Einleitung

Bei Lehrkräften sind die hohe psychische Belastung sowie die daraus resultierende schlechte gesundheitliche Situation schon seit langem bekannt [2, 5, 16, 28, 30].

Zu den Belastungsfaktoren zählen konkrete Arbeitsbedingungen wie Zeitdruck, große Schulklassen, die Arbeit mit undisziplinierten, teils aggressiven oder unmotivierten SchülernFootnote 1, aber auch neue Bedingungen wie die Nutzung von Informationstechnologien infolge der Digitalisierung. Hinzu kommen psychoemotionale Belastungen wie erlebte verbale Gewalt, ein zunehmend multikulturelles Sozialleben, Ausfüllen unterschiedlicher Rollen (Pädagoge, Erzieher, Sozialarbeiter, Vermittler) sowie die hohe Verantwortung gegenüber den Schülern, die Arbeit im Kollegium als auch mit Eltern [30]. Nicht zuletzt belastet der erhebliche Lärm in den Klassenräumen, v. a. im Sportunterricht, aber auch in den Pausen und auf dem Schulhof (Pausenaufsicht), was zu Hörschäden, vermehrter Stimmbelastung und mentaler Ermüdung führen kann [20, 31].

Aus einer dauerhaft erhöhten Belastung können Fehlbeanspruchungen in Form von verschiedenen Erkrankungen resultieren. Seibt et al. [32] sowie auch Borelli et al. [5] verbinden die hohen Anforderungen im Lehrerberuf mit einer vermehrten Rate an Depressionen. Die Depressionsrate fällt umso höher aus, je geringer die soziale Unterstützung aus dem Umfeld ist. Die Länge der Arbeitszeit scheint dagegen den Gesundheitszustand nicht zu beeinflussen. Seibt et al. [33] konstatierten bei einem Fünftel sowohl teil- als auch vollzeitbeschäftigter Lehrkräfte eine gleichermaßen eingeschränkte psychische Gesundheit. Dagegen litten Hauptschullehrer eher an einer verminderten psychischen Gesundheit als Gymnasiallehrer [2].

Auch Shimizu et al. [34] stellten den Zusammenhang zwischen chronischer Ermüdung und belastenden Arbeitsbedingungen fest. Chronische Müdigkeit und mangelnde Erholung hatten in einer Studie an finnischen Lehrern neben einem Ungleichgewicht zwischen Arbeitsanforderungen und Belohnung die Entwicklung eines Burnout-Syndroms mit begünstigt [14].

In einer großen, länderübergreifenden Studie an über 90.000 Probanden untersuchten Dragano et al. [12] den Einfluss von (zu) hohen Arbeitsanforderungen bei gleichzeitig (zu) geringer Belohnung auf die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE). Zu hohe Anforderungen erhöhen das HKE-Risiko um 16 %, bei gleichzeitig zu gering empfundener Belohnung steigt das Risiko um 41 %. Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen vermehrtem psychosozialen Stress und einer Depression. Insbesondere erhöhten hohe Anforderungen und geringe Entscheidungsfreiheit das Depressionsrisiko [4].

Zwar ist der Anteil der Frühberentungen seit 2001 aufgrund geänderter gesetzlicher Rahmenbedingungen stetig rückläufig, jedoch ist der Anteil frühpensionierter Lehrer aufgrund von Dienstunfähigkeit mit 12–13 % immer noch zu hoch. Nur etwa ein Drittel der 2017 pensionierten Lehrkräfte schied mit Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze aus dem Schuldienst aus [9, 11].

Vedovato und Monteiro [36] stellten einen signifikanten Zusammenhang zwischen der subjektiv eingeschätzten Arbeitsfähigkeit und dem Alter sowie den Berufsjahren als Lehrer fest. Zumeist waren es die älteren Lehrkräfte, die über eine verminderte Arbeitsfähigkeit verfügten. Jedoch fanden die Autoren in der untersuchten Stichprobe auch unter den jüngeren Probanden (unter 30 Jahre) Lehrerinnen mit einer geringen bzw. moderaten Arbeitsfähigkeit.

Nicht nur aus diesem Grund ist es wichtig, junge Menschen wie Studierende oder Auszubildende in den Mittelpunkt der Forschung zu stellen. Bailer et al. [1] stellten in einer Befragung unter Studierenden einer Universität bei knapp 23 % der Teilnehmenden bereits psychische Erkrankungen wie somatoforme Störungen oder auch depressive Syndrome fest. Auch unter Medizinstudierenden wurden psychische Störungen wie emotionale Erschöpfung und eine höhere Burnout-Rate aufgrund zu hoher Belastung beobachtet [3]. Brandl-Bredenbeck et al. [6] untersuchten die Gesundheit von Lehramtsstudierenden und stellten eine im Vergleich zur Normstichprobe beeinträchtigte psychische Gesundheit fest, insbesondere bei weiblichen Studierenden in Prüfungssituationen. Über 21 % der Lehramtsstudierenden der Universität Frankfurt weisen arbeitsbedingte Verhaltens- und Erlebensmuster auf, die auf ein Burnout-Risiko hindeuten [26]. Im Referendariat kommen dann weitere Belastungsfaktoren wie das Erlernen der Kompetenzen in den Bereichen Unterrichten, Erziehen oder Beurteilen hinzu [13]. Christ et al. [8] beschrieben diese Phase der Lehrerausbildung als stark belastend.

Nach Abschluss des Lehramtsstudiums (1. Staatsexamen) beginnt die Phase des Referendariats, die ehemals Studierenden werden nun als Referendare bzw. Lehramtsanwärter bezeichnet. An einem Tag in der Woche verbringen die Referendare im „Staatlichen Seminar für Lehrämter“, wo sie noch einmal Theorie (aber mit mehr Praxisbezug als im Studium) vermittelt bekommen. An 4 von 5 Tagen in der Woche werden sie in den Schulen eingesetzt. In Sachsen-Anhalt ist das Referendariat in drei Phasen untergliedert: In der Einstiegsphase am Anfang (mit einer Dauer von in der Regel 4 Monaten) hospitieren die Referendare oftmals, diese Phase dient der Einführung in die schulpraktische Tätigkeit. In der Qualifizierungsphase (in der Regel 8 Monate) erfolgt die weitere Profilierung und Qualifizierung im jeweiligen Lehramt. Die Referendare unterrichten selbst und übernehmen Aufsichten. In der abschließenden Prüfungsphase wird die Laufbahnprüfung abgelegt (2. Staatsexamen).

Ziel der Studie war es zu klären, ob und inwieweit die Gesundheit von Lehramtsanwärtern im zweiten Ausbildungsabschnitt in Abhängigkeit von der Referendariatsphase sowie von individuellen arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern bereits beeinträchtigt ist, um den Bedarf an psychotherapeutischen Beratungen, Stressbewältigungskursen o. ä. Interventionen an den Hochschulen bzw. an den Schulen einzuschätzen.

Probanden und Methodik

Die Fragebogenerhebung fand im Jahr 2016 in Magdeburg statt im Anschluss an eine größere Befragung bei Lehrkräften im Rahmen eines von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) geförderten Projekts „Im Lehrerberuf gesund und munter bis zur Rente – Wege der Prävention und Personalentwicklung“. An der Studie nahmen 131 Lehramtsanwärter im Alter von 28,1 ± 3,7 Jahren aus Magdeburg und Umgebung freiwillig teil, die sich nach Bestehen des 1. Staatsexamens in verschiedenen Phasen des Referendariats befanden. Bei den Befragten waren alle Schulformen vertreten: Lehramt Gymnasium, Grund‑, Förder- und Sekundarschule sowie Berufsbildende Schulen. Die Fragebogenerhebung fand während eines Pflichtseminars statt. Alle ausgeteilten Fragebögen wurden direkt im Anschluss eingesammelt. Von allen Referendaren lag ein vollständiger Datensatz vor.

Zur Erfassung des arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmusters (AVEM) wurde der gleichnamige Fragebogen von Schaarschmidt und Fischer [29] verwendet. Mithilfe von 66 Items können Rückschlüsse auf einen gesundheitsförderlichen bzw. -gefährdenden Umgang mit Anforderungen im Beruf sowie persönlichen Ressourcen gezogen werden. Anhand von 11 Dimensionen können vier Muster unterschieden werden: die gesundheitsförderlichen Muster G (Gesundheit) und S (Schonung) sowie die gesundheitsgefährdenden Muster A (Anstrengung; Anlehnung an Typ-A-Verhalten) und B (Burnout-Gefährdung). Eine Zuordnung zu den jeweiligen Mustern wurde nach Schaarschmidt und Fischer [29] bei einer mindestens 60 %igen Wahrscheinlichkeit vorgenommen.

Die psychische Gesundheit wurde mit der Kurzversion des „General Health Questionnaire 12“ (GHQ-12; [15]) erhoben. In 12 Items wird nach kurzfristigen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustands in den letzten Wochen gefragt. Die Auswertung erfolgte in der dichotomen Variante (0-0-1-1-Kodierung) nach Goldberg. Ein Cut-off-Wert von 5 wurde nach Linden et al. [22] verwendet und die Studienteilnehmer entsprechend in die Gruppen mit „normaler psychischer Gesundheit“ und „beeinträchtigter psychischer Gesundheit“ eingeteilt.

Die Ausprägung der Burnout-Symptomatik wurde mit dem „Maslach Burnout Inventory“ (MBI-GS; [23]) erhoben und das Burnout-Risiko nach Kalimo et al. [17] klassifiziert. Mithilfe von 16 Fragen wird in den drei Kategorien „emotionale Erschöpfung“, „Zynismus“ und „Leistungsfähigkeit“ die Ausprägung der Burnout-Symptomatik ermittelt. Für eine Einschätzung des individuellen Burnout-Risikos erfolgte anschließend die Berechnung des Burnout-Risikos nach Kalimo et al. [17]. Bei einem Punktwert <1,49 besteht kein Burnout-Risiko. Zwischen 1,5–3,49 Punkte sind einige Burnout-Symptome mehrmals im Monat vorhanden. Liegt der errechnete Wert >3,5 Punkten, besteht ein Burnout-Risiko.

Zur Erfassung der Verausgabungsbereitschaft wurde der Fragebogen zur „effort-reward imbalance“ (ERI) in der Kurzform mit 10 Fragen inklusive der Subskala „overcommitment“ (OC) mit weiteren 6 Fragen nach Siegrist [35] genutzt. Zur Berechnung der ERI wurde der Summenwert von der Skala „effort“ durch den Summenwert der Skala „reward“ dividiert und wegen der unterschiedlichen Anzahl an Items mit einem Korrekturfaktor multipliziert. Bei einem Wert >„1“ ist ein Ungleichgewicht zwischen Anforderung und Belohnung vorhanden. Bei der Skala für das OC wird ab einem Summenwert >18 eine erhöhte Anstrengungsbereitschaft konstatiert.

Die statistische Auswertung der Rohdaten erfolgte mit dem Statistik- und Analyse-Programm SPSS, Version 26 (IBM, Armonk, New York, USA). Zunächst wurden deskriptive Analysen durchgeführt. Mittels exaktem Fisher-Test wurden Unterschiede bei kategorialen Daten berechnet. Für die Analysen von Unterschieden zwischen den Referendaren in den verschiedenen Referendariatsphasen wurde der Mann-Whitney-Test bei intervallskalierten, nicht normalverteilten Variablen verwendet. Bei normalverteilten Variablen wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse mit Bonferroni-Test (post-hoc) genutzt. Ein Signifikanzniveau von p < 0,05 liegt allen Testverfahren zugrunde.

Ergebnisse

Unter den 131 Referendaren, die sich an der Fragebogenerhebung beteiligten, befanden sich 29 Männer im Alter von 29,4 ± 3,0 Jahren und 102 Frauen (27,8 ± 3,8 Jahre). Die Männer waren signifikant 1,6 Jahre älter als die Frauen (p < 0,05). Der Vergleich zwischen Männern und Frauen hinsichtlich des Burnout-Risikos, der psychischen Gesundheit sowie des OC ergab keine signifikanten Unterschiede (Tab. 1), sodass Männer und Frauen in dieser Studie als eine Gesamtstichprobe behandelt und nur die einzelnen Phasen des Referendariats beschrieben werden.

Tab. 1 Charakterisierung der Stichprobe

In der Einstiegsphase des Referendariats befanden sich 21 (29 %) Männer und 51 (71 %) Frauen, in der Qualifizierungsphase 8 (16 %) Männer und 43 (84 %) Frauen und in der Prüfungsphase waren 8 (100 %) Frauen. Innerhalb der einzelnen Phasen des Referendariats sind Männer und Frauen gleich verteilt (p = 0,062). In Bezug auf das Alter unterscheiden sich die Männer in den jeweiligen Referendariatsphasen nicht von den Frauen.

Die Tab. 2 gibt einen Überblick über die Gesamtergebnisse der Fragebogenerhebung in den einzelnen Phasen des Referendariats. Dargestellt sind Mittelwerte mit der entsprechenden Standardabweichung. Hinsichtlich der psychischen Gesundheit und des Burnout-Risikos konnten keine Unterschiede in den einzelnen Phasen des Referendariats festgestellt werden. Lediglich die Referendare in der Qualifizierungsphase zeichneten sich durch eine leicht erhöhte Verausgabungsbereitschaft (16,6 ± 4,01 Punkte) im Vergleich zu den Kollegen der Einstiegsphase (14,5 ± 3,6 Punkte) aus (p < 0,01), wenngleich die Durchschnittswerte an sich mit 16,6 Punkten im Vergleich zu Normwerten nicht übermäßig erhöht waren.

Tab. 2 Übersicht über die Ergebnisse der Fragebogenerhebung in den einzelnen Phasen des Referendariats unter Einbeziehung des Alters als Kovariable

Da sich die männlichen Referendare im Alter von den weiblichen Referendarinnen leicht unterschieden haben, wurde das Alter bei den Tests als Kovariable mitberücksichtigt. Ein Einfluss des Alters ließ sich nicht feststellen.

Die psychische Gesundheit war bei 41 Referendaren der Gesamtstichprobe (31 %) bereits beeinträchtigt (Tab. 3). In der Einstiegsphase waren 25 %, in der anschließenden Orientierungsphase knapp 40 % und in der Prüfungsphase 37,5 % der Referendare betroffen. Die Verausgabungsbereitschaft war bei 32 Referendaren erhöht. Insbesondere in der Qualifizierungsphase war ein Anstieg in den Punktwerten zu verzeichnen (Tab. 2). Jedoch verschwindet der Unterschied nach Einteilung in die beiden Kategorien (normales und erhöhtes OC). Ein Zusammenhang zu den einzelnen Referendariatsphasen konnte somit nicht festgestellt werden. Ein ähnliches Ergebnis spiegelt sich auch bei der Burnout-Symptomatik wider. 31 % der Teilnehmer klagten zumindest über einige Burnout-Symptome und bei 2 % wurde ein Burnout-Risiko festgestellt. Insbesondere war die emotionale Erschöpfung der Referendare in der Qualifizierungsphase (21 % der Referendare) und in der Prüfungsphase (37,5 %) im Vergleich zu den Referendaren in der Einstiegsphase erhöht (p < 0,05).

Tab. 3 Psychische Gesundheit, „overcommitment“ und Burnout-Risiko der Referendare in den einzelnen Phasen des Referendariats

Die Studienteilnehmer wiesen eine unterschiedliche Zugehörigkeit zu den AVEM auf. Insgesamt konnten 122 Referendare einem Muster zugeordnet werden. Mehrheitlich waren die gesundheitsförderlichen Muster G und S zu finden. Jedoch waren auch die Risikomuster A (zu 13 %) und B (zu 24 %) vertreten. 9 Referendare konnten nicht eindeutig einem Muster zugeordnet werden (Tab. 4). Ein Zusammenhang zur Referendariatsphase konnte nicht festgestellt werden (p = 0,297).

Tab. 4 Anzahl der Referendare innerhalb der einzelnen Gruppen der arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster

Innerhalb der einzelnen Subkategorien war lediglich eine sehr leicht erhöhte Verausgabungsbereitschaft der Referendare in der Qualifizierungsphase gegenüber denen in der Einstiegsphase (19,1 ± 4,6 vs. 17,0 ± 4,5 Punkte, p = 0,052) sowie eine verminderte Distanzierungsfähigkeit (15,0 ± 4,8 vs. 17,5 ± 5,2 Punkte, p < 0,05) festzustellen (Tab. 5).

Tab. 5 Punktwerte in den jeweiligen Dimensionen des Fragebogens AVEM in den einzelnen Phasen des Referendariats

Bei differentieller Betrachtung innerhalb der einzelnen AVEM-Gruppen hinsichtlich normaler und beeinträchtigter psychischer Gesundheit ergaben sich signifikante Unterschiede (p < 0,001). Bei Referendaren mit Risikomustern A und B war die psychische Gesundheit in der Einstiegs- bzw. Qualifizierungsphase deutlich beeinträchtigter als bei Referendaren mit gesundheitsförderlichen Mustern G und S (Tab. 6). In der Prüfungsphase waren keine signifikanten Unterschiede festzustellen.

Tab. 6 Anzahl der Referendare mit entsprechender Musterzugehörigkeit mit normaler bzw. beeinträchtigter psychischer Gesundheit

Referendare mit den Risikomustern A und B zeigten mehrheitlich auch eine erhöhte Verausgabungsbereitschaft (30,8 bzw. 46,2 % in der Einstiegsphase, p < 0,001) und der Qualifizierungsphase (29,4 bzw. 47,1 %, p < 0,01; Tab. 7). In der Prüfungsphase gab es keine signifikanten Unterschiede.

Tab. 7 Anzahl der Referendare mit entsprechender Musterzugehörigkeit mit normaler bzw. erhöhter Verausgabungsbereitschaft

Ein ähnliches Bild zeigte sich hinsichtlich des Burnout-Risikos in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu den AVEM-Mustern. Referendare mit dem Muster G wiesen in der Einstiegs- und Qualifizierungsphase kein Burnout-Risiko auf, nur in der Prüfungsphase traten bei einem Probanden einige Burnout-Symptome auf. In der Einstiegsphase zeigten sich bei 71 % der Referendare mit dem Risikomuster A einige Burnout-Symptome, in der Qualifizierungsphase dagegen nur bei 22 %. 65 % der Referendare mit Risikomuster B wiesen in der Einstiegsphase Burnout-Symptome auf, in der Qualifizierungsphase waren es 58 % (p < 0,001; Tab. 8).

Tab. 8 Anzahl der Referendare mit entsprechender Musterzugehörigkeit und dem Burnout-Risiko nach Kalimo

In der AVEM-Gruppe S traten bei 18 % bereits einige Burnout-Symptome in der Einstiegsphase und später in der Qualifizierungsphase bei 38 % auf. In der Prüfungsphase waren auch hier keine Unterschiede zu finden.

Ein signifikanter Zusammenhang wurde zwischen einigen arbeitsbedingten Verhaltens- und Erlebensmustern und der psychischen Gesundheit, dem OC sowie dem Burnout-Risiko gefunden (Tab. 9). So besteht eine mittlere negative Korrelation zwischen geringer Distanzierungsfähigkeit bzw. erhöhter Verausgabungsbereitschaft und beeinträchtigter psychischer Gesundheit und erhöhtem Burnout-Risiko. Ebenso steigt mit sinkender offensiver Problembewältigung das Risiko beeinträchtigter psychischer Gesundheit und das Burnout-Risiko. Bei geringer sozialer Unterstützung steigt sowohl das Risiko für eine beeinträchtigte psychische Gesundheit als auch das Burnout-Risiko.

Tab. 9 Partielle Korrelation zwischen den Dimensionen der Arbeitsbedingten Verhaltens- und Erlebensmustern und den Kategorien des Maslach-Burnout-Inventars sowie der erhöhten Anstrengungsbereitschaft unter Berücksichtigung der Referendariatsphase als Kontrollvariable

Diskussion

Diese Studie zeigt Ansatzmöglichkeiten für eine sinnvolle frühzeitige Prävention zur Gesunderhaltung von Lehramtsanwärtern auf.

Die psychische Gesundheit der Referendare ist bereits am Anfang des Berufslebens beeinträchtigt. Knapp ein Drittel klagt über eine schlechte psychische Gesundheit und eine vermehrte Burnout-Symptomatik. Das Ergebnis dieser Befragung deckt sich mit den Ergebnissen von Klusmann et al. [19], wonach die emotionale Erschöpfung als eine Kernkomponente des Burnout-Syndroms im Verlauf des Referendariats zunimmt. Den Autoren zufolge spricht dieses Ergebnis dafür, dass der Übergang in den praktischen Teil der Lehrerausbildung eine Anpassungsleistung erfordert.

Die Verausgabungsbereitschaft ist bei einem Viertel der Referendare erhöht. Bei übermäßigem OC sind in der Literatur Zusammenhänge zur Arbeitsfähigkeit einerseits und zur psychischen Gesundheit andererseits beschrieben [25]. Eine erhöhte Anstrengungsbereitschaft ist mit einer geringeren Arbeitsfähigkeit und auch mit einem verstärkten Burnout-Risiko verbunden. In dieser Studie verfügten die Referendare mehrheitlich über die gesundheitsförderlichen Verhaltens- und Erlebensmuster G und S. Das deckt sich in etwa mit den Ergebnissen von Römer et al. [26], die bei Lehramtsstudierenden mehrheitlich das Muster S mit 35 % und das Muster G mit 29 % beobachteten. Sie schlussfolgerten, dass Lehramtsstudierende weniger engagiert sind und weniger Freude am Studium haben als Studierende anderer Fachrichtungen.

Eine ähnliche Musterverteilung bei Lehramtsstudierenden wurde auch von Rothland [27] im Zusammenhang mit der Potsdamer Lehrerstudie konstatiert. Verglichen mit der Potsdamer Stichprobe ist der Anteil risikobehafteter Verhaltensmuster unter den Lehramtsanwärtern dieser Stichprobe zwar geringer – in Hinblick auf die spätere Berufstätigkeit sollten jedoch Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, damit die Gesundheit der jetzigen Referendare und späteren Lehrkräfte erhalten bleibt. Unter den Lehrkräften der Potsdamer Lehrerstudie traten mehrheitlich die gesundheitsgefährdenden Muster A (30 %) und B (29 %) auf. Es sollte mittels gezielter Präventionsmaßnahmen verhindert werden, dass Lehramtsstudierende bzw. Referendare im späteren Berufsleben vermehrt in gesundheitsgefährdende Muster A oder B verfallen. Laut Potsdamer Lehrerstudie geht während eines Burnout-Prozesses etwa ein Viertel des Risikomusters A in das andere Risikomuster B (Burnout) über. Etwa 23 % der Lehrkräfte mit dem gesundheitsförderlichen Muster S waren zu einem späteren Untersuchungszeitpunkt in das gesundheitsgefährdende Risikomuster B gewechselt. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die überwiegende Musterzugehörigkeit zum Muster S in dieser Studie nicht unbedingt von Vorteil.

Alarmierend sind die Zusammenhänge der Zugehörigkeit zu den risikobehafteten Verhaltens- und Erlebensmuster mit einer beeinträchtigten psychischen Gesundheit der Referendare und sowie dem Auftreten zumindest einiger Burnout-Symptome. Klusmann et al. [19] fanden heraus, dass Referendare mit den gesundheitsförderlichen Mustern G und S geringere emotionale Erschöpfung angaben, als Referendare mit Risikomustern A und B.

Als eine mögliche Präventionsmaßnahme bietet sich ein gezieltes Stimmtraining an. Nusseck et al. [24] fanden heraus, dass ein Stimmtraining nicht nur die positive Wirkungen auf die Qualität und Funktionalität der Stimme hat, sondern ebenfalls bei den Referendaren positiv die Distanzierungsfähigkeit verbessert, was Schaarschmidt und Fischer [29] zufolge eine sehr wichtige protektive Komponente für die Stärkung der psychischen Gesundheit darstellt.

Da OC zu einem höheren Burnout-Risiko führen kann, ist hier ein Präventionsansatz zu erkennen, um das hohe Engagement mit gesundheitsförderlichen und primärpräventiven Maßnahmen zu unterstützen. Burnout wird als Folge eines bestehenden Ungleichgewichts zwischen Anforderungen und Belohnung beschrieben. Dabei spielen sowohl personale Ressourcen als auch Ressourcen aus der sozialen Umwelt (sozial-emotionale, sozial-ökologische, sozial-staatliche) eine Rolle Hauptaugenmerk sollte deshalb auf der Stärkung persönlicher Ressourcen liegen. Zu diesen Ressourcen auf Seiten der Referendare gehören physische (z. B. stabiles Immunsystem), psychische, interaktionelle-psychische (Empathie, Beziehungs- und Konfliktfähigkeit, Respekt, Verlässlichkeit, die Fähigkeit, nach Hilfe und Unterstützung zu fragen) und ökonomische Ressourcen. Besonders relevant sind bei der Entstehung von Burnout die psychischen Ressourcen. Dazu zählen spezifische Fertigkeiten und positive Persönlichkeitseigenschaften (z. B. Zuversicht, Optimismus, emotionale Stabilität, Kontrollüberzeugung, Selbstwirksamkeitserwartung). Auch eine hohe Distanzierungsfähigkeit, eine offensive Problembewältigung sowie innere Ruhe und Ausgeglichenheit sind wichtige persönliche Ressourcen. Weitere, sehr wichtige externe Faktoren sind soziale Unterstützung sowie Erfolgserleben im Beruf. Bei einer Zugehörigkeit zu den Risikomustern A und B ist dringend eine Teilnahme an einem Kurs zum besseren Umgang mit Stress angeraten, um unterschiedliche Belastungen im Referendariat mithilfe einer breiten Palette an Bewältigungsstrategien meistern zu können [18]. Gute und ausreichende Coping-Strategien sind persönlichen Eigenschaften, die die Auswirkungen der Belastungen entsprechend des Arbeitsanforderungs-Arbeitsressourcen-Modell [10] bzw. der Theorie der Ressourcenerhaltung [7] abmildern.

Viele Referendare verspüren in Prüfungssituationen ein „ängstlich-nervöses Spannungsgefühl“. Die Prüfung ist ein potenzieller Stressor im Studium und in der Referendarzeit im Sinne des transaktionalen Stressmodells von Lazarus und Folkman [21]. Die Bewertung der Prüfungssituation erfolgt vor dem Hintergrund einer persönlichen „hochgestellten Planke“, aber auch vor dem Hintergrund der familiär und gesellschaftlich geprägten Erwartungen. Diese kann man als zu erreichenden „Soll-Wert“ betrachten. Die Einhaltung dieses „Sollwertes“ ist entscheidend für das individuelle Wohlbefinden und den Selbstwert. Die Befürchtung einer Soll-Ist-Diskrepanz bedeutet eine stressbezogene primäre Bewertung der Prüfung, d. h. des „Stressereignisses“. In der Sekundärbewertung werden die personalen Ressourcen, die der Referendar besitzt oder die ihm fehlen, als Kompetenzen (z. B. Selbstwirksamkeitserwartung, gute Vorbereitung) und externe Unterstützungsmöglichkeiten (als Unterstützung durch vertraute Personen, z. B. von der Familie, von einem Kommilitonen, von einem Freund) beurteilt. Diese persönlichen Ressourcen sollten gestärkt werden (z. B. durch mehr Unterstützung durch den Mentor), um Prüfungsängste abzumildern.

Als ein einfacher Schritt im Zuge der Prävention könnte gleich zu Beginn des Studiums der AVEM-Fragebogen ausgefüllt werden. Als Ergebnis kann dann zielgerecht geschult werden, wie mit einem gesundheitsförderlichen Verhalten der Risikoausprägung rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Dazu müssen Möglichkeiten einer Intervention an den Hochschulen geschaffen werden.

Weitere Präventionsmöglichkeiten zur Senkung der Beanspruchung sind zum einen eine bessere Vorbereitung auf das Referendariat durch die Vermittlung eines fundierten Wissens über Klassenführung oder auch eine längere praktische Erfahrung (Geben von Nachhilfe, Leiten von Jugendgruppen) während des Studiums [19]. Zum anderen unterstreichen Drüge et al. [13] die Wichtigkeit von sozialer Unterstützung, sozialen Beziehungen und eine positive Feedbackkultur für die Gesunderhaltung der Lehramtsanwärter im Vorbereitungsdienst, was bei der Arbeit in den Schulen umgesetzt werden muss.

Limitierungen

Die Befragung beschränkt sich auf den Raum Magdeburg und lässt sich nicht ohne weiteres auf andere Bundesländer übertragen. Darüber hinaus wurden Belastungsfaktoren nicht explizit abgefragt, sodass ein Zusammenhang zwischen konkreter Belastung und emotionaler Erschöpfung als Folge nicht ermittelt werden kann.

Diese Studie bildet außerdem nur einen Querschnitt an einer kleinen Stichprobe ab. Wünschenswert sind Längsschnittuntersuchungen, um tatsächlich vorhandene Unterschiede zwischen einzelnen Phasen des Referendariats im intraindividuellen Vergleich feststellen zu können.

Fazit für die Praxis

  • Bereits im Studium müssen gesundheitsförderliche Verhaltensweisen vermittelt bzw. sinnvolle präventive Maßnahmen wie Stressbewältigungskurse oder autogenes Training angeboten werden.

  • Während des Referendariats sollten Präventionsmaßnahmen in den einmal wöchentlich stattfindenden Seminaren (speziell im Hauptseminar) etabliert werden.

  • Kurse zum Erlernen von offensiver Problembewältigung können sinnvoll sein, um die Entwicklung eines Burnout-Syndroms zu verhindern.

  • Die soziale Unterstützung und eine Feedbackkultur im Referendariat müssen gewährleistet sein, um die emotionale Erschöpfung der Referendare zu vermeiden.