Die Gesundheitskompetenz (GK) ist eine bedeutsame Fähigkeit, die zum Erhalt der eigenen Arbeits- und Leistungsfähigkeit sowie der Gesundheit und dem Wohlbefinden von Beschäftigten beitragen kann. Allerdings weist ein Großteil der deutschen Bevölkerung niedrige bzw. suboptimale Ausprägungen in der GK auf. Durch systematische Förderung von GK am Arbeitsplatz, kann GK auch nachhaltig in Unternehmen gefördert werden.

In diesem Beitrag werden Erkenntnisse zur GK von Mitarbeitenden eines verarbeitenden Unternehmens der Metallindustrie sowie mögliche Handlungsempfehlungen zur Steigerung dieser vorgestellt.

Im Arbeitskontext nehmen bedingt durch den demographischen Wandel und die damit verbundene Alterungstendenz der Belegschaft die krankheitsbedingten Fehlzeiten zu [5]. Zusätzlich wird die moderne Arbeitswelt durch die Globalisierung und Digitalisierung immer mehr geprägt von zunehmenden Anforderungen und Belastungen wie beispielsweise die Abgrenzung zwischen Beruf und anderen Lebensbereichen oder Weiterbildungsdruck [4], die Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitenden nehmen. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen sollte jeder Beschäftigte Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Erhalt der Gesundheit aufweisen, die als GK verstanden werden [23]. GK befähigt Menschen, gesundheitsrelevante Entscheidungen treffen und umsetzen zu können, die einen positiven Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit sowie das Wohlbefinden ausüben [8]. Für Unternehmen ist eine ausgeprägte GK der Arbeitnehmenden essentiell, da diese zur langfristigen Bewahrung der Beschäftigungs- und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden beitragen kann [23]. Die GK von Arbeitnehmenden wird somit zunehmend wichtiger für die Bewältigung arbeitsbezogener Herausforderungen und führt deswegen zu einer besseren „employability“. Auch Arbeitgebende können effektiv zur Stärkung der GK von Mitarbeitenden beitragen [23]. Sie werden hierbei auch zunehmend in der Pflicht gesehen, da sie durch Berücksichtigung von „workability“ vielfältige Möglichkeiten, nicht nur im Sinne der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung haben, sondern vielmehr durch Etablierung einer GK-Organisationskultur [18].

Die GK ist die deutschsprachige Übersetzung des englischen Terminus „health literacy“ [14]. Das Konzept wurde zuerst mit funktionaler Literalität, der Lese- und Schreibfähigkeit zur Orientierung im Gesundheitswesen, assoziiert [9]. Sørensen et al. entwickelten im Rahmen des European Health Literacy Consortium eine auf bestehenden Definitionen aufbauende Definition von GK:

Gesundheitskompetenz ist verbunden mit der Lese- und Schreibfähigkeit und umfasst das Wissen, die Motivation und die Kompetenzen für den Zugang, das Verstehen, Bewerten und Anwenden von Gesundheitsinformationen, um im Alltag Entscheidungen über die Krankheitsbewältigung, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung zu treffen, die die Lebensqualität während des Lebensverlaufs erhalten oder verbessern. ([17, S. 3], eigene Übersetzung)

Repräsentative Studien konnten aufzeigen, dass jeder zweite Deutsche eine problematische oder inadäquate GK und somit Schwierigkeiten im Umgang mit gesundheitsrelevanten Informationen aufweist [15, 16]. Es konnte v. a. bei Personen mit Migrationshintergrund, hohem Alter, geringem Sozialstatus, niedriger Bildung und chronischer Erkrankung eine geringere Ausprägung der GK festgestellt und dementsprechend vulnerable Gruppen identifiziert werden [15]. Auch über die GK von Mitarbeitenden gibt es zunehmend empirische Befunde. So konnten bei mehr als die Hälfte von Beschäftigten des produzierenden Gewerbes eine eingeschränkte GK und somit erhebliche Defizite festgestellt werden [23]. Außerdem haben kaufmännische Angestellte tendenziell eine höhere GK als gewerblich Beschäftigte [22]. Die in Studien aufgezeigten Assoziationen zwischen einer hohen GK und einem gesundheitsförderlichen Verhalten bzw. einem guten Gesundheitszustand [6, 7, 15] konnten ebenfalls bei Erwerbstätigen bestätigt werden. In Unternehmen haben zudem die Kontextfaktoren im Sinne der Verhältnisprävention einen zentralen Einfluss auf die Ausprägung der GK der Beschäftigten [21].

Ziel dieser Studie war es, die selbsteingeschätzte GK der Mitarbeitenden eines mittelgroßen Unternehmens der Metallindustrie in einer süddeutschen Stadt sowie mögliche Zusammenhänge mit dem Anstellungsverhältnis, Wohlbefinden, Gesundheitszustand und Gesundheitsbewusstsein im Rahmen einer quantitativen Erhebung mit Hilfe eines Fragebogens zu untersuchen. Anhand der Ergebnisse sollten Maßnahmen zur Steigerung der GK abgeleitet werden.

Folgende Forschungsfragen sollten innerhalb dieser Arbeit beantwortet werden:

  1. 1.

    Welche Ausprägung der GK der Mitarbeitenden lässt sich feststellen?

  2. 2.

    Welcher Zusammenhang existiert zwischen der GK und dem Anstellungsverhältnis, Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitszustand sowie dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden?

Methodik

Untersuchungsablauf

Die vorliegende Studie ist eine quantitative Erhebung bei Mitarbeitenden eines Metallindustrieunternehmens. Da Unternehmensleitung zwar der Veröffentlichung der Daten zugestimmt hat, aber sich gegen eine Identifikation der Organisation ausgesprochen hat, können keine tiefergehenden Informationen zur Verfügung gestellt werden. Um eine möglichst große und repräsentative Stichprobe zu erreichen, wurden eine Online-Befragung sowie zusätzlich eine Paper-pencil-Befragung in Bereichen der Produktion verwendet. Die Befragung einiger Mitarbeitenden aus verschiedenen Segmenten in der Produktion mittels „paper-pencil“ resultierte auf Wunsch des Betriebsrates aufgrund der Befürchtung, einer geringeren Teilnahme bei einer Onlinebefragung. Für die Online-Teilnahme wurde nach Rücksprache mit der Personalleitung sowie dem Betriebsrat eine Aufklärung über die Studie gestaltet, die Hinweise zur Freiwilligkeit der Teilnahme und Anonymisierung der Daten sowie den Online-Link zu der Befragung beinhaltete. Diese wurde mit Hilfe einer internen App-Lösung kommuniziert und zudem ins Intranet gestellt sowie allen Führungskräften verbunden mit der Bitte um Weiterleitung per E‑Mail geschickt. Teilnehmen konnte jeder gewerblich beschäftigte und angestellte Mitarbeitende. Als „angestellt“ werden Mitarbeitende mit Büroarbeitsplatz und als „gewerblich beschäftigt“ Arbeitende im Produktionsbereich verstanden. Für die Paper-pencil-Befragung wurden Segmente verschiedener Produktionsbereiche ausgewählt. Nach Zustimmung wurden die Segmentleiter über den Ablauf unterrichtet, eine Vorabinformation für die Beschäftigten ausgehändigt sowie ein Termin und die Räumlichkeiten für die Befragung vereinbart. Aufgrund der Coronakrise wurden die Mitarbeitenden in Kleingruppen mit maximal 5 Personen geteilt, sodass sich nie zu viele Teilnehmende im Raum befanden und die Befragung unter Einhaltung der notwendigen Abstandsregeln stattfinden konnte. Nach Ausfüllen der Fragebögen in einer Wahlkabine wurden diese in einer versiegelten Urne gesammelt. Für Verständnisfragen war die Erstautorin während der Befragung vor Ort. Der Zeitraum der Online- sowie Vor-Ort-Befragung belief sich auf 3 Wochen, von Juni bis Juli 2020.

Variablenbeschreibung

Für die Erhebung wurde der innerhalb des European Health Literacy Surveys entwickelte und auf die Definition von Sørensen et al. [17] aufbauende Fragebogen zur Messung der selbsteingeschätzten GK verwendet. Aufgrund der innerhalb der Arbeitszeit durchgeführten Befragung wurde auf die von Röthlin et al. [11] komprimierte Version HLS-EU-Q16 zurückgegriffen. Obwohl die Kurzform bei Röthlin et al. zwar an Jugendlichen getestet wurde, wurde sie ursprünglich für die Erwachsenenbevölkerung entwickelt. Da die 16 Items die 47 Items der umfassenden Langform ausreichend repräsentieren, ist diese Kurzform somit ebenfalls für Erwachsene verwendbar. Die Beantwortung der Fragen erfolgte mittels einer vierstufigen Likert-Skala („sehr schwierig“, „ziemlich schwierig“, „ziemlich einfach“, „sehr einfach“; [11]) bezogen auf die subjektive Einschätzung, wie einfach bzw. schwierig die Durchführung gesundheitsbezogener Tätigkeiten im Hinblick auf die drei Gesundheitsbereiche Krankheitsbewältigung, Krankheitsprävention, Gesundheitsförderung ist [6].

Um den soziodemographischen Hintergrund der Mitarbeitenden zu erfassen, wurde nach dem Alter, Geschlecht, höchsten Bildungsabschluss, Anstellungsverhältnis sowie einem potenziell bestehenden Migrationshintergrund gefragt. Weiterhin wurden Fragen zum Wohlbefinden, Gesundheitszustand und -verhalten gestellt, um Zusammenhänge mit der GK zu untersuchen. Zur Erfassung des Gesundheitsverhaltens wurden das Gesundheitsbewusstsein [7], die Häufigkeit des Obst- und Gemüseverzehrs, das Rauchen [15], die körperliche Aktivität in einer typischen Woche [3] und der Alkoholkonsum der letzten 30 Tage erfragt [6]. Als Depressions-Screener wurde der WHO‑5 zur Ermittlung des Wohlbefindens der letzten 2 Wochen verwendet [20]. Die Fragen zum Gesundheitszustand bezogen sich auf den subjektiv empfundenen Gesundheitszustand, das Vorhandensein von chronischen Krankheiten sowie damit verbundenen potenziellen Einschränkungen im Alltag [6]. Es wurden darüber hinaus zwei Fragen des etablierten Work-ability-Index integriert, um krankheitsbedingte Fehlzeiten in den letzten 12 Monaten und die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit in den nächsten 2 Jahren zu erfassen [2]. Da das Unternehmen seit einigen Jahren eine umfassende betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) etabliert hat und hierbei bereits erste Maßnahmen zur Förderung der GK, insbesondere Seminare hinsichtlich der Themenbereiche Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung, anbietet, wurde abschließend die Nutzung von Angeboten der BGF mit den dichotomen Kategorien „ja“ oder „nein“ erfragt.

Stichprobenbeschreibung

Die Charakteristika der Stichprobe sind in Tab. 1 dargestellt. Von den insgesamt knapp über 4000 Mitarbeitenden haben 254 Mitarbeitende an der Online-Befragung und 284 Beschäftigte an der Paper-pencil-Befragung teilgenommen (13,4 %). Aufgrund der Nicht-Auswertbarkeit von 80 Fragebögen wurde mit einem Datensatz von 458 Fragebögen (11,4 %) gearbeitet. Von den 458 Befragten waren 42,4 % unter 40 Jahren. Die Mehrheit der befragten Mitarbeitenden waren männlich (90,4 %). Die meisten Beschäftigten (28,4 %) hatten einen Abschluss auf Ebene einer Lehrausbildung, 28,8 % der Befragten verfügten über einen Hauptschul- bzw. Realschulabschluss, während 19,2 % einen Hochschulabschluss besaßen. Von den Befragten waren 39,1 % angestellt und 57,6 % gewerblich beschäftigt. Einen bestehenden Migrationshintergrund wiesen 41 % der Mitarbeitenden auf.

Tab. 1 Charakteristika der Stichprobe

Statistische Auswertung

Die Auswertung der GK erfolgte anhand der nachfolgenden Vorgehensweise nach Röthlin et al. [11]. Nach Zusammenlegung der vier Antwortkategorien auf zwei, umfasste die Variable 1 die Kategorien „sehr einfach“ und „ziemlich einfach“ und die Variable 0 die Kategorien „ziemlich schwierig“ und „sehr schwierig“. Die Berechnung des GK-Summenwertes erfolgte durch die Addition der 16 Items, wonach die Clusterung in drei GK-Levels möglich ist. Demnach wird bei einem Scorewert < 9 von inadäquater, bei einem Wert von 9–12 von problematischer und bei Werten zwischen 13 und 16 von ausreichender GK gesprochen [11]. Bei Nicht-Ausfüllen von mindestens einem der 16 GK-Items wurde der Fragebogen von der Auswertung ausgeschlossen.

Für die Auswertung wurden deskriptive Statistiken berechnet sowie ausgewählte Zusammenhänge auf Signifikanz untersucht. Aufgrund der nicht vorliegenden Normalverteilung einiger Variablen, wurden hierbei nicht-parametrische Verfahren (Spearman Korrelation, Mann-Whitney-U-Test) angewendet.

Für die Prüfung von Zusammenhängen mit der GK wurden die ermittelten GK-Summenwerte verwendet. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0,05 festgelegt. Die statistische Auswertung wurde mit Hilfe der Software IBM SPSS Statistics 26 durchgeführt.

Ergebnisse

Die Häufigkeiten der Einzelitems des HLS-EU-Q16 sind in Tab. 2 dargestellt. Den befragten Personen fiel es am einfachsten, die Anweisungen des Arztes oder Apothekers zur Einnahme der verschriebenen Medikamente zu verstehen (94,3 %) oder den Anweisungen des Arztes oder Apothekers zu folgen (90,1 %). Demgegenüber gaben jedoch mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden an, die meisten Schwierigkeiten bei der Beurteilung zu haben, ob Informationen über Gesundheitsrisiken (62,7 %) oder Entscheidungshilfen zum Krankheitsschutz (57 %) in den Medien vertrauenswürdig sind.

Tab. 2 Absolute und prozentuale Häufigkeiten der Einzelitems des HLS-EU-Q16 nach den zusammengefassten Kategorien „schwierig“ und „einfach“

Bei der Auswertung der ersten 7 Fragen nach den oben genannten Gesundheitsbereichen (s. auch Tab. 2) im Zusammenhang mit Krankheitsbewältigung gaben 25,3 % der Mitarbeitenden ziemlich oder sehr große Schwierigkeiten an. Im Bereich der Prävention (Frage 8–12) waren dies 38 % der Befragten und die letzten 4 Fragen im Zusammenhang mit Gesundheitsförderung wurden von durchschnittlich 31,5 % der Beschäftigten als schwierig eingeschätzt.

Nach Berechnung der GK-Summenscores reichten die ermittelten Werte von einem Minimum von einem Punkt bis zu einem Maximum von 16 Punkten (Mittelwert: 11,1 ± 3,5). Die meisten Befragten (n = 182; 39,7 %) wiesen nach Zuordnung des GK-Levels eine ausreichende GK auf. Eine problematische GK konnte bei 165 Beschäftigten (36 %) festgestellt werden und 111 Personen (24,2 %) zeigten eine inadäquate GK auf (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Prozentuale Einteilung der Gesundheitskompetenz (GK) nach dem GK-Level

Bei Betrachtung der GK-Levels anhand des Migrationshintergrunds zeigte sich, dass die meisten Befragten mit Migrationshintergrund (39,9 %) und die meisten Beschäftigten ohne Migrationshintergrund (39,8 %) eine ausreichende GK aufwiesen. Es konnten 34,6 % der Beschäftigten mit Migrationshintergrund und 36,7 % der Mitarbeitenden ohne Migrationshintergrund einer problematischen GK zugeordnet werden. Eine inadäquate GK konnte bei 25,5 % der Befragten mit Migrationshintergrund und bei 23,5 % der Befragten ohne Migrationshintergrund festgestellt werden (Tab. 3).

Tab. 3 Absolute und prozentuale Einteilung der Gesundheitskompetenz nach dem Migrationshintergrund

Zwischen den personenbezogenen Daten und der GK ließen sich keine signifikanten Zusammenhänge feststellen. So waren nach den Analysen weder das Anstellungsverhältnis (U = 23.311,500, p = 0,810) noch der Migrationshintergrund (U = 24.447,000, p = 0,787) mit der GK assoziiert. Auch die Variablen Alter, Geschlecht und höchster Bildungsabschluss ergaben jeweils keinen Hinweis auf Zusammenhang mit dem GK-Score (Spearman-Korrelationen, p-Werte >0,05 und rs-Werte <0,1). Zwischen der GK und dem Wohlbefinden (rs = 0,307, p < 0,001) als auch verschiedenen Verhaltensweisen, wie der Häufigkeit des Obst- und Gemüseverzehrs (rs = 0,229, p < 0,001) oder der körperlichen Aktivität (rs = 0,111, p = 0,018) zeigten sich positive signifikante Zusammenhänge. Gesundheitsbewusstsein (rs = 0,067, p = 0,205), Rauchen (rs = 0,063, p = 0,181), Nutzung von BGF-Angeboten (U = 21.864,500, p = 0,334) sowie Alkoholkonsum (U = 20.049,500, p = 0,232) bzw. die Häufigkeit des Konsums (rs = −0,005, p = 0,923) wiesen jeweils keinen Zusammenhang mit dem GK-Score auf. Neben den alltäglichen Einschränkungen (rs = −0,202, p < 0,001) waren weiterhin negative, signifikante Assoziationen zwischen der GK und den Krankheitstagen im vergangenen Jahr (rs = −0,097, p = 0,038), als auch positive, signifikante Zusammenhänge zwischen dem subjektiven Gesundheitszustand (rs = 0,202, p < 0,001) sowie der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit (rs = 0,123, p = 0,009) und der GK vorhanden. Zudem war ein lang andauerndes gesundheitliches Problem (U = 19.033,000, p = 0,002) signifikant mit der GK assoziiert.

Diskussion

Einer ausreichenden GK konnten 40 % der Mitarbeitenden in der Stichprobe, die hinsichtlich der Altersstruktur und des Geschlechterverhältnisses repräsentativ war, zugeordnet werden und besitzen somit die Fähigkeit, im Alltag gesundheitsrelevante Entscheidungen treffen zu können. Allerdings fällt auf, dass mehr als die Hälfte der befragten Personen über eine problematische oder inadäquate GK verfügt und Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen bezogen auf die Krankheitsbewältigung, Prävention und Gesundheitsförderung aufweist. Ein ähnliches Ausmaß an limitierter GK konnte ebenfalls bei Mitarbeitenden eines produzierenden Unternehmens in Österreich festgestellt werden [10]. Die größten Schwierigkeiten ließen sich bei den befragten Beschäftigten in Verbindung mit medial verbreitenden Gesundheitsinformationen sowie Fragen der psychischen Gesundheit feststellen. Möglicherweise ist dies auf die Vielfalt von Informationsmedien unterschiedlicher Qualität und die damit verbundene Überforderung der Mitarbeitenden im Umgang mit diesen Medien zurückzuführen [14]. Dies zeigt sich insbesondere auch im Hinblick auf die derzeit angebotenen vielfältigen Informationen mit Coronabezug. Davon abgesehen ist Thema psychische Gesundheit komplex und leider immer noch vorurteilsbelastet.

Bei Unterteilung der Fragen in die gesundheitsrelevanten Bereiche fiel auf, dass sich die Befragten in allen drei Bereichen mit Herausforderungen konfrontiert sehen. Die Fragen zu Tätigkeiten der Krankheitsprävention wurden gefolgt von der Gesundheitsförderung als am schwierigsten angegeben. Die Fragen bezogen auf die Krankheitsbewältigung wurden am einfachsten eingeschätzt. Möglicherweise wurden in diesem Bereich bislang die meisten Erfahrungen gemacht, während Aspekte der Krankheitsprävention v. a. unter Coronabedingungen gesehen werden müssen. So zeigt sich während der Coronapandemie, dass mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung eine geringe GK im Bereich Krankheitsprävention aufwiesen. Obwohl eine leicht verbesserte GK in Zusammenhang mit der Krankheitsprävention unter Coronabedingungen im Vergleich zu den Ergebnissen vor der Coronapandemie erkennbar ist, bestehen weiterhin in dem Bereich der Prävention vielzählige Herausforderungen, v. a. auch bezogen auf das Thema Impfen [12].

Es zeigte sich in der vorliegenden Studie ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden und der GK. Da Personen mit unzureichender GK oftmals einen schlechteren selbsteingeschätzten psychischen Gesundheitszustand aufweisen [7], verdeutlicht dies zunehmend die Problematik einer limitierten GK in Bezug auf die psychische Gesundheit von Beschäftigten. Psychoedukative Angebote in Form der Wissensvermittlung zu psychischen Belastungen und entsprechenden praktischen Bewältigungsstrategien könnten hier ein geeigneter Interventionsansatz sein [19].

Außerdem konnte zwischen der GK und dem subjektiven Gesundheitszustand, wie bereits in bisherigen Studien [6, 7, 10], ein signifikanter positiver Zusammenhang festgestellt werden. Der starke Zusammenhang wurde durch die signifikanten negativen Assoziationen der GK mit den Krankheitstagen und der Arbeitsfähigkeit zusätzlich sichtbar. Aus diesen Zusammenhängen manifestiert sich der enorme Nutzen einer ausreichenden GK hinsichtlich der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmenden. Deswegen stellt sich zudem die Frage, ob und inwieweit das Unternehmen eine Verantwortung zur Förderung der GK hat. Innerhalb der betrieblichen Gesundheitsförderung bieten sich hierbei bereits viele Möglichkeiten zur Stärkung der GK, die noch ausgebaut werden können. Dennoch benötigt es zunehmend einer integrativen Verankerung dieses Themas im Bereich des Managements und der Unternehmensorganisation [10].

Das Gesundheitsbewusstsein der Mitarbeitenden lässt keine Rückschlüsse auf deren GK zu. Dass eine hohe GK mit einer hohen körperlichen Aktivität verknüpft ist, konnte ebenfalls in bisherigen Studien festgestellt werden [6, 7, 21]. Die Einschätzung des Gesundheitsverhaltens wird von verschiedenen gesundheitlichen und soziodemographischen Faktoren beeinflusst. Allerdings stimmen gerade bei älteren Mitarbeitenden Selbsteinschätzung und Realität bezüglich des eigenen Gesundheitsverhaltens nicht immer überein. Grundsätzlich besteht zwar ein Zusammenhang zwischen gesunden Verhaltensweisen, wie körperliche Bewegung oder Nicht-Rauchen, und der Zustimmung, die eigene Gesundheit genug zu fördern. Dennoch gibt es Personen, deren Einschätzungen von der Realität abweichen [1], was im Rahmen dieser Ergebnisse berücksichtigt werden muss.

Es konnte bei Betrachtung der GK anhand des Migrationshintergrunds zwischen den Personen mit Migrationshintergrund und den Mitarbeitenden ohne Migrationshintergrund eine sehr ähnliche Verteilung der GK nachgewiesen werden. Lediglich zwischen der inadäquaten und problematischen GK konnten geringe Unterschiede gezeigt werden, die allerdings nicht signifikant waren. Unabhängig vom Bestehen eines Migrationshintergrunds wiesen jeweils die meisten Befragten eine ausreichende GK auf. Ein Grund dafür könnte die vollständige Inklusion der Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund im Unternehmen sein sowie die häufige Inanspruchnahme von Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch in Bezug auf die BGF haben Mitarbeitende mit und ohne Migrationshintergrund in dem untersuchten Unternehmen die gleichen Möglichkeiten der Teilnahme und des gesundheitlichen Kompetenzgewinns. Die in der Literatur gefundenen Assoziationen zwischen der GK und bestimmten personenbezogenen Daten, wie z. B. Migrationshintergrund, Bildung oder Alter [6, 13], konnten dementsprechend in dieser Studie nicht bestätigt und demnach keine vulnerablen Gruppen festgestellt werden. Dies ist ein interessanter Befund, der in zukünftigen Studien vertiefend untersucht werden sollte.

Vergleich mit einer deutschlandweiten Studie

Die Ergebnisse der Beschäftigten können mit den im Rahmen der „Gesundheit in Deutschland aktuell“ Studie (GEDA) gewonnenen Ergebnissen verglichen werden, die repräsentativ für die deutsche Bevölkerung sind [7]. Wie die Mitarbeitenden in dieser Studie sahen die in der GEDA-Studie teilgenommenen Erwachsenen die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit von Informationen über Gesundheitsrisiken aus den Medien als am schwierigsten an [7]. Die Mitarbeitenden der vorliegenden Studie wiesen bei allen Einzelitems und in allen drei Gesundheitsbereichen niedrigere Werte auf als die deutsche Bevölkerung. Bei den Mitarbeitenden und der Stichprobe der GEDA-Studie waren die niedrigsten Werte und damit die meisten potenzielle Schwierigkeiten bei der Krankheitsprävention zu verzeichnen. Während von den Teilnehmern der GEDA-Studie die Fragen zur Gesundheitsförderung als am einfachsten eingeschätzt wurden [7], hatten demgegenüber die Befragten der vorliegenden Studie den Bereich der Krankheitsbewältigung als am einfachsten beurteilt. Wie in der GEDA-Studie konnte auch jeder dritte Mitarbeitende einer problematischen GK zugeordnet werden. Deutliche Unterschiede zeigen sich allerdings im Hinblick auf die beiden weiteren GK-Levels. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung wies in der GEDA-Studie eine ausreichende GK auf, bei den Mitarbeitenden in unserer Studie waren dies lediglich 39,7 %. Außerdem konnte bei den Beschäftigten in unserer Studie ein doppelt so hoher Anteil an inadäquater GK (24,2 %) im Vergleich zur repräsentativen GEDA-Stichprobe (12,3 %) festgestellt werden [7]. Die Unterschiede zwischen den Studien könnten auf die unterschiedlichen Größen und Zusammensetzungen der Stichproben sowie auf die verschiedenen Erhebungszeiträume zurückzuführen sein. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass die Daten der GEDA-Studie vor der Beginn der Coronaepidemie erhoben wurde.

Limitationen und Stärken

Ein limitierender Faktor dieser Studie liegt in der Verwendung der klassischen Definition und der Messung nach Sørensen et al. [17], welche allgemeingültig und nicht speziell auf den Arbeitskontext bezogen sind. Eine weitere Limitation besteht darin, dass die Daten zur GK auf den subjektiven Einschätzungen der Mitarbeitenden beruhen [13]. Durch die Durchführung einer Online- sowie Paper-pencil-Befragung besteht theoretisch zudem die Möglichkeit, dass Mitarbeitende an beiden Varianten teilgenommen haben. Eventuell haben an der Befragung auch nur Personen mit ausreichenden Deutschkenntnissen oder funktionalen literalen Fähigkeiten teilgenommen. Des Weiteren muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass die Befragung während der derzeitigen Coronakrise stattfand und die damit verbundene potenzielle Unsicherheit sich in den Ergebnissen ausdrücken könnte. Möglicherweise hat dies die Beantwortung der Fragen beeinflusst, sodass zu einem anderen Zeitpunkt im Pandemieverlauf andere Ergebnisse erzielt worden wären. Dieser Aspekt benötigt besonderer Berücksichtigung bei Vergleich der erhobenen Daten der Beschäftigten mit den Daten der GEDA-Studie, die vor Beginn der Coronapandemie erhoben wurden. Da eine Korrelation kein Kausalzusammenhang beschreibt, lässt sich aus den nachgewiesenen Zusammenhängen keine Ursache-Wirkungs-Beziehung erschließen. Außerdem könnte eine potenzielle Drittvariable, wie z. B. der Bildungsstand oder das Alter, für die gefundenen Zusammenhänge verantwortlich gewesen sein.

Auch wenn die Rücklaufquote nicht allzu hoch ist, liegt sie doch im Erwartungsbereich für derartige Befragungen, die nach Erfahrung des Letztautors in einem Erwartungskorridor von 5–15 % liegt. Anzumerken ist hier, dass durch die unterschiedlichen Strategien und Einbindungen von unterschiedlichen Personengruppen eine hohe Reichweite der Befragung realisiert werden konnte und durch den Einbezug jeder Sparte möglichst aussagekräftige Ergebnisse getroffen werden konnten. Weiterhin lagen durch die Verwendung des reliablen und validen Fragebogens HLS-EU-Q16 bereits aussagekräftige und repräsentative Referenzwerte vor.

Schlussfolgerung

Auf Grundlage der Ergebnisse lassen sich Empfehlungen zur Stärkung der GK der Mitarbeitenden ableiten. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass in dem vorliegenden Fall eine gemeinsame Strategie für Mitarbeitende mit und ohne Migrationshintergrund möglich ist. Möglicherweise liegt es daran, dass die Arbeitnehmenden mit Migrationshintergrund im Sinne der Inklusion angemessen in das Unternehmen integriert sind. Dies zeigt sich v. a. in den gleichwertigen Verträgen, den umfangreichen Weiterbildungsmöglichkeiten und der Teilnahme an den BGF-Angeboten.

Da eine Steigerung der GK grundsätzlich mit einer Wissensvermittlung und einer Befähigung zum gesundheitsförderlichen Handeln einhergeht, wäre beispielsweise eine auch Online- oder hybridvermittelbare Weiterbildung zum Thema „Gesundheitskompetenz in der Arbeit und im Alltag“ zur Vermittlung von Wissen über einen richtigen Umgang mit Gesundheitsinformationen und Stärkung der Handlungskompetenz vorstellbar, die sich an alle Beschäftigten im Sinne der Partizipation richtet. Da der Umgang mit Online-Medien für viele Mitarbeitende eine Schwierigkeit darstellt, wäre hierbei eine weitere, spezielle Schulung vorstellbar, um den reflektiert kritischen Umgang mit Online-Medien zu stärken und so die Einschätzung und Beurteilung von Medien und deren Gesundheitsinformationen systematisch zu trainieren. Dies scheint vor dem Hintergrund der Coronaepidemie sowohl im Hinblick auf Krankheitsschutz wie auch Gesundheitsverhalten geboten.

Digitale Medien, wie das Intranet oder spezielle organisationsspezifische Apps, sollten für eine vermehrte qualitativ hochwertige, aber auch zielgruppenadäquate gesundheitsbezogene Wissensvermittlung verwendet werden. Hierbei könnte sicherlich eine Unterstützung durch Krankenversicherungsträger erfolgen. Für eine gezielte unternehmensinterne Wissensvermittlung ist das partizipative Einbeziehen der Mitarbeitenden durch eine regelmäßige Erhebung gesundheitlicher Informationsdefizite und daraus resultierender gesundheitsbezogener Unsicherheiten sinnvoll. Vor allem der Befund, dass Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Krankheitsprävention existieren, ist auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Coronakrise bedeutsam. Eventuell könnte dem durch digitale Programme zur Verbesserung der Kompetenz im Zusammenhang mit Krankheitsprävention entgegengewirkt werden, die speziell im Arbeitskontext in Kooperation mit der jeweiligen Organisation angeboten und digital im Gruppensetting durchgeführt werden. Hier könnte in Kooperation mit anderen Akteuren eine Lücke in der Gesundheitskommunikation gezielt angegangen werden.

Durch das stärkere Einbeziehen von Gesundheitsinformationen und die Anregung des Kompetenzausbaus in die Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung kann ebenfalls die GK gestärkt werden. So könnte eine Gesundheitsberatung zur Informationsvermittlung und Unterstützung für verhaltensbezogene Interventionen etabliert werden, die sowohl Aspekte der Krankheitsprävention als auch Gesundheitsförderung im Kontext der Coronakrise beinhalten.

Offen ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage, bei wem grundsätzlich die Verantwortung und Zuständigkeit zur Förderung der GK von Mitarbeitenden im Rahmen des lebensweltlichen Settings Arbeitswelt liegt. Hierzu bedarf es zukünftig weitergehender, sicherlich auch gesundheitspolitischer Überlegungen.

Fazit für die Praxis

  • Die Ergebnisse verdeutlichen, den Handlungsbedarf zur Stärkung der Gesundheitskompetenz (GK) der Mitarbeitenden.

  • Für die GK-Förderung der Mitarbeitenden manifestiert sich ein Schulungsbedarf zur Bewertung von Gesundheitsinformationen in Medien und zur stärkeren Thematisierung psychischer Gesundheit, gerade vor dem Hintergrund der Coronaepidemie.

  • Die Stärkung der GK muss als kontinuierlicher Prozess stattfinden.

  • Empfehlenswert könnte zudem grundsätzlich die Stärkung einer GK-Unternehmenskultur sein, um Führungskräfte für das Thema zu sensibilisieren sowie die Umsetzung von Interventionen aktiv zu unterstützen.

  • Die bestehende Forschung zur GK von Mitarbeitenden unterschiedlicher Branchen sollte ausgebaut werden und Unternehmen sollten dies unterstützen.

  • Die Frage der grundsätzlichen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit der Förderung von GK im lebensweltlichen Setting Arbeitswelt muss auch auf gesundheitspolitischer Ebene geklärt werden.