Hinführung

Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) zählen zu den häufigsten Krankheiten [25]. Eingeschränkte kardiorespiratorische Fitness (CRF) gilt als ein Risikofaktor für die Entwicklung dieser Erkrankungen. Durch die Bestimmung der CRF lässt sich das Risiko für eingeschränkte kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit abschätzen [16, 17, 20]. Standardmäßig wird die CRF anhand der Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme VO2max mittels Spiroergometrie unter körperlicher Ausbelastung bestimmt [26]. Alternativ können durch submaximale Belastungstests wie das Belastungs-Elektrokardiogramm (B-EKG, Fahrradergometrie) vergleichbare Ergebnisse erhalten werden [8, 11, 22]. Da es sich hier jedoch weiterhin um ein aufwendiges Testverfahren handelt, wird in dieser Arbeit nach flexibleren und ökonomischeren Alternativen in Form von Kurzbelastungstests gesucht.

Problem- und Zielstellung

Körperliche Inaktivität gilt als ein wichtiger Risikomarker für die Entstehung von HKE und eingeschränktem Wohlbefinden [13, 28]. Der Zusammenhang zwischen kardiorespiratorischer Fitness und Gesundheit soll dabei stärker ausgeprägt sein als zwischen körperlicher Aktivität und Gesundheit [3]. In diesem Kontext kommt der Prävention von HKE ein hoher Stellenwert zu. Da sich Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems relativ früh manifestieren, besteht eine Möglichkeit, präventiv zu agieren, indem das individuelle Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ermittelt wird.

Als effektive Methode der Risikoermittlung hat sich die Erfassung der CRF herausgestellt. Anhand ihrer Ausprägung können Rückschlüsse auf eingeschränkte kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit gezogen werden. Eine gute Fitness stärkt die Resistenz gegenüber negativen gesundheitlichen Einflüssen und vermindert die Wahrscheinlichkeit, ein schwerwiegendes kardiales Ereignis zu erleiden [16, 17]. In der „Aerobics Centre Longitudinal Study“ wiesen die fittesten Teilnehmer gegenüber den am wenigsten fitten Männern und Frauen ein um 47 % bzw. 70 % niedrigeres Risiko für kardiovaskuläre Sterblichkeit auf [2, 18]. Regelmäßiges Training fördert einen gesünderen Lebensstil. Personen, die sich sportlich betätigen, rauchen oft weniger, essen gesünder und erkranken seltener. Sie gehen daher seltener zum Arzt und leben ungefähr sechs Jahre länger als die Vergleichsgruppe [21, 27].

In Deutschland wird zur Untersuchung der CRF neben dem Standard der Spiroergometrie häufig das submaximale B‑EKG eingesetzt, da es aufgrund des submaximalen Leistungsansatzes zu weniger kardialen Komplikationen kommt [9, 11]. Im Bereich der arbeitsmedizinischen Vorsorge besteht zusätzlich ein Bedarf an weniger aufwendigen Alternativen. Zwar erfolgten hier bereits Untersuchungen mit verschiedenen Kurzbelastungstests, wie dem Chester-step-Test [27] oder dem Siconolfi-step-Test [6], allerdings weisen sie auch noch eine Testdauer von ca. 10 min auf. Nach den Ergebnissen von De Andrade et al. [7] werden zur Bestimmung der Sauerstoffaufnahme möglichst kurze Tests empfohlen.

Zusammenfassend besteht gesteigerter Bedarf an diagnostischen Screeningtests zur Früherkennung einer eingeschränkten CRF. Für ihre Ermittlung existieren verschiedene Methoden. So kann sie anhand bestimmter Kennwerte, wie Alter, Geschlecht und körperlicher Aktivität geschätzt [15, 24] oder mittels Belastungstests anhand definierter Belastungskenngrößen bestimmt werden [29]. Daher ist zu definieren, über welche Methode die CRF ermittelt werden soll.

Vor diesem Hintergrund war in dieser Studie zu untersuchen, ob die Fitness kurzer Belastungstests (nachfolgend Kurztests) mit der des B‑EKG vergleichbar ist und eine weitere, ökonomischere Alternative sein kann. Außerdem war zu klären, ob die Fitness der Kurztests (Kurzergometrie, Stepptest, Kniebeugetest) untereinander vergleichbar ist. Da die Ermittlung der CRF über Belastungstests auf Kenngrößen der Herzschlagfrequenz (Herzfrequenz, Hf) basiert, soll das Hf-Verhalten in diesen Tests vorangestellt werden.

Methodik

Stichprobenrekrutierung

Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorge und fanden 2013 bis 2014 statt. Es handelt sich um eine lokale Teilstudie eines von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) initiierten Projekts zur mentalen Gesundheit bei der Arbeit. Die BAuA ließ durch das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas) eine Repräsentativerhebung bei ca. 4500 Arbeitnehmern im Alter zwischen 31 und 60 Jahren durchführen. Als Grundgesamtheit galten alle Beschäftigten, die bis 31. Dezember 2011 mit einer Sozialversicherung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldet waren. Aus dieser Befragung wurde für den Raum Dresden eine Teilstichprobe von 150 Personen zufällig ausgelost, denen eine arbeitsmedizinische Zusatzuntersuchung angeboten werden sollte. 78 von ihnen (36 Frauen, 42 Männer) nahmen das Untersuchungsangebot an (Responserate: 46 %).

Untersuchungsmethoden

Das Vorsorgeprogramm bestand aus Fragebogen, körperlicher Untersuchung, B‑EKG, drei Kurztests (Kurzergometrie, Stepptest, Kniebeugetest) sowie einer individuellen Gesundheitsberatung. Dieses Programm umfasste 2 Tage, wobei der 2. Tag zur Durchführung des B‑EKG und der Gesundheitsberatung diente. Am 1. Tag lief die Untersuchung immer in der gleichen Reihenfolge ab, nur die Abfolge der Kurztests erfolgte randomisiert.

Der Fragebogen diente der Erhebung soziodemografischer und arbeitsanamnestischen Angaben sowie von Daten zum Gesundheitsverhalten (sportliche Aktivität, Raucherstatus). In der körperlichen Untersuchung wurden Körpermaße (BMI, Körperfettanteil etc.) und kardiovaskuläre Messwerte (Hf, Blutdruck etc.) erhoben.

B-EKG

Das B‑EKG wurde als standardisierte Fahrradergometrie realisiert und erfolgte computergesteuert nach einem festgelegten submaximalen Protokoll (3 min Vorruhe, Belastungsstufen, 5 min Nachruhe). Die Leistung wurde in dreiminütigem Abstand jeweils um 25 W gesteigert, bis die submaximale Ziel-Hf erreicht war. Begonnen wurde bei Frauen mit 50 W, bei Männern mit 75 W. Bei Überschreiten der Ziel-Hf von mehr als 30 s wurde das Belastungsprogramm beendet.

Die Hf wurde über das gesamte Stufenprogramm kontinuierlich aufgezeichnet. Zusätzlich erfolgte eine Bestimmung der Hf in der 3. min der Vorruhe, jeweils vor dem Wechsel in die höhere Belastungsstufe und in der Nachruhe nach 1, 3 und 5 min. Die submaximale Ziel-Hf wurde nach Löllgen et al. [19] bestimmt: Hfsubmax (min−1) = 200 − Alter (Jahre).

Kurztests

Bei der Kurzergometrie sollten auf dem Fahrradergometer (Widerstand 150 W) 220 m so schnell wie möglich zurückgelegt, im Stepptest auf einer 25 cm hohen Steppbank mit dem gleichen Bein 25 Stepps so schnell wie möglich und im Kniebeugetest 20 Kniebeugen so schnell wie möglich absolviert werden.

Bei diesen Tests wurde die Hf in der 3. min der Vorruhe, direkt nach der Belastung und 3 min danach (Erholung) sowie die Belastungszeit gemessen.

CRF-Ermittlung

Bei allen Belastungstests wurde die Hf zu den oben genannten Zeitpunkten erhoben und die CRF nach der Formel von Wicks et al. [29] ermittelt: METs = 6 * HfIndex − 5. MET steht hierbei für metabolisches Äquivalent und HfIndex für Hf-Index (Quotient aus maximaler Belastungs-Hf und Ruhe-Hf).

Statistische Analysen

Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Programm Statistical Package for the Social Science (Version 27). Mittelwertvergleiche der Variablen (Hf, CRF) zwischen den Belastungstests erfolgten mit einem allgemeinen linearen Modell mit Messwiederholung (ALM). Als Kovariable gingen Geschlecht, Alter, BMI und Sportstunden/Woche in die Analysen ein. Es wurden die Haupteffekte der Faktoren und deren Wechselwirkung mit den Kovariablen getestet. Als Effektstärke (ES) wurde partielles Eta22partial) ermittelt und nach den Konventionen von Cohn [5] interpretiert (≥ 0,01 = klein, ≥ 0,06 = mittel, ≥ 0,14 = groß). Zur Unterschiedsprüfung zweier Belastungstests dienten t‑Tests für verbundene Stichproben; hier wurden die ES als Cohen’s d angegeben (≥ 0,20 = klein, ≥ 0,50 = mittel, ≥ 0,80 = groß; [5]). Das statistische Signifikanzniveau wurde auf α < 0,05 festgelegt. Zusammenhänge zwischen den CRF-Werten der Belastungstests wurden über bivariate Korrelationen untersucht. Zu ihrer Interpretation diente die Klassifikation von Bühl [4].

Die statistische Power wurde in einer Post-hoc-Power-Analyse nach Faul et al. [10] ermittelt. Bei einer Effektstärke von η2 = 0,06 und n = 66 Versuchspersonen beträgt die Power 0,93, um ein signifikantes Ergebnis mit einem ALM (α = 0,05) zu erhalten.

Stichprobe

Aufgrund von Kontraindikationen für das B‑EKG (ausgeprägte Hypertonie, Rhythmusstörungen, höhergradige Herzinsuffizienz, starke Cox‑/Gonarthrose; [19]) und unvollständigen Datensätzen wurden 12 Testpersonen aus den Analysen ausgeschlossen, sodass die Analysestichprobe aus 66 Testpersonen mit einem Altersdurchschnitt von 48 ± 8 Jahren (36 Männer: 30 Frauen) bestand. Das berufliche Tätigkeitsspektrum ist mit dem der Erwerbsbevölkerung vergleichbar.

Bei der Gesamtstichprobe lag der BMI-Mittelwert noch im Normalbereich (24,8 ± 3,4 kg/m2), wobei Frauen im Vergleich zu Männern (23,7 vs. 25,6 kg/m2) einen signifikant niedrigeren BMI aufwiesen (p = 0,031, d = 0,25). 55 % der Männer und 39 % der Frauen fielen durch Übergewicht bzw. Adipositas auf.

Die sportliche Aktivität/Woche unterschied sich zwischen Männern und Frauen nicht signifikant (p = 0,530). Etwa zwei Drittel (62 %) der Teilnehmer dokumentierten, regelmäßig sportlich aktiv zu sein. Sie absolvierten durchschnittlich 2,2 Sportstunden/Woche, aber 23 % betätigten sich nur selten und 15 % gar nicht sportlich.

Ergebnisse

Herzfrequenz der Belastungstests

Das HF-Verhalten in den Belastungstests wird anhand der Mittelwerte und Standardabweichungen für die Messzeitpunkte betrachtet und in einem ALM überprüft, in das die Faktoren Belastungstest (B-EKG, ERGO, STEPP, KNIE) und Messzeitpunkt (Vorruhe, Belastung, Nachruhe), sowie die Kovariaten eingingen.

Aus dem Verlauf der Hf (Messzeitpunkte) ist ersichtlich (Abb. 1), dass die Hf-Mittelwerte im B‑EKG und den Kurztests tendenziell ähnliches Verhalten zeigen, aber der Hf-Mittelwert in der Endbelastungsstufe des B‑EKG signifikant höher ausfällt als in den Kurztests (η2partial = 0,17). Unter Belastung kam es in allen Belastungstests zum erwarteten Hf-Anstieg und nach Belastungsende (Erholung) zum Hf-Abfall. Aber nur im Stepp- und Kniebeugetest erreicht die Hf 3 min nach der Belastung wieder das Niveau der Vorruhe. Allerdings lag im B‑EKG (Ø 88 bpm) bereits zu Beginn eine signifikant höhere Hf vor als bei den Kurztests (Ø 73 bpm, η2partial = 0,12).

Abb. 1
figure 1

Herzfrequenz während Belastungs-EKG und Kurztests (B‑EKG Belastungs-EKG, ERGO Kurzergometrie, STEPP Stepptest, KNIE Kniebeugetest)

Bei der Hf ergaben sich für Belastungstest signifikante Haupt- (η2partial = 0,13) und Wechselwirkungseffekte mit den Kovariablen (η2partial = 0,15–0,49). Erwartungsgemäß bestätigte sich für Messzeitpunkt ebenfalls ein signifikanter Haupteffekt (η2partial = 0,35); Wechselwirkungseffekte treten im Zusammenhang mit Geschlecht, Alter und Sportstunden/Woche auf (η2partial = 0,12–0,22). Männer weisen im B‑EKG und den Kurztests (geringe Hf-Reaktivität auf Belastung) eine höhere Leistungsfähigkeit auf als Frauen. Vergleichbares Hf-Verhalten ließ sich zwischen Jüngeren und Älteren, Normal- und Übergewichtigen sowie sportlich Aktiven und Inaktiven beobachten.

Die Korrelationskoeffizienten der Belastungs-Hf zwischen B‑EKG und Kurztests befinden sich im geringen (B‑EKG:ERGO: r = 0,42, B‑EKG:STEPP: r = 0,35) bzw. an der Grenze zum mittleren Bereich (B‑EKG:KNIE: r = 0,51).

Die Belastungstests wiesen eine unterschiedliche Zeitdauer auf, wobei das B‑EKG mit durchschnittlich 735 s ungefähr die 20-fache Zeit der Kurztests in Anspruch nahm. Beim B‑EKG wurde während der Belastungszeit im Durchschnitt eine Leistung von 152 W erreicht (Männer: Ø 184 W; Frauen: Ø 111 W). Die einzige Belastungsstufe, die alle Teilnehmer absolvierten, war die 75-Watt-Stufe. Hier zeigte sich eine mittlere Hf von 113 bpm, die annähernd der Belastung in der Kurzergometrie (Ø 109 bpm) entsprach, während die Hf im Stepp- und Kniebeugetest (Ø 95 vs. 93 bpm) deutlich niedriger ausfielen.

Fitness der Belastungstests

Um zu klären, ob die submaximale CRF zwischen B‑EKG mit der ermittelten Fitness der Kurztests vergleichbar ist, wurden die Fitness-Mittelwerte der Belastungstests ebenfalls in einem ALM mit dem Faktor Belastungstest (B-EKG, ERGO, STEPP, KNIE) und den Kovariaten überprüft (Tab. 1).

Tab. 1 Haupt- und Wechselwirkungseffekte (Hotelling-Spur) der Fitness, des Faktors Belastungstest und der Kovariaten

Die ermittelte Fitness unterschied sich zwischen den Belastungstests signifikant (η2partial = 0,23), was Abb. 2 veranschaulicht. Bei differenzierter Betrachtung (t-Test) bestanden diese Unterschiede zwischen dem B‑EKG und allen Kurztests (d = 0,67–1,68), was eine eindeutig höhere Beanspruchung des B‑EKG dokumentiert (Abb. 2). Pescatello et al. [23] folgend wurde im B‑EKG eine durchschnittliche submaximale Ausbelastung von 87 %, in den Kurztests nur maximal 63 % erreicht.

Abb. 2
figure 2

Fitness der Belastungstests (B‑EKG Belastungs-EKG; ERGO Kurzergometrie; STEPP Stepptest; KNIE Kniebeugetest; ***p < 0,001)

Nach den Wechselwirkungseffekten werden auch die Ergebnisse der ermittelten Fitness durch Geschlecht, Alter und Sporteffekte signifikant beeinflusst (η2partial > 0,06). Danach ist im B‑EKG und den Kurztests bei Männern gegenüber Frauen, Jüngeren gegenüber Älteren und sportlich Aktiven gegenüber Inaktiven von einer unterschiedlichen Beanspruchung auszugehen.

Für die ermittelte Fitness ergaben sich zwischen B‑EKG und Kurztests nur sehr geringe Zusammenhänge (r = 0,16–0,17); lediglich zwischen B‑EKG und Kniebeugetest besteht eine geringe Korrelation (r = 0,23). Das unterstreicht eine intraindividuell unterschiedliche Testbewältigung und Belastungsanforderung im B‑EKG und den Kurztests.

Fitness der Kurztests

Abschließend wurde die Fitness für die drei Kurztests in einem ALM mit dem Faktor Kurztest und den Kovariaten getestet (Tab. 2) und die Haupteffekte mittels t‑Testes für abhängige Stichproben erneut eingeordnet.

Tab. 2 Haupt- und Wechselwirkungseffekte (Hotelling-Spur) der Fitness, des Faktors Kurztest und der Kovariaten

Die Fitness unterschied sich in den Kurztests signifikant (η2partial = 0,22), wobei der Unterschied zwischen Kurzergometrie und Stepp- bzw. Kniebeugetest vorlag (d = 0,84 bzw. 0,89), nicht aber zwischen Stepp- und Kniebeugetest (p > 0,990). Diese Ergebnisse sind ebenfalls durch Geschlechts- (η2partial = 0,15) und Alterseffekte (η2partial = 0,13) beeinflusst. Zwischen den Kurztests bestanden mittelstarke Zusammenhänge (r = 0,54–0,62).

In keinem Kurztest wurde der submaximale Belastungsbereich erreicht. Nach Pescatello et al. [23] ist die Belastung in den Kurztests als leicht einzustufen (Ausbelastung: ERGO 63 %, STEPP 55 %, KNIE 55 %). Die Belastungszeiten unterschieden sich in Kurztests nicht signifikant (η2partial = 0,03; ERGO: Ø 27 ± 7 s; STEPP: Ø 38 ± 9 s; KNIE: ∅ 24 ± 5 s), wobei dieses Ergebnis durch die Standardabweichungen bedingt sein kann.

Diskussion

Die Zusammenhänge zwischen dem B‑EKG und den Kurztests sind sehr gering. Ebenso fanden sich in der Varianzanalyse signifikante Unterschiede in den CRF-Werten des B‑EKG und der Kurztests, wonach die CRF in den Kurztests deutlich geringer ausfiel und keine submaximale Ausbelastung erreicht wurde. Nach diesen Ergebnissen wird in den Kurztests ein anderer Fitnesskennwert gemessen als im klassischen B‑EKG. Es ist anzunehmen, dass die Belastung des kardiorespiratorischen Systems in den Kurztests zu gering war und sich zusätzlich der Einfluss von Zufallsgrößen wie Aufregung, Messungenauigkeit, Tagesform etc. auf die Messergebnisse ausgewirkt hat. Die in den Kurztests gemessene Fitness lässt sich somit eher als „Kurzbelastungsfitness“ (KBF) und nicht als klassische CRF beschreiben.

Gestützt wird dieser Fakt durch die deutlich unterschiedlichen Belastungszeiten im B‑EKG und den Kurztests. Während im B‑EKG eine 87 %ige Ausbelastung vorlag, entsprach die Ausbelastung in den Kurztests mit 55–63 % einer eher leichten Belastung [23]. Sie bilden eher die „Kurzzeitausdauer“ (35–120 s) ab. Je länger die Belastung, desto mehr beeinflusst die aerobe und anaerobe Leistungsfähigkeit das Testergebnis. Das B‑EKG mit durchschnittlich 12 min Belastungszeit fällt schon knapp in den Bereich der Langzeitausdauer Stufe 1 (10–35 min; [30]).

In der Literatur werden die meisten Ergometer-Untersuchungen mit Belastungstests verglichen, die einem festen Protokoll folgen, mehr Zeit in Anspruch nehmen und dadurch stärker belasten [12, 13]. In vorliegender Studie wurde beim B‑EKG bis zum Erreichen der submaximalen Hf belastet, während die Kurztests nach einer definierten Belastung beendet waren. Dies manifestiert sich an zwei Ergebnissen: Zum einen ist die einzige Belastungsstufe im B‑EKG, die alle Teilnehmer absolvierten, die 75-W-Stufe, was der Hf der Belastung der Kurztests entspricht. Zum anderen minimiert sich bei geringer Fitness der Unterschied in den Belastungszeiten: So ist die Zeit des B‑EKG kürzer, da eine Erschöpfungsreaktion früher eintritt, während sich die Testzeit in den Kurztests verlängert. Hier könnten Nachteile der Untersuchungsmethode „Kurztest“ vorliegen, bei der Geschwindigkeit oder Widerstand nicht von außen kontrolliert bzw. vorgegeben werden („self pased tests“). Es kann daher im interpersonellen Vergleich zu einer ungenügenden Leistungsabbildung im interpersonellen Vergleich kommen [1].

Die KBF in den Kurztests weist mittlere Korrelationen (r = 0,53–0,62) auf, was eher auf keine Austauschbarkeit dieser Tests untereinander schließen lässt. Allerdings haben sich auch hier Unterschiede in den KBF-Werten der Kurztests gezeigt, mit Ausnahme zwischen Stepp- und Kniebeugetest. Das weist insgesamt auf eine unterschiedliche Beanspruchung des Herz-Kreislauf-Systems und intraindividuell unterschiedliche Bewältigung in den einzelnen Belastungstests hin. Die KBF wird durch diese Tests nicht homogen genug gemessen.

Als Einflussfaktoren auf die KBF haben sich die Faktoren Geschlecht und Alter bestätigt. d. h. bei Männern und Frauen ist bei der Testbewältigung von einer unterschiedlichen KBF auszugehen, die sich zudem mit dem Alter zu verändern scheint. Es zeigte sich, dass die KBF bei Männern höher ist als bei Frauen und sie mit steigendem Alter bei beiden Geschlechtern abnimmt. Dieser Effekt wird bei Frauen auf die geringere bzw. im Alter auf die abnehmende Muskelmasse zurückgeführt [11]. Denn Männer und Frauen sind in vorliegender Studie etwa in gleichem Umfang sportlich aktiv. Hinzu kommt, dass die körperliche Fitness neben verhaltensbezogenen und strukturellen Faktoren auch von genetischen Komponenten beeinflusst wird [14].

Unerwartet war, dass die Anzahl der Sportstunden/Woche keinen Einfluss auf die KBF hatte. Als ein Grund dafür kann die subjektive Erfassung der körperlichen Aktivität anhand des Fragebogens vermutet werden. Ebenso lässt sich annehmen, dass die Belastung in den kurzen Tests zu gering war und die Kurzbelastungsfitness kaum durch körperliches Training beeinflusst wird, während der Einfluss von Sport auf die Ergebnisse des B‑EKG durch die Erhöhung der Langzeitausdauer bereits bekannt ist.

Untersuchungskritik

Stichprobe.

Die freiwillige Teilnahme an den Untersuchungen kann mit Selektionseffekten (z. B. „healthy worker effect“) einhergehen. Kausalitätsbeziehungen sind aufgrund des Querschnittsdesigns nicht abgesichert.

CRF.

Mit keinem der hier angewendeten Verfahren wird die CRF direkt gemessen. Die Formel nach Wicks et al. [29] ermöglicht lediglich die Ermittlung der submaximalen CRF beim B‑EKG bzw. der KBF bei den Kurztests.

Kurztests.

Die Kurztests für diese Untersuchungen wurden erstmals erprobt. Es handelt sich somit nicht um bereits etablierte Protokolle. Hierfür müssten in der Folge Validierungsstudien durchgeführt werden. Beim Stepptest ist einschränkend festzustellen, dass die personengerechte Anpassung nur eingeschränkt erfolgte. Somit wurde die Tritthöhe nicht ausreichend an die Körpergröße angepasst. Die durchschnittliche Körpergröße der Männer war in dieser Studie 180 cm und die der Frauen lag bei 165 cm.

Physiologische Maße.

Die physiologischen Maße unterliegen auch Messfehlern. Je nach Erhebungsmethode können die Messwerte durch weitere methodenspezifische Einflussfaktoren (u. a. Aufregung, Erhebungszeitpunkt) schwanken. So lässt sich der Unterschied der Ruheherzfrequenz bei den Kurztests im Vergleich zum B‑EKG ggf. auf eine psychogene Triggerung vor einer größeren Belastung sowie eine verstärkte Aufregung aufgrund des komplexen Messplatztes zurückführen.

Schlussfolgerung

Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge stellt die Erfassung der submaximalen CRF mit dem B‑EKG eine wertvolle Ergänzung des Untersuchungsspektrums dar. Eine Einschätzung der CRF durch die untersuchten Kurztests ist nicht valide möglich. Das unterstreicht die Bedeutung der standardisierten Ergometrie zur CRF-Bestimmung. Mit Kurztests sind wahrscheinlich Aussagen zur KBF möglich. Inwieweit diese Fitness jedoch das Risiko für Erkrankungen des kardiovaskulären bzw. respiratorischen Systems vorausschauend einschätzen kann, muss weiter untersucht werden. Bestätigt wurde, dass v. a. Geschlecht und Alter Einfluss auf die KBF haben. Das muss bei ihrer Bewertung und Interpretation beachtet werden.

Unter den Kurztests ist eine Überlegenheit des Stepptests als präventivmedizinisches Screeningverfahren aufgrund des ökonomischen Test- und Materialaufwands zu diskutieren. Er ist er gegenüber der Kurzergometrie ökonomisch und flexibel einsetzbar. Im Vergleich zum Kniebeugetest bestehen keine Kontraindikationen für Knie- und Hüftgelenkprobleme. Es ist jedoch zu untersuchen, um wie viel die Belastung erhöht werden muss, um eine Aussage über die CRF treffen zu können. In dieser Untersuchung entsprach die Belastung des Stepptests ungefähr einer 75-W-Stufe beim B‑EKG.

Fazit für die Praxis

  • Mit den Kurztests wurde der submaximale Belastungsbereich nicht erreicht. Es ließ sich aber ein vergleichbares Verhaltensmuster zum Belastungs-EKG (B-EKG) zeigen, so dass Kurztests, vor allem der einfach und ortsunabhängig durchzuführende Stepptest als arbeitspräventivmedizinisches Screeningverfahren zur Früherkennung kardiovaskulärer Fitnessdefizite möglich sind.

  • Die in den Kurztests gemessene Fitness wird als „Kurzbelastungsfitness“ interpretiert. Die standardisierte submaximale Belastungsergometrie (B-EKG) bleibt der Goldstandard zur kardiorespiratorischen Fitness- (CRF‑)Ermittlung.

  • Die Kurzbelastungsfitness (KBF) ist von Geschlecht und Alter abhängig. Sie erfordert perspektivisch geschlechts- und altersdefinierte Bewertungskriterien.

  • Inwieweit Kurztests wie der Stepptest und die daraus ermittelte KBF eine Risikoeinschätzung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) ermöglichen, muss weiter untersucht werden.