. Mit allen beteiligten Akteur:innen wurden dann in einer festgelegten Anzahl von Sitzungen in einem systematischen moderierten Verfahren (1) Ideen und Bedarfe der Bewegungsförderung in der Kommune gemeinsam gesammelt, gesichtet und bewertet, (2) konkrete Ziele und Prioritäten festgelegt sowie (3) konkrete Maßnahmen der Bewegungsförderung mit besonderem Fokus auf Menschen mit sozialer Benachteiligung entwickelt und umgesetzt. Umfassende Prozessbeschreibungen sind in verschiedenen Manualen verfügbar [21, 39].

In Abb. 1 sind die möglichen Outputs der kooperativen Planung durch durchgezogene Linien gekennzeichnet. Unter Output verstehen wir hier v. a. Maßnahmen, die in diesem Rahmen von der kooperativen Planungsgruppe entwickelt und umgesetzt bzw. in der Umsetzung begleitet werden. Outputs beziehen sich auf strukturbildende Maßnahmen, wie die beiden durchgezogenen Pfeile von kooperativer Planung in Richtung Alltagspraxis und politische Praxis anzeigen, auf beide Ebenen des erweiterten BIG8-Modells [36]. So sind z. B. zwei im kooperativen Planungsprozess gemeinsam entwickelte Maßnahmen des ursprünglichen BIG-Projekts auf der operativen Ebene umgesetzt worden: Die Einrichtung einer „Frauenbadezeit“ und verschiedene Bewegungsangebote, die auf die schwierige Lebenssituation der Frauen zugeschnitten waren. Strukturbildend auf die politische Ebene ausgerichtet waren zwei andere Maßnahmen: die Einrichtung eines Projektbüros (Leitung durch Frauen in schwieriger Lebenssituation) sowie eine Anpassung der Übungsleiter:innenausbildung für den Sportverein an die Lebenssituation der Frauen. Die Auswirkungen der Umsetzung der angesprochenen Maßnahmen hatte wiederum wichtige strukturbildende Folgewirkungen: Auf operativer Ebene ist z. B. aus der Frauenbadezeit heraus das Interesse speziell muslimischer Frauen an Schwimmkursen entstanden, die in der Nachfolge unter Beachtung der dafür relevanten Bedingungen zunächst vom BIG-Projektbüro und später von im Kontext der nachhaltigen Fortführung des Projekts weiterentwickelten Strukturen der Stadtverwaltung eingerichtet wurden. Auf der politischen Ebene ist z. B. aus den anfänglichen Herausforderungen, die neuen Bewegungsangebote für Frauen in schwierigen Lebenssituationen im Rahmen der bestehenden Infrastrukturen und Hallenbelegungsregeln umzusetzen, eine eigene sportpolitische Initiative von unterschiedlichen am kooperativen Planungsprozess beteiligten Stakeholdern entstanden, die als exemplarisch gelten kann für ein von Betroffenen selbst initiiertes „Policy-advocacy“-Netzwerk für die Gesundheitsförderung in Bevölkerungsgruppen mit sozialer Benachteiligung [31].

Outcome und Impact

In Abb. 1 sind die möglichen Outcomes und der Impact der kooperativen Planung durch gepunktete Linien gekennzeichnet. Unter Outcome verstehen wir speziell die Auswirkung der Beteiligung am kooperativen Planungsprozess sowie der dort entwickelten Maßnahmen auf die Handlungsfähigkeit der für die Strukturentwicklung auf operativer und politischer Ebene relevanten Akteur:innen. Wenn Strukturen entsprechend unserer theoriebasierten Begriffsbestimmung eine „virtuelle“ Existenz haben [14, 40] und nur in sozialen Praxen quasi mit Leben gefüllt, „sichtbar“ und erfahrbar werden, so müsste sich der „Impact“, d. h. nach unserem Verständnis die Strukturwirkung von kooperativer Planung, an den veränderten routinemäßigen Verhaltens- und Interaktionsmustern der handelnden Menschen in der operativen Alltagspraxis und der politischen Praxis dechiffrieren lassen, die nachweislich mit dem kooperativen Planungsprozess und dessen Outputs und Outcomes in Beziehung stehen.

Um mit den Outcomes der kooperativen Planung auf die Handlungsfähigkeit individueller Akteur:innen zu beginnen, sind sowohl eine Beteiligung am Prozess selbst als auch die Umsetzung der eben skizzierten Maßnahmen des Prozesses wirksam gewesen: So hat die Teilnahme an Frauenbadezeit und/oder Bewegungsangeboten die bewegungsbezogene Handlungsfähigkeit der Frauen entwickelt, zu einem bewegungsaktiveren Lebensstil geführt und neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet, die wiederum der bewegungsbezogenen Handlungsfähigkeit zugutekamen (Schwimmen lernen). Bei Teilnehmerinnen an der kooperativen Planung selbst wurde darüber hinaus ein „Empowerment“ in Gang gesetzt, das in andere zentrale Lebensbereiche der Frauen hineinwirkte [27]. Die Wirkungen auf die Handlungsfähigkeit an der kooperativen Planung beteiligter professioneller Akteur:innen (z. B. aus der Stadtverwaltung) und Entscheidungsträger:innen beziehen sich ebenfalls auf unterschiedliche Komponenten der Handlungsfähigkeit. Wie Evaluationsergebnisse zeigen [10], hat die Kooperation mit Frauen in schwierigen Lebenssituationen diese Akteur:innen zu einem adäquateren Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe befähigt, da sie deren alltägliche Verpflichtungen und Bedarfe verstehen und ihre eigene interkulturelle Kompetenz entwickeln mussten, um zu gemeinsamen Maßnahmen zu kommen. Zudem hat sich die Wahrnehmung der eigenen Rolle verändert. So waren es beteiligte Entscheidungsträger:innen nach eigener Aussage bisher gewohnt, „die Entscheider:innen“ und nicht nur Teilnehmer:innen „auf gleicher Augenhöhe“ mit den anderen zu sein. Weiterhin haben zentrale politische Entscheidungsträger:innen und professionelle Akteur:innen im BIG-Projekt im Laufe der kooperativen Planung die kooperative Form der Entscheidungsfindung akzeptiert und so ihre Handlungsfähigkeit im kooperativen Umgang mit Bürger:innen und anderen Akteur:innen verbessern können. Zugleich wurden sie so „koalitionsfähig“ für Frauen in schwierigen Lebenssituationen, was z. B. beim oben angeführten Fall der Sicherung einer Turnhallenkapazität für die BIG-Bewegungsangebote für Frauen in schwierigen Lebenssituationen durch eine politische Initiative von entscheidender Bedeutung war [10, 31].

Im Hinblick auf den Impact zeigt sich in unserem Fallbeispiel an der seit nunmehr seit vielen Jahren ermöglichten Frauenbadezeit und den darauf aufbauenden Schwimmkursen, dass sich die Handlungsschemata sowohl der Nutzer:innen als auch der „Provider“ öffentlicher Schwimmmöglichkeiten in der Kommune dauerhaft verändert haben und eine damit einhergehende veränderte Ressourcenallokation zugunsten von Frauen in schwierigen Lebenssituationen stattgefunden hat. Das Fallbeispiel zeigt aber durch Ereignisse der letzten Jahre auch, dass immer wieder mit Initiativen auf der politischen Ebene zu rechnen ist, diese durch kooperative Planung veränderten Strukturen auf der operativen Ebene quasi „zurückzudrehen“. Dass dies bisher nicht passiert ist, hängt mit dem Impact der kooperativen Planung auf der politischen Ebene zusammen. Zum einen hat sich wie eben schon skizziert ein Netzwerk von Akteur:innen aus den verschiedenen Stakeholder-Gruppen der kooperativen Planung (Bevölkerungsgruppen, professionelle Gruppen, Entscheidungsträger:innen) gebildet, die dauerhaft eine politische Fürsprecher- bzw. Verteidigungsrolle übernommen haben. Zum anderen hat die kooperative Planung zu bedeutsamen Änderungen in den politischen Praxen der Exekutive, den nachgeordneten Verwaltungseinheiten sowie im Stadtrat geführt. Die Strukturwirkungen der kooperativen Planung, die sich an diesen veränderten Praxen „ablesen“ lassen, zeigen sich z. B. daran, wie das Thema der administrativen Absicherung des BIG-Projekts zum wiederkehrenden Thema der Stadtratssitzungen wurde und an den entsprechenden Stadtratsentscheidungen, die zu einer veränderten Ressourcenallokation städtischer Mittel und Stellen geführt haben. So wurde zunächst eine zeitlich befristete Bewilligung einer halben Stelle für die selbständige Weiterentwicklung des Projekts, später dann die Bereitstellung einer unbefristeten ganzen Stelle vom Stadtrat beschlossen, die bis heute noch einmal auf insgesamt 1,5 Stellen aufgestockt wurde. Die Strukturwirkungen zeigen sich darüber hinaus z. B. an den seit der kooperativen Planung ständig erweiterten Handlungsschemata der Sportverwaltung, mit denen sowohl die Bevölkerungsgruppe des BIG-Projekts als auch andere vulnerable Bevölkerungsgruppen (z. B. bewegungsinaktive, sozial isolierte und benachteiligte ältere Menschen) erreicht und in neue kooperative Prozesse eingebunden werden. Nicht zu vergessen, dass sich in diesem ganzen kooperativen Prozess der Entwicklung und Absicherung gesundheitsförderlicher Strukturen auch Verbindungen der Kommune zu externen Strukturen, z. B. der ursprünglich beteiligten Wissenschaft, herausgebildet bzw. vertieft haben, die von den kommunalen Akteur:innen zur nachhaltigen strukturellen Absicherung des über die kooperative Planung Erreichten genutzt wurden und werden.

Limitationen

Im Rahmen der politischen Praxis stehen auf verschiedenen politischen Ebenen unterschiedliche Policy-Instrumente (u. a. Gesetzgebung/Regulierung, infrastrukturelle Maßnahmen, finanzielle Anreize, Kampagnen) zur Verfügung. Diese können sich z. B. auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, Sektoren oder geografische Einheiten beziehen. In der hier gewählten Fallstudie liegt der Fokus der politischen Praxis auf dem kommunalen Bereich und ausgewählten Settings (z. B. Schwimmbad). Andere Formen der politischen Praxis wurden weitgehend ausgeklammert. Weiterhin wurde eine umfassende Einordnung des Modells zur Analyse und Erklärung gesundheitsförderlicher Strukturentwicklung durch kooperative Planung in den Kanon anderer strukturentwickelnder Interventionsansätze hier nicht vorgenommen, stellt jedoch einen bedeutsamen nächsten Schritt dar. Die grafische Darstellung des Modells gesundheitsförderlicher Strukturentwicklung durch den Ansatz der kooperativen Planung (s. Abb. 1) beschreibt exemplarisch zentrale Mechanismen der kooperativen Planung, die zur gesundheitsförderlichen Strukturentwicklung beitragen können. Eine vollständige Darstellung aller Wege und Mechanismen der gesundheitsförderlichen Strukturentwicklung in einer Abbildung ist jedoch in dieser Form nicht möglich.

Schlussfolgerungen

Trotz der zentralen Bedeutung, die der Strukturentwicklung in Praxis, Politik und Wissenschaft der Gesundheitsförderung beigemessen wird, mangelt es bisher an theoriebasierten Ansätzen, die den Strukturbegriff angemessen spezifizieren und die konkret erklären können, unter welchen Bedingungen gesundheitsförderliche Strukturentwicklung funktionieren kann und wie dabei am besten vorzugehen ist. Vor diesem Hintergrund wurde hier ein Modell zur Erklärung der Mechanismen gesundheitsförderlicher Strukturentwicklung vorgelegt, das mit empirisch basierten Erläuterungen veranschaulicht, wie eine solche Strukturentwicklung durch den Ansatz der kooperativen Planung erreicht werden kann.

Die vorgelegte theoretische Basierung und die Spezifizierung der Begriffe „Struktur“ und „Strukturentwicklung“ sind hier nicht als wissenschaftlicher Selbstzweck zu verstehen. Vielmehr geht es darum, die auf Strukturentwicklung ausgerichtete Interventionspraxis in der Gesundheitsförderung dadurch wirksamer zu machen. So konnte auf dieser Grundlage z. B. „erklärt“ werden, warum ein kooperatives Vorgehen und eine regelmäßige und dauerhafte Beteiligung sowohl von bestimmten Bevölkerungsgruppen als auch von politischen Entscheidungsträger:innen daran eine wesentliche Voraussetzung für die mögliche Wirksamkeit sind. Dies sollte u. a. dazu führen, dass Prozesse in der Gesundheitsförderung in Zukunft so ausgerichtet und auch „ressourcentechnisch“ ausgestattet werden, dass eine entsprechend umfassende und nachhaltige Beteiligung gewährleistet werden kann.

Zugleich kann eine Orientierung von Interventionen am vorgelegten Modell und dem Ansatz der kooperativen Planung eine systematische und differenzierte Ansteuerung von strukturellen Wirkungen ermöglichen. Wie aufgezeigt, sind dafür kooperativ entwickelte Maßnahmen bezogen sowohl auf die Alltagspraxis als auch die politische Praxis hilfreich.

Im Hinblick auf die Wirkungen sollten zum einen solche des kooperativen Planungsprozesses und der Maßnahmen auf die Handlungsfähigkeit aller beteiligten Akteursgruppen in den Blick genommen werden. Zum anderen können über Maßnahmen und „Agency-bezogene“ Wirkungen gezielte und nachhaltige Veränderungen der operativen und politischen Praxis erreicht werden, die sich spezifisch als „strukturbezogene“ Wirkungen klassifizieren und evaluieren lassen.

Die zukünftige Erforschung und Anwendung der kooperativen Planung zur gesundheitsförderlichen Strukturentwicklung sollte sich zum einen auf eine Erprobung in unterschiedlichen kommunalen Kontexten (z. B. bzgl. Einwohnerzahl, regionaler Verortung, Deprivation) erstrecken. Zum anderen könnte auch eine systematische Erprobung auf Länder-, nationaler und internationaler Ebene Aufschluss darüber geben, wie verallgemeinerbar die hier zur Veranschaulichung von Input, Prozessen, Maßnahmen und Wirkungen angeführten Evaluationsergebnisse sind. Damit könnten schließlich auch Anstöße zur Weiterentwicklung der hier verwendeten theoriebasierten Modelle [5, 11, 14, 24, 25, 34, 36, 40, 42] gegeben werden.

Fazit für die Praxis

  • Das dargestellte theoretisch fundierte Modell erklärt, warum der Ansatz der kooperativen Planung als Mechanismus einer gesundheitsförderlichen Strukturentwicklung fungieren kann.

  • Ein kooperatives Vorgehen unter Berücksichtigung aller relevanten Perspektiven sowie eine regelmäßige und dauerhafte Beteiligung von Menschen mit sozialer Benachteiligung als auch von politischen Stakeholdern ist eine wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit strukturentwickelnder kooperativer Planung.

  • Die Umsetzung strukturentwickelnder Prozesse in der Gesundheitsförderung setzt ausreichend Ressourcen voraus, so dass eine umfassende und nachhaltige Beteiligung gewährleistet werden kann.

  • Mit dem Modell kann eine gesundheitsförderliche Strukturentwicklung durch kooperative Planung zugleich theoretisch fundiert und praxisnah erreicht sowie pragmatisch evaluiert werden.

  • Der Ansatz der kooperativen Planung sollte über das kommunale Setting hinaus in neuen Anwendungsfeldern erprobt werden.