Hintergrund

Fast jede*r Heranwachsende erlebt während der Schullaufbahn einen schulischen Übergang [2]. Meist handelt es sich um normative bzw. reguläre Übergänge bspw. von der Grund- zur weiterführenden Schule. Weiterhin gibt es nicht-normative bzw. irreguläre Übergänge bspw. in Form einer Klassenwiederholung oder eines Schulformwechsels zu einer Schulform mit niedrigerem (Abwärtsmobilität) bzw. höherem Bildungsabschluss (Aufwärtsmobilität). Seit den 1980er-Jahren wird die Klassenwiederholung kritisch hinterfragt und die damit einhergehenden, teils dramatischen Erfahrungen der Schulkinder hervorgehoben [1]. Der Effekt der Klassenwiederholung auf das Wohlbefinden der Schulkinder an weiterführenden Schulen, differenziert nach der besuchten Schulform oder bei Schulkindern, die eine Ab- bzw. Aufwärtsmobilität erleben, wurde kaum untersucht.

Trotz vieler Jahre Diskussion und Erforschung des Konstrukts Wohlbefinden in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen existiert keine einheitliche und allgemeingültige Definition des Begriffs Wohlbefinden. So besteht kein Konsens darüber, aus welchen Komponenten sich das Wohlbefinden zusammensetzt (für eine ausführliche Diskussion und Herleitung des Konstrukts Wohlbefinden s. insbesondere [19]). Allgemein wird das Wohlbefinden als ein subjektives, mehrdimensionales Konstrukt definiert [19], welches positive Kognitionen, d. h. Einstellungen, Haltungen, Meinungen und Bewertungen (bspw. Zufriedenheit) und Emotionen wie Gefühle und Empfindungen (bspw. Freude, Optimismus) sowie die Abwesenheit von negativen Kognitionen (bspw. sich Sorgen zu machen), Emotionen (bspw. Traurigkeit, Ärger) und psychosomatischer und/oder körperlicher Beschwerden (bspw. Bauchschmerzen im Unterricht), umfasst [19, 21]. Einzelne Komponenten des Wohlbefindens sind teilweise aber nicht ausschließlich kognitiven bzw. affektiven Anteilen des Wohlbefindens zuzuordnen. Dabei ist Wohlbefinden immer kontextbezogen, different nach Lebensphasen, habituell sowie temporär [19]. Kontextbezogen bedeutet, dass je nach Lebensbereich (bspw. Schule, Familie oder Freunde) das Wohlbefinden unterschiedlich ausgeprägt sein kann, da die eigene Erlebnisqualität in unterschiedlichen Lebensbereichen variiert [19]; bspw. stellt die allgemeine Lebenszufriedenheit die kognitive Bewertung der gesamten Lebensqualität dar und Schulzufriedenheit die kognitive Bewertung der schulischen Situation. Das schulische Wohlbefinden umfasst ebenso wie das allgemeine Wohlbefinden sowohl positive, d. h. eine positive Gefühlshaltung gegenüber der Schule, Empfinden von Freude im Schulalltag und schulisches Selbstbewusstsein der Schüler*innen, als auch negative Komponenten, d. h. Sorgen, physische Beschwerden und soziale Probleme aufgrund bzw. in der Schule [21]. Das Selbstkonzept ist ebenfalls ein multidimensionales Konstrukt, welches kognitiv-evaluative sowie affektive Aspekte (Selbstwertgefühl) umfasst [37], und hinsichtlich einzelner Aspekte Überschneidungspunkte zum Konstrukt des Wohlbefindens aufweist [12]. Im Allgemeinen bezieht sich das Selbstkonzept auf die individuelle Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, welche im Wesentlichen durch einen Vergleich mit anderen entwickelt wird [37]. Das akademische Selbstkonzept wird insbesondere durch sog. Referenzgruppeneffekte beeinflusst, bei welchen Schulkinder ihre selbst wahrgenommenen Leistungen oder Schulnoten mit den Schulnoten und wahrgenommenen Leistungen anderer Schulkinder in einzelnen Leistungsbereichen vergleichen [38]. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass soziale Vergleiche Schulkinder dazu veranlassen, ihre akademischen Kompetenzen in Frage zu stellen, sich in ihrem Selbstwertgefühl bedroht zu fühlen und ihre schulischen Leistungen im Vergleich zu Schulleistungen Gleichaltriger als weniger kompetent einzuschätzen [59]. Dieser Effekt, dass Schulkinder – trotz ihrer gleichen individuellen Leistungsfähigkeit – ein geringeres akademisches Selbstkonzept in Schulklassen haben, in denen das durchschnittliche Leistungsniveau der Klassenkamerad*innen hoch ist bzw. ein höheres Selbstkonzept in Schulklassen haben, in denen das durchschnittliche Leistungsniveau niedriger ist, wird auch als Big-fish-little-pond-Effekt bezeichnet [37].

Klassenwiederholung als kritisches Ereignis für das Wohlbefinden

In Deutschland geben 18,1 % der 15-jährigen Schulkinder an, eine Klasse wiederholt zu haben [44]. Die Rate an Klassenwiederholungen unterscheidet sich zwischen den Schulformen deutlich zu Ungunsten von Haupt- und Realschulen (2016/17: 4,7 % Hauptschule, 4,3 % Realschule, 3,4 % Schulen mit mehreren Bildungsgängen, 2,1 % Gymnasium [57]).

Eine Klassenwiederholung erfolgt u. a. aufgrund einer Nichtversetzung wegen des Nichterreichens der grundlegenden Lernziele eines Jahrgangs in mehreren Schulfächern [53] oder einer freiwilligen Wiederholung [56]. Eine Rückversetzung ist das Jahr vor der eigentlichen Klassenwiederholung, in welcher bspw. die Lernziele nicht erreicht wurden und folglich die Entscheidung der Klassenwiederholung getroffen wird. Weiterhin besteht die Option eines Schulformwechsels in Form einer Auf- oder Abwärtsmobilität, um die früh getroffene Entscheidung über die weiterführende Schulform am Ende der Grundschule korrigieren zu können und Kindern bei verändertem Leistungsverhalten andere Bildungswege offen zu halten [43].

Die Lebenslauf- und schulische Transitionsforschung bezeichnet normative Übergänge als kritische Ereignisse [14, 15], an denen sich ge- oder misslingende Schulkarrieren von Schulkindern manifestieren können [17]. Als kritisch werden solche Ereignisse bezeichnet, welche durch Veränderungen der (sozialen) Lebenssituation gekennzeichnet sind [15]. So stellt auch der Wechsel von der Grund- zur weiterführenden Schule eine Veränderung des (sozialen) schulischen Umfeldes dar, welches bspw. durch neue Peers, Lehrpersonen aber auch andere Lehr-Lern-Methoden geprägt ist [41]. Die Bewältigung des Ereignisses bedingt, ob der Übergang zum kritischen Ereignis wird, d. h. wie die Person den Anforderungen begegnet, das Ereignis wahrnimmt, bewertet und bewältigt [15]. Eine positive Affektivität in der Auseinandersetzung mit kritischen Ereignissen kann die Bewältigung des Ereignisses erleichtern und auf der anderen Seite kann negative Affektivität als ein Risikofaktor bei der Bewältigung wirken [15]. Kritische Ereignisse, wie auch eine nicht-normative Transition, gehen meist mit AnpassungsaufgabenFootnote 1 [18, 55], aber auch Entwicklungs- und LernchancenFootnote 2 einher [4, 36]. So kann bspw. eine Schullaufbahnentscheidung, eine Klassenwiederholung, eine Auf- bzw. Abschulung und ein damit einhergehender Wechsel des schulischen Umfeldes einen Karrieresprung oder Abstieg markieren [10]. Es zeigt sich, dass Schulkinder mit bestimmten vertikalen und horizontalen Ungleichheitsmerkmalen widerstandsfähiger (resilienter)Footnote 3 oder verletzlicher (vulnerabler) hinsichtlich der Auseinandersetzung mit potenziell entwicklungsprägenden, also kritischen Ereignissen, sind [5, 35]. Diese (erfolgreichen) Adaptionsprozesse an ein neues (soziales) schulisches Umfeld, sind bedeutend für die individuelle Bildungsbiografie von Schulkindern [15, 17]. Darüber hinaus kann der Übergang auch langfristig (d. h. über die Schulzeit hinweg) für das Wohlbefinden Heranwachsender von Bedeutung sein [51, 64].

Die Bedeutung des Übergangs für das Wohlbefinden ist insofern relevant, da neben der schulischen Leistung das Wohlbefinden im Schulalter als eine zentrale Einflussgröße für das Gelingen in der Schule gilt [47]. So gehen positive Emotionen häufig mit einer Leistungssteigerung sowie Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Informationen einher und scheinen zu einer „Aufwärtsspirale des Wohlbefindens“ beizutragen [15]. Ebenso kann bspw. eine hohe Lebenszufriedenheit, als Teil des allgemeinen Wohlbefindens, als eine Art Resilienzfaktor gegenüber auffälligem Verhalten des Kindes dienen [45]. Schüler*innen, welche die Schule mit positiven Emotionen verbinden, können eher die schulischen Anforderungen erfüllen [19]. Folglich hat das Wohlbefinden aus einer salutogenetischer Perspektive heraus eine Präventionsfunktion, denn es kann als eine Ressource für den Umgang mit Schule verstanden werden [20]. Weiterhin ist das Wohlbefinden ein Indikator für eine positive Bewertung des schulischen Umfelds [20]. Zwar ist das Wohlbefinden kein Prädiktor für schulische Leistungen, jedoch – im Sinne einer Bildungsfunktion – eine notwendige kognitive und emotionale Grundlage, durch welche erfolgreiches Lernen möglich ist [20].

Für die schulischen Leistungen zeigte sich, dass eine Klassenwiederholung nur in geringem Maße und kurzfristig zu einer Verbesserung der Schulleistung des Schulkindes führt [54, 65]. Andere Evidenz deutetet darauf hin, dass eine Klassenwiederholung keine oder sogar negative Effekte für die Leistungen der wiederholenden Schulkinder hat [13, 27, 29]. Des Weiteren kam eine Studie auf Basis des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zu dem Schluss, dass Klassenwiederholungen sich weder langfristig positiv auf die Leistungsentwicklung, noch negativ auf die weitere Schul- und Berufsbiografie auswirken [9].

Ergebnisse zur Bedeutung der Klassenwiederholung für das Wohlbefinden sind heterogen [40, 65]. Für das allgemeine Wohlbefinden von Schulkindern zeigt sich ein Anstieg unmittelbar nach dem Ereignis der Klassenwiederholung [39, 65]. Für das schulische Engagement und das Selbstwertgefühl der Schulkinder wurden negative Effekte nach einer Klassenwiederholung in der Sekundarstufe I aufgezeigt [39, 40]. Erste Längsschnittanalysen zur Veränderung der Schul- und Lebenszufriedenheit um Rückversetzung und Klassenwiederholung verdeutlichen einen kurzfristigen negativen Effekt im Jahr der Rückversetzung, jedoch wurde in den ersten Jahren danach im Schnitt ein besseres Wohlbefinden als zuvor berichtet [50, 62].

Schulkinder an Schulformen mit niedrigerem Bildungsabschluss wie der Hauptschule weisen – basierend auf deskriptiven Ergebnissen – ein durchschnittlich schlechteres Wohlbefinden auf als Gymnasiast*innen [25] und wiederholen häufiger eine Klasse [57]. Jedoch ist bei Schulkindern nach dem Übergang von der Grundschule an die Hauptschule im Gegensatz zu Gymnasiast*innen eine positive Veränderung in der Schulfreude [61] und ein Anstieg der Schulzufriedenheit zu beobachten [60]. Die Unterschiede zwischen den Schulformen verschwinden teilweise bei dem Versuch sie mittels Kompositions- und Institutionseffekten zu erklären [2], unter Anwendung von Propensity-Score-Matching [30] oder auch bei der längsschnittlichen Betrachtung mit Wachstumskurven im Laufe der Sekundarstufe 1 [25]. Der Übergang an das Gymnasium ist in Deutschland weiterhin an die soziale Herkunft der Eltern geknüpft [48] und zudem zeigen sich soziale Disparitäten in den schulischen Leistungen sowie der Bildungsaspiration [3]. So weisen Gymnasiast*innen eine höhere Leistungsorientierung und Bildungsansprüche auf als Schulkinder anderer Schulformen [32]. Der Umgang mit kritischen Ereignissen kann u. a. mit der Unterstützung durch das häusliche Umfeld zusammenhängen [15]. So könnte die stärkere außerschulische Unterstützung, wie sie insbesondere an Realschulen, aber auch Gymnasien zu finden ist [52], sich positiv auf die Bewältigung des Ereignisses der Klassenwiederholung auswirken.

Für Schulkinder, die bereits von einer weiterführenden Schule an eine andere Schule mit niedrigerem Bildungsabschluss wechselten, kann vermutet werden, dass diese weniger in der neuen Klasse überfordert sind und sich weniger mit Vergleichen sowie Konkurrenz zu sog. Referenzgruppen konfrontiert sehen [7]. Denn das Wohlbefinden wird durch Faktoren des Umfelds, wie bspw. Unter- und Überforderung der Schulkinder, bestimmt und wie bereits ausgeführt, geht das Erleben von kritischen Lebensereignissen mit Anpassungsleistungen einher [15, 21]. Bei Schulkindern, welche die Anpassungen an eine neue Lernumgebung bereits erlebt haben, könnte sich folglich das Wohlbefinden nach der Klassenwiederholung verbessern. In Bezug auf psychosomatische Beschwerden (u. a. Kopf- und Magenschmerzen, Nervosität) konnte im Sinne des Big-fish-little-pond-Effekts [37] gezeigt werden, dass Schulkinder mit einem durchschnittlich schlechteren akademischen Selbstkonzept eine höhere Wahrscheinlichkeit für psychosomatische Beschwerden aufweisen, wenn sie eine Klasse mit einem höheren Anteil von Schulkindern mit einem guten bis sehr guten akademischen Selbstkonzept besuchen [46]. So könnte vermutet werden, dass Schulkinder durch eine Klassenwiederholung ihr akademisches Selbstkonzept, als Teil des Wohlbefindens, im Umfeld der neuen Klasse besser einschätzen. Es ist jedoch anzunehmen, dass eine Abwärtsmobilität aufgrund oft langanhaltender Erfahrungen des Schulversagens sich negativ auf das Wohlbefinden von Schulkindern auswirken kann [26].

Ziel dieses Beitrags ist es, anhand der Daten des NEPS längsschnittlich zu untersuchen, ob das Ereignis der Klassenwiederholung mit einer Veränderung im Wohlbefinden, differenziert nach Schulform sowie Ab- und Aufwärtsmobilität, einhergeht. Dabei verfolgt der Beitrag folgende Fragestellungen:

  1. 1.

    Wie verändert sich das Wohlbefinden von Schulkindern vor, während und nach der Klassenwiederholung differenziert nach der besuchten Schulform?

  2. 2.

    Wie verändert sich das Wohlbefinden von Schulkindern mit einem zusätzlich erlebten Wechsel der Schulform vor, während und nach der Klassenwiederholung?

Material und Methode

Datengrundlage und Stichprobe

Datengrundlage bildet das NEPS, welches vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung (LIfBi) an der Universität Bamberg durchgeführt wird, mit dem Ziel, Bildungsprozesse in Deutschland über den Lebensverlauf zu erforschen. NEPS startete 2010 mit sechs Startkohorten (SC) und bietet Informationen zu Kompetenzentwicklung, Lernumgebung, Bildungsentscheidungen, Migrationshintergrund und Bildungsrenditen [6].

Für die Erforschung zeitlicher Dynamiken des Wohlbefindens von Schulkindern der Sekundarstufe I in Deutschland (SC 3: ab Klasse 5, https://doi.org/10.5157/NEPS:SC3:9.0.0.) wurden neun NEPS-Wellen von 2010/2011 bis 2017/2018 berücksichtigt. Die Ausgangsstichprobe umfasste n = 8317 Schulkinder in Deutschland, die alle in Welle 1 (2010/2011) die Klasse 5 besuchten. Die Selektion der analytischen Stichprobe erfolgte in mehreren Schritten (detailliert siehe [50]). Ausgeschlossen wurden Schulkinder mit Migrationshintergrund erster und zweiter Generation aufgrund heterogener elterlicher Bildungsaspirationen sowie Unterschiede im Bildungserfolg bestimmter Migrant*innengruppen in Deutschland [42]. Es ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Bildungsaspirationen heterogene Effekte in der Bedeutung der Klassenwiederholung für das Wohlbefinden hervorrufen. Weiterhin wurde die Stichprobe auf Schulkinder reduziert, die folgende Kriterien erfüllten: 1) valide Angaben zur Schulform- und Wohlbefinden, 2) (längsschnittlich) konsistente Informationen zur Klassenwiederholung sowie 3) sofern zurückversetzt, mit mindestens zwei gültigen Messungen des Wohlbefindens jeweils einmal vor der Rückversetzung und einmal danach. Wegen einer zu geringen Anzahl an Rückversetzungen und Klassenwiederholungen wurden Gesamt- und Förderschüler*innen (n = 307 bzw. n = 316) ausgeschlossen. Es verblieben nur diejenigen Schulkinder in der Stichprobe, die in mindestens einem der Schulfächer (Mathematik, Deutsch, Physik, Chemie, Biologie oder Naturwissenschaften) jemals auf einer weiterführenden Schule eine Note „4“, „5“ oder „6“ auf ihrem Halbjahres- oder Jahreszeugnis hatten. Dies führte zu einer Stichprobe von endgültig n = 3691 Schulkindern, die aufgrund ihrer Schulleistungen einem realistischen Risiko der Rückversetzung ab der Klasse 6 ausgesetzt waren. Als Schulformen vertreten waren Hauptschulen, Schulen mit mehreren Bildungsgängen, Realschulen und Gymnasien.

Variablenbeschreibung

Abhängige Variable.

Das Wohlbefinden ist ein mehrdimensionales Konstrukt, welches sich auf die Zufriedenheit mit unterschiedlichen Lebensaspekten bezieht und mit einem Set von Fragen: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit (…)?“ auf einer Skala von 0 „ganz und gar unzufrieden“ bis 10 „ganz und gar zufrieden“ erhoben wurde. [8, 58]. Erstellt wurde ein Mittelwertindex (Cronbachs α = 0,865), der sich aus sechs folgenden Zufriedenheitsitems zusammensetzt: 1) Zufriedenheit mit dem Leben, 2) mit dem Lebensstandard, 3) mit der Gesundheit, 4) mit dem Familienleben, 5) mit dem Bekannten- und Freundeskreis sowie 6) mit der aktuellen schulischen Situation. Die Skalierung des Mittelwertindex entspricht der Skalierung der Einzelitems (von 0 „ganz und gar unzufrieden“ bis 10 „ganz und gar zufrieden“, [50]).

Gruppenvariablen.

Um gruppenspezifische Zufriedenheitsverläufe um das Ereignis der Klassenwiederholung zu analysieren, wurde nach zeitkonstanter eindeutig zuordenbarer Schulform differenziert (ausführlich siehe [50]).

In der finalen Stichprobe, also von leistungsschwächeren Schulkindern ohne Migrationshintergrund, ergeben sich folgende Rückversetzung- und Klassenwiederholungsraten:

  • Hauptschulen: 9,8 % (46 Rückversetzungen von n = 470),

  • Schulen mit mehreren Bildungsgängen: 9,1 % (47 Rückversetzungen von n = 518),

  • Realschulen: 17,2 % (149 Rückversetzungen von n = 864),

  • Gymnasien: 12,8 % (204 Rückversetzungen von n = 1589),

Schulwechsel: 28,0 % (70 Rückversetzungen von n = 250).

Ereigniszeit-Dummies.

Um Veränderungen des Wohlbefindens um die Rückversetzung und Klassenwiederholung zu quantifizieren, wurde ein Set von ereigniszentrierten Dummy-Variablen kreiert. Die erste Ereigniszeit-Dummy („davor“) stellt die Referenzkategorie dar und umfasst Messungen des Wohlbefindens aller n = 3691 Schulkinder aus der Zeit vor der Rückversetzung (bis maximal ein Jahr davor), unabhängig davon, ob sie später eine Rückversetzung erleben. Die fünf darauffolgenden Dummies beziehen sich auf die intraindividuelle durchschnittliche Veränderung des Wohlbefindens von n = 516 Klassenwiederholer*innen. Gemeint sind folgende Dummies: eine Dummy für das Jahr der Rückversetzung, eine Dummy für das Jahr der Klassenwiederholung sowie drei jahresbezogene Dummies für jeweils den kurzfristigen („+1“), mittelfristigen („+2“) und langfristigen Effekt der Rückversetzung („später“, +3 bis +5 Jahre).

Zeitveränderliche unabhängige Variablen.

Es wurden 5 inhaltlich bedeutsame, zeitveränderliche Kovariaten einbezogen: 1) linearer, quadratischer und kubischer mittelwertzentrierter Altersterm, um die altersbedingte und nicht lineare Veränderung des Wohlbefindens zu erfassen, 2) die selbstberichtete Gesundheit der Schulkinder (kodiert: 0 „sehr schlecht“ bis 4 „sehr gut“), die sowohl die schulischen Fehlzeiten als auch das Wohlbefinden beeinflussen kann, 3) eine Dummy-Variable ab dem Zeitpunkt angefangener Ausbildung (kodiert: 0 „nicht in Ausbildung“, 1 „in Ausbildung“), 4) eine Dummy-Variable ab dem Zeitpunkt des Schulformwechsels (kodiert: 0 „kein Wechsel“, 1 „Schulformwechsel“, wichtig nur für die Teilstichprobe des Schulformwechsels) und 5) eine Dummy-Variable für Paneldropout (kodiert: 0 „Verbleib im Panel“, 1 „endgültiges Ausscheiden aus dem Panel“).

Analysestrategie

Es wurden gruppenspezifische Fixed Effects Dummy Regressionen [11] geschätzt, welche die intraindividuelle Veränderung des Wohlbefindens um die Rückversetzung und Klassenwiederholung im Vergleich zum Ausgangsniveau (d. h. Zeit vor der Rückversetzung) in jeder Ereigniszeit-Dummy jahresbezogen erfassen. Die Methode bietet einen Sparsamkeitsvorteil, eliminiert größtenteils zeitkonstante unbeobachtete Heterogenität und reduziert Selbstselektion. Sämtliche Regressionsmodelle wurden mit dem xtreg-Befehl (unter Verwendung panelrobuster Standardfehler) in STATA (StataCorp LLC, College Station, TX, USA) Version 16.0 geschätzt (für die analytische Gleichung und eine umfassende Diskussion in Bezug auf die genestete Datenstruktur von wiederholten Messungen genestet in Schulkindern und Schulkindern genestet in Schulklassen und Schulen siehe Rathmann et al. [50]).

Ergebnisse

Deskriptive Ergebnisse

Die deskriptiven Statistiken zeigen, dass die Vergleichsgruppe (n = 3175 Schulkinder ohne eine erlebte Rückversetzung) und die Klassenwiederholer*innen (n = 516) sich in der ersten Panelbeobachtung hinsichtlich des Alters und der durchschnittlichen subjektiven Gesundheitseinschätzung ähnlich waren (vgl. digitaler Anhang 1A). Das Wohlbefinden war jedoch bei den zurückversetzen Schulkindern von Anfang an niedriger (8,03 vs. 8,36 in der Vergleichsgruppe).

Von allen untersuchten Schulformen wurde das Gymnasium am häufigsten besucht (43 % in der Vergleichsgruppe vs. 39 % bei Klassenwiederholer*innen), gefolgt von Realschulen (22 % vs. 29 %). Die restlichen ein Drittel verteilten sich auf Schulen mit mehreren Bildungsgängen, Hauptschulen und die Gruppe derjenigen, die von einem Schulformwechsel betroffen waren, sei es von Ab- oder Aufwärtsmobilität. Das höchste Wohlbefinden berichteten in der Vergleichsgruppe die Gymnasiast*innen (8,67), das niedrigste Hauptschüler*innen sowie Kinder an Schulen mit mehreren Bildungsgängen (jeweils 8,06 und 8,09). In der Gruppe der Klassenwiederholer*innen lagen Gymnasiast*innen ebenfalls vorne, verzeichneten jedoch einen wesentlichen Rückgang des Wohlbefindens im Zeitraum vor der Rückversetzung (von 8,24 auf 7,62).

Schulkinder, die in der Sekundarstufe I eine Klassenwiederholung erlebten und die Schulform wechselten, verdienen eine gesonderte Betrachtung, unterteilt 1) in aufwärtsmobile Schulkinder sowie 2) abwärtsmobile Schulkinder. Beim Wechsel auf eine Schulform mit höherem Bildungsabschluss blieb das durchschnittliche Wohlbefinden im Zeitraum vor der Rückversetzung beinahe konstant (von 7,90 auf 7,95). Im Falle von Abwärtsmobilität verschlechterte sich das Wohlbefinden vor der Rückversetzung deutlich (von 8,07 auf 7,02). Der Schulformwechsel fand für 43 % aller Fälle vor einer Klassenwiederholung statt. Im Einzelnen erlebten 40 % der abwärts mobilen Schulkinder zuerst eine Abschulung und dann eine Klassenwiederholung, bei 60 % war die Reihenfolge andersherum. Die Aufwärtsmobilität erfolgte in 50 % der Fälle vor einer Klassenwiederholung und in 50 % danach.

Ergebnisse aus Fixed Effects Regressionen

Die Ergebnisse aus Fixed Effects Regressionen für Schulkinder unterschiedlicher Schulformen sowie der Auf- und Abwärtsmobilität werden in Abb. 1 präsentiert (für Ergebnisse aus Fixed Effects Regression siehe digitaler Anhang Tab. 3A). Die X‑Achse korrespondiert mit den Ereigniszeit-Dummies und entspricht der Zeit vor, während und nach der Rückversetzung bzw. Klassenwiederholung. Die Y‑Achse zeigt wiederum die Veränderung des durchschnittlichen Wohlbefindens (in Skalenpunkten), verglichen mit dem Ausgangsniveau vor der Rückversetzung. Dazu werden 95 %- und 99 %-Konfidenzintervalle abgebildet.

Abb. 1
figure 1

Fixed Effects Regressionen für das Wohlbefinden, differenziert nach Schulform. KI Konfidenzintervall

Die Verläufe des Wohlbefindens ergeben für Hauptschulen und Schulen mit mehreren Bildungsgängen ein insgesamt homogenes Bild. Diese Schulkinder erfahren aufgrund einer Rückversetzung und darauffolgender Klassenwiederholung im Schnitt keine signifikante Veränderung des Wohlbefindens, weder unmittelbar noch kurz- oder mittelfristig. Einzige Ausnahme stellt der positive langfristige Effekt für Schüler*innen auf Schulen mit mehreren Bildungsgängen dar (p < 0,05). Im Kontrast dazu stehen Realschüler*innen und Gymnasiast*innen. Ihr Wohlbefinden profitiert von einer Rückversetzung und Klassenwiederholung, was sich im signifikanten Anstieg (mind. p < 0,01) des mittleren Wohlbefindens ab dem ersten Jahr nach einer Klassenwiederholung und dessen kontinuierlichen Verbleib über dem Ausgangsniveau äußert.

Schulkinder, die von einer Klassenwiederholung und zusätzlich einem Wechsel der Schulform an weiterführenden Schulen betroffen waren, lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Abwärtsmobile Schulkinder berichteten keine Veränderung des Wohlbefindens in den Jahren der Rückversetzung und Klassenwiederholung, dafür aber eine signifikante Verbesserung in den Jahren danach (p < 0,01). Aufwärtsmobile Schulkinder, berichteten einen signifikanten Rückgang des Wohlbefindens im Jahr der Rückversetzung (p < 0,01) und eine Erholung ein Jahr später, in der neuen Klasse.

Die Effekte der zeitveränderlichen Kovariaten ergeben, einen L‑förmigen Verlauf des Wohlbefindens über die Sekundarstufe I, mit Ausnahme der Hauptschüler*innen und aufwärtsmobilen Schulkindern. Weiterhin wird ersichtlich, dass eine bessere subjektive Gesundheit sowie eine angefangene Ausbildung zum signifikanten Anstieg des Wohlbefindens beitragen, mit Ausnahme der abwärtsmobilen Schulkinder für den Ausbildungseffekt.

Diskussion

Dieser Beitrag untersucht den Effekt der Klassenwiederholung auf das Wohlbefinden von Schulkindern der Sekundarstufe I aus längsschnittlicher Perspektive. Ziel war es mittels Fixed Effects Modellen zu untersuchen, wie sich das Wohlbefinden vor, während und nach einer Klassenwiederholung 1) differenziert nach Schulform und 2) im Falle einer Ab- bzw. Aufwärtsmobilität verändert.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Klassenwiederholung keinen langfristig negativen Effekt auf das Wohlbefinden der Schulkinder hat. Im Gegenteil: Während Hauptschüler*innen weder Nachteile noch Vorteile einer Rückversetzung für ihr mittleres Wohlbefinden vorweisen, zeigen sich für die anderen Schulformen nur positive Effekte: für Schulen mit mehreren Bildungsgängen langfristig, für Realschulen und Gymnasien kurz-, mittel- und langfristig.

Aus den Ergebnissen wird ersichtlich, dass die Abwärtsmobilität mit einem wesentlichen Anstieg des Wohlbefindens verbunden war, anders als bei einer Aufwärtsmobilität.

Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu früheren Studien, die eine negative Bedeutung der Klassenwiederholung für einzelne Aspekte des Wohlbefindens der Schulkinder mittels Wachstumskurven und Propensity-Score-Matching herausstellten [33, 40, 65]. Die vorliegenden längsschnittlichen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Klassenwiederholung zwar anfangs von den Schulkindern als ein einschneidendes (negatives) Ereignis erlebt wird, im Nachhinein allerdings mit großen Entwicklungschancen einhergehen kann. Wie die Formulierung „the positive lessons of loss“ [15] ausdrückt, können durch kritische Ereignisse auch wichtige Entwicklungen angestoßen werden, die eine zweite Chance im Leben der Schulkinder bieten. Die Divergenz zu bisherigen Befunden lässt sich auf unterschiedliche Gründe zurückführen. Erstens basieren bisherigen Studien auf Daten aus unterschiedlichen Ländern und somit unterschiedlichen Schulsystemen, zudem wurden verschiedene Altersgruppen sowohl in der Grund- als auch weiterführenden Schule in die Analysen einbezogen [39, 40, 65]. Empirische Befunde weisen auf eine Abnahme des Wohlbefindens mit steigender Klassenstufe und so auch mit zunehmendem Alter hin [20]. Zweitens werden in den Untersuchungen unterschiedliche Aspekte des Wohlbefindens betrachtet. So untersucht Martin [39] sowohl schulische (u. a. akademisches Selbstkonzept, Vollständigkeit der Hausaufgaben, Abwesenheit von Schule) als auch außerschulische Aspekte (Selbstwertgefühl und Verhältnis zu Peers) und verdeutlicht die positiven (u. a. Abwesenheit von Schule) wie auch negativen Aspekte (u. a. Selbstwertgefühl) nach einer Klassenwiederholung. Drittens handelt es sich um eine Längsschnittsstudie mit je bis zu neun aufeinanderfolgenden Messungen des Wohlbefindens um das Ereignis der Klassenwiederholung herum. Die verwendete Analysemethode der intraindividuellen Vergleiche über die Zeit (Fixed Effects Modelle) eliminiert – anders als in den meisten bisherigen Studien, die überwiegend querschnittlicher Natur waren – die personenbezogene zeitinvariante unbeobachtete Heterogenität als potenzielle Verzerrungsquelle.

Das Wohlbefinden vor, während und nach der Klassenwiederholung

Hinsichtlich Fragestellung 1, der Bedeutung der Klassenwiederholung differenziert nach der Schulform, zeigte sich für Realschüler*innen bereits im Jahr der Klassenwiederholung ein anhaltend positiver Effekt auf das Wohlbefinden. Hauptschüler*innen nahmen eine Klassenwiederholung kaum als ein kritisches Ereignis war, zumindest ohne Auswirkungen auf deren Wohlbefinden. Dies könnte darin begründet sein, dass Schulkinder an Schulformen niedrigerem Bildungsziel – zu denen die Hauptschule zweifelsohne zählt – sich nicht selten als „Abgehängte“ und „Misserfolg erprobte“ fühlen [16, 32], da Klassenwiederholungen häufiger an Schulformen mit niedrigerem Bildungsziel vorliegen [57]. Daher könnte es sein, dass Hauptschüler*innen bereits negative, mit der Schule assoziierte Erfahrungen erlebten und an solche Erlebnisse gewöhnt sind, sodass diese keine Bedeutung für das Wohlbefinden der Schulkinder haben. Denn ein zentraler Aspekt beim Erleben von kritischen Ereignissen ist, dass die Schulkinder Anpassungsleistungen aufgrund der Unterbrechung von bisher habitualisierten Handlungsabläufen vornehmen müssen [15].

In Gymnasien und Realschulen zeigte sich ein vernachlässigbarer Rückgang des Wohlbefindens im Jahr der Rückversetzung, danach wurde eine kontinuierliche Verbesserung des Wohlbefindens über die Zeit deutlich. Der Unterschied zur Hauptschule könnte mit dem höheren Lern- und Leistungsanspruch an anderen Schulformen zusammenhängen, der oft von Schulkindern insbesondere an Gymnasien inkorporiert wird [24]. In einer qualitativen Studie zu Bildungsorientierungen von Schulkindern im „exklusiven“ Bildungssetting des Gymnasiums konnte bspw. gezeigt werden, dass diese sich durch ihre – wenn auch nicht in allen Fällen – starke Orientierung an Leistungen auszeichnen [24]. Auch wenn anzunehmen ist, dass durch höhere Aspiration für schulischen Erfolg an Gymnasien [24, 32] ein Rückgang des Wohlbefindens während des Jahres der Rückversetzung und Klassenwiederholung zu erwarten ist, findet sich in den vorliegenden Analysen keine Evidenz dafür, dass Gymnasien mehr von diesem Problem betroffen sein sollten als andere Schulformen. Ob das Ereignis hier als nachhaltig kritisch wahrgenommen wird, könnte aber durch die Unterstützung des Umfelds (u. a. der Familie, des Lehrpersonals) beeinflusst werden, wie sich für den normativen Übergang zeigte [28, 63].

Für die Fragestellung 2, der Bedeutung der Klassenwiederholung für das Wohlbefinden für Schulkinder, die einen Schulwechsel vollzogen, zeigt sich für abwärtsmobile Schulkinder, dass die Klassenwiederholung einen mittel- und langfristigen positiven Effekt auf das Wohlbefinden hat. Die fehlenden negativen Effekte können darauf zurückzuführen sein, dass die Anpassungsleistungen, die mit einer Klassenwiederholung einhergehen, für diese Gruppe von Schulkindern vertraut sind. Für aufwärtsmobile Schulkinder zeigt sich dagegen ein kurzfristiger Rückgang des Wohlbefindens im Jahr der Rückversetzung. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass diese Schulkinder höhere Bildungsaspirationen aufweisen; denn höhere Bildungsaspirationen könnten ihrerseits Grund für den Wechsel sein. Die Klassenwiederholung in Kombination mit dem Schulwechsel können im Fall von aufwärtsmobilen Schulkindern als Chance zur Erreichung des gesetzten Bildungsabschlusses wahrgenommen werden.

Da kaum Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens während einer Klassenwiederholung vorliegen, gilt es, diese in Zukunft zu entwickeln und zu erproben. Bisherige Studien zeigen beim normativen Übergang, dass eine soziale Unterstützung durch Gleichaltrige und Erziehungsberechtigte [28, 63] oder die fachliche Vor- und Nachbereitung des Übergangs durch das Lehrpersonal [17] vorteilhaft für die positive Bewältigung des Übergangs ist. Diese Maßnahmen zur fachlichen Vor- und Nachbereitung könnten auf den Übergang der Klassenwiederholung übertragen werden und sich positiv auf das Wohlbefinden der Schulkinder auswirken. Denn eine positive Bewertung des bevorstehenden Übergangs geht häufig mit einer positiven Entwicklung des Wohlbefindens nach einem Übergang einher [31].

Limitationen

Eine der Stärken dieser Studie ist die Nutzung repräsentativer längsschnittlicher Paneldaten des NEPS für Deutschland. Die verwendete Analysemethode lässt für Deutschland erste kausal geprägte Rückschlüsse für den Effekt der Klassenwiederholung für das Wohlbefinden von Schulkindern im Zeitverlauf zu. Die deutsche Schullandschaft kann aufgrund der stratifizierten Clusterstichprobe von NEPS bestmöglich und unverzerrt über Schultypen, Bundesländer und Regionen hinweg dargestellt werden [6]. Eine nach Bundesländern differenzierte Betrachtung gestattet NEPS nur unter bestimmten Voraussetzungen. Deswegen und aufgrund hierfür nicht ausreichender Fallzahlen werden mögliche Einflüsse länderspezifischer Gestaltung des Schulsystems nicht berücksichtigt. Im NEPS wird das Wohlbefinden über eine Adaption des „Personal Wellbeing Index“ [8] operationalisiert. Diese Operationalisierung hat sich bereits in mehreren Publikationen bewährt [25, 49, 50], jedoch ist eine dezidierte Untersuchung der affektiven und kognitiven Komponenten des Wohlbefindens mittels der NEPS-Daten nicht möglich. So wurden bspw. das Selbstwertgefühl nicht über alle Wellen hinweg und Sorgen oder körperliche Beschwerden aufgrund von Schule gar nicht erfasst. Die verwendeten Wohlbefindenitems wurden in jeder Welle erhoben und ermöglich Analysen von temporärem Charakter im Sinne der Operationalisierung des „Personal Wellbeing Index“ [8]. In den vorliegenden Analysen wurden Kinder mit Migrationshintergrund nicht berücksichtigt, da u. a. die durch den Migrationshintergrund bedingte Heterogenität der Bildungsverläufe und -aspirationen einer genaueren Berücksichtigung bedarf (für eine ausführliche Begründung siehe Abschnitt Datengrundlage und Stichprobe). In zusätzlichen Robustheitsanalysen unter Einbezug von Schulkindern mit Migrationshintergrund (nicht gezeigt) blieben die Ergebnisse größtenteils unverändert, mit Ausnahme zwei kleiner Abweichungen: 1) An Realschulen und Gymnasien fiel der temporäre Rückgang des Wohlbefindens im Jahr der Rückversetzung deutlicher aus als in Analysen ohne Kinder mit Migrationshintergrund und 2) an Schulen mit mehreren Bildungsgängen war der positive langfristige Effekt der Klassenwiederholung prägnanter. Zukünftige Studien sind dazu aufgefordert die Bedeutung der Klassenwiederholung für das Wohlbefinden von Schulkindern mit Migrationshintergrund differenziert nach Herkunft zu untersuchen. Weiterhin ist anzumerken, dass in den Analysen nicht für familiäre Ereignisse wie bspw. Scheidung oder Todesfälle kontrolliert werden konnte, da diese ebenso wie eine etwaige Freiwilligkeit der Klassenwiederholung bei NEPS nicht erfasst wurden. Da Studien bereits zeigten, dass sich die Bedeutung der Klassenwiederholung für das Wohlbefinden unterscheiden kann, wenn eine Wiederholung freiwillig oder in der Sekundarstufe II stattfand, gilt es dies weiter zu untersuchen.

Fazit für die Praxis

  • Kritische Stimmen, die sich gegen eine Klassenwiederholung aussprechen, sollten positive Auswirkungen der Klassenwiederholung für das Wohlbefinden von Realschüler*innen, Gymnasiast*innen und abwärtsmobilen Schulkindern berücksichtigen.

  • Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens im Zuge einer Rückversetzung und Klassenwiederholung erfordern eine zielgruppenspezifische Unterstützung, bspw. für Kinder unterschiedlicher Schulformen oder Altersgruppen und Kinder, die eine Ab- bzw. Aufwärtsmobilität erleben.

  • Lehrpersonal und Eltern können den Prozess der Klassenwiederholung durch eine fachliche und allgemeine Vorbereitung auf den Übergang positiv unterstützen.