Im Kontext des Fachkräftemangels ist Personalbindung in der Pflegebranche sehr bedeutend. Hierbei kann die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben eine elementare Rolle einnehmen. Um Vereinbarkeitskonflikte zu reduzieren, stehen in der Praxis eine Vielzahl an Maßnahmen und unterschiedliche Strategien zur Verfügung. Solche Unterstützungsleistungen können von den Unternehmen selbst initiiert werden. Daher kommt der Identifikation erfolgreicher Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben eine hohe Praxisrelevanz zu.

Hintergrund und Fragestellung

Der demografische Wandel und die damit verbundene Zunahme an Pflegebedürftigen führen zu einer deutlichen Steigerung des Bedarfs an Pflegefachkräften. Bereits heute hat der Fachkräftemangel das Ausmaß eines Notstands erreicht [16, 23]. Mittlerweile ist eine Stelle in der Altenpflege bundesweit durchschnittlich 175 Tage vakant. Dies liegt 63 % über dem Durchschnitt der Vakanzzeit aller Berufe [4]. Zudem wird der Fachkräftemangel in der Pflege durch die teils kurze Berufsverweildauer bzw. einen frühzeitigen Ausstieg aus dem Beruf weiter verstärkt [12]. Gründe für den Berufsausstieg in der Pflege sind unterschiedlich, jedoch stellen familiäre bzw. persönliche Gründe zentrale Motive dar [2]. Eine stärkere Personalbindung könnte helfen, dem Fachkräftemangel in der Pflege zu begegnen. Daher stellt sich die Frage, welche Veränderungen notwendig sind, um das Pflegepersonal langfristig im Beruf zu halten.

Die NEXT-Studie belegt für Deutschland, dass u. a. der Konflikt zwischen Arbeit und Familie stark mit dem Wunsch nach einem Berufsausstieg zusammenhängt [25]. Der Rollenkonflikt zeigt sich u. a. darin, dass die Erfüllung einer privaten Rolle, bspw. als Mutter oder im Ehrenamt, durch die berufliche Rolle eingeschränkt wird. Insbesondere Zeitmangel und Erschöpfung – sowohl körperlich als auch emotional – tragen maßgeblich zur Entstehung dieses Konflikts bei. Die Zufriedenheit mit den Arbeitszeiten steht in einem deutlichen Zusammenhang mit dem Arbeit-Familie-Konflikt. Die Daten der oben genannten Studie weisen darauf hin, dass sich dieser Vereinbarkeitskonflikt am stärksten in der ambulanten Pflege abzeichnet, gefolgt von der stationären Langzeitpflege und dem akutstationären Pflegesektor [25].

Eine Befragung im letztgenannten Setting machte deutlich, dass der Arbeit-Familie-Konflikt bei Pflegekräften höher ausgeprägt ist als bei Ärzt*innen oder Mitarbeitenden in der Verwaltung [17]. Gleichzeitig zeigen diese und weitere Untersuchungen, dass mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben mit einer geringeren Arbeitszufriedenheit assoziiert ist [6, 17, 22]. Nationale und internationale Studien stützen die dargestellten Befunde, indem sie aufzeigen, dass ein Konflikt zwischen Beruf und Privatleben bei Pflegekräften mit negativer Stimmung, emotionaler Erschöpfung, Kündigungsabsicht sowie Arbeitsplatzwechsel einhergehen [22] – und in der Kumulation all dieser Faktoren auch zu einem schlechteren Gesundheitszustand über alle Altersgruppen hinweg führen kann [11]. Dies zeigt sich ebenso in den überdurchschnittlich hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten in Pflegeberufen [7].

Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben nimmt daher für die Gesundheit von Pflegekräften und zugleich für die Personalbindung eine elementare Rolle ein, da sie als eine Stellschraube zur Reduzierung der hohen Arbeitsbelastung in der Pflege gesehen wird [1, 3]. Lauxen et al. definieren in ihrem Modell der Einflussgrößen auf Mitarbeiter*innenbindung im Pflegesektor die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben als eine zentrale Determinante [20]. Durch eine Verringerung des Arbeit-Familie-Konflikts wird bspw. die emotionale Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen erhöht, was sich gleichzeitig positiv auf die Verbundenheit (Commitment) auswirkt [8, 20]. Auch die Bundesregierung postuliert, dass die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Möglichkeit darstellt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken – insbesondere im Gesundheitssektor [5].

Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag den Fragen nach, wie Pflegeunternehmen a) ihre Personalsituation bewerten, b) den Erfolg von Unterstützungsleistungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben einschätzen und c) inwiefern eine Umsetzung solcher Maßnahmen in der Praxis stattfindet.

Methodik

Die Studie wurde als Teilvorhaben des interdisziplinären Forschungsverbunds „ZAFH care4care – Fachkräftebedarf in der Pflege im Zeichen von Alterung, Vielfalt und Zufriedenheit“ durchgeführt. Im Sinne einer Vollerhebung wurden die personalverantwortlichen Führungskräfte der höchsten Ebene des Pflegebereichs (Pflegedirektion, Einrichtungsleitung oder Personalmanagementpflege) eines jeden Pflegeunternehmens in der Region Bodensee-Oberschwaben angeschrieben (N = 207).

Studiendesign

Die Studie ist im sequenziellen Mixed-methods-Design angelegt: Als explorativ-qualitative Vorstudie wurden zwei leitfadengestützte Fokusgruppendiskussionen durchgeführt, in denen mit 12 Personalverantwortlichen aus unterschiedlichen Versorgungssektoren der Pflege Themenfelder des Fachkräftemangels in der Region diskutiert wurden [24]. Durch eine inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse wurden daraus Erkenntnisse gewonnen, die als Konzeptionsbasis des Fragebogens zur quantitativen Befragung (Hauptstudie) genutzt wurden.

Samplebeschreibung

Die quantitative Erhebung wurde als schriftlich-postalische Befragung durchgeführt. Von den 207 angeschriebenen Pflegeunternehmen haben sich 59 an der Befragung beteiligt; dies entspricht einem Rücklauf von 28,5 %. In Tab. 1 sind die Charakteristika der befragten Personen bzw. der jeweiligen Einrichtungen dargestellt. Der Großteil der Studienteilnehmer*innen ist in der langzeitstationären Pflege (n = 23; 39,0 %) tätig, gefolgt von der ambulanten Pflege (n = 11; 18,6 %). Etwa jeweils zwei Drittel der Befragten sind 6 Jahre oder länger in der aktuellen Position beschäftigt sowie selbst als Pflegekraft ausgebildet.

Tab. 1 Charakteristika der befragten Personalverantwortlichen bzw. der jeweiligen Einrichtungen (n = 59)

Fragebogen

Der Fragebogen wurde auf Grundlage der Vorstudienergebnisse [24] sowie literaturbasiert entwickelt. Er durchlief einen mehrstufigen Pretest-Prozess, der sowohl aktive als auch passive Pretest-Verfahren beinhaltete (Think-aloud-Technik, Probing-Technik, Expert*innenbewertung). Zunächst wurden Informationen zur Pflegepersonalsituation (u. a. Beschäftigungsumfang, Frauenanteil) in der Einrichtung erhoben und zudem eine Bewertung von Problemlagen (großes, kleines oder kein Problem) – u. a. hinsichtlich Arbeitsbelastung und Personalkapazität – vorgenommen. Fokussiert wurde dann die Erfolgseinschätzung auf einer vierstufigen Likert-Skala („sehr erfolgreich“, „eher erfolgreich“, „weniger erfolgreich“ und „nicht erfolgreich“) und Anwendungshäufigkeit („regelmäßig“, „im Einzelfall“ und „keine Anwendung“) von Personalmanagementmaßnahmen. Dabei wurden alle Befragten um eine Einschätzung des (möglichen) Erfolgs der Maßnahmen gebeten – unabhängig davon, ob die jeweiligen Maßnahmen im eigenen Unternehmen tatsächlich genutzt wurden. Erst im nächsten Schritt gaben die Personalverantwortlichen an, ob die jeweiligen Maßnahmen in der Einrichtung umgesetzt wurden. Die in die Erhebung eingeschlossenen Personalmanagementmaßnahmen lassen sich unterschiedlichen Themenschwerpunkten zuordnen. Dazu gehören u. a. Rekrutierungsstrategien, Gesundheit der Mitarbeitenden sowie Prozess- und Organisationsstrukturen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben stellt somit nur einen Ausschnitt des Fragebogens dar.

Als Unterstützungsleistungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben werden in diesem Beitrag das Angebot von flexiblen Arbeitszeitformen (z. B. Zeitkonten, flexible Arbeitszeitmodelle), das Angebot von Serviceleistungen (z. B. Zuschuss zu Betreuungskosten, haushaltsnahe Dienstleistungen), die Verankerung der Vereinbarkeit als Thema im Mitarbeiter*innengespräch und die Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit (z. B. durch Springerpools, Rahmendienstplan) betrachtet.

Analyse

Die statistische Auswertung wurde mit SPSS 25.0 durchgeführt. Es erfolgte sowohl eine deskriptive als auch bivariate Analyse. Die Berechnung von Häufigkeitsunterschieden erfolgte mittels χ2-Test. Zur Identifikation von Zusammenhängen wurde die Korrelationsanalyse nach Spearman genutzt. Das Signifikanzniveau wurde auf 5 % festgelegt.

Ergebnisse

Personalsituation in den Pflegeunternehmen

In den Pflegeeinrichtungen sind im Durchschnitt ein Viertel der Mitarbeitenden (25,0 %) in Vollzeit beschäftigt; 45,6 % sind mit einem Beschäftigungsumfang von >50 % in Teilzeit angestellt und 29,0 % befinden sich in einer Teilzeitbeschäftigung mit einem Stellenumfang von ≤50 %. Auffallend ist hierbei die starke Streuung der Daten zwischen den Pflegeeinrichtungen hinsichtlich des Beschäftigungsumfangs der Pflegekräfte: Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten variiert bspw. von 0–72,1 %. Der Frauenanteil in der Pflegebelegschaft liegt in diesem Sample bei durchschnittlich 89,5 %.

Große Probleme in der Personalsituation werden vorrangig in Form der hohen Arbeitsbelastung des Pflegepersonals (58,2 %) und der zu geringen Personalkapazität zur Dienstplangestaltung (51,8 %) benannt. Je größer das Problem der Personalkapazität eingeschätzt wird, desto größer wird gleichzeitig die Problematik der hohen Arbeitsbelastung des Pflegepersonals bewertet (rs = 0,75; p < 0,001; n = 55).

In Bezug auf aktuelle Ausscheidungsgründe des Personals zeigt sich, dass jede fünfte Pflegeeinrichtungen (21,1 %) häufig von dem Problem des verstärkten Wunsches nach Arbeitszeitreduzierung betroffen ist. Ein signifikanter Zusammenhang zur Problematik einer hohen Arbeitsbelastung oder geringen Personalkapazität zur Dienstplangestaltung lässt sich nicht identifizieren.

Unterstützungsleistungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Der Erfolg von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wird hinsichtlich der Personalbindung von den Befragten überwiegend hoch eingeschätzt. Am erfolgreichsten wird die Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit bewertet. Ebenso schätzen die Befragten das Angebot flexibler Arbeitszeitformen mehrheitlich positiv ein. Weniger erfolgreich werden dagegen die Verankerung des Themas im Mitarbeiter*innengespräch und das Angebot von Serviceleistungen bewertet (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Erfolgseinschätzung von Unterstützungsleistungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (n = 59)

Die Erfolgseinschätzung der Maßnahmen deckt sich weitestgehend mit der Bewertung des größten unternehmensspezifischen Potenzials für die Zukunft. Hierbei wurden Maßnahmen zur Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit (44,4 %) und das Angebot von flexiblen Arbeitszeitformen (42,6 %) mit dem größten Potenzial im Hinblick auf die Fachkräftesicherung in der Einrichtung bewertet (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Auswahl der Maßnahme mit dem zukünftig größten Potenzial zur Fachkräftesicherung in Bezug auf Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (n = 54)

Wie Abb. 3 illustriert, hat die Hälfte der Befragten das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Mitarbeiter*innengespräch wiederkehrend verankert. Das Angebot flexibler Arbeitszeitformen ist in 46,6 % der Einrichtungen die Regel, wohingegen Maßnahmen zur Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit und das Angebot von Serviceleistungen weitaus seltener in den Einrichtungen umgesetzt werden.

Abb. 3
figure 3

Anwendungshäufigkeit von Unterstützungsleistungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

In der bivariaten Analyse wurde zunächst betrachtet, ob Einrichtungen mit einer als hoch eingeschätzten Arbeitsbelastung bzw. einer geringen Personalkapazität in geringerem oder höherem Maß Unterstützungsleistungen im Bereich der Vereinbarkeit einsetzen. Hierbei sind überwiegend keine signifikanten Unterschiede ersichtlich. Ein Unterschied zeigt sich hinsichtlich der Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit: Die Hälfte aller Einrichtungen (50,0 %), die kein oder ein kleines Problem in Bezug auf die hohe Arbeitsbelastung angeben, wenden Maßnahmen zur Dienstplanverlässlichkeit regelmäßig an, während bei denjenigen mit einer großen Problemsituation lediglich jede fünfte Einrichtung (19,4 %) diese stetig umsetzt (\(\chi^{2}\)(1) = 5,547; p = 0,040; n = 53).

Dieser Befund wird durch die Korrelationsanalyse bestätigt: Je seltener Maßnahmen zur Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit in der Einrichtung angewandt werden, desto größer wird das Problem hoher Arbeitsbelastung des Pflegepersonals eingeschätzt (rs = −0,33; p = 0,018; n = 53). Darüber hinaus zeigt sich, dass seltener der Wunsch nach Arbeitszeitreduzierung als Grund für ein Ausscheiden der Pflegekräfte aus dem Unternehmen angegeben wird, wenn das Angebot von flexiblen Arbeitszeitformen in einer Einrichtung institutionalisiert ist (rs = −0,29; p = 0,034; n = 54).

Des Weiteren wurde der Zusammenhang von Erfolgseinschätzung und Anwendungshäufigkeit betrachtet. Teilweise zeigt sich, dass je positiver die jeweilige Maßnahme von der befragten Führungskraft eingeschätzt wird, desto häufiger diese auch in der Einrichtung angewandt wird. Diese Korrelation gilt sowohl für die Verankerung des Themas im Mitarbeiter*innengespräch (rs = 0,45; p < 0,001; n = 57) als auch für Maßnahmen zur Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit (rs = 0,38; p = 0,004; n = 57).

Die Mehrheit der Befragten (69,5 %) gab an, dass die Beschäftigten in ihrer Einrichtung zur Nutzung von Angeboten zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermutigt werden. Personalverantwortliche, die das Problem der hohen Arbeitsbelastung in ihrer Einrichtung größer einschätzen, ermutigen ihre Mitarbeitenden jedoch seltener zur Nutzung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (rs = −0,32; p = 0,018; n = 55).

Diskussion

Unterstützungsleistungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben werden von den Personalverantwortlichen mehrheitlich als erfolgreich im Hinblick auf die Fachkräftebindung eingeschätzt. Dieser Befund stützt somit bestehende Untersuchungsergebnisse, die aufzeigen, dass die Einführung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in der Pflege positive Auswirkungen auf die Bindung der Mitarbeitenden hat [20, 22]. Insbesondere Maßnahmen zur Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit und dem Angebot flexibler Arbeitszeitformen werden in der vorliegenden Untersuchung sowohl ein großer Erfolg als auch ein großes Potenzial für die Zukunft zugeschrieben. Ebenso wird in bereits bestehenden Studien betont, dass sichere Dienstpläne ein maßgebliches Instrument zur Reduktion von Stressfaktoren im Arbeit-Familie-Konflikt darstellen [13] und flexible Arbeitszeiten und Teilzeitarbeitsoptionen die beste Möglichkeit sind, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können [19].

Trotz dieser positiven Einschätzung, die eine aufgeschlossene Haltung gegenüber den Maßnahmen zur Vereinbarkeit impliziert, ist die konkrete Umsetzung in der Praxis doch sehr heterogen. Lediglich die Integration des Themas der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in das Mitarbeiter*innengespräch wird von mindestens der Hälfte der befragten Einrichtungen regelmäßig genutzt. Alle weiteren Maßnahmen werden z. T. weitaus seltener angewandt, sodass nicht von einer flächendeckenden Umsetzung der Strategien in den Pflegeeinrichtungen ausgegangen werden kann.

Mögliche Gründe für die geringe Nutzung entsprechender Maßnahmen könnten auf die geringe Personalkapazität und hohe Arbeitsbelastung in den Einrichtungen zurückgeführt werden. Einen verlässlichen Dienstplan zu gestalten unter Bedingungen, die von Personalmangel geprägt sind, ist eine Art Teufelskreis: Sobald eine Person unvorhergesehen ausfällt, bricht das Konstrukt zusammen und die noch vorhandenen Mitarbeiter*innen werden zu weiteren Diensten herangezogen – was mit einem Verlust der Verlässlichkeit einhergeht. Daher kann argumentiert werden, dass insbesondere Einrichtungen mit Personalengpässen ein Interesse an der Umsetzung von Maßnahmen zur Personalbindung haben sollten. Obwohl mehrheitlich keine Unterschiede in der Umsetzung von Vereinbarkeitsmaßnahmen zwischen den Pflegeeinrichtungen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Personalproblemen bestehen, zeigen die Ergebnisse, dass Unternehmen mit einer hohen Arbeitsbelastung seltener Maßnahmen zur Dienstplanverlässlichkeit umsetzen. Dieser Befund könnte darauf zurückzuführen sein, dass möglicherweise die Problematik der hohen Arbeitsbelastung in den Pflegeeinrichtungen bereits durch Maßnahmen zur Steigerung der Dienstplanverlässlichkeit reduziert werden konnte.

Die Verlässlichkeit des Dienstplans steht dabei nicht im Widerspruch zur Ermöglichung von Flexibilität. Wenn Mitarbeiter*innen die Möglichkeit zu flexiblen Arbeitszeitformen nutzen können, lassen sich Konflikte bezogen auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben häufig vermeiden. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Gesundheit aus [18]. Insbesondere für Pflegeberufe ist daher eine Kombination aus Dienstplanverlässlichkeit und Flexibilität wichtig. Sowohl die Pflegestatistik [20] als auch die vorliegende Erhebung machen deutlich, dass die Mehrheit der Pflegekräfte in Teilzeit arbeitet. Diese Beschäftigungsform scheint weiterhin zuzunehmen, da in der vorliegenden Studie der Wunsch nach Arbeitszeitreduzierung häufig als Grund des Ausscheidens der Mitarbeiter*innen angegeben wurde. Einrichtungen, die jedoch ein Angebot von flexiblen Arbeitszeitformen institutionalisiert haben, berichten seltener über den Wunsch des Pflegepersonals nach Arbeitszeitreduzierung. Dies deutet darauf hin, dass flexible Arbeitszeitformen den Verlust von Personalkapazität durch Arbeitszeitreduktion abfedern könnten.

Diese Untersuchung zeigt darüber hinaus, dass die Ermutigung zur Nutzung von Angeboten der Vereinbarkeit durch das Unternehmen in Zusammenhang mit der durch die Personalverantwortlichen eingeschätzten Arbeitsbelastung des Pflegepersonals steht. So weisen auch Lauxen et al. darauf hin, dass auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingegangen und die Maßnahmen auf die einzelnen Personen abgestimmt sein müssen [20]. Der Arbeit-Familie-Konflikt kann somit durch eine umfassende Unterstützung durch das Arbeitsumfeld gesenkt werden [21]. Es ist davon auszugehen, dass entsprechende Maßnahmen zur Personalbindung auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit der Mitarbeiter*innen haben [9], sodass die Implementierung entsprechender Angebote und Strategien nicht nur Potenziale in Bezug auf die Personalbindung sondern auch Potenziale im Bereich der Prävention bietet.

Bei der Betrachtung der Präventionspotenziale ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass fast 90 % der Pflegebelegschaft in den befragten Einrichtungen weiblich ist – vergleichbar mit dem bundesweiten Durchschnittswert von knapp 85 % [26]. Da insbesondere Frauen neben ihrem Beruf sowohl unbezahlte Care-Arbeit leisten [15] als auch – selbst in Doppelverdienerhaushalten – den Großteil der Hausarbeit verrichten [15], ist davon auszugehen, dass Vereinbarkeitskonflikte in der weiblich geprägten Pflegebranche von besonderer Bedeutung sind. Um das Erwerbspotenzial von Frauen zu nutzen und gleichzeitig ihre Gesundheit zu fördern, ist eine Verwirklichung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie unabdingbar [13].

Strategien zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sind für Pflegeunternehmen von zunehmender Bedeutung – nicht zuletzt, um sich in Zeiten des Fachkräftemangels als attraktiver Arbeitgeber von Konkurrenten abzugrenzen [10, 14]. Gleichzeitig stellen diese Strategien jedoch nur eine von mehreren Einflussgrößen zur Mitarbeiter*innenbindung dar. Um eine stärkere und insbesondere nachhaltige Personalbindung in der Pflege zu erreichen, ist eine multiperspektivische Herangehensweise notwendig, die gezielt u. a. auch gesundheitliche oder lebensphasenorientierte Aspekte einbezieht.

Limitationen

Die Ergebnisse dieser Studie stellen die Sichtweise von Führungskräften mit Personalverantwortung in der Pflegebranche dar und stehen stellvertretend für diese Berufsgruppe. Gleichzeitig handelt es sich um subjektive, persönliche Einschätzungen, die abhängig von weiteren Parametern, bspw. eigenen Erfahrungen, sind. Obwohl der Rücklauf mit 28,5 % vergleichsweise hoch ist, muss berücksichtigt werden, dass mit 59 Personalverantwortlichen lediglich ein geringer Stichprobenumfang vorliegt. Zudem war die Erhebung regional begrenzt, sodass die Ergebnisse nur bedingt verallgemeinert werden können.

In diesem Beitrag konnte lediglich ein Ausschnitt des Themas der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben aufgezeigt werden: Die vier betrachteten Unterstützungsleistungen stellen zum einen eine begrenzte Auswahl an möglichen Strategien dar und wurden zum anderen relativ allgemein abgefragt, jedoch mit Beispielen hinterlegt.

Um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in Pflegeberufen zu fördern, sind weitere Forschungsarbeiten notwendig. Dabei sind soziale, regionale und infrastrukturelle Rahmenbedingungen zu betrachten, die sowohl fördernde als auch hemmende Faktoren zur Etablierung und Nutzung entsprechender Maßnahmen darstellen können. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sowie weitere Erkenntnisse aus vorangegangenen Studien sollten auf der Grundlage einer Validierung durch Pflegefachkräfte ausdifferenziert werden. Darüber hinaus ist eine konkrete Umsetzung von Maßnahmen in der Praxis mit begleitender Evaluation sowohl der Implementierung als auch der Auswirkungen auf die tatsächliche Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie den damit verbundenen gesundheitsbezogenen Outcomes anzustreben. Dabei sollten neben subjektiven Einschätzungen auch objektive Parameter (z. B. hinsichtlich der Reduktion von Fehltagen) erhoben werden.

Fazit für die Praxis

  • Der Erfolg von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben hinsichtlich der Personalbindung wird von Personalverantwortlichen in der Pflege überwiegend sehr hoch eingeschätzt. Gleichzeitig zeigt sich, dass entsprechende Maßnahmen bisher nicht flächendeckend umgesetzt sind.

  • Auffallend ist die mehrheitlich vorhandene Divergenz zwischen Erfolgseinschätzung und Anwendung der Maßnahmen, die auf eine Umsetzungslücke in der Praxis hinweist.

  • Es ist davon auszugehen, dass in Unterstützungsleistungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben häufig ein ungenutztes Potenzial besteht, das in der Pflegebranche im Sinne der Mitarbeiter*innenbindung und auch der Prävention stärker genutzt werden könnte.