Hintergrund und Fragestellung

Interaktive und emotionale Kompetenzen beeinflussen im stetig wachsenden Humandienstleistungsbereich die Gesundheit von Dienstleistern im emotional fordernden Arbeitsalltag und prägen Verlauf sowie Qualität von sozialen Interaktionen [13]. Zunehmende Forschung zu Emotionsregulation in Organisationen war in den letzten zwei Jahrzehnten insbesondere im Hinblick auf Emotionsarbeit und deren Folgen für Gesundheit und Leistung von Beschäftigten zu verzeichnen [11]. Emotionsregulation umfasst die bewussten und unbewussten Prozesse, durch welche Individuen die Dauer, Art und Intensität ihrer Emotionen beeinflussen [12]. Diese Studie beschäftigt sich mit Emotionsregulation im Rahmen des Konzepts zu „Detached Concern“ (DC; [17, 20]). DC ist eine emotionsregulierende individuelle Ressource, wenn es Beschäftigen in der Interaktion mit Klienten gelingt, eine Balance zwischen ausgeprägter empathischer Anteilnahme („concern“) und hinreichender Abgrenzungsfähigkeit („detachment“) zu finden.

Emotionsregulation bildet im Arbeitskontext von beziehungsorientierten Berufen ein Herzstück. Bei z. B. Pflegekräften, Lehrern oder Psychologen hängen Arbeitserfolg und Erreichung von Arbeitszielen maßgeblich von professioneller Interaktion mit Klienten ab (z. B. Patienten, Bewohner, Schüler). Interaktionsarbeit erfordert das Einflussnehmen auf eigene Emotionen sowie das Eingehen auf Emotionen der Klienten [4, 13]. Gelingende Emotionsregulation unterstützt den emotional anforderungsreichen Interaktionsalltag, fördert die Arbeitsbeziehung zwischen Dienstleister und Klient und trägt entscheidend zu Behandlungs- oder Lernerfolg, Patientenorientierung oder Versorgungsqualität bei [23]. Ein entscheidendes Motiv für die Berufswahl in Humandienstleistungsberufen ist es, helfend mit Menschen zu arbeiten [9]. Dies wird im sozialen Kontakt mit Klienten erfahrbar, wodurch die Arbeit trotz oft widriger Bedingungen (z. B. lange Arbeitszeiten, hohe Arbeitsintensität) als sinnvoll und lohnend erlebt wird, und das seelische Gleichgewicht und die Gesundheit von Beschäftigen unterstützt [2]. Dienstleister zeigen hohen Einsatz, um Klienten zu helfen, agieren oft selbstlos und stellen Bedürfnisse der Klienten in den Vordergrund. Obgleich die Arbeit mit Klienten bereichernd und motivierend sein kann, ist sie auch potenzielle Quelle von Stress, emotionaler Erschöpfung und gesundheitlichen Beeinträchtigungen [21]. Studien haben gezeigt, dass gelingendes DC mit geringerem Burnout-Risiko einhergeht und die psychische Gesundheit von Beschäftigten unterstützt [18, 19]. Die vorliegende Studie untersucht, inwieweit empathische Anteilnahme und Abgrenzungsfähigkeit in der Beziehungsarbeit mit Klienten dazu beitragen, sich als selbstwirksam sowie die Arbeit als sinnvoll zu erleben, und in weiterer Folge dem Wohlbefinden dienen.

DC und Gesundheit – die Rolle von beruflicher Sinnerfüllung und Selbstwirksamkeit

DC wurde auf Basis einer theoretischen Neukonzeption [17, 18] in Emotionsregulationstheorien [10, 12] verankert und in seinen dualen Dimensionen empathische Anteilnahme und Abgrenzungsfähigkeit messbar gemacht. Beide Dimensionen wirken in einem dynamischen DC-Prozess in der Interaktion mit Klienten zusammen. Die empathische Anteilnahme umfasst im Sinne von Sympathie [8] emotionsbezogene Reaktionen des Dienstleisters in Form mitfühlender und anteilnehmender Emotionen gegenüber Klienten und deren Situation. Idealerweise löst dies beim Dienstleister nicht nur mitfühlendes Emotionserleben, sondern auch empathisches Handeln [17] im Sinne mitgehender Regulation aus, z. B. beruhigende Worte während einer medizinischen Behandlung, wodurch die Bedeutung der empathischen Komponente für Klienten wirksam wird [22]. Emotionen sind eine zentrale Informationsquelle für die Arbeitsbeziehung und die notwendigen Abstimmungsprozesse zwischen Klient und Dienstleister. Eine zugewandte und mitfühlende Haltung ermöglicht es, Gefühle und Bedürfnisse des Klienten wahrzunehmen und darauf einzugehen, sowie den Aufbau von Vertrauen in der Arbeitsbeziehung. Nicht zuletzt gilt ein empathisch-mitmenschliches Zuwenden als zentrales Element der Berufsrolle und Professionalität in Humandienstleistungen [6, 13] und wird von Klienten gleichermaßen gebraucht wie erwartet. Ein hohes Maß empathischer Anteilnahme wird als Schlüsselelement und Fundament von DC gesehen [17, 18].

Ebenso wichtig ist es für Dienstleister, eine professionelle Abgrenzungsfähigkeit zu wahren. Diese dient als emotionaler Regulator um belastendes Gefühlserleben und zu hohe Involviertheit mit Klienten im oft intensiven und überdauernden Kontakt präventiv wie reaktiv zu regulieren [17, 19]. Dadurch können emotionale Ressourcen geschützt werden, um sich in der Arbeit nicht emotional zu erschöpfen und handlungsfähig zu bleiben. Studien belegen, dass hohe Abgrenzungsfähigkeit die Gesundheit von Dienstleistern schützt [17, 18]. Dienstleister, denen es gelingt, eine Balance zwischen hoher empathischer Anteilnahme und hoher Abgrenzungsfähigkeit („balancierte“ Helfer) zu wahren, weisen ein signifikant geringeres Burnout-Risiko auf [19]. Dieses Ideal eines gelingenden DC zu erreichen ist angesichts hoher emotionaler Anforderungen im Alltag mit Klienten nicht selbstverständlich. Entsprechend existieren auch verschiedene DC-Imbalanceformen [17,18,19]. „Empathische“ Helfer zeigen hohe empathische Anteilnahme gegenüber Klienten, verfügen jedoch über relativ geringe Abgrenzungsfähigkeit. „Grenzenlose“ Helfer weisen eine sehr hohe empathische Anteilnahme bei kaum vorhandener Abgrenzungsfähigkeit auf. Damit verbunden ist das Risiko, sich auf längere Sicht zu verausgaben und emotional zu erschöpfen. Eine gegensätzliche Konstellation findet sich bei „distanzierten“ Helfern, bei denen die Abgrenzungsfähigkeit deutlich gegenüber der empathischen Anteilnahme überwiegt. „Teilnahmslose“ Helfer weisen niedrige Werte auf beiden Komponenten auf. Studienübergreifend zeigt sich, dass eine gelingende DC-Balance mit höherem Wohlbefinden der Dienstleister einhergeht als sämtliche Formen einer DC-Imbalance [17, 18]. Längsschnittergebnisse [19] belegen, dass DC-Formen zeitlich relativ stabil sind und eine überdauernde Arbeitshaltung darstellen. Offen bleibt, warum sich „empathische“ und „grenzenlose“ Helfer trotz des Risikos emotionaler Erschöpfung anhaltend intensiv im Klientenkontakt engagieren. In diesem Zusammenhang erscheint es neben direkten Effekten zum Einfluss von DC auf Wohlbefinden und Gesundheit lohnenswert, Effekte beruflicher Selbstwirksamkeit und Sinnerfüllung einzubeziehen. Diese Aspekte spielen gerade in Berufen mit hohem prosozialen Anspruch, anderen helfen zu wollen und deren Wohlergehen zu schützen [9], eine zentrale Rolle. Der Einbezug dieser Komponenten fördert mit Blick auf individuelle Werte, Ziele und Motive ein erweiterndes Verständnis, warum Dienstleister verschiedene Emotionsregulationsstrategien anwenden und wie dies die Gesundheit beeinflusst. Nach Niven [25] kann zwischenmenschliche Emotionsregulation mitfühlend motiviert sein, um anderen Personen zu nutzen, auch wenn dies mit persönlichen Kosten wie emotionaler Erschöpfung verbunden ist. Die Arbeitsaufgabe empathisch anteilnehmend auszuführen trägt wesentlich dazu bei, prosoziale Motivation zu leben und die Arbeit als bedeutsam zu erleben. Bedeutsamkeit ist theoretisch und empirisch ein wichtiger Bestandteil von erlebter Sinnerfüllung in der Arbeit [1, 16, 27]. Berufliche Sinnerfüllung ist die individuelle Erfahrung von Bedeutsamkeit (Nutzen der eigenen Tätigkeit für andere), Kohärenz (Passung beruflicher Rolle mit eigenen Kompetenzen, Persönlichkeit, Interessen, Werten), Zielorientierung (Identifikation mit Zielen, Werten der Arbeit) und Zugehörigkeit (Erleben als Teil sozialen Systems bzw. Teams, als Person wahrgenommen und wertgeschätzt werden; [16, 27]). Positive Zusammenhänge zwischen Sinnerfüllung in der Arbeit und Gesundheit sowie Wohlbefinden sind empirisch nachgewiesen [1, 2, 29]. Rosso et al. [26] identifizieren Quellen und Prozesse, die für berufliches Sinnerleben von Bedeutung sind. Selbstwirksamkeit erscheint im Zusammenhang mit DC besonders bedeutsam. Berufliche Selbstwirksamkeit [28], basierend auf der sozial-kognitiven Lerntheorie der Selbstwirksamkeit nach Bandura [3], ist die subjektive Überzeugung, für den Beruf wichtige Aufgaben und Probleme aufgrund der eigenen Fähigkeiten meistern zu können. Studien belegen den positiven Einfluss von Selbstwirksamkeit als personale Ressource auf Gesundheit und Wohlbefinden von Beschäftigen [24, 30]. Sofern Arbeit ein Gefühl der Selbstwirksamkeit vermittelt, gewinnt sie an subjektiver Bedeutung und wird als sinnvoll erlebt [26].

In Humandienstleistungsberufen sind angestrebte Arbeitsergebnisse nur über erfolgreiche Interaktionen mit Klienten zu erzielen. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die DC-Komponenten empathische Anteilnahme und Abgrenzungsfähigkeit sowie deren Zusammenspiel zur Entstehung von Selbstwirksamkeit und beruflicher Sinnerfüllung beitragen. Empathische Anteilnahme unterstützt einen erfolgreichen Interaktionsprozess, eine vertrauensvolle mitmenschliche Arbeitsbeziehung und Compliance der Klienten [6, 7, 14, 17, 22]. Positive Reaktionen der Klienten münden im Sinne einer interpersonalen „Positivspirale“ [7] in Erfolgserleben der Dienstleister zugunsten erlebter Selbstwirksamkeit. Somit kann empathische Zugewandtheit gegenüber hilfesuchenden Personen der Arbeit Sinn verleihen [25]. Anzunehmen ist, dass ein positiver Einfluss von empathischer Anteilnahme auf die Selbstwirksamkeit und das Sinnerleben indirekt auch das Wohlbefinden von Dienstleistern beeinflusst.

Durch die in der Begegnung und Zusammenarbeit mit Menschen entstehende Bindung treten mehr oder weniger intensive Emotionen auf. Emotionale Anforderungen im Klientenkontakt durch Abgrenzungsfähigkeit zu regulieren, stellt erwartungsgemäß einen weiteren Beitrag für Selbstwirksamkeit in der Arbeit dar. Sich auf die Klienteninteraktion einlassen zu können, aber auch eine persönliche Grenze zu Klienten zu ziehen, hilft dem Erhalt der eigenen Gesundheit [17, 19]. Emotionale Belastungsfolgen werden vermieden [17, 18, 20, 21] und Dienstleister bleiben in emotional fordernden Situationen handlungsfähig. Es ist anzunehmen, dass klientenbezogene Herausforderungen somit kompetent bewältigt werden können und die daraus entstehenden Erfolgserlebnisse die berufliche Selbstwirksamkeit bestärken. Inwiefern dies als sinnerfüllend wahrgenommen wird, da man weiterhin professionell für seine Klienten da sein und einen positiven Beitrag für sie leisten kann, soll untersucht werden.

Wie bisherige Studien verdeutlichen [17,18,19], ist insbesondere hohe empathische Anteilnahme in Verbindung mit hoher Abgrenzungsfähigkeit im Sinne eines gelingenden DC positiv mit dem Wohlbefinden von Humandienstleistenden assoziiert. Diese Befunde legen die Prüfung der kombinierten Effekte der beiden DC-Komponenten nahe, wobei insbesondere davon auszugehen ist, dass dieses hoch ausgeprägte und balancierte Zusammenspiel der DC-Komponenten auch die Selbstwirksamkeit und den Zusammenhang zu Sinnerfüllung und Wohlbefinden positiv verstärkt.

Zusammenfassend prüft die Studie, inwieweit die DC-Komponenten getrennt sowie im Zusammenspiel einen Beitrag zu Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit in der Arbeit leisten und dadurch das Wohlbefinden von Dienstleistern begünstigen.

Methode

Stichprobe

Zur Erhebung der Daten wurde eine Online-Studie durchgeführt, an der sich 527 Beschäftigte in Gesundheits‑, Lehr- und Sozialberufen in Österreich und Deutschland beteiligten. Die Teilnehmenden wurden mittels Schneeballprinzip akquiriert. Die resultierende Gelegenheitsstichprobe umfasste 67,2 % Frauen und 31,7 % Männer (1,1 % fehlend), das Durchschnittsalter lag bei 43,5 Jahren. Nahezu ein Drittel (32,6 %) arbeitete in einem psychologisch-psychotherapeutischen Beruf, 27,8 % in einem Lehrberuf, 24,4 % in Gesundheitsberufen und 15,2 % in sozial-pädagogischen Berufen. Die durchschnittliche Berufserfahrung betrug 14,7 Jahre.

Erhebungsinstrumente

Empathische Anteilnahme (6 Items) und Abgrenzungsfähigkeit (5 Items) wurden mit der zweidimensionalen DC-Skala für Humandienstleistungsberufe [18] erhoben. Beispielitems: „In meiner Arbeit zeige ich oft Mitgefühl und Fürsorge für die Klienten“ (empathische Anteilnahme). „Ich schaffe es in meiner Arbeit, eine persönliche Grenze zu meinen Klienten zu ziehen.“ (Abgrenzungsfähigkeit). Die Beantwortung erfolgt auf einer 5‑stufigen Likert-Skala von 1 „nein gar nicht“ bis 5 „ja genau“.

Zur Erfassung der beruflichen Selbstwirksamkeit diente die 8‑Item-Skala „berufliche Selbstwirksamkeitserwartung“ [28]. Beispielitem: „Ich fühle mich den meisten beruflichen Anforderungen gewachsen“. Die Antwortskala reicht von 1 „stimmt völlig“ bis 5 „stimmt überhaupt nicht“.

Die berufliche Sinnerfüllung wurde mit 6 Items der Skala Sinnerfüllung in der Arbeit [16] erhoben, die das Erleben der Arbeitstätigkeit als sinnvoll und bedeutsam, kohärent mit den Lebenszielen und als Beitrag zu einem Gefühl der Zugehörigkeit valide und reliabel [16, 27] erfragen. Die Gesamtskala weist inhaltliche Bezüge zum „Work and Meaning Inventory“ [29] auf. Beispielitem: „Ich empfinde meine Arbeit als sinnvoll“. Die Beantwortung erfolgte im Regelfall anhand einer 5‑stufigen Likert-Skala von 1 „überhaupt nicht“ bis 5 „vollkommen“ (abweichend hiervon wurde in einer Teilstichprobe von n = 138 Befragten eine 6‑stufige Antwortskala verwendet, die durch entsprechende Rekodierung der 5‑stufigen Skala angenähert wurde).

Das allgemeine Wohlbefinden wurde mit dem Wohlbefindensindex [5] mit 5 Items erfasst. Beispielitem: „In den letzten 2 Wochen habe ich mich ruhig und entspannt gefühlt“. Als Antwortformat dient eine 6‑stufige Likert-Skala von 1 „zu keinem Zeitpunkt“ bis 6 „die ganze Zeit“.

Geschlecht und Berufsdauer wurden als Kontrollvariablen aufgenommen. Die Reliabilitäten der Skalen sind in Tab. 1 (Matrixdiagonale) dargestellt. Mit Cronbachs α‑Koeffizienten von 0,78–0,89 zeigen alle Skalen befriedigende bis sehr gute interne Konsistenzen.

Tab. 1 Konfirmatorische Faktorenanalysen

Auswertung

Die Auswertung der Daten erfolgte mittels SPSS (deskriptive Analysen), AMOS (konfirmatorische Faktorenanalysen) sowie dem PROCESS-Macro [15] zur Analyse der seriellen und der moderierten seriellen Mediationen. Zur Signifikanzprüfung indirekter Effekte wurden Bootstrapping-Konfidenzintervalle berechnet.

Ergebnisse

Die empirische Abgrenzung der Skalen wurde in mehreren Schritten mittels explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalysen der insgesamt 30 Items geprüft. Die explorativen Ergebnisse reproduzieren klar die 5‑faktorielle Skalenstruktur (Eigenwerte > 1) mit substantiellen Haupt- (> 0,50) und marginalen Querladungen (< 0,30). Tab. 1 zeigt die Ergebnisse der konfirmatorischen Testungen des hypothetischen 5‑Faktoren-Modells im Vergleich zu Alternativmodellen unter Verwendung von χ2-Differenztests. Erwartungskonform weist das 5‑Faktoren-Modell die beste Passung zu den Daten und insgesamt einen hinreichenden Modell-Fit auf (χ2[390] = 1202,27, p < 0,001, CFI = 0,893, TLI = 0,882, RMSEA = 0,062). Zur weiterführenden Prüfung wurde das 5‑Faktoren-Modell um einen latenten Methodenfaktor mit Zusatzladungen auf alle Items erweitert (5+1-Faktoren-Modell). Die resultierende Modellpassung wurde zur Abschätzung des Ausmaßes gemeinsamer Methodenvarianz herangezogen. Gegenüber dem 5‑Faktoren-Modell bestand eine signifikante Modellverbesserung von ∆χ2 = 273,94 (∆df = 30, p < 0,001); verglichen mit dem 1‑Faktor-Modell hingegen betrug der Unterschied ∆χ2 = 3855,20 (∆df = 40, p < 0,001). Die zusätzlich aufgeklärte Modelldiskrepanz, die der Modellierung gemeinsamer Methodenvarianz zuzurechnen ist, lag somit in einer Größenordnung von 7 % der durch Berücksichtigung der Faktorenstruktur der Konstrukte erzielten Veränderung, d. h. in einem relativ zu vernachlässigenden Bereich. Insgesamt sprechen diese sowie die klaren faktorenanalytischen Ergebnisse dagegen, dass verzerrende Einflüsse gemeinsamer Methodenvarianz ein substantielles Problem in den Daten darstellen.

Eine Übersicht der bivariaten Zusammenhänge der Skalen findet sich in Tab. 2. Empathische Anteilnahme korreliert positiv mit beruflicher Selbstwirksamkeit (r = 0,17, p < 0,01), beruflicher Sinnerfüllung (r = 0,26, p < 0,01) und Wohlbefinden (r = 0,10, p < 0,05). Positive Korrelationen finden sich ebenso zwischen Abgrenzungsfähigkeit und beruflicher Selbstwirksamkeit (r = 0,32, p < 0,01), Sinnerfüllung (r = 0,12, p < 0,01) und Wohlbefinden (r = 0,23, p < 0,01). Berufliche Selbstwirksamkeit (r = 0,36, p < 0,01) und Sinnerfüllung (r = 0,43, p < 0,01) korrelieren jeweils mittelstark mit Wohlbefinden. Frauen berichten eine höhere empathische Anteilnahme (r = −0,12, p < 0,01) als Männer. Je länger die Beschäftigten ihren Beruf ausüben, desto selbstwirksamer erleben sie sich in ihrer Arbeit (r = 0,27, p < 0,01). Die Beschäftigungsdauer korreliert zudem positiv mit Sinnerfüllung (r = 0,10, p < 0,05) und Wohlbefinden (r = 0,11, p < 0,05).

Tab. 2 Interkorrelationsmatrix verwendete Variablen

Die Abb. 1 und 2 zeigen Ergebnisse der Regressionsanalysen der seriellen Mediationsmodelle zwischen den DC-Komponenten und dem Wohlbefinden der Humandienstleistenden unter Berücksichtigung der beruflichen Selbstwirksamkeit und Sinnerfüllung. Der Einfluss empathischer Anteilnahme auf das Wohlbefinden (Abb. 1) wird seriell vollständig über die berufliche Selbstwirksamkeit und das Erleben von Sinnerfüllung vermittelt (c = 0,10, p < 0,05; c′ = −0,03, p = 0,399).

Abb. 1
figure 1

Ergebnisse der seriellen Mediation mit direkten und indirekten Effekten für die DC-Komponente empathische Anteilnahme (N = 527; standardisierte Regressionskoeffizienten; kontrolliert für Geschlecht, Berufsdauer; c′ direkter Effekt, c totaler Effekt, *p < 0,05, **p < 0,01)

Das 95 %-Bootstrapp-Konfidenzintervall (KI) des indirekten Gesamteffekts (95 %-KI [0,15, 0,31]; vgl. Anhang) schließt den Wert Null nicht ein und stützt somit die vollständige serielle Mediation. Hohe empathische Anteilnahme ist mit höherer beruflicher Selbstwirksamkeit (β = 0,18, p < 0,01) und in weiterer Folge mit höherem Sinnerleben in der Arbeit (β = 0,33, p < 0,01) verbunden. Letztlich geht dies mit verbessertem Wohlbefinden der Beschäftigten (β = 0,35, p < 0,01) einher.

Die Abb. 2 zeigt, dass berufliche Selbstwirksamkeit und Sinnerfüllung den Zusammenhang von Abgrenzungsfähigkeit und Wohlbefinden partiell mediieren. Der signifikant positive Zusammenhang zwischen Abgrenzungsfähigkeit und Wohlbefinden wird durch die vermittelnden Rollen der beruflichen Selbstwirksamkeit und Sinnerfüllung in der Arbeit deutlich abgeschwächt, bleibt jedoch erhalten (c = 0,23, p < 0,01; c′ = 0,13, p < 0,01). Der indirekte Gesamteffekt ist signifikant (vgl. Anhang; 95 %-KI [0,07, 0,20]) und stützt somit die Mediationsannahme. Hohe Abgrenzungsfähigkeit geht mit höherer beruflicher Selbstwirksamkeit (β = 0,32, p < 0,01) und in weiterer Folge mit höherem Sinnerleben (β = 0,37, p < 0,01) einher, was letztlich das Wohlbefinden der Humandienstleistenden signifikant positiv (β = 0,35, p < 0,01) beeinflusst.

Abb. 2
figure 2

Ergebnisse der seriellen Mediation mit direkten und indirekten Effekten für die DC-Komponente Abgrenzungsfähigkeit (N = 527; standardisierte Regressionskoeffizienten; kontrolliert für Geschlecht, Berufsdauer; c′ direkter Effekt, c totaler Effekt, *p < 0,05, **p < 0,01)

In beiden seriellen Mediationsmodellen sind die spezifischen indirekten Effekte (vgl. Anhang; a1b1, a2b2, a1d21 b2) signifikant – mit Ausnahme des indirekten Effekts von Abgrenzungsfähigkeit über Sinnerfüllung auf das Wohlbefinden (a2b2 = −0,002; 95 %-KI [−0,04, 0,04]). Zudem zeigt sich neben den Ergebnissen zu Einflüssen auf das Wohlbefinden, dass sich empathische Anteilnahme als signifikant positiver Prädiktor (β = 0,20, p < 0,01) für das Erleben von Sinnerfüllung in der Arbeit erweist, nicht jedoch die Abgrenzungsfähigkeit (β = −0,004, p = 0,93). Berufliche Selbstwirksamkeit wurde als signifikanter Prädiktor von Wohlbefinden bestätigt (β = 0,18–0,23, p < 0,01).

In zusätzlichen Moderationsanalysen wurde das theoretisch anzunehmende Zusammenspiel der beiden DC-Komponenten im Rahmen der seriellen Mediationen näher untersucht. Die beiden zuvor getrennt getesteten Mediationsmodelle wurden integriert und multiplikative Interaktionsterme von empathischer Anteilnahme und Abgrenzungsfähigkeit als Prädiktoren für berufliche Selbstwirksamkeit, Sinnerfüllung und Wohlbefinden einbezogen. Dabei zeigte sich ein signifikanter negativer Interaktionseffekt (β = −0,11, p < 0,01) der beiden DC-Komponenten im Hinblick auf die Selbstwirksamkeit. Abb. 3 veranschaulicht dieses Zusammenwirken von empathischer Anteilnahme und Abgrenzungsfähigkeit auf die Selbstwirksamkeit.

Abb. 3
figure 3

Moderationseffekt der Abgrenzungsfähigkeit auf den Zusammenhang von empathischer Anteilnahme und beruflicher Selbstwirksamkeit (M Mittelwert, SD Standardabweichung)

Es zeigt sich, dass die Selbstwirksamkeit bei Humandienstleistern mit niedriger Abgrenzungsfähigkeit (M − 1 SD) unter dem Einfluss zunehmender empathischer Anteilnahme ansteigt. Hingegen scheint bei Humandienstleistenden mit hoher Abgrenzungsfähigkeit (M + 1 SD) das Ausmaß an empathischer Anteilnahme die Selbstwirksamkeit kaum zu beeinflussen. Theoriekonform resultiert die höchste Selbstwirksamkeit, wenn beide DC-Komponenten hoch (M + 1 SD) ausgeprägt sind (vgl. „balancierte“ Helfer) und ist am geringsten, wenn beide niedrig (M − 1 SD) sind (vgl. „teilnahmslose“ Helfer). Weiterhin ist zu erkennen, dass das Zusammenspiel von hoher Abgrenzungsfähigkeit mit niedriger empathischer Anteilnahme (vgl. „distanzierte“ Helfer) und umgekehrt (vgl. „empathische“ Helfer) in Zusammenhang mit höherer Selbstwirksamkeit steht. Der Index der moderierten seriellen Mediation war signifikant (95 %-KI [−0,024, −0,004]). Entsprechend ist Selbstwirksamkeit in weiterer Folge positiv mit Sinnerfüllung und Gesundheit verbunden.

Diskussion

Vor dem Hintergrund zunehmender psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz prüft die vorliegende Studie das wohlbefindensförderliche Potenzial empathischer Anteilnahme und Abgrenzungsfähigkeit in interaktionsintensiven Berufen. Zusammenhänge mit beruflicher Selbstwirksamkeit und Sinnerfüllung als individuelle Arbeitsressourcen werden einbezogen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die DC-Komponenten eine wichtige emotionsbezogene Funktion dabei erfüllen, sich im Arbeitsalltag mit Klienten als selbstwirksam und die Arbeit als sinnhaft zu erleben. Dieser vermittelte Zusammenhang kann als förderliche Quelle für das Wohlbefinden wirksam werden. Die Ergebnisse replizieren Befunde, wonach Gesundheit und Wohlbefinden positiv mit dem Erleben von Sinnerfüllung durch die Arbeit verbunden sind [1, 2, 29]. Arbeit wird besonders dann als sinnvoll wahrgenommen, wenn man das Gefühl hat, für andere Menschen da zu sein, und die eigene Tätigkeit positive Auswirkungen auf andere Menschen hat [1]. Speziell wird dies von Humandienstleistenden beispielsweise bei behandelnden oder beratenden Tätigkeiten erlebt. Die wahrgenommene Sinnhaftigkeit ist hier oft besonders hoch [2], wie auch die vorliegende Studie bestätigt. Hingewiesen werden muss dabei aber auch auf die Gefahr des Überengagements und Risiken der Selbstausbeutung [2, 27]. Ein wichtiger Aspekt, der die berufliche Sinnerfüllung stärkt, ist die berufliche Selbstwirksamkeit. Das Vertrauen von Humandienstleistern in die eigenen Fähigkeiten, Aufgaben oder auftretende Probleme in der Arbeit meistern zu können, leistet einen wichtigen Beitrag, die Arbeit subjektiv bedeutsam und damit auch sinnerfüllender zu erleben [26, 27]. Berufliche Selbstwirksamkeit fungiert dabei auch als Ressource für das Wohlbefinden [24, 30]. Ein höheres Maß empathischer Anteilnahme war mit gesteigerter arbeitsbezogener Selbstwirksamkeit assoziiert. Zusätzliche Analysen zeigten, dass dieser Zusammenhang vom Ausmaß der Abgrenzungsfähigkeit beeinflusst wird. Die Selbstwirksamkeit steigt bei zunehmender empathischer Anteilnahme insbesondere bei Humandienstleistenden mit niedriger Abgrenzungsfähigkeit an. Theoriekonform wiesen Dienstleistende mit hoher empathischer Anteilnahme und hoher Abgrenzungsfähigkeit die höchste Selbstwirksamkeit auf. Als wenig selbstwirksam erlebten sich hingegen Dienstleistende, bei denen beide DC-Komponenten niedrig ausgeprägt waren. Allerdings berichteten auch Dienstleistende mit niedriger empathischer Anteilnahme und hoher Abgrenzungsfähigkeit (und umgekehrt) eine erhöhte Selbstwirksamkeit.

Dies stützt die Annahme, dass eine empathisch zugewandte Arbeitsweise – und daraus resultierende positive Arbeitserfahrungen wie gelingende Abstimmungsprozesse in der Behandlung oder höhere Klientenzufriedenheit – sowie die Abgrenzungsfähigkeit die Überzeugung stärken, den Anforderungen des Humandienstleistungsberufes gewachsen zu sein. In weiterer Folge begünstigt dies, mehr Sinnerfüllung in der Arbeit durch die in den Vordergrund tretende Klientenbeziehung zu erleben, wodurch auch das Wohlbefinden positiv beeinflusst wird. Umgekehrt gilt, dass geringe empathische Anteilnahme im Klientenkontakt, besonders in Kombination mit geringer Abgrenzungsfähigkeit, mit weniger Selbstwirksamkeit und letztlich auch weniger Sinnerfüllung in der Arbeit einhergeht. Anzunehmen ist, dass dies auf Kosten der Motivation geht, welche Beschäftigte oft aus dem Sinnerleben in der Arbeit mit Klienten schöpfen. Die Ergebnisse zeigen, dass Empathie gegenüber hilfesuchenden Personen dazu beiträgt, den Beruf als sinnvoll und befriedigend zu erleben [14, 25], wobei der Wunsch nach Sinnerfüllung in der Arbeitswelt derzeit generell an Bedeutung gewinnt [2].

Mit Blick auf die Abgrenzungsfähigkeit deckt sich der positive Einfluss auf das Wohlbefinden mit bisherigen Ergebnissen zu Burnout [17,18,19], wonach höhere Abgrenzungsfähigkeit mit geringerer emotionaler Erschöpfung einhergeht. Bei mangelnder Fähigkeit, sich in der emotionalen Distanz regulieren zu können, etwa durch Überidentifikation im Sinne persönlicher Entgrenzung oder Aufopferung für Patienten, läuft man Gefahr, sich emotional zu erschöpfen, wodurch langfristig das Burnout-Risiko erhöht wird. Die Bedeutung von gelingender Abgrenzung wird deutlich. Es konnte gezeigt werden, dass eine höhere persönliche Abgrenzung zur subjektiven Überzeugung beiträgt, mit Anforderungen einer oftmals emotional anspruchsvollen Arbeit mit Klienten klarzukommen. Hierdurch wird die Arbeit wiederum als sinnerfüllender wahrgenommen und in Folge das Wohlbefinden gestärkt. Im Unterschied zu den Ergebnissen der empathischen Anteilnahme war die Abgrenzungsfähigkeit nicht direkt, sondern nur indirekt über die Selbstwirksamkeit vermittelt, mit Sinnerfüllung verbunden. Zusammenfassend trägt die empathische Anteilnahme und Abgrenzungsfähigkeit über die Selbstwirksamkeit vermittelt dazu bei, die Arbeit als sinnvoller zu empfinden, wodurch wiederum ein förderlicher Effekt für das Wohlbefinden der Beschäftigten gezeigt werden konnte.

Einschränkend ist bei den vorliegenden Ergebnissen zu berücksichtigen, dass die präsentierten Daten auf Selbstberichten einer Querschnittstudie beruhen. Wirkrichtungen wären in Längsschnitterhebungen zu prüfen. Nicht erkenntlich, aber auch nicht völlig auszuschließen waren potenziell verzerrende Einflüsse gemeinsamer Methodenvarianz.

Primär wurden die beiden DC-Komponenten im Rahmen von Zusammenhangsanalysen getrennt untersucht. Zusätzlich getestete Interaktionseffekte unterstützen die theoretischen Grundannahmen hinsichtlich der Balance von Anteilnahme und Abgrenzung in Grundzügen. Dem komplexen Zusammenwirken der beiden DC-Komponenten sollte in Folgestudien weiter nachgegangen werden.

Die Humandienstleistungsarbeit unterliegt gegenwärtig wachsenden ökonomischen Interessen [13], die sich beispielsweise im Pflegebereich durch vermehrte zeitliche Vorgaben zeigen. Damit verbundene strukturelle und organisationale Bedingungen der Arbeit (z. B. Zeitdruck, Überlastung) beeinflussen die Entfaltung positiver arbeitsbezogener Zustände und Wohlbefinden und sollten in künftigen Studien verstärkt berücksichtigt werden. Interventionen können dabei ansetzen, die Arbeits- und Ablauforganisation so zu gestalten, dass ein Eingehen auf Klienten ermöglicht wird, ebenso ein Lernen im Ausloten der persönlichen Grenzen durch Supervision und Fortbildungen. Hierfür erforderliche bewusstseinsbildende Maßnahmen, welche das Wahrnehmen und den Umgang mit Emotionen und eigenen Werten in Bezug auf die Beziehung zu Klienten fördern, tragen zum Erhalt von beruflicher Selbstwirksamkeit, Sinnerleben in der Arbeit und psychischem Wohlbefinden bei. Dies sollte bereits in der Ausbildung von Humandienstleistern gefördert werden.

Die Studie liefert über gängige Themen zur Emotionsarbeit in Organisationen hinaus wichtige Hinweise darauf, dass den emotionsbezogenen DC-Komponenten besonders in beziehungsorientierten Berufen eine kompetenzstärkende und sinnerfüllende Funktion zukommt. Diese spiegelt auch die Professionalität und den Wert des sozial-emotionalen Aspekts der Arbeit mit Klienten für Beschäftigte und deren Wohlbefinden wieder.

Fazit für die Praxis

  • Eine empathische Arbeitsweise, welche die Klientenbeziehung in den Vordergrund stellt, und eine gesunde persönliche Abgrenzung von Dienstleistern stärken die berufliche Selbstwirksamkeit und das Sinnerleben als wichtige individuelle Arbeitsressourcen. Gemeinsam dienen Sie letztlich einem verbesserten Wohlbefinden.

  • Bewusstseinsbildung und Training einer reflexiven DC-Haltung („Detached Concern“) im Rahmen des Wahrnehmens und professionellen Regulierens von Gefühlen im Klientenkontakt sollten bereits in der Ausbildung integriert werden, um emotionalen Überlastungen von Dienstleistern präventiv vorzubeugen.

  • Die täglich zu leistende Emotionsregulation bedarf Arbeitsbedingungen, welche ein Einlassen auf Klienten sowie ein Achten auf die eigene Gesundheit erlauben.