Multiplikator*innen nehmen im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung eine Schlüsselrolle ein, da sie bei der Dissemination und Etablierung von präventiven und gesundheitsfördernden Maßnahmen unterstützen können. In der Berufsdermatologie können Multiplikator*innen (z. B. Fachkräfte für Arbeitssicherheit) Beschäftigte im Freien, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit solarer ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) in hohem Maße ausgesetzt sind und ein erhöhtes Hautkrebsrisiko aufweisen, vor Ort zum beruflichen UV-Schutz schulen und beraten. Dabei können sie die konkreten Bedingungen am Arbeitsplatz (z. B. Umsetzungsmöglichkeiten von UV-Schutzmaßnahmen) berücksichtigen.

Hintergrund und Fragestellung

Beschäftigte im Freien, z. B. Landwirt*innen, Gärtner*innen, Postzusteller*innen, Sportlehrer*innen oder Straßenbauer*innen [9, 25], haben ein hohes Risiko, durch solare UV-Strahlung gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erleiden [25], insbesondere an nicht-melanozytärem Hautkrebs (NMSC) zu erkranken [14]. Entsprechend hat das Bundesarbeitsministerium zum 01.01.2015 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratose durch natürliche UV-Strahlung“ als Berufskrankheit Nr. 5103 (BK-Nr. 5103) in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen [3]; Präventionsmaßnahmen seitens der Unfallversicherungsträger und Arbeitgeber*innen kommt damit eine große Bedeutung zu. In Deutschland arbeiten ca. 6 Mio. Menschen regelmäßig beruflich im Freien [5]. Bislang findet dieses Thema bei Risikogruppen jedoch nicht genügend Beachtung: Eine konsequente Anwendung von Sonnenschutzmitteln erfolgt nicht in allen Berufsgruppen und der Einsatz und die Anwendung von textilen UV-Schutzmaßnahmen ist unzureichend [34]. Neben einem ungenügenden Wissen über UV-Schutzmaßnahmen [12] und einer geringen Gesundheitskompetenz bei Beschäftigten im Freien in Deutschland [30] berichten verschiedene Studien von Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Umsetzung von UV-Schutzmaßnahmen [2, 26]. Wenngleich aktuelle Studien (z. B. von Duffy et al. [7]) zeigen, dass eine zielgruppenspezifische Intervention positive Auswirkungen auf das Verhalten von Betriebsingenieur*innen haben kann, besteht in Deutschland weiterhin ein Bedarf an flächendeckend etablierten Maßnahmen zur Hautkrebsprävention (z. B. gesundheitspädagogische Schulungs- und Beratungskonzepte), die das individuelle UV-Schutzverhalten von Beschäftigten im Freien adressieren und verbessern [11]. Die Forderung nach zielgruppenspezifischen Curricula, unter Berücksichtigung verschiedenster Berufe auf diversen Ebenen (z. B. Beschäftige selbst, Entscheidungsträger in unterschiedlichen Anwendungsfeldern sowie beratende Institutionen oder Personen), wird zudem seitens des UV-Schutz-Bündnisses formuliert [31]; durch die kürzliche Einführung der arbeitsmedizinischen Angebotsvorsorge für die oben genannten 6 Mio. Außenbeschäftigten in Deutschland wird der Bedarf noch weiter wachsen [5].

Bei der Erreichbarkeit von Zielgruppen haben Lebenswelten – insbesondere der Arbeitsplatz – eine besondere Bedeutung. Der Zielgruppe bereits bekannte Multiplikator*innen (z. B. Arbeits- oder Betriebsmediziner*innen, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Mitarbeiter*innen von Präventionsdiensten) mit regelhaftem Zugang zu diesen Lebenswelten und der Kompetenz, Rahmenbedingungen vor Ort zu beurteilen, können einen Beitrag zur Verbreitung, dem Transfer sowie der Etablierung von präventiven und gesundheitsfördernden Maßnahmen leisten. Insbesondere bei der Umsetzung von UV-Schutzmaßnahmen sind dabei Kontextfaktoren des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen: Zwei Fallstudien [27] aus Australien zeigen, dass die Berücksichtigung verschiedener Kontextfaktoren (z. B. Arbeitsplatzstrukturen wie die Größe des Arbeitsplatzes oder die Verantwortlichkeiten für Arbeitssicherheit- und UV-Schutzmaßnahmen) dazu beitragen, die Umsetzung von UV-Schutzmaßnahmen zu verbessern. Damit Multiplikator*innen eine solche vermittelnde Tätigkeit übernehmen können, sollten sie entsprechend geschult werden.

Das Ziel der Projekte „ForMulA UV 1.0 & 2.0“ war die Entwicklung und Pilotierung sowie die formative Evaluation eines wissenschaftlich fundierten, standardisierten, zielgruppenspezifischen Curriculums als Fortbildungsprogramm für Multiplikator*innen (z. B. Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Arbeitsmediziner*innen) in Außenberufen. Beide Projekte „ForMulA UV 1.0 und 2.0“ wurden durch die Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs e. V. (NVKH) gefördert. Die Teilnahme an der Fortbildung soll das vorhandene Wissen zum Thema Hautkrebs der Teilnehmenden erweitern und den Erwerb gesundheitspädagogischer Kompetenzen für die Schulung und Beratung ermöglichen [1]. In diesem Beitrag werden der Entwicklungsprozess des Curriculums skizziert und die Intervention nach dem „template for intervention description and replication“ (TIDieR; [13]) beschrieben.

Projektschritte

Dem Konzeptionsprozess wurde das Modell des Medical Research Council [17] zugrunde gelegt. Nach der Entwicklung des Curriculums erfolgten die Pilotierung sowie die formative Evaluation. Die einzelnen Projektschritte sind in Abb. 1 im Überblick dargestellt. Dem gesamten Prozess lag eine iterative Vorgehensweise unter Beteiligung von Stakeholder*innen und Expert*innen zugrunde, d. h. das Curriculum wurde nach den jeweiligen Projektschritten (z. B. Expertenworkshop, Pilotveranstaltung) immer wieder den Ergebnissen entsprechend überarbeitet und adaptiert. Nachfolgend werden die einzelnen Projekteschritte und deren Ergebnisse sowie Implikationen für die Curriculumsentwicklung skizziert (Details zum methodischen Vorgehen finden sich bei Ludewig [16]).

Abb. 1
figure 1

Projektschritte im Überblick. (Eigene, gekürzte Darstellung, erstellt nach [16])

Literaturrecherche

In einem ersten Schritt wurde eine Literaturrecherche durchgeführt, um den aktuellen Forschungsstand in den verschiedenen, projektrelevanten Themenbereichen (Berufsdermatologie, Gesundheitspädagogik, Gesundheitspsychologie, Zielgruppen: Beschäftigte im Freien und Multiplikator*innen) zu erfassen. Darüber hinaus wurden medizinische Leitlinien (z. B. die S3-Leitlinie Prävention von Hautkrebs [5]) gesichtet und berücksichtigt. Die Recherchen erfolgten im Zeitraum von Januar bis Juni 2016 in den Datenbanken Medline (über PubMed), Psyndex (über EBSCOhost) und ERIC (ProQuest).

Fokusgruppendiskussionen

Im Februar 2017 wurden drei Fokusgruppendiskussionen mit jeweils drei Teilnehmenden von zwei Moderator*innen (ML & MR) durchgeführt, um den Bedarf der Multiplikator*innen an Weiterbildungsangeboten zu ermitteln. ML leitete die Diskussion anhand eines strukturierten Leitfadens und MR erstellte im Diskussionsverlauf MindMaps anhand der Argumente der Teilnehmenden und übernahm nach jedem abgeschlossenen Diskussionsabschnitt die inhaltliche Validierung mit der Gruppe. Zudem wurden die Diskussionen aufgezeichnet (Olympus VN-8600PCm Olympus, Hamburg) und ergänzend durch eine studentische Mitarbeiterin protokolliert. Im Anschluss an die Fokusgruppendiskussionen füllten die Teilnehmenden einen Kurzfragebogen [6] zu demografischen Angaben aus. Eine Aufklärung zum Datenschutz erfolgte in mündlicher und schriftlicher Form, eine Einverständniserklärung wurde von allen Teilnehmenden unterschrieben. Die Datenanalyse beinhaltet die qualitative, regelgeleitete, inhaltsanalytische Auswertung der Meinungen und des Feedbacks der Teilnehmenden mittels „knowledge mapping“ [21]. Diese wurden mit der Software „XMind“ (Fa. XMind Ltd.; Hongkong, China) erstellt.

Je nach Ausgangsqualifikation (z. B. Fachkraft für Arbeitssicherheit, Sachbearbeiter*in, Mitarbeiter*in eines Präventionsdienstes) der Teilnehmenden ließen sich heterogene Bedürfnisse und Anforderungen an die Implementierung von Grundlagenmodulen ableiten. Während Teilnehmende mit medizinischer Vorbildung (z. B. Arbeitsmediziner*innen) medizinische und naturwissenschaftliche Grundlagen als weniger relevant bewerten, sind diese für andere Teilnehmer*innen von zentraler Bedeutung. Gleichermaßen bedeutsam erscheinen gesundheitspsychologische und gesundheitspädagogische Elemente als ein Bestandteil einer Multiplikator*innenschulung sowie Rahmenbedingungen und Austausch zwischen den Teilnehmer*innen.

Entwurf des Curriculums

Im Anschluss an die Fokusgruppendiskussionen erfolgten fachliche Klärung und darauf aufbauend eine Relevanzanalyse [18]. Auf Grundlage der bisherigen Projektergebnisse wurde darauf folgend die didaktische Konstruktion des Curriculums umgesetzt.

Expertenworkshop

Zur formativen Evaluation des Curriculums wurde im März 2019 ein eintägiger, interdisziplinärer Expertenworkshop mit 10 Teilnehmenden durchgeführt. In einem moderierten Prozess, der in Anlehnung an die Methode des Gruppen-Delphis [19] entwickelt wurde, erfolgte in diesem Rahmen, eine partizipative Bewertung des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Curriculums, das den Expert*innen schriftlich vorgelegt wurde.

Die formulierten Lernziele und die dazugehörigen Inhalte des Curriculums wurden von den Expert*innen im Wesentlichen bestätigt. Angeregt wurde jedoch die Aufteilung eines Moduls in zwei separate Module. Die Ergebnisse des Expertenworkshops wurden verschriftlicht und anschließend unter Beteiligung eines interdisziplinären Teams diskutiert. Auf dieser Grundlage erfolgte eine erneute Überarbeitung des Curriculums.

Pilotveranstaltung

Das aus fünf Modulen bestehende Curriculum wurde in einer Pilotveranstaltung im August 2019 erprobt und formativ evaluiert. Potenzielle Multiplikator*innen (z. B. Mitarbeitende von Unfallversicherungsträgern) wurden schriftlich/per E‑Mail zur Veranstaltung eingeladen.

Im Rahmen der formativen Evaluation wurden zwei Beobachter*innen eingesetzt, die die Veranstaltung anhand von modulbezogenen Beobachtungsprotokollen dokumentierten. Zudem wurden während der Veranstaltung sog. „Evaluationszielscheiben“ zur Kurzevaluation der jeweiligen Module eingesetzt [10]. Hier standen die Bewertung von Inhalten, Methodik und Didaktik, Lernumfeld sowie Neuigkeitswert und der persönliche Lernerfolg im Fokus. Die Teilnehmenden wurden darüber hinaus zu drei Erhebungszeitpunkten (zu Beginn und Ende der Schulung sowie nach 6 Monaten) zu verschiedenen schulungsrelevanten Aspekten (z. B. Organisation der Veranstaltung, Praxiserfahrung) befragt. Zur Erfassung der Perspektive der Dozierenden erfolgte eine schriftliche Befragung im Anschluss an die Schulung.

Die Pilotveranstaltung demonstriert insgesamt die Umsetzbarkeit der entwickelten Multiplikator*innenschulung. Die Beobachtungsprotokolle zeigen, dass die Inhalte der Module vollständig und in angemessener Form abgebildet werden konnten. Darüber hinaus deuten die Kurzevaluationen sowie schriftlichen Befragungen von Teilnehmenden und Dozierenden auf ein gut auf die Bedürfnisse abgestimmtes Konzept hin. Punktuell lassen sich allerdings auf Modulebene sowohl inhaltliche (z. B. Tiefe der jeweiligen Themen) als auch organisatorische Optimierungen, z. B. im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen oder auf die Zusammensetzung der Schulungsgruppe, ableiten.

Ergebnisse

Das Ergebnis des iterativen Entwicklungsprozesses sowie der Erprobung und formativen Evaluation ist eine 2‑tägige (12 Arbeitsstunden á 60 min) Multiplikator*innenschulung. Basierend auf den Ergebnissen aller Arbeitsschritte konnte ein wissenschaftlich fundiertes und zielgruppenorientiertes Curriculum entwickelt werden. Dieses ist gemäß der TIDieR-Checkliste [13] in Tab. 1 im Überblick dargestellt.

Tab. 1 Interventionsbeschreibung anhand der TIDieR(„template for intervention, description and replication“; [13])-Checkliste im Überblick. (Eigene, gekürzte Darstellung, erstellt nach [16])

Die einzelnen Module bauen sequenziell aufeinander auf und sind durch einheitlich verwendete Fallbeispiele miteinander verbunden. Die Lernziele wurden modulbezogen formuliert und in Grob- und Feinziele [15] unterteilt. Die Grundstruktur aller Module ist identisch: Zunächst werden die von den Teilnehmenden formulierten Erwartungen im Modul verortet. Anschließend werden die Lernziele des Moduls vorgestellt. Zu Beginn des jeweiligen Moduls wird auf Fallbeispiele aus der Praxis Bezug genommen. Nach einem fachlichen Input des/der Dozierenden werden Übungsphasen (z. B. zur didaktischen Reduktion von medizinischen Inhalten oder zur Erprobung edukativer Elemente) in Gruppen- oder Partnerarbeit umgesetzt. Die Ergebnisse werden anschließend im Plenum reflektiert.

Am ersten Tag werden medizinische Inhalte und rechtliche Grundlagen erarbeitet. Abschließend erfolgt ein erster Block des Moduls Prävention (z. B. Bedeutung des UV-Index und Umsetzung von personenbezogenen UV-Schutzmaßnahmen). Der 2. Tag beginnt mit der Fortsetzung des Moduls Prävention. Anschließend stehen gesundheitspsychologische Inhalte (z. B. Modell zur Erklärung von Gesundheitsverhalten) im Mittelpunkt, die anschließend mit gesundheitspädagogischen Elementen verknüpft werden.

Diskussion

Nach Kenntnis der Autorengruppe wurde erstmals ein wissenschaftlich fundiertes, standardisiertes, zielgruppenspezifisches Curriculum als Fortbildungsprogramm für Multiplikator*innen zur Prävention von berufsbedingtem, UV-induziertem Hautkrebs entwickelt und umgesetzt. In anderen Praxisfeldern werden bereits seit vielen Jahren Multiplikator*innen und Mentor*innen geschult, um die Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung für die jeweiligen Zielgruppen zu stärken. Beispielhaft seien hier die Bewegungsförderung für Senior*innen [4] sowie die Suchtprävention (z. B. in Schulen durch Lehrkräfte; [24]) genannt.

In der Lebenswelt Arbeitsplatz können an unterschiedlichen Schnittstellen eine Vielzahl an Akteur*innen als Multiplikator*innen tätig werden. Dazu gehören im Kontext des berufsbedingten Hautkrebses u. a. Arbeits- und Betriebsmediziner*innen, Mitarbeitende der Unfallversicherungsträger, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen sowie Dermatolog*innen. Durch eine Literaturrecherche konnte in diesem Zusammenhang eine Forschungslücke, bezogen auf die – bislang nicht ausreichend berücksichtigten – Bedürfnisse von Multiplikator*innen für die vorliegende Intervention, identifiziert werden. Die durchgeführten Fokusgruppendiskussionen tragen dazu bei, diese zu schließen. Die Ergebnisse der Fokusgruppendiskussionen und der formativen Evaluation im Zuge der Pilotveranstaltungen zeigen allerdings, dass sich aus beruflichen Vorerfahrungen und Anforderungen des jeweiligen Settings (z. B. unterschiedliche Arbeitsplätze in verschiedensten Berufssparten) für die Multiplikator*innen unterschiedliche Fortbildungsbedarfe ableiten lassen.

In der Literatur finden sich verschiedene Interventionsansätze für die Gruppe der Beschäftigten im Freien. Diese berücksichtigen bislang allerdings weder den Multiplikator*innenansatz noch die spezifischen Bedürfnisse dieser Gruppe. Dennoch können aus den bestehenden Interventionen Einsatzbereiche und Aufgaben künftiger Multiplikator*innen abgeleitet werden: Ruppert et al. [23] konnten in ihrer Studie zeigen, dass eine, von einem*r Referent*in durchgeführte Präsentation im Rahmen einer Intervention, das Wissen über UV-Schutz bei Auszubildenden fördern kann. Dies deutet darauf hin, dass geschulte Multiplikator*innen in Zukunft derartige Vortragseinheiten in Betrieben oder Berufsschulen auf einem angemessenen Niveau umsetzen, an die lokalen Bedürfnisse anpassen und auf diese Weise zur flächendeckenden Implementation von Maßnahmen zur Hautkrebsprävention beitragen können.

Die Multiplikator*innenschulung in ihrer aktuellen Form ermöglicht es den Teilnehmenden, im Bereich der Prävention Strategien der Verhaltens- und Verhältnisprävention zu ergreifen und in diesem Feld tätig zu werden. Sie bietet Anregungen zur Gestaltung von Schulungs- und Beratungssituationen. Zielgruppenspezifische Modifikationen durch die Multiplikator*innen (z. B. die Anpassung an Kontextfaktoren) bei ihrem Einsatz vor Ort am jeweiligen Arbeitsplatz erscheinen allerdings für den Erfolg essenziell.

Mit der systematischen Entwicklung der berichteten Multiplikator*innenschulung anhand verschiedener Forschungsmethoden wurden bestehende Entwicklungspotenziale im Hinblick auf komplexe Interventionen (z. B. Beteiligung der Zielgruppe im Projektverlauf) aufgegriffen. Einige Limitationen müssen dennoch diskutiert werden: Zum einen wurden die Fokusgruppendiskussionen mit Personen durchgeführt, die zuvor eine Fortbildung zum Thema „Berufsbedingte, entzündliche Hautkrankheiten“ für Mitarbeiter*innen der Unfallversicherungsträger besucht haben. Es ist anzunehmen, dass dies zu einer Selektion bei der Auswahl der Teilnehmenden, z. B. im Hinblick auf Vorwissen, Interesse und Motivation, geführt hat. Zudem wurden in den Fokusgruppendiskussionen nur Personen berücksichtigt, die im Bereich der Unfallversicherungsträger tätig sind. Eine Übertragbarkeit auf andere Multiplikator*innengruppen (z. B. Lehrkräfte) ist daher nur sehr eingeschränkt möglich.

Eine Stärke der Studie ist hingegen die iterative Vorgehensweise im Entwicklungsprozess, die beispielsweise von O’Cathain et al. [20] empfohlen wird. Auf diese Weise wurden die Bedarfe verschiedener Stakeholder [20] und der Multiplikator*innen (z. B. durch die Fokusgruppendiskussionen) iterativ in das Curriculum integriert, sodass sich der Entwicklungsprozess durch ein besonders hohes Maß an Zielgruppenorientierung auszeichnet. Außerdem wurde das Curriculum von einem interdisziplinären Team entwickelt; so wurden verschiedenste Perspektiven berücksichtigt. Durch den Expertenworkshop konnte ein Element der Qualitätssicherung in den Entwicklungsprozess durch die externe Validierung der Inhalte (z. B. Vollständigkeit und Umfang) und Strukturen (z. B. Modulstruktur und Abläufe) integriert werden. Die detaillierte Darstellung der Interventionskomponenten anhand von TIDieR [8, 13, 16] stellt Transparenz sicher und ermöglicht eine Replikation der Intervention.

Zukünftige Forschung könnte sich auf die Adaption der Fortbildungsmodule hinsichtlich künftiger wissenschaftlicher Erkenntnisse und Gesetzesänderungen konzentrieren; die vorgelegten formativen Evaluationsergebnisse sollten anhand einer größeren Stichprobe und mehrerer Veranstaltungen überprüft werden. Zudem kann das beschriebene theorie- und evidenzbasierte methodische Vorgehen für andere Anwendungsfelder – über die Berufsdermatologie hinaus – bei der curricularen Konzeption von interdisziplinären Maßnahmen der Prävention adaptiert und etabliert werden.

Fazit für die Praxis

  • In der Prävention von berufsbedingtem, UV-induziertem Hautkrebs (BK-Nr. 5103) können geschulte Multiplikator*innen einen wesentlichen Beitrag leisten.

  • Im Rahmen einer Schulung zur Qualifikation für diese Aufgabe sollten die Bedürfnisse von Multiplikator*innen Berücksichtigung finden.

  • Die Schulung hat sich in der formativen Evaluation als machbar bzw. umsetzbar erwiesen.

  • Bestehende Empfehlungen sowie Modelle zur Interventionsentwicklung sollten einem solchen Prozess zugrunde gelegt werden. Dabei sollten Besonderheiten des Anwendungsfeldes (z. B. Berufsdermatologie) Berücksichtigung finden.

  • Die Aufarbeitung und Beschreibung der Intervention nach TIDieR („template for intervention, description and replication“) ermöglicht Transparenz und Vergleichbarkeit sowie eine Replikation der Intervention.

  • Die Dissemination der Multiplikator*innenschulung kann durch die Aufarbeitung und Beschreibung nach TIDieR unterstützt werden.