Einleitung

Zeit- und Leistungsdruck stellt eine zentrale Anforderung vieler Beschäftigter dar. Laut aktueller Daten der gemeinsamen repräsentativen Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) berichten 48 % der Befragten von Arbeit unter hohem Termin- oder Leistungsdruck [3]. Dieser Anteil stimmt mit den aktuellsten Ergebnissen der Beschäftigtenbefragung zum DGB-Index Gute Arbeit überein: Auch hier berichten 48 % der befragten Beschäftigten, sehr häufig bzw. oft unter Zeitdruck zu stehen [8]. Zeit- und Leistungsdruck ist damit in der Erwerbsbevölkerung weit verbreitet.

Viele von Zeit- und Leistungsdruck betroffene Beschäftigte fühlen sich von dieser Anforderung belastet bzw. sind in ihrem Befinden beeinträchtigt [3, 8, 28]. Zeit- und Leistungsdruck begünstigt zudem das Auftreten von psychischen und somatischen Erkrankungen, wie bspw. Depressionen oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen [26, 29]. Somit ist Zeit- und Leistungsdruck ein relevanter Risikofaktor für die Gesundheit der Beschäftigten. Umso wichtiger sind Ressourcen, um diese Anforderung gut bewältigen zu können. Eine zentrale Ressource hierfür können die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz sein.

Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz

Zum Phänomen

Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz entstehen aus der Interaktion der Beschäftigten mit ihren Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten. Die Sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz umfassen verschiedene Konstrukte, wobei das Konstrukt der „Sozialen Unterstützung“ in der arbeits- und organisationspsychologischen Forschung am weitaus häufigsten untersucht sowie theoretisch fundiert und in Instrumenten operationalisiert wurde [10]. Es finden sich die unterschiedlichsten theoretischen Fundierungen, Unterscheidungen in Formen sozialer Unterstützungen sowie Operationalisierungen für Erhebungsinstrumente [18].

Bezüglich der unterschiedlichen Formen sozialer Unterstützung ist zum einen entscheidend, ob es sich um tatsächlich erhaltene Unterstützung handelt oder die Wahrnehmung von Unterstützung, die im Bedarfsfall abgerufen werden könnte. Zum anderen sind die Quellen sozialer Unterstützung (Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte) ein relevantes Unterscheidungskriterium. Weiterhin gibt es unterschiedliche Klassifikationen in Hinblick auf die Inhalte der sozialen Unterstützung. Relativ übereinstimmend werden hier zumindest die instrumentelle Unterstützung (konkrete Unterstützungsleistungen, z. B. das Abnehmen von Arbeitsaufträgen bei hohem Zeit- und Leistungsdruck) und die emotionale Unterstützung (z. B. Anteilnahme und Empathie von Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten) unterschieden [10, 18]. Viele Ansätze nehmen jedoch noch differenziertere Unterscheidungen vor. So führt House [16] darüber hinaus die Facette der informationalen Unterstützung (z. B. Ratschläge durch Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte) sowie die Facette der Bestätigung und Anerkennung (z. B. positives Feedback durch Vorgesetzte oder Kolleginnen und Kollegen) an.

Neben dem Konstrukt der sozialen Unterstützung wird als ein wichtiger Aspekt sozialer Beziehungen bei der Arbeit das Konstrukt des Teamklimas behandelt. Dieses wird relativ global definiert als die geteilte Wahrnehmung aller Teammitglieder über unterschiedliche Bedingungen im Team (bspw. die Interaktions- und Kommunikationsqualität mit Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten oder die generelle Arbeitsatmosphäre im Team [10, 20]). Es werden ähnliche Inhalte betrachtet wie bei der sozialen Unterstützung, insbesondere dann, wenn ein breites Verständnis der sozialen Unterstützung angelegt wird, welches nicht nur die tatsächliche, sondern auch wahrgenommene Unterstützung umfasst.

Rolle sozialer Beziehungen

In Abhängigkeit von ihrer Ausprägung können soziale Beziehungen am Arbeitsplatz sowohl eine Belastung als auch eine Ressource für die Beschäftigten sein [9]. Für gute soziale Beziehungen als Ressource werden zum einen Haupteffekte auf unterschiedliche abhängige Variablen angenommen, welche v. a. für motivationale Variablen (bspw. „work engagement“ [27] oder „vigor“ [20]) oftmals vor dem theoretischen Hintergrund des Job-demands-resources-Modell [2] nachgewiesen wurden. Gute soziale Beziehungen bei der Arbeit gelten somit per se als positiv für die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten [4, 10].

Daneben werden soziale Beziehungen am Arbeitsplatz auch als Moderator diskutiert, d. h. die Rolle sozialer Beziehungen als Puffer bei (zu) hohen Belastungen bzw. Anforderungen. In dieser Rolle würden gute soziale Beziehungen zum einen den Umgang mit hohen Anforderungen erleichtern bzw. einen adäquaten Umgang mit hohen Anforderungen überhaupt erst ermöglichen [10, 17]. Zum anderen würden gute soziale Beziehungen die möglichen negativen Auswirkungen von Belastungen bzw. zu hohen Anforderungen abpuffern [5, 11].

Studien zur Pufferrolle sozialer Beziehungen kommen allerdings oftmals zu inkonsistenten Ergebnissen [13]. Eine Erklärung hierfür wird darin gesehen, dass die untersuchten Formen sozialer Beziehungen nicht zu den Belastungen bzw. Anforderungen passen, es also keinen „Match“ zwischen Ressource und Belastung gibt. Die Untersuchung sozialer Beziehungen als Ressource erfolgt überwiegend generell für die Belastung bzw. Anforderungen und nur selten für spezifische Anforderungen [6, 7, 18].

An diesem Defizit setzt die vorliegende Studie an, die auf Basis einer Interviewstudie mit Beschäftigten in Dienstleistungs- und Wissensarbeit soziale Beziehungen als Ressource spezifisch für die Anforderung Zeit- und Leistungsdruck betrachtet. Hierbei wird analysiert, welche konkreten Aspekte sozialer Beziehungen bzw. Inhalte sozialer Unterstützung hilfreich bei Arbeit unter Zeit- und Leistungsdruck sind.

Methoden

Die Interviewstudie erfolgte im Rahmen eines qualitativen Forschungsprojekts, das gesundheitserhaltende Umgangsweisen von Beschäftigten mit Zeit- und Leistungsdruck und deren Voraussetzungen im Fokus hatte. Es wurden Fallstudien in insgesamt fünf verschiedenen mittelgroßen Betrieben der Dienstleistungs- und Wissensarbeit durchgeführt, die den Bereichen (1) Umwelt, (2) Kultur, (3) Finanzwirtschaft, (4) Sozialpsychiatrie sowie (5) Pflege entstammten. Die Betriebe konnten für die Teilnahme an den Fallstudien gewonnen werden, da Zeit- und Leistungsdruck eine zentrale Anforderung für einen Großteil der Belegschaft darstellte.

Die Fallstudien umfassten in jedem Betrieb zunächst ein persönliches Vorgespräch mit Beschäftigten in leitenden Positionen, bspw. aus der Personal- oder Geschäftsleitung zur Orientierung der Untersucherinnen über den jeweiligen Betrieb mit seinen Bereichen sowie der Auswahl von Bereichen für die Teilnahme an den nachfolgenden Untersuchungen. In den ausgewählten Bereichen wurden im Anschluss Experteninterviews mit den Bereichsleitungen oder ihrer Stellvertretung durchgeführt (1–3 pro Betrieb), um einen guten Einblick in den jeweiligen Bereich zu erhalten und Beschäftigte auszuwählen, die an Interviews teilnehmen sollten. Einige Experteninterviews wurden um eine Sichtung von Dokumenten und deren Analyse ergänzt (bspw. Organigramme, Stellenbeschreibungen), um vorab noch mehr über die Tätigkeiten der für die Interviews ausgewählten Beschäftigten sowie deren organisationale Einbettung zu erfahren. Den Kern der Fallstudie bildeten die Beschäftigteninterviews, die nachfolgend genauer beschrieben werden.

Stichprobe

Pro Betrieb konnten 8–10 Beschäftigte für die Teilnahme an den Interviews gewonnen werden, so dass insgesamt 45 Beschäftigteninterviews durchgeführt wurden. Die Interviewten gingen einer großen Bandbreite an Tätigkeiten der Dienstleistungs- und Wissensarbeit nach. Da das Prinzip des „maximum variation sampling“ [25] verfolgt wurde, war diese große Heterogenität an Tätigkeiten innerhalb der Dienstleistungs- und Wissensarbeit intendiert.

Der überwiegende Anteil der Interviewten war weiblich (31 w/14 m) und stand in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis (39 unbefristet/6 befristet). Die Dauer der derzeitigen Tätigkeitsausübung variierte stark (Jobalter zwischen <5 bis >25 Jahren), wobei das Verhältnis in Vollzeit und Teilzeit tätiger Interviewter ausgeglichen war (22 Teilzeit/23 Vollzeit). Der Großteil der Interviewten wurde bewusst ohne Führungsverantwortung ausgewählt (37 Interviewte). In jedem Betrieb wurden jedoch exemplarisch auch Interviews mit Beschäftigten in mittleren Führungspositionen (z. B. Abteilungsleitung) geführt.

Ablauf

Die Interviews hatten in der Regel eine Dauer von 60 bis 90 min und wurden aufgezeichnet und im Anschluss wortwörtlich transkribiert. Alle Interviewten erklärten ihre freiwillige Teilnahme über eine Einwilligungserklärung, die sie jederzeit zurückziehen konnten. Vor Beginn der Interviews wurden sie außerdem nochmals persönlich über die Projektziele, die anonymisierte Datenverwendung, den Datenschutz (abgesichert über eine Datenschutzerklärung) sowie den Ablauf und Inhalt der Interviews informiert.

Die Interviews waren teilstrukturiert [12, 21] und starteten jeweils mit einer detaillierten Beschreibung der ausgeübten Tätigkeiten durch die Beschäftigten und – so weit möglich – der Schilderung eines typischen Arbeitstages. Zudem wurden die Beschäftigten nach ihrem Verständnis von Zeit- und Leistungsdruck und ihrer Einschätzung zu ihrer Zeit- und Leistungsdrucksituation befragt. Der Hauptteil des Interviews bezog sich dann auf die drei Themen 1) Umgangsweisen der Beschäftigten mit Zeit- und Leistungsdruck, 2) deren Voraussetzungen und 3) deren Folgen. Dabei wurde möglichst erzählgenerierend und illustrativ anhand der ausgeübten Tätigkeiten vorgegangen.

Auswertung

Alle Transkripte wurden einer softwaregestützten (MAXqda, Version 11, VERBI GmbH, Berlin, Deutschland) qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen, um auf systematische Art und Weise zentrale Themen im Interviewmaterial zu identifizieren [19, 22, 23]. Hierbei wurde das Material zunächst unter Anwendung der Kategorien aus dem Interviewleitfaden deduktiv kodiert. Im Anschluss erfolgte eine induktive Ausdifferenzierung in mehreren Schritten, um innerhalb der deduktiven Oberkategorien zentrale Themen und Unterthemen über alle Interviews zu ermitteln. Abschließend wurden die Techniken der Explikation und Zusammenfassung angewendet. Die Explikation verfolgte das Ziel, die zentralen Themen zu kontextualisieren, während durch die Zusammenfassung die zentralen Themen mit ihren Unterthemen noch einmal geordnet und strukturiert wurden. Diese Entwicklung des Kodesystems erfolgte über 29 Interviews von zwei Wissenschaftlerinnen, d. h. die Auswertungsschritte wurden doppelt durchgeführt bis eine Sättigung im Material erreicht war und keine neuen Themen mehr identifiziert wurden. Die Wissenschaftlerinnen trafen sich im Auswertungsprozess regelmäßig, um sich über die entstehenden Themen auszutauschen und die Ergebnisse kommunikativ zu validieren.

Als ein zentrales Ergebnis der induktiven Kodierung und Thema bei Arbeit unter Zeit- und Leistungsdruck stellten sich die „Sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz“ heraus. Im Folgenden werden die Ergebnisse zu diesem Thema berichtet.

Ergebnisse

Es konnten verschiedene Aspekte der sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz identifiziert werden, die die Beschäftigten in zweierlei Hinsicht als sehr hilfreich für die Anforderung Zeit- und Leistungsdruck beschreiben: zum einen für einen guten Umgang mit vorhandenem Zeit- und Leistungsdruck, d. h. als Voraussetzung für die Umsetzung eher gesundheitserhaltender Strategien, und zum anderen als Puffer für mögliche Beeinträchtigungen des Befindens, d. h. um vorhandenen Zeit- und Leistungsdruck möglichst ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen zu bewältigen.

Als sehr relevant für diese Doppelrolle als Ressource konnte ein gutes Teamklima identifiziert werden, das die Beschäftigten über unterschiedliche Facetten beschreiben. Zum einen gehört zu diesem guten Teamklima die Wahrnehmung einer grundsätzlich guten Atmosphäre im Team. Die Beschäftigten schildern hier, dass eine gute Stimmung sowie ein kollegiales Miteinander herrschen und sich die Kolleginnen und Kollegen untereinander mögen und schätzen. Hierdurch gäbe es eine generell gute Arbeitsatmosphäre im Team ohne „Ellenbogenkultur“ oder die Profilierung einzelner auf Kosten anderer. Zu einem guten Teamklima gehört weiterhin die Wahrnehmung von jederzeit abrufbarem Rückhalt durch das Team. Die Befragten beschreiben diese Facette sehr bildhaft als „Rückendeckung durch das Team bekommen“ oder „das Team im Rücken haben“ und meinen hierbei die Wahrnehmung, Entscheidungen und Verantwortung nicht alleine tragen zu müssen, sondern im Bedarfsfall jederzeit auf den Zusammenhalt im Team zählen zu können. Hierdurch empfinden die Beschäftigten Sicherheit und eine extreme Entlastung in Drucksituationen, da sie sich nicht alleine, sondern als Teil des Teams fühlen. Schließlich wird die Wahrnehmung einer guten Interaktions- und Kommunikationsqualität als wichtige Facette beschrieben. Diese drückt sich in einem offenen und ehrlichen Umgang miteinander aus und dem Wissen, dass keine Intrigen oder Lästereien hinter dem Rücken zu befürchten sind. Weiterhin gehört hierzu die Wahrnehmung des Teams als eine eingespielte Einheit, in der die Beschäftigten einschätzen können, wie einzelne Teammitglieder „ticken“ und „zu nehmen sind“.

Neben der Beschreibung der Wichtigkeit eines guten Teamklimas, führen die Beschäftigten Aspekte der sozialen Unterstützung als hilfreich bei Arbeit unter Zeit- und Leistungsdruck an. Sowohl die instrumentelle als auch die informationale Unterstützung werden als relevant beschrieben. Dazu berichten die Beschäftigten von konkreten Unterstützungsleistungen durch Kolleginnen und Kollegen, wie bspw. das Abnehmen kleinerer Arbeitsaufträge oder Zusammenarbeit, sowie das Erhalten von Ratschlägen und von hilfreichem Austausch, bspw. zur Betreuung von Klienten. Diesbezüglich betonen sie auch die Wichtigkeit der Rücksichtnahme auf und Sensibilität für individuelle Stärken und Präferenzen einzelner Teammitglieder bei der Arbeitsverteilung. Auch die emotionale Unterstützung findet sich in den Schilderungen der Befragten. Hierunter fallen Handlungen wie Austausch mit und ein offenes Ohr von Kolleginnen und Kollegen in schwierigen oder stressigen Phasen, aber auch „Antennen“ für die Überlastung von Kolleginnen und Kollegen und diesbezügliche gegenseitige Fürsorge.

Die bislang identifizierten Aspekte beziehen sich primär auf die Kolleginnen und Kollegen als Teammitglieder und Quellen sozialer Unterstützung, aber auch auf die direkten Führungskräfte. Letztere nehmen innerhalb der sozialen Beziehungen eine Sonderrolle ein, da sie nicht nur zum Team gehören, sondern das Team zugleich führen und nach außen und gegenüber den höheren Hierarchieebenen vertreten. Werden die direkten Führungskräfte diesbezüglich als unterstützend und als Quelle von Bestätigung und Anerkennung wahrgenommen, tragen sie zur Stärkung eines guten Teamklimas und sozialer Unterstützung und somit zu guten sozialen Beziehungen bei. Dies ist dann der Fall, wenn Führungskräfte ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bedarfsfall aktiv unterstützen oder sogar verteidigen, ihre Leistung wertschätzen, Druck von oben abpuffern anstatt „nach unten zu treten“ und sich explizit um eine gute Atmosphäre im Team und Schutz vor Überlastung bemühen, auch durch das eigene authentische Verhalten, das somit als Vorbild dient.

Doch nicht nur die direkten Führungskräfte, sondern auch Führungskräfte höherer Ebenen (bis hin zur Geschäftsführung) werden explizit als Fördererinnen und Förderer guter sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz gesehen. Dies ist dann der Fall, wenn sie ebenfalls als Quelle von Verständnis, Bestätigung und Anerkennung wahrgenommen werden, d. h. z. B. Wertschätzung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen sowie grundsätzliches Vertrauen, dass jede und jeder „sein Bestes gibt“, sowie eine offene Gesprächskultur pflegen und aufrichtiges Interesse für die Bedürfnisse und ggf. auch Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen.

Die Tab. 1 gibt die Ergebnisse der induktiven Kodierung, d. h. die identifizierten Unterthemen zur Thematik der sozialen Beziehungen bei Arbeit unter Zeit- und Leistungsdruck in der Zusammenfassung wider und illustriert sie durch Zitate aus dem empirischen Material.

Tab. 1 Induktive Kodierung mit Zitaten

Diskussion

Gute soziale Beziehungen am Arbeitsplatz haben eine hohe Bedeutung für einen gesundheitserhaltenden Umgang mit Zeit- und Leistungsdruck und als Puffer für mögliche Beeinträchtigungen des Befindens. Sie helfen den Beschäftigten nicht nur dabei, eher gesundheitserhaltende Umgangsweisen mit Zeit- und Leistungsdruck alleine und im Team zu realisieren, sondern auch dabei, vorhandenen Zeit- und Leistungsdruck ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen zu bewältigen. Viele Beschäftigte betrachten gute soziale Beziehungen am Arbeitsplatz sogar als das „Zünglein an der Waage“, ohne das der Zeit- und Leistungsdruck nicht mehr ohne Beeinträchtigungen „zu ertragen“ wäre. Gute soziale Beziehungen stellen somit eine sehr wichtige Ressource spezifisch bei Arbeit unter Zeit- und Leistungsdruck dar [11].

In der Literatur gängige Aspekte sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz [10, 16, 18, 20] finden sich in den Beschreibungen der befragten Beschäftigten wider, wobei sowohl Inhalte sozialer Unterstützung als auch Facetten eines guten Teamklimas eine wichtige Rolle spielen. Für Zeit- und Leistungsdruck sind somit soziale Beziehungen im Sinne eines engen Verständnisses, das lediglich die instrumentelle und emotionale Unterstützung umfasst, nicht ausreichend. Es ist stattdessen ein breites Verständnis anzulegen, welches auch die informationale Unterstützung, Bestätigung und Anerkennung sowie Facetten eines guten Teamklimas umfasst. Für alle Aspekte steht bei den befragten Beschäftigten nicht die Häufigkeit des tatsächlichen Erhalts im Vordergrund, sondern deren Wahrnehmung als jederzeit abrufbare Ressource. Hier ist insbesondere der Rückhalt durch das Team als Wahrnehmung eines besonderen Teamzusammenhalts hervorzuheben. Sowohl die Kolleginnen und Kollegen als auch direkten Vorgesetzten werden als Quellen guter sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz beschrieben, wobei die direkten Vorgesetzen darüber hinaus als „Verstärker“ guter sozialer Beziehungen und als besondere Quelle von Bestätigung und Anerkennung dargestellt werden. Dies wird seltener auch für höhere Führungskräfte beschrieben.

Gute soziale Beziehungen am Arbeitsplatz entstehen und bestehen jedoch nicht von selbst, sondern bedürfen der Aufmerksamkeit und Pflege, d. h. der Investition von Zeit bspw. in Form von Gesprächen, gegenseitiger Unterstützung, emotionaler Anteilnahme oder Hilfestellungen. Gerade bei hohem Zeit- und Leistungsdruck ist diese Zeit jedoch oftmals nicht vorhanden, so dass die sozialen Beziehungen leiden und sich einzelne oder mehrere Aspekte verschlechtern [15]. Solch eine Beeinträchtigung der sozialen Beziehungen als Folge von Zeit- und Leistungsdruck wurde auch in den Interviews von vielen Beschäftigten geschildert. Verlustspiralen aus einer Verschlechterung der sozialen Beziehungen und immer schwerer zu bewältigendem Zeit- und Leistungsdruck sind im Sinne der Gesundheit der Beschäftigten unbedingt zu vermeiden [14, 15]. Dem Wegbrechen guter sozialer Beziehungen sollte bei hohem Zeit- und Leistungsdruck aktiv entgegengewirkt werden. Dies kann im Rahmen der Arbeitsgestaltung, insbesondere im Kontext des Arbeitsschutzes bei der Durchführung einer ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, gelingen, bei der auch das Zusammenspiel zwischen unterschiedlichen Arbeitsmerkmalen – wie Zeit- und Leistungsdruck und sozialen Beziehungen – berücksichtigt wird [1, 4, 24]. Flankierende Maßnahmen zum Erhalt eines guten Teamklimas, der Zusammenarbeit und des Zusammenhalts zwischen den Beschäftigten, beispielsweise aus dem Bereich der Teamentwicklung oder des betrieblichen Gesundheitsmanagements, sind ebenfalls wichtig [19].

Fazit für die Praxis

  • Gute soziale Beziehungen am Arbeitsplatz sind eine wichtige Ressource bei Arbeit unter Zeit- und Leistungsdruck. Sie erleichtern den Beschäftigten den Umgang mit Zeit- und Leistungsdruck und können mögliche negative Folgen abpuffern.

  • Die Wahrnehmung guter sozialer Beziehungen als „Stand-by-Ressource“, die jederzeit abgerufen werden kann, stellt neben tatsächlich erhaltener Unterstützung eine große Entlastung bei Arbeit unter Zeit- und Leistungsdruck dar.

  • Gerade in Phasen mit hohem Zeit- und Leistungsdruck sind gute soziale Beziehungen jedoch nicht selbstverständlich, sondern sollten gezielt unterstützt werden, bspw. durch Teamsitzungen oder Teammaßnahmen, in denen nicht nur arbeitsbezogene Themen Raum bekommen.

  • Die Pflege guter sozialer Beziehungen bspw. in Form von „Flurgesprächen“, gemeinsamen Pausen, spontanem informellen Austausch, aber auch regelmäßigen Teamsitzungen oder geplantem arbeitsbezogenem Austausch bspw. zu Projekten oder Klientinnen und Klienten/Patientinnen und Patienten/Kundinnen und Kunden, sollte gerade bei Arbeit unter Zeit- und Leistungsdruck wertgeschätzt, in ihrer Relevanz anerkannt und nicht als „Zeitfresser“ betrachtet werden.