Die Frage, wie Teilhabe gestaltet sein sollte und wann diese für Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter erreicht ist, setzt Wissen über die Adressat*innengruppe voraus. Vor diesem Hintergrund leistet die vorliegende Studie einen Beitrag zur Sensibilisierung bezüglich der Bedarfe von „Menschen mit Behinderung in der dritten Lebensphase“ und zu mehr Sicherheit im Umgang mit älteren Menschen mit einer Behinderung.

Der demographische Wandel betrifft auch den Personenkreis der Menschen mit Behinderung. Weiterhin steigt die Lebenserwartung von Menschen mit Behinderung stetig [4, 5, 7]. Folglich nimmt der Anteil von Menschen mit einer Behinderung im Senior*innenalter, die ambulante oder stationäre Leistungen durch die Behindertenhilfe benötigen, zu. Mit dem Übergang in den Ruhestand verlieren Menschen mit Behinderung eine wichtige Möglichkeit der Teilhabe. Hinzu kommt, dass sie im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nicht über die gleichen Ressourcen verfügen. So leben und arbeiten sie häufig in institutionalisierten Settings, verfügen über geringe finanzielle Ressourcen, haben seltener eigene Familien und sind insgesamt weniger sozial eingebunden [3, 9]. Ziel muss es sein, einer Isolierung entgegenzuwirken. Ältere Menschen sind primär in einem kommunalen Setting erreichbar. Die infrastrukturellen Bedingungen sowie sozialen Beziehungen können die Gesundheit der älteren Menschen im Quartier/Bezirk beeinflussen. Die Partizipation älterer Menschen im Rahmen von Veränderungen im Stadtteil ist dabei sehr wichtig [1, 2, 6].

Qualitative Vorstudie

Im Zusammenhang mit der vorliegenden Studie, die in enger Kooperation mit der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. durchgeführt wurde, wurde zunächst eine Erfassung der Bedarfe und Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter (ab 50 Jahre) geplant, um einen Eindruck über die Aktivitäten und Wünsche zu erhalten. Hierzu wurden insgesamt 27 halbstrukturierte Einzelinterviews mit Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter in den Stadtteilen Altona, Barmbek/Winterhude, Bergedorf und Harburg durchgeführt. Die 10 Teilnehmerinnen und 17 Teilnehmer waren zum Interviewzeitpunkt zwischen 51 und 73 Jahre alt und wurden überwiegend über die sozialen Dienste der Stadtteile kontaktiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmer*innen in ihrer Freizeit und am Wochenende verschiedenen Aktivitäten nachgehen. Sie geben an, sportlich aktiv gewesen zu sein, dass nun aber Mitstreiter*innen fehlen. Bezogen auf die Nutzung von Angeboten geben die Teilnehmer*innen am häufigsten an, dass sie die Treffpunkte in den Stadtteilen nutzen und über die Betreuer*innen der sozialen Dienste sowie Prospekte über die Angebote informiert werden. In Hinblick auf ihre Lebenssituation geben die Teilnehmer*innen z. T. facettenreiche Wünsche an, wie mehr Kontakte und Unterstützung oder Sportangebote zu nutzen bzw. mehr Zeit in der Natur und mit Reisen zu verbringen. Dabei wünschen sie sich eine inklusivere Ausrichtung der Angebote: „B: Ja, ich würds auch schön finden, wenn sich der Kreis zwischen Behinderten und Nicht Behinderten und jetzt nicht nur, ich bin behindert, du bist behindert, ich bin nicht behindert, du bist nicht behindert, sondern ich bin behindert, du bist nicht behindert. Das sich der Kreis mehr schließt“ (Einzel, Absatz 29).

Ausgehend von diesen ersten Ergebnissen wurde die vorliegende Studie geplant. Ziel war es, die Perspektive von Pflegekräften in der Behindertenhilfe und im Stadtteil aktiven Akteuren aus den Bereichen der Senioren- sowie der Behindertenhilfe zum Thema ‚Menschen mit Behinderung in Senior*innenalter’ zu erfragen, Teilhabechancen für Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter im Stadtteil aufzuzeigen, Lücken zu identifizieren und die Erfahrungen und Ausprägungen in der stadtteilbezogenen Netzwerkstruktur sichtbar zu machen.

Datenbasis und Methodik der Studie

In der Studie wurden sowohl qualitative als auch quantitative Verfahren angewendet. Der qualitative Forschungsansatz wurde gewählt, um einen Einblick in die Sichtweise der Akteure im Stadtteil zu erhalten, Konzepte zu entwickeln und förderliche Faktoren und Teilhabebarrieren zu identifizieren. Der quantitative Forschungsansatz wird zur konkreten Erfassung der bestehenden Netzwerkstrukturen der Befragten eingesetzt. Der Feldzugang erfolgte jeweils über die Leben mit Behinderung Hamburg Sozialeinrichtungen gemeinnützige GmbH, einem Träger der Behindertenhilfe.

Fokusgruppendiskussionen

Im April und Mai 2018 wurden acht Fokusgruppeninterviews in den Hamburger Stadtteilen Altona, Barmbek/Winterhude, Bergedorf und Harburg durchgeführt. Die Fokusgruppen setzten sich aus jeweils 4–11 Teilnehmer*innen zusammen, die als Pflegekräfte in Haus- und Wohngemeinschaften der Behindertenhilfe tätig sind sowie aus Akteuren aus den Bereichen: Wohlfahrtsverbände, Bezirks- und Fachämter für Gesundheit und Sozialraummanagement, Seniorenbeirat, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Gesundheits- und Pflegedienstleistungen, Freiwilligenorganisationen für/mit Menschen mit Behinderung, Kirche sowie Kultur- und Veranstaltungszentren. In Vorbereitung auf die Fokusgruppendiskussionen wurden ein Interviewleitfaden und Einladungsschreiben für die Teilnehmer*innen erstellt. Der Interviewleitfaden ist in sechs Themenbereiche unterteilt und enthält insgesamt 24 Fragen. Die Fokusgruppeninterviews wurden mit einer Transkriptionssoftware verschriftlicht. Die Auswertung erfolgte nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [8].

Online-Befragung

Im Februar und März 2020 wurde eine Online-Befragung durchgeführt. Um eine möglichst hohe Anzahl von Teilnehmer*innen zu rekrutieren, wurden alle Kooperationspartner*innen der Leben mit Behinderung Hamburg Sozialeinrichtungen gemeinnützige GmbH aus den Stadtteilen Altona, Barmbek/Winterhude, Bergedorf und Harburg per E‑Mail über die Online-Befragung informiert. Der Fragebogen besteht aus 14 Fragen mit überwiegend frei formulierten und Likert-skalierten Antwortmöglichkeiten, die auf Basis der Ergebnisse der leitfadengestützten Fokusgruppeninterviews entwickelt wurde. Die Fragen umfassen Einschätzungen zur Beteiligung von Menschen mit Behinderung bei der Angebotsentwicklung sowie zur Kooperation zwischen den Akteuren und Trägern. Die Bedarfe zur Förderung der Gesundheit von Menschen mit Behinderung wurden ebenfalls erhoben. Des Weiteren wurden der Tätigkeitsbereich und der Stadtteil, in dem die Teilnehmer*innen aktiv sind, erfasst. Zur Durchführung wurde die Online-Befragung über das Befragungstool LamaPoll erstellt. Eine mehrfache Bearbeitung der Umfrage am gleichen Datenendgerät wurde technisch ausgeschlossen. An der anonymen Befragung nahmen 86 Personen teil. Von 43 Teilnehmer*innen liegen Angaben zum Stadtteil vor. 28 % dieser geben an, in der Region Harburg tätig zu sein (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Verteilung der Teilnehmer*innen nach Stadtteil (n = 43, Angaben in %)

Die Frage zum Tätigkeitsbereich beantworteten 42 Teilnehmer*innen. 31 % geben an, in Behörden oder öffentlichen Institutionen tätig zu sein. 26 % arbeiten in Treffpunkten und 21 % im Bereich Beratung. Ein Drittel der Befragten gibt des Weiteren an, in einem anderen Bereich zu arbeiten. Informationen dazu, welche Bereiche dies sind, können der Umfrage nicht entnommen werden.

Ergebnisse

Ergebnisse der Fokusgruppendiskussionen

Aus den sechs Bereichen des Interviewleitfadens wurden sieben Hauptkategorien abgeleitet (Abb. 2). Die Kategorie Perspektive zur Einschätzung der Teilhabe von Senior*innen mit geistiger Behinderung; Bedarf/Bedürfnisse bezüglich der Voraussetzungen, zur Teilnahme von Senior*innen mit Behinderungen an Angeboten sowie des Bedarfs für die Arbeit der Fokusgruppenteilnehmer*innen. In der Kategorie Netzwerke/Kooperationen sind die vorhandenen Angebote und Netzwerke zusammengefasst. Zudem werden Möglichkeiten zur Öffnung von Angeboten anhand von Beispielen guter Praxis aufgezeigt, Ansprüche an Gestaltung von Kooperation von Angeboten beschrieben, die sich an Menschen mit bzw. ohne Behinderung richten. Des Weiteren sind förderliche Faktoren und Barrieren für Teilhabe für Menschen mit Behinderung sowie Idealvorstellungen in Bezug auf die Abbildung der Bedarfe/Bedürfnisse von Senior*innen in ihrer Vielfalt bei der Konzeptgestaltung in Kategorien zusammengefasst sowie Nächste Schritte hinsichtlich der Entwicklung von Maßnahmen aufgezeigt.

Abb. 2
figure 2

Hauptkategorien Fokusgruppendiskussionen

Nachfolgend erfolgt die Darstellung der zentralen Ergebnisse der Fokusgruppendiskussionen differenziert nach den Hauptkategorien.

Perspektive

Die Ermöglichung von Teilhabechancen von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter wird von den Akteuren als eine Herausforderung betrachtet, auch weil das Thema „Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter“ bei vielen Trägern jetzt erst zum Tragen kommt, und es an Strukturen in der Behinderten- und Altenhilfe für diese Personengruppe fehlt. Um Teilhabe zu ermöglichen und zu fördern, bedarf es der Unterstützung durch eine professionelle Begleitung: „…und plötzlich passiert da was und das braucht einfach Zeit und ein bisschen Geduld, aber schon auch ein bisschen Anbahnung von Professionellen und ein bisschen ja, auch Kommunikation und den Moment so mitzukriegen und dann, dann kann wirklich was passieren. Aber so einfach so machen geht nicht und das braucht schon auch eine professionelle Begleitung, das glaub ich sicherlich auch, also.“ (FG4, Absatz 109–110).

Bedarf/Bedürfnisse

Die Akteure geben an, dass in Hamburg eine gute Angebotsstruktur für Senior*innen vorhanden ist. Die Befragten in allen vier Stadtteilen sind motiviert, ihre Angebote zukünftig stärker auf Menschen mit Behinderung auszurichten und ihnen damit Teilhabe daran zu ermöglichen. Es wird als wichtig hervorgehoben, dass eine professionelle fachliche Begleitung aus dem Bereich der Behindertenhilfe für Akteure aus der Seniorenarbeit und umgekehrt erfolgt, evtl. durch externe Beratung bei der Angebotsöffnung und Schulung im Umgang und in der Gesprächsführung mit den Klient*innen: „Ich glaube schon, dass wir als Behindertenhilfeträger irgendwie Zeit und Muße haben müssen beratend zur Seite zu stehen, wenn irgendwie, was ist das denn für ne Behinderung, weil das wissen glaub ich nicht alle, …“ (FG5, Absatz 55–56). Dies könnte die Willkommenskultur unterstützen und Berührungsängste abbauen. Zum anderen bedarf es mehr Ressourcen, sowohl finanziell, personell als auch räumlich und zeitlich: „Ich merke ne Zufriedenheit von Klienten und gerade wenn sie älter werden und nicht mehr im Berufsleben sind, dann muss Zeit da sein. Diese Zeit fehlt uns ganz häufig“ (FG9, Absatz 25). Da die eigenen Ressourcen der Akteure für die Begleitung der Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter zu Angeboten nicht ausreichen, sind Freiwillige notwendig, die beispielsweise eine Patenfunktion für eine Person übernehmen, damit diese an den Angeboten im Verein bzw. in der Gruppe teilnehmen kann: „(…) , natürlich muss es natürlich erst mal ne Begleitung von der Assistenzkraft geben, aber ich glaube man muss dann ziemlich schnell dazu übergehen, dass man guckt, gibt es in dieser Gruppe, im Chor zum Beispiel, irgendjemand der bereit ist ne Patenfunktion für eine gewisse Zeit zu übernehmen und dann versuchen ihn da einzubinden“ (FG6, Absatz 22).

Netzwerke/Kooperationen

Die Akteure wünschen sich eine bessere Vernetzung: „(…) , um ein bisschen so wieder zusammenzutragen in so eine Gruppe wie hier und zu sagen: ‚Mensch also wir haben gehört, also Ihr habt gehört, der hat gehört (…)’“ (FG7, Absatz 63). Die Koordination dieses Netzwerkes und die Gestaltung von Kooperationen sollten professionell verankert sein: „Es braucht mehr als Ehrenamt. Es braucht wenigstens eine Person die koordinierend da ist und Ehrenamt ist super, beide Wege sind super aber (Befragte: Ja) da muss jemand da sein der Dinge vernetzen kann und mit Personen reden kann und learning by doing“ (FG3, Absatz 87).

Förderliche Faktoren

Als förderlicher Faktor für Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter wird die Strukturbildung benannt. Zudem stellt die Bündelung von Kompetenzen einen förderlichen Faktor dar, die es ermöglicht Verantwortung gemeinsam zu tragen. Die Einbindung und der Gewinn von Multiplikator*innen sowie die Sensibilisierung von Bürger*innen und Akteuren für das Thema Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter werden als weitere förderliche Faktoren benannt.

Barrieren

Die Akteure geben Barrieren auf unterschiedlichen Ebenen an. Zum einem werden auf der Ebene der Einstellungen Barrieren gesehen. Diese umfassen Diskriminierungen zwischen Menschen mit Behinderung und ohne Behinderung im Senior*innenalter untereinander sowie der gesellschaftlichen Haltung, die von einer unzureichenden Wertschätzung von Menschen mit Behinderung geprägt ist. Zudem stellen eine geringe intrinsische Motivation und Eigenverantwortung sowie Ängste Barrieren für Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter dar. Auf struktureller Ebene werden zu wenig Personal, fehlende Fahrdienste, lange Fahrtwege, schlechte Nahverkehr- und Verbindungsmöglichkeiten als Barrieren benannt.

Idealvorstellungen

In allen Stadtteilen zeigen sich Überschneidungen hinsichtlich der Vorstellungen. Die Pflegekräfte sowie die Stadtteilakteure wünschen sich für ihr Arbeitsumfeld mehr Personal, Rückzugsorte in Wohneinheiten, Snoezelräume für Sinneserfahrungen. Es werden Lösungswege aufgezeigt, wie die Teilhabechancen erhöht werden können. Unter Berücksichtigung der geringen finanziellen Ressourcen der Zielgruppe werden die Förderung von Fahrdiensten und des Angebots eines kostenlosen öffentlicher Nahverkehrs und die Bereitstellung eines vielfältigeren an den Bedürfnissen ausgerichteten Freizeitangebots in Wohnortnähe benannt.

Nächste Schritte

Um gezielter mit Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter arbeiten und ihnen Teilhabe ermöglichen zu können, bedarf es den Akteuren zufolge einer Übersicht über die Angebotsstruktur für Menschen mit und/oder ohne Behinderung: „…also im Grunde einen Standplan (machen müsste), gibt es in Bergedorf Angebote für Menschen 50plus, erstmal sind die bereit, in der Lage, Menschen mit solchen Beeinträchtigungen auch zu integrieren, aufzunehmen, also das nimm ich erstmal so mit als Idee.“ (FG2, Absatz 16) bzw. einer Organisation „Das die sein muss, die Struktur, wie können wir das Thema gezielt angehen, also was brauchen die Wohneinrichtungen, die Hilfen, welche Angebote sind interessant, da heißt es wirklich Bedarfe abfragen“ (FG2, Absatz 88).

Ergebnisse der Online-Befragung

Fast 61 % stimmen der Aussage (völlig) zu, dass das Thema Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter bei ihrem Träger/Anbieter an Bedeutung gewonnen hat. Wohingegen 15 % angeben, dass das Thema bei ihrem Träger/Anbieter nicht an Bedeutung gewonnen hat.

Um die Angebote und Dienstleistungen des Trägers/Anbieters auf die Bedarfe von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter auszurichten, kooperieren etwa 42 % der Befragten „oft“ bzw. „immer“ sowie 33 % „gelegentlich“ mit anderen Einrichtungen. 26 % geben an, „selten“ bzw. „nie“ mit anderen Einrichtungen zu kooperieren.

Bei der Ausrichtung der Angebote auf die Bedarfe von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter arbeiten die Träger/Anbieter nach eigenen Angaben am häufigsten zusammen mit Selbsthilfeverbänden/-gruppen und Projekten, die auf Menschen mit Behinderung und/oder einer chronischen Erkrankung sowie ältere Menschen ausgerichtet sind, darunter Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Diakonie. Auf die Frage, mit wem sie zukünftig gerne noch zusammenarbeiten würden gaben die meisten an, keine konkreten Ansprechpartner*innen im Blick zu haben bzw. offen für Kooperationen zu sein: „mit allen Akteuren und ihren Angeboten, da sich dadurch ein vielfältigeres Angebot entwickeln kann“. Auch wünschen sich die Befragten eine Zusammenarbeit mit Selbsthilfeverbänden und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder einer Erkrankung sowie mit Anbietern der Seniorenarbeit und -organisationen wie Seniorentreffpunkte.

Um die Effektivität (gesundheitsbezogener) Angebote zu steigern, wird eine stärkere Einbeziehung der Zielgruppen von Maßnahmen u. a. bei der Projektplanung, -durchführung und -auswertung empfohlen. 27 % der Befragten geben an, dass sie „oft“ Menschen mit Behinderung beteiligen, wenn es um die bedarfsgerechte Ausrichtung ihrer Angebote geht. 5 % geben an, dies „immer“ zu tun. 27 % der Befragten beteiligen Menschen mit Behinderung „gelegentlich“ bei der bedarfsgerechten Angebotsausrichtung. Wohingegen 41 % der Befragten der Aussage zustimmen, „selten“ bzw. „nie“ Menschen mit Behinderung zu beteiligen.

Um eine Beteiligung von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter im Quartier zu ermöglichen, bedarf es laut der Befragten einer Begleitung/Assistenz und Dienstleistungen, die Menschen mit Behinderung bei Bedarf in der Mobilität unterstützen. Des Weiteren stellt die Barrierefreiheit eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe dar, sowohl räumlich durch „barrierefreie Zugänge“ als auch sprachlich durch „barrierefreie Kommunikation“ und „leichte Sprache“. Aber auch die Sensibilisierung der im Stadtteil lebenden Menschen mittels „Gewöhnung durch Begegnung“, „Offenheit aller Beteiligten, aufeinander zugehen, ins Gespräch kommen“ und ein „respektvoller Umgang miteinander“ können den Abbau von Hemmungen unterstützen und eine Beteiligung von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter im Quartier fördern.

Menschen mit Behinderung haben einen erschwerten Zugang zu Gesundheitsinformationen und -versorgung. Daher haben wir die Akteure danach gefragt, was sich für Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter in Hamburg vor allem verändern müsste, um deren Gesundheit zu fördern. Die Befragten geben an, dass ein Angebotsausbau bzw. eine -öffnung, beispielsweise durch „… gesundheitsfördernde(r) Angebote für Senior*innen auch für Menschen mit einer Behinderung …“ sowie „inklusive Maßnahmen der Gesundheitsförderung“ und „attraktive sportliche Angebote, bei denen die Belange und Bedürfnisse behinderter Senioren berücksichtigt werden“, wichtig sind. Zudem heben sie hervor, dass eine (aufsuchende) Beratung und Versorgung wie „Gesundheitszeiten in Wohngruppen“, „ein mobiles Pflegeteam: Beratung, Vertrauensbildung, Versorgung“ und die „Wiedereinführung von Hausbesuchen bei der ärztlichen Versorgung“ zur Förderung der Gesundheit von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter relevant sein könnten. Nicht zuletzt sind die strukturellen Rahmenbedingungen/Voraussetzungen wie „eigene Leistung für Menschen mit einer Behinderung. (…) eigene Abteilung im Fachamt Eingliederungshilfe“ sowie „engere Maschen im Versorgungsnetz“, aber auch eine Förderung der Barrierefreiheit durch „u. a. Informationen in leichter Sprache, und Bebilderung, evtl. Kurzvideos“ und „barrierefreie Arztpraxen bzw. Polikliniken mit umfangreicher Barrierefreiheit“ wichtig dafür, dass die Zielgruppe einen besseren Zugang zu Gesundheitsinformationen und -versorgung erhält.

Abschließend wurden die Akteure zu ihren Wünschen und Bedarfen für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter befragt. Hierbei wurden eine „bessere Vernetzung sowohl der Zielgruppe als auch der Akteure“ und „regelmäßige Vernetzungs‑/Austauschtreffen“ zur Förderung des Informationsaustauschs zwischen den unterschiedlichen Trägern benannt. Des Weiteren besteht der Bedarf an Fortbildung und Wissen zum Thema Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter. Hier gilt es zukünftig mit gezielten Maßnahmen zu unterstützen.

Diskussion

Geleitet von den Fragen: „Welche Teilhabechancen für Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter sind im jeweiligen Sozialraum vorhanden?“, „Welche Lücken bestehen in der Struktur- und Angebotslandschaft für Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter?“ und „Welche Netzwerke und Kooperationen bestehen im Sozialraum?“ hat die vorliegende Studie umfangreiche Ergebnisse erbracht.

Die Fokusgruppendiskussionen haben ergeben, dass es einer professionellen Begleitung bedarf, um Menschen mit einer Behinderung auch im zunehmenden Alter soziale Teilhabe zu ermöglichen. Ergänzt werden sollte dies durch ehrenamtliche Pat*innen, die am gleichen Freizeitangebot teilnehmen und zumindest für einen begrenzten Zeitraum die Menschen mit Behinderung begleiten könnten. Zur Förderung der Gesundheit und der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter betonen die Akteure vor allem eine Ausrichtung der Angebote hin zu einer (aufsuchenden) Beratung und medizinischen sowie pflegerischen Versorgung.

Aus den Ergebnissen können Hinweise zur partizipativen und kooperativen Arbeitsweise der Akteure gewonnen werden. Die Akteure kooperieren insbesondere mit Trägern/Anbietern im Bereich der Selbsthilfe und mit Projekten, die auf Menschen mit Behinderung ausgerichtet sind und zeigen sich offen für weitere Kooperationen. Die Akteure sind motiviert, ihre Angebote zukünftig stärker auf Menschen mit Behinderung auszurichten bzw. dahingehend zu öffnen, um Teilhabe zu ermöglichen. Jedoch bedarf es hierbei einer gegenseitigen externen fachlichen Beratung der Akteure aus den Bereichen Behinderten- und Altenhilfe bei der Konzeption und Durchführung entsprechender inklusiver Angebote. Auch der Wunsch der befragten Akteure nach Fortbildung zum Thema Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter unterstreicht den Bedarf an Wissensaufbau über und Sensibilisierung für die Adressat*innengruppe. Bedeutsam ist, dass die Angebotsausrichtung z. T. ohne Einbezug von Menschen mit Behinderung stattfindet. So geben 41 % der befragten Akteure an, selten bzw. nie Menschen mit Behinderung bei der Angebotsgestaltung einzubeziehen. Hier wird deutlich, dass die Möglichkeiten zur Partizipation von Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter im Rahmen von Veränderungen im Stadtteil sowie bei der Konzeption von Angeboten und Maßnahmen gestärkt werden sollten. Damit eine Veränderung ermöglicht werden kann, braucht es eine Ansprechpartner*in. Um die Träger und Angebote aus den Bereichen Behindertenhilfe und Altenhilfe übergreifend zusammenzubringen und zusammenzuhalten sowie eine Öffnung von Angeboten im Sozialraum zu bewirken, regen die Akteure eine professionelle Netzwerkkoordination an. Diese Ausführungen zeigen, dass sich aus den Studienergebnissen konkrete Schlussfolgerungen für die Praxis ergeben.

Fazit für die Praxis

  • Teilhabe und Teilhabechancen sollten vielfältig gedacht werden.

  • Die Einbindung der Adressat*innengruppe Menschen mit Behinderung im Senior*innenalter bei der Mitgestaltung von Angeboten (z. B. Wohnen, Wohnumfeld, Freizeit, Gesundheit) hat Priorität.

  • Die gegenseitige externe fachlichen Beratung der Akteure aus den Bereichen Behinderten- und Altenhilfe bei der Konzeption und Durchführung inklusiver Angebote verknüpft mit Wissensaufbau über und Sensibilisierung für die Adressat*innengruppe könnte die Willkommenskultur unterstützen und Berührungsängste abbauen.

  • Eine professionelle Koordination unterstützt die Vernetzungsprozesse der Akteure sowie der Bewohner*innen mit und ohne Behinderung im Quartier.

  • Eine sozialraumorientierte Arbeitsweise unter Einbezug der Akteure und der im Quartier lebenden Menschen mit und ohne Behinderung bei der Gestaltung der Lebensbedingungen kann die Teilhabechancen aller fördern.