Mit dem Anstieg von Burnout ging in den letzten Jahren eine Häufung an Arbeitsunfähigkeitstagen einher. Die Ursachen des körperlichen und psychischen Erschöpfungssyndroms lassen sich auf starke berufliche Belastungen zurückführen. Besonderen Arbeitsanforderungen unterliegen Fachkräfte (d. h. sowohl Leitungs- als auch Fachkräfte) in der Behindertenhilfe, die mit der Betreuung von Menschen mit Behinderung betraut sind. Insbesondere für das Setting der Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) liegen diesbezüglich kaum Untersuchungen für Deutschland vor.

Hintergrund und Forschungsziel

Die psychische Gesundheit von Arbeitnehmenden gewinnt seit Jahren zunehmend an Bedeutung [1]. Wie aus dem Fehlzeitenreport 2017 hervorgeht, stellen psychische Erkrankungen mit 11,0 % nach Muskel-Skelett- und Atemwegserkrankungen die dritthäufigste Ursache im Fehlzeitengeschehen dar. Im Jahr 2016 betrug deren Falldauer im Mittel 25,7 Tage pro Fall, was einem Anstieg an Krankheitstagen um 79,3 % seit dem Jahr 2005 entspricht [1]. Als Risikofaktor für psychische Erkrankungen ist das Burnout-Syndrom bekannt [1]. Der Begriff geht auf den Psychoanalytiker Freudenberger zurück, welcher diesen im Jahr 1974 erstmals umfassend in der Literatur beschrieb [20]. Der 11. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) zufolge wird Burnout als Syndrom beschrieben, welches durch Erschöpfung, eine negative Einstellung zur Arbeit und einem reduzierten beruflichen Leistungsvermögen gekennzeichnet ist [22]. Der Verlauf der Entstehung von Burnout kann anhand verschiedener Stadien bzw. Phasen beschrieben werden, nach denen sich der Gemütszustand Betroffener von einem energiegeladenen in einen energielosen Zustand entwickelt [20]. Wie auch in den früheren ICD-Revisionen wird Burnout nicht als eigenständige medizinische Diagnose erfasst, sondern erfuhr im ICD-11 lediglich eine detailliertere Ausarbeitung der bisherigen Definition [22]. In der Folge kann Burnout einzig als Zusatzdiagnose zu anderen Erkrankungen aufgeführt werden. Dabei wird zunächst die durch Burnout hervorgerufene Erkrankung (z. B. Depression) gemäß ICD kodiert, ehe für Burnout die Zusatzkodierung Z.73.0 erfolgt [20]. Wie einer Studie der AOK zu entnehmen ist, erhöhte sich die Anzahl der auf diese Kodierung zurückgehenden Arbeitsunfähigkeitstage pro 1000 Versicherte zwischen den Jahren 2007 (28,9 Tage) und 2016 (109,9 Tage) um nahezu das 4‑Fache [1]. Zudem beziffert sich die auf Burnout zurückzuführende Anzahl an Krankschreibungen in Deutschland für das Jahr 2016 auf rund 160.000 [1]. Die volkswirtschaftlichen Kosten von Burnout werden insgesamt als hoch eingeschätzt, wenngleich aufgrund der fehlenden Auflistung als eigenständige Diagnose keine Daten für Deutschland zur Verfügung stehen [13]. Insbesondere Fachkräfte in helfenden und sozialen Berufen, zu welchen auch Betreuungskräfte in der Eingliederungs- und Behindertenhilfe zählen, unterliegen einer besonderen Gefährdung für Burnout aufgrund einer geringen Anerkennung ihrer Arbeitsleistung trotz hoher Verantwortung, ihrer entgrenzten Tätigkeit oder der durch den Fachkräftemangel bedingten hohen Arbeitslast [8, 10, 18]. Ein spezielles Setting für diese Fachkräfte stellen Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) dar. In diesen Einrichtungen nehmen Menschen mit Behinderung, welche aufgrund ihrer Behinderung keiner Ausbildungs- oder Erwerbstätigkeit auf dem regulären bzw. ersten Arbeitsmarkt nachgehen können, am zweiten Arbeitsmarkt teil und werden dort – entsprechend ihres Bedarfs – betreut. Die Anzahl an Mitgliedswerkstätten beziffert sich anhand der Statistik der Bundesarbeitsgemeinschaft WfbM (BAG WfbM) auf 681 im Jahr 2017 [2, 4].

Die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen mit vorwiegend geistigen, aber auch psychischen oder körperlichen Behinderungen stellen Fachkräfte und Betreuungspersonen in Einrichtungen der Eingliederungs- und Behindertenhilfe im Arbeitsalltag vor besondere Herausforderungen [2, 10]. Diese resultieren aus dem individuellen Förderbedarf, der eingeschränkten Ausdrucksfähigkeit und herausforderndem Verhalten der Menschen mit Behinderung, wodurch Fachkräfte im Umgang mit dieser Personengruppe erhöhten emotionalen und körperlichen Anforderungen ausgesetzt sind [10, 14]. Von diesen arbeitsbedingten Herausforderungen fühlen sich Fachkräfte und Betreuungspersonen in unterschiedlichem Ausmaß beansprucht [12]. Bei einer geringen Ausprägung an protektiven Merkmalen und Voraussetzungen im Arbeitsalltag, wie individuelle Fertigkeiten und Bewältigungsstrategien, kann eine starke Beanspruchung eintreten, die mit einer sinkenden Leistungsbereitschaft sowie psychischen Beanspruchungen einhergehen und schwerwiegende Gesundheitsfolgen wie Burnout hervorrufen kann [12].

In der bisherigen Literatur erweist sich die Betrachtung von Zusammenhängen zwischen beruflichen Belastungen und Burnout in der Behindertenhilfe als vernachlässigtes Forschungsfeld [21]. Eine Studie mit Fachkräften in stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe konnte aufzeigen, dass sich mehr als die Hälfte (56,1 %) der befragten Betreuungskräfte hohen beruflichen Belastungen ausgesetzt fühlt, die in besonderem Maße aus der Arbeitsorganisation und -zeitgestaltung resultieren [7]. Zudem äußern 46,1 % der Teilnehmenden die Befürchtung, zukünftig an Burnout zu leiden [8]. Wie aus einer systematischen Übersichtsarbeit hervorgeht, stehen diverse berufliche Belastungen in Zusammenhang mit einem erhöhten Burnout-Risiko [21]. Dabei kristallisiert sich heraus, dass hohe Arbeitsanforderungen, eine geringe Unterstützung bei der Arbeit, fehlende Rollenklarheit, starke Rollenkonflikte und eine schlechte Führungsqualität mit Burnout assoziiert sind [21].

Während sich die dargelegten Ergebnisse einzig auf stationäre oder Tagespflegeeinrichtungen beziehen, können im nationalen Kontext keine Studien identifiziert werden, welche sich auf WfbM fokussieren. Basierend auf dem bisherigen Forschungsstand in (stationären) Wohneinrichtungen liegt die Vermutung nahe, dass ebenfalls in WfbM ähnliche Ergebnisse zu Tage treten. Jedoch kann nicht hinreichend festgestellt werden, inwieweit die Forschungserkenntnisse auf die fördernd-integrativ ausgerichteten WfbM übertragbar sind. Aufgrund dieses Desiderats in der Forschungsliteratur verfolgt die WeCareOnline-Studie folgende Ziele: 1) berufliche Belastungen und 2) das Burnout-Risiko von Fachkräften in WfbM in Deutschland zu ermitteln sowie 3) Zusammenhänge zwischen beruflichen Belastungen und dem Burnout-Risiko aufzudecken.

Methodik

Feldzugang und Datenbasis

Im Rahmen einer Querschnittsstudie wurden die beruflichen Belastungen der Fachkräfte in WfbM und die empfundene psychische Beanspruchung mittels einer Online-Befragung in Deutschland ermittelt. Die Rekrutierung der Studienteilnehmenden erfolgte per E‑Mail. Hierzu wurden alle WfbM in Deutschland kontaktiert. Basierend auf der Statistik der WfbM in Deutschland konnte auf Adressen bzw. Kontaktdaten von 681 WfbM zurückgegriffen werden. Die Daten über die aktuell in Deutschland bestehenden WfbM wurden aus dem Verzeichnis der Bundesagentur für Arbeit generiert. Die zentralen Stellen der Organisationen wurden darum gebeten, an der Befragung teilzunehmen sowie die E‑Mail mit dem Link zur Online-Befragung an ihre Fachkräfte weiterzuleiten. Da nicht davon ausgegangen werden konnte, dass alle Fachkräfte eine arbeits- bzw. institutionsbezogene E‑Mail-Adresse besitzen und/oder über den Zugang zu einem internetfähigen PC-Arbeitsplatz verfügten, wurde in den E‑Mails zur Rekrutierung die Option einer „Paper-pencil-Version“ des Fragebogens auf Nachfrage angeboten. Keine der WfbM forderte den Fragebogen als Papierversion an.

Erhebungsinstrument und Variablenbeschreibung

Zur Erfassung des Burnout-Risikos als Outcome wird das Copenhagen Burnout-Inventory (CBI) verwendet. Das CBI wurde 2005 von Kristensen et al. [15] entwickelt und ins Deutsche übersetzt. Der Fokus liegt auf dem Faktor Erschöpfung und wird durch drei Subskalen abgefragt. Der erste Themenblock untersucht die generelle Einschätzung der persönlichen Erschöpfung. Die anderen beiden Bereiche beziehen sich auf Fragen zur Erschöpfung am Arbeitsplatz sowie Fragen zu klientenbezogener Erschöpfung [15]. Anforderungen, Entwicklungsmöglichkeiten und weitere Parameter sozialer Beziehungen enden in Beanspruchungs- und Belastungsfolgen, zu denen auch Burnout zählt. Folgende Fragen sind im CBI enthalten: (1) Wie häufig sind Sie körperlich erschöpft? (2) Wie häufig sind Sie emotional erschöpft? (3) Wie häufig fühlen Sie sich ausgelaugt? Die Antwortkategorien lauten: „immer“, „oft“, „manchmal“, „selten“ und „nie“. Jeder Kategorie wird anschließend ein Wert zugewiesen: immer = 100, oft = 75, manchmal = 50, selten = 25 und nie = 0. Ein höherer Wert entspricht einer größeren Gefährdung für Burnout. Für die Quantifizierung werden die Antworten addiert und der Median der einzelnen Antworten gebildet. Für diese Erhebung wurde die Variable dementsprechend dichotomisiert und umkodiert. Werte <50 entsprechen demnach der Ausprägung „niedriges Burnout-Risiko“ (0 = niedriges Burnout-Risiko) und der Bereich 50–100 der Ausprägung „hohes Burnout-Risiko“ (1 = hohes Burnout-Risiko; [15]).

Des Weiteren wird für die Erfassung der beruflichen Belastungen als Exposition die vielfach validierte Version des Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) herangezogen [17]. Es werden Anforderungen, Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten, soziale Beziehung und Führung, Vertrauen und Gerechtigkeit, Arbeitsumgebung/physische Anforderungen, Entgrenzung und Wertschätzung erhoben. Die Antwortkategorien der jeweiligen Items lauten dabei entweder „immer“, „oft“, „manchmal“, „selten“ und „nie“ oder „in sehr hohem Maß“, „in hohem Maß“, „zum Teil“, „in geringem Maß“ und „in sehr geringem Maß“. Bei allen Variablen des COPSOQ werden die möglichen Ausprägungen mit 0, 25, 50, 75 oder 100 Punkten kodiert, wobei 0 die niedrigste Ausprägung markiert und 100 als höchste Ausprägung der jeweiligen Variable gilt. Aus den Durchschnittswerten der Fragen lassen sich Mittelwerte der jeweiligen Konstrukte für die Untersuchungspopulation berechnen. Diese werden anschließend mit Mittelwerten aus der COPSOQ-Datenbank abgeglichen, welche als Cut-off für die Dichotomisierung dienen. Für diejenigen Subskalen in der COPSOQ-Datenbank, für die zum Zeitpunkt der Datenauswertung keine Referenzwerte vorliegen, erfolgt die Dichotomisierung der Variablen anlehnend an bisheriger Forschungsliteratur am jeweiligen Median [17].

Beschreibung der Untersuchungspopulation

Die Studie umfasst einen Populationsumfang von 396 Personen. Die Personenanzahl differiert in den statistischen Analysen, da ungültige und fehlende Angaben nicht berücksichtigt wurden. Von 264 Personen liegen Antworten zu allen untersuchten Variablen in den Analysen vor, sodass eine Power von 95 % erreicht wurde.

Die soziodemographischen Merkmale (Tab. 1) zeigen die Angaben zum Geschlecht mit 50,5 % männlichen und 49,5 % weiblichen Befragten eine nahezu gleiche Verteilung. In den Altersklassifikationen zeigt sich die geringste Teilnehmerzahl bei den 18- bis 29-Jährigen (7,1 %), wohingegen den Großteil der Befragten Personen im Alter von 50–59 Jahren (36,1 %) darstellen. Nahezu zwei Drittel (64,3 %) der teilnehmenden Personen geben einen hohen Bildungshintergrund an, während 35,7 % eine niedrige Bildung berichten.

Tab. 1 Verteilung der Untersuchungspopulation (absolute und relative Häufigkeiten in n und %, N = 396)

Statistische Auswertung

Die beruflichen Belastungen werden als unabhängige Variablen (UV), die psychische Beanspruchung, also das Burnout-Risiko, als abhängige Variable (AV) erfasst. Dieser Annahme liegen diese verschiedenen theoretischen Modelle zugrunde: das Belastungs- und Beanspruchungsmodell nach Rohmert/Rutenfranz [12], das Anforderungs-Kontroll- oder Job-strain-Modell vom amerikanischen Soziologen Karasek und mit Ergänzung von Theorell [11] und das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen von Siegrist und Dragano [19]. Häufigkeiten und Chancenverhältnisse werden mittels uni-, bi- und multivariater Analysen berichtet. Zunächst werden in der univariaten Analyse Häufigkeitsauswertungen zur allgemeinen Angabe von Häufigkeiten aufgeführt. Anschließend werden in der bivariaten Analyse die AV (Burnout-Risiko) erstmals mit den UV (berufliche Belastungen) in Beziehung gesetzt und mittels kreuztabellarischer Auswertung Häufigkeiten errechnet. Die kreuztabellarischen Analysen erfolgen dabei mit einer χ2-Signifikanzprüfung. Berichtet werden Häufigkeiten mit 95 %-Konfidenzintervallen (KI). Für die AV werden in den nachfolgenden multivariaten Analysen Odds Ratios (OR) mit 95 %-KI ausgewiesen, die durch binär-logistische Regressionen berechnet werden. Um wechselseitig statistisch kontrollieren zu können, werden in den binär-logistischen Regressionsanalysen für die Ermittlung des Zusammenhangs zwischen den beruflichen Belastungen und der Chance bzw. dem Risiko von Burnout verschiedene binär-logistische Modelle errechnet. Modell 1 berücksichtigt die häufigsten Belastungen. In Modell 2 werden zusätzlich Alter, Geschlecht und Bildung in die Analysen einbezogen. Die Ergebnisse der statistischen Analysen gelten als statistisch signifikant, wenn der p-Wert <0,05 ist. Für die Auswertungen wurde das Softwareprodukt IBM SPSS Statistics Version 25 verwendet.

Ergebnisse

Die univariaten Häufigkeitsauswertungen (Tab. 2) verdeutlichen, dass insgesamt 60 % (n = 186) der befragten Fachkräfte ein hohes Burnout-Risiko angeben. Über hohe emotionale Anforderungen (d. h. emotional fordernde Situationen) berichten 85,1 % der Fachkräfte. Ca. 75 % äußern hohe Belastungen durch das Verbergen von Emotionen (z. B. Zurückhalten der eigenen Meinung) und ein geringes Gemeinschaftsgefühl (d. h. die Einstellung des in einem Boot-Sitzens, des Informationsaustausches, Akzeptanz innerhalb des Teams etc.). Zudem geben fast zwei Drittel der Befragten eine niedrige Wertschätzung der eigenen Arbeit durch die Leitungsebene (64,6 %) an. Mehr als die Hälfte der Befragten äußert ein niedriges Vertrauen durch die Leitung als auch Kolleg*innen (57,1 %). Knapp die Hälfte der Befragten gibt zudem hohe physische Anforderungen am Arbeitsplatz (u. a. körperlich schwere Arbeit, Lärm, schlechte Lichtverhältnisse etc.), wenig Spielraum bei den Pausen (Pausen selbst bestimmen, freie Entscheidung über Urlaubszeit), ein niedriges Maß an Entgrenzung (Erledigungen beruflicher Dinge außerhalb der Arbeitszeit), eine geringe Vorhersehbarkeit (rechtzeitige Informationen über Veränderungen am Arbeitsplatz etc.) sowie starke Rollenkonflikte während der Arbeitszeit (d. h. widersprüchliche Anforderungen, unnötige Aufgaben etc.) an.

Tab. 2 Verteilung der Untersuchungspopulation (absolute und relative Häufigkeiten in n und %, N = 396)

Nachfolgend werden die Ergebnisse der häufigsten Belastungen in Zusammenhang mit dem wahrgenommenen Burnout-Risiko mittels bivariater Zusammenhangsanalysen gesetzt. Der Darstellung sind die Ergebnisse für das Outcome „hohes Burnout-Risiko“ zu entnehmen (Tab. 3). Rund 62 % der Befragten mit hohen emotionalen Anforderungen sowie 64 % der Befragten, die hohe Belastungen durch das Verbergen von Emotionen äußern, geben ein hohes Burnout-Risiko an. Zudem berichten fast 70 % der Fachkräfte in WfbM, die Einschränkungen in der Pausen- und Urlaubsgestaltung anführen, ein hohes Burnout-Risiko im Vergleich zu etwa 51 % der Fachkräfte, die keine bzw. wenig Einschränkungen wahrnehmen. Ebenfalls sind die geringe Vorhersehbarkeit der Arbeit (75,7 %), starke Rollenkonflikte (48,2 %), ein geringes Gemeinschaftsgefühl (65,3 %) sowie ein niedriges Vertrauen durch die Leitung und durch Kolleg*innen (71,3 %) mit einem erhöhten Risiko für Burnout assoziiert. Aus den Ergebnissen der bivariaten Analysen geht weiter hervor, dass 73,5 % der Befragten mit hohen physischen Anforderungen bei der Arbeit über ein hohes Burnout-Risiko verfügen. Fachkräfte in WfbM, die ein niedriges Maß an Entgrenzung (55,6 %) oder eine geringe Wertschätzung der eigenen Arbeit durch die Leitungsebene (71,3 %) erfahren, verfügen zudem über ein höheres Burnout-Risiko im Vergleich zu Fachkräften, die diese Belastungsfaktoren nicht berichten.

Tab. 3 Hohes Burnout-Risiko, differenziert nach den häufigsten Belastungen von Fachkräften in WfbM (n = 288–310a, in %, χ2-Signifikanzprüfung, N = 396)

In Tab. 4 sind die multivariaten Ergebnisse der binär-logistischen Regressionsmodelle dargestellt. In Modell M1 sind die OR für ein erhöhtes Burnout-Risiko der Fachkräfte in WfbM ohne Adjustierung für Kontrollvariablen zu sehen. Modell M2 stellt den Zusammenhang zwischen den häufigsten Belastungen und der Häufigkeit eines hohen Burnout-Risikos, adjustiert für Alter, Geschlecht und Bildung dar. Fachkräfte in WfbM, die eine geringe Vorhersehbarkeit der Arbeit berichten, verfügen über eine 2,29-fach erhöhte Chance für ein hohes Burnout-Risiko (p < 0,05; 95 %-KI: 1,13–4,64). Befragte, die ein geringes Gemeinschaftsgefühl bei der Arbeit erleben, weisen eine 2,87-fach erhöhte Chance für ein hohes Burnout-Risiko auf (p < 0,01; 95 %-KI: 1,48–5,58). Fachkräfte in WfbM, die hohe physische Anforderungen bei der Arbeit angeben, verfügen über eine um den Faktor 2,59 erhöhte Chance für ein hohes Burnout-Risiko (p < 0,01; 95 %-KI: 1,32–5,06). Befragte, die ein niedriges Maß an Wertschätzung bei der Arbeit erfahren, weisen eine 2,72-fach erhöhte Chance für ein hohes Burnout-Risiko auf (p < 0,01; 95 %-KI: 1,32–5,58).

Tab. 4 Binär-logistische Regressionsmodelle für ein hohes Burnout-Risiko und die häufigsten Belastungen (Modell 1: n = 289a [fehlend: n = 107]; Modell 2: n = 268a [fehlend n = 128]; OR und 95 %-KI, N = 396)

Diskussion

Ziel der Studie WeCareOnline war es, berufliche Belastungen sowie psychische Beanspruchungen bei Fachkräften in WfbM zu erfassen, um diese schließlich in Zusammenhang zu setzen. Hinsichtlich Ziel 1) zeigt sich, dass hohe physische Anforderungen, geringes Gemeinschaftsgefühl, hohes Maß an Entgrenzung, geringer Spielraum bei den Pausen sowie geringe Vorhersehbarkeit der Arbeit am häufigsten durch die Befragten genannt werden. Bezüglich Ziel 2) ist aufzuführen, dass etwa zwei Drittel der Befragten unter einem hohen Burnout-Risiko leiden. Die Ergebnisse der Studie zeigen hinsichtlich des Ziels 3), dass ein Zusammenhang zwischen beruflichen Belastungen und einem hohen Burnout-Risiko bei Befragten in WfbM besteht. Aus den statistischen Analysen geht hervor, dass eine unzureichende Vorhersehbarkeit der Arbeit sowie ein geringes Gemeinschaftsgefühl unter Fachkräften in WfbM mit einem hohen Burnout-Risiko assoziiert sind. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen fehlender Wertschätzung der Arbeit durch die Leitungsebene und einem hohen Burnout-Risiko besteht. Führungskräfte sollten daher einen besonderen Fokus auf die Wertschätzung der Arbeitsleistungen ihrer Fachkräfte legen. Zudem besitzen Fachkräfte, die hohe physische Anforderungen berichten, eine erhöhte Chance für ein hohes Burnout-Risiko. Einen ähnlichen Zusammenhang konnten Habermann-Horstmeier/Limbeck (2015) feststellen. So geht aus deren Studie hervor, dass körperliche Belastungen negativ mit dem Arbeitsklima, der Arbeitsfreude sowie dem Wohlbefinden von Fachkräften assoziiert sein können [6]. Weiterhin bestätigen internationale Forschungsergebnisse, dass ein Zusammenhang zwischen hohen Anforderungen, einem geringen Gemeinschaftsgefühl sowie einer geringen Wertschätzung bei der Arbeit und einem erhöhten Burnout-Risiko besteht [16].

Zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Arbeitnehmenden haben sich in der Arbeitswelt Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), insbesondere die Sensibilisierung von Führungskräften für das Thema psychische Belastungen am Arbeitsplatz durch Führungskräftetrainings, betriebliche Programme zur Entstigmatisierung psychischer Gesundheitsprobleme sowie achtsamkeitsbasierte Interventionen zur Stressreduktion in Form von Entspannungs- und meditativen Verfahren, bewährt [3]. In zukünftigen Untersuchungen gilt es zu überprüfen, inwieweit diese Maßnahmen auch auf das Setting der Behindertenhilfe übertragen werden können.

Einen aktuellen Ansatz zur Minimierung des Burnout-Risikos bei Fachkräften in der stationären Behindertenhilfe stellt die Einführung eines umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) unter Einbezug der Handlungsfelder Arbeitsorganisation, Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung dar. Dazu zählt u. a. die Implementierung von BGF-Maßnahmen, wie z. B. Gesundheitsschulungen, Gesundheits-Checks, Betriebssport, gesunde Essensangebote und Ruheoasen [5]. Dies kann für das Setting der WfbM ebenfalls empfohlen werden, da auch dort tätige Fachkräfte erhöhten emotionalen und körperlichen Anforderungen durch die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung ausgesetzt sind [2, 10, 14].

Aufgrund eines unterschiedlich wahrgenommenen Belastungsniveaus je nach Geschlecht, Alter, Tätigkeit oder Funktion sollten diese Faktoren bei der Erarbeitung von BGF-Maßnahmen Berücksichtigung finden [9]. Da mit der unterschiedlichen Funktion von Leitungs- bzw. Fachkräften verschiedene Tätigkeitsmerkmale z. B. Entscheidungskompetenzen und Verantwortungsbereiche einhergehen, ist anzuraten, in künftigen Auswertungen und Studien die beruflichen Belastungen und psychischen Beanspruchungen zwischen Leitungs- und Fachkräften getrennt zu erfassen [1].

Limitationen

Die hier beschriebene Studie greift eine in der Forschungsliteratur bis dato unberücksichtigte Thematik in der Behindertenhilfe in Deutschland auf. Neben dem in wissenschaftlichen Publikationen stärker fokussierten Bereich der stationären Behinderteneinrichtungen wird hiermit eine relevante Forschungslücke aufgegriffen, die sich mit dem Setting von WfbM auseinandersetzt. Erstmalig wurde dabei der Zusammenhang von beruflichen Belastungen und psychischen Beanspruchungen bei Fachkräften untersucht. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse können somit eine bedeutende Grundlage für die Ableitung zukünftiger Interventionen in WfbM darstellen. Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, wurde eine Vollerhebung anvisiert. Positiv an diesem Vorgehen ist zu nennen, dass dadurch das Erreichen von allen Personen der Grundgesamtheit angestrebt wurde. Dabei wurde zudem die Möglichkeit des Zusendens eines Paper-pencil-Fragebogens angeboten, um eine Unterrepräsentation („undercoverage“) der Zielgruppe aufgrund von technischen Hürden zu verhindern. Die Paper-pencil-Fragebögen wurden nicht in Anspruch genommen. Kritisch ist anzumerken, dass sich die Fallzahl der Erhebung auf 396 Personen beschränkt. Aufgrund dieser geringen Anzahl der Teilnehmenden war es nicht möglich, Analysen differenziert für einzelne Bundesländer durchzuführen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die analysierten Daten keine Repräsentativität für alle Fachkräfte in WfbM in Deutschland gewährleisten. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist weiterhin zu beachten, dass daraus keine Kausalität abgeleitet werden kann. Dies ist auf die gewählte Methodik zurückzuführen, die einzig auf der Generierung von Querschnittdaten basiert. Demzufolge können aus den erzielten signifikanten Ergebnissen, die einen Zusammenhang zwischen beruflichen Belastungen und psychischen Beanspruchungen belegen, keine kausalen Rückschlüsse gezogen werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Einführung eines umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) unter Einbezug der Handlungsfelder Arbeitsorganisation, Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung ist für Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) zu empfehlen.

  • WfbM sind dazu angehalten auf Grundlage von individuellen Bedarfsanalysen geeignete Maßnahmen für ihre Einrichtungen zu entwickeln.

  • BGF-Maßnahmen (betriebliche Gesundheitsförderung) zur Senkung des Burnout-Risikos sind empfehlenswert, da sie sich in anderen Arbeitssettings bewährt haben.

  • WfbM sollten Ihren Fachkräften insbesondere Maßnahmen zur Stressreduktion anbieten.

  • Auch die Sensibilisierung von Führungskräften für das Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz als ein bedeutsamer Erfolgsfaktor für die Prävention des Burnout-Risikos ist für WfbM anzuraten.

  • Zukünftige Untersuchungen sollten aufgrund unterschiedlicher beruflicher Belastungen in ihrer Funktion eine Differenzierung in Leitungs- und Fachkräfte vornehmen.