Einführung

Weltweit sterben jährlich 15 Mio. Menschen (30-70 Jahre) an den Folgen von Adipositas und NCD („noncommunicable diseases“) wie koronaren Herzkrankheiten oder Diabetes mellitus Typ 2 [1]. In Deutschland lassen sich ca. 91 % aller Todesfälle auf Zivilisationserkrankungen zurückführen [2]. Prognosen zufolge werden sich die NCD-Prävalenzen sowie die damit verbundenen Kosten für das Gesundheitssystem, u. a. durch den demografischen Wandel, weiter verschärfen [3]. Hieraus leitet sich ein zentrales Gesundheitsproblem ab, das durch gezielte Interventionen langfristig eingedämmt werden kann [4].

Hintergrund

Zivilisationserkrankungen und Adipositas gelten als große medizinische und gesundheitsökonomische Herausforderungen unserer Zeit [5, 6]. Das Risiko für diese Erkrankungen lässt sich jedoch maßgeblich durch den Lebensstil, insbesondere durch Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten, beeinflussen [7, 8]. In diesem Zusammenhang besteht ein großes Potenzial für Lebensstilprogramme zur Prävention und Gesundheitsförderung, um die Prävalenzen lebensstilabhängiger NCD senken zu können.

Das 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz räumt der Prävention einen bedeutenden Stellenwert in unserer Gesellschaft ein [9]. Es sollen sowohl die Reduktion von Krankheitsrisiken als auch die Förderung des selbstbestimmten, gesundheitsorientierten Handelns intensiviert werden. Eine derartige Gesundheitsförderung kann in verschiedenen Settings erfolgen, z. B. in Schulen, Unternehmen oder in Kommunen. Entsprechend überall dort, wo Menschen leben und arbeiten [9].

In der Realität zeigt sich jedoch, dass die Prävention und Gesundheitsförderung bisher in Deutschland nicht zu einer umfassenden Eindämmung von Adipositas und NCD führen konnte. Dies lässt sich u. a. auf die fehlende Ganzheitlichkeit sowie den mangelnden Einbezug der Verhältnisebene, den schwierigen Prozess der Verhaltensveränderung sowie auf hohe Kostenfaktoren und Kurzfristigkeiten vieler Interventionen zurückführen [10, 11]. Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit für die Entwicklung von übertragbaren Programmen zur nachhaltigen Risikoprofilreduktion von Adipositas und NCD, die sowohl auf individueller (Verhalten) als auch auf gesellschaftlicher (Verhältnis) Ebene eine große Zielgruppe langfristig erreichen.

In diesem Zusammenhang wurde das Lebensstilprojekt „Gemeinsam Gesund“ initiiert. Das Teilprojekt des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „münster.land.leben“ verfolgt einen community-basierten Ansatz. Der Begriff „Community“ umfasst eine demografische oder soziale Einheit, die sich häufig über Faktoren wie gemeinsame Ziele, Handlungen oder ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl definiert [12]. Community-basierte Programme kombinieren verhaltens- und verhältnisorientierte Ansätze, indem sowohl Maßnahmen zur individuellen Verhaltensveränderung als auch zur gesellschaftlichen Umweltebene fokussiert werden [13]. Das Lebensstilprogramm „Gemeinsam Gesund“ strebt eine langfristige Verhaltensveränderung der Teilnehmer/‑innen sowie die Schaffung einer verhältnispräventiven Umwelt an. Dabei wird sowohl die körperliche als auch die mentale und die soziale Gesundheit beeinflusst.

Das Projekt weist, u. a. durch die heterogene Zielgruppe der Kommune sowie aufgrund der angestrebten Partizipation der Teilnehmer/‑innen und der Entwicklung von Maßnahmen auf der individuellen und gesellschaftlichen Ebene, eine hohe Komplexität auf. Um dieses umfangreiche Lebensstilprogramm planen, strukturieren und umsetzbar machen zu können, wurde der Intervention-Mapping-Ansatz (IMA) genutzt [14].

Fragestellung

Bei der Planung und Strukturierung des Lebensstilprogramms „Gemeinsam Gesund“ stellt sich die Frage, wie das komplexe Programm umfassend und wissenschaftlich fundiert anhand des IMA entwickelt werden kann. Um dies zu beantworten, wurde die Konzeption des Projekts in kleine Teilschritte untergliedert und mithilfe des IMA erarbeitet, durchgeführt, evaluiert und angepasst.

Methodik

Bevor das Projekt „Gemeinsam Gesund“ konzipiert werden konnte, wurde zunächst eine systematische Literaturrecherche bezüglich des Aufbaus, der Einsatzmöglichkeiten und der Eignung des IMA zur Planung des Lebensstilprogramms durchgeführt. Der IMA wurde 1998 von L. Kay Bartholomew, Guy S. Parcel und G. Kok entwickelt. Er dient der problemorientierten Konzeption von Programmen zur Gesundheitserziehung und -förderung. Dabei werden theoretische Modelle, wie Theorien zur Motivation oder Verhaltensveränderung, genutzt, um wissenschaftlich basierte und in der Praxis wirksame Programme zu entwickeln. Der IMA umfasst sechs Schritte zur Planung eines Gesundheitsförderungsprogramms. Im Anschluss an die sechs Planungsschritte erfolgt die Implementierung des entwickelten Programms. Durch eine anschließende Evaluation kann das Programm analysiert und ggf. angepasst oder weiterentwickelt werden (Abb. 1; [14]).

Abb. 1
figure 1

Schritte des Intervention-Mapping-Ansatzes (IMA). (Übersetzt und modifiziert nach [14])

Wie aus der Graphik ersichtlich, wird zunächst eine Bedarfsanalyse durchgeführt, indem die Ausgangssituation der Zielcommunity analysiert wird. Außerdem werden die Bedarfe der jeweiligen Zielgruppe erfasst (z. B. hoher Anteil an adipösen Kindern in einer Grundschule). Daraus lassen sich grundsätzliche Themen, Ansatzpunkte und Ziele (z. B. Reduktion von Körpergewicht bei den ausgewählten Grundschulkindern) ableiten. Anschließend wird ein Programm gestaltet und durch theoretische Modelle gestützt (z. B. Bewegungsprogramm für Grundschulkinder unter Berücksichtigung von Modellen zur Aktivierung und Motivation). Es folgt die konkrete Interventionsentwicklung (z. B. Einplanung des Bewegungsprogramms in den Stundenplan sowie Erstellung von Schulungsunterlagen und Flyern). Anschließend wird die Implementierung des Programms geplant (z. B. Planung einer Schulung für Lehrer/‑innen, um ein tägliches Bewegungsprogramm in der Grundschule durchführen zu können).

Im letzten Schritt der Planung wird ein Evaluationsplan erstellt (z. B. Befragung von Kindern und Eltern sowie Festlegung von Messzeitpunkten zur Erfassung des Körpergewichts). Nach der Planung kann das entwickelte Programm in der Praxis umgesetzt, evaluiert und anschließend angepasst werden [14].

Ergebnisse

Schritt I: Problemdarstellung und Bedarfsanalyse

Schritt I des IMA zielt auf die Erfassung der Ausgangssituation sowie der Analyse von gesundheitsbezogenen Bedürfnissen und Bedarfen der ausgewählten Zielgruppe ab. Der IMA sieht vor, aus diesen Informationen ein logisches Modell zur Darstellung des Gesundheitsproblems und damit verbundenen individuellen und umweltbedingten Verhaltensweisen und Determinanten zu erarbeiten (PRECEDE-Modell; [14]).

Im Projekt „Gemeinsam Gesund“ wurde zunächst die Kommune Billerbeck, eine im Münsterland lokalisierte Gemeinde, als Interventionsstandort festgelegt. Gleichzeitig wurden erwachsene Personen (>18 Jahre) als Zielgruppe fokussiert. In der Kommune erfolgte zu Beginn der Projektplanung die Problemdarstellung und Erhebung von Bedarfen und Bedürfnissen mithilfe einer Bestandsanalyse, eines Gesundheitszirkels und einem Gesundheitssurvey. Zunächst wurde eine Bestandsanalyse in der Kommune Billerbeck durchgeführt, um Strukturen, Akteure und bestehende (Gesundheits)angebote sowie lokale Kommunikationskanäle der Community zu ermitteln. Anschließend wurde ein interdisziplinärer Gesundheitszirkel gebildet und etabliert. Dafür wurden Bürger/‑innen und (Gesundheits)akteure wie Ärzte, Vertreter von der Kommune und verschiedenen Einrichtungen sowie Vereine und Initiativen, zu monatlich stattfindenden, lokalen Treffen eingeladen. Dadurch konnten die gesundheitsbezogenen Interessen und Perspektiven der Kommune ermittelt und wiedergespiegelt werden. Gleichzeitig konnten bereits existierende Angebote wie Beratungs- und Verpflegungsangebote, in die Interventionsplanung miteinbezogen und Synergieeffekte genutzt werden.

Zudem wurde ein Gesundheitssurvey in Billerbeck durchgeführt, indem ein Fragebogen an eine Stichprobe der Billerbecker Bevölkerung (ca. 1 % der Einwohner/‑innen) verschickt wurde. Inhaltlich wurden u. a. der subjektive Gesundheitszustand und der Zusammenhang von Risikofaktoren und Lebensstilerkrankungen sowie Faktoren zur Optimierung des lokalen Gesundheitsangebots thematisiert.

Die ermittelten Bedarfe und Bedürfnisse der Community wurden anschließend zusammengetragen und geclustert. Dabei wurde deutlich, dass die Kommune Billerbeck bereits über einige Gesundheitsangebote, wie eine Herzsportgruppe oder regelmäßige Yoga-Kurse, verfügt. Zusätzlich konnten u. a. ein Reha-Sportstudio und weitläufige Wanderwege zur Prävention und Gesundheitsförderung identifiziert werden. Die Einwohner-/innen äußerten jedoch das Bedürfnis nach weiteren Angeboten auf Verhaltens- und Verhältnisebene. Dabei merkten sie u. a. einen Mangel an gesunden Gerichten in Restaurants und angebotenen Gruppen zur körperlichen Aktivität an. Gleichzeitig kristallisierten sich mangelnde Wissensstände und Fähigkeiten im Bereich der Ernährung, der Bewegung und des Stressmanagements heraus. Die Gesundheitsakteure wünschten sich zudem u. a. eine verbesserte Vernetzung untereinander und die Aufklärung der Bürger/‑innen über bestehende Gesundheitsangebote und -möglichkeiten in der Kommune.

Schritt II: Spezifizierung der Interventionsziele und Ergebnisparameter

Nachdem in Schritt I des IMA die Bedarfe, Bedürfnisse und Bestände der Community ermittelt wurden, dient Schritt II der Identifizierung von Veränderungsansätzen und Zielparametern. Laut IMA kann zur Veranschaulichung der potenziellen Effekte des Interventionsprogramms erneut ein theoretisches Modell (logisches Modell der Veränderung) eingesetzt werden [14]. Ausgehend von diesem Schritt können anschließend gezielte Interventionsmaßnahmen entwickelt werden.

Aus den zuvor erhobenen Bedarfen und Bedürfnissen wurden in diesem Schritt mehrere Zielparameter zur Prävention und Gesundheitsförderung von NCD und Adipositas auf der Verhaltens- und Verhältnisebene formuliert. Auf der Verhaltensebene (individuell) wurden Ziele für die körperliche Gesundheit (z. B. Reduktion von Körpergewicht, Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten und Steigerung der körperlichen Aktivität) sowie für die soziale Gesundheit (z. B. Steigerung des Gemeinschaftsgefühls) und die mentale Gesundheit (z. B. Reduktion des Stresslevels) festgelegt.

Die Ziele auf der Verhältnisebene (gesellschaftlich) umfassten u. a. den Ausbau, die Sichtbarmachung und die Neugestaltung gesundheitsförderlicher Angebote und die Erhöhung der Partizipation an Gesundheitsprojekten. Auch die Verbesserung der Vernetzung und Ausdifferenzierung der präventiven Dienstleistungen sowie die Erhöhung der Nachfrage für bereits vorhandene gesundheitsbezogene Angebote wurden in die Zielentwicklung aufgenommen.

Für die entwickelten Ziele wurden im Anschluss, wie vom IMA empfohlen, die notwendigen Determinanten und Verhaltensweisen zur Zielerreichung ermittelt. Die Steigerung der körperlichen Aktivität kann z. B. durch die Determinante „Wissen“ in Form von Aufklärung über die Wichtigkeit von Bewegung beeinflusst werden. Dadurch kann es zu einer Verhaltensveränderung kommen, indem Sportkurse besucht oder Alltagsaktivitäten intensiviert werden. Die Determinanten wurden nach Wichtigkeit und Veränderbarkeit sortiert, um die vorhandenen Ressourcen später effektiv einsetzen zu können. Aus diesen (Handlungs)zielen und Determinanten konnten in den nächsten Schritten gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um die Teilnehmer/‑innen zu befähigen, die festgelegten Zielparameter bestmöglich erreichen zu können.

Schritt III: Programmgestaltung und Auswahl theoretischer Modelle

Während die ersten beiden Schritte des IMA primär die Erfassung der Ausgangssituation sowie die Ausarbeitung von Zielen thematisieren, beginnt in Schritt III die Gestaltung des Interventionsprogramms. Darüber hinaus werden theoretische Modelle und damit verbundene Umsetzungsstrategien erarbeitet, die zu einer langfristigen Verhaltensveränderung beitragen sollen [14].

In enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitszirkel (Schritt I) wurden zunächst verschiedene Maßnahmenformate für das Interventionsprogramm entwickelt sowie Inhalte und zeitliche Umfänge definiert (Tab. 1).

Tab. 1 Maßnahmenformate und zeitlicher Rahmen

Gleichzeitig wurden Maßnahmen auf der Verhältnisebene initiiert, indem kontinuierliche Verweise auf bestehende Angebote, wie Lauftreffs oder Schrittzähleraktionen, eingeplant und somit zur Vernetzung und Bekanntmachung der Akteure vor Ort beigetragen wurde. Die Entwicklung eines digitalen Gesundheitsportals mit Bürgerbeteiligung, die Vernetzung von relevanten Gesundheitsakteuren sowie die Ausbildung von „Community-Managern“ zur dauerhaften Weiterführung des Projekts zählten ebenfalls zu den zentralen Aspekten der Maßnahmenentwicklung.

Anschließend wurden geeignete Kommunikationskanäle zur Teilnehmerkommunikation, wie Flyer und Zeitungen, aber auch potenzielle Personen zur Bewerbung des Programms wie Ärzte, Apotheken, lokale Unternehmen und Vereine identifiziert. Darüber hinaus wurden ein Projektlogo und eine Projekthomepage erstellt, um das Projekt darstellen und einen Wiedererkennungseffekt erreichen zu können.

Schritt IV: Entwicklung des Interventionsprogramms

In Schritt IV des IMA werden, nach einem „Realitätscheck“ des bisher erarbeiteten Interventionskonzepts, umfangreiche Materialien zur Unterstützung des Interventionsprogramms entwickelt, überarbeitet und fertiggestellt [14]. Dabei wurde zunächst untersucht, wo und inwiefern die Programmteilnehmer/‑innen mit der Intervention in Kontakt kommen können. Dazu zählen Empfehlungen durch einen (Haus)arzt oder weitere Gesundheitsakteure. Gleichzeitig wurden aber auch Projektinformationen über ein Werbevideo, einen Flyer oder Zeitungsartikel, einen Radio- oder Fernsehbeitrag oder den in der Kommune Billerbeck initiierten Gesundheitsmarkt, verbreitet.

Zudem wurden zugehörige Materialien wie Flyer, Plakate oder Beiträge, eingeplant und entwickelt. Darauf folgte eine Prüfung der Budget- und Zeitbeschränkung. Dabei wurde das gesamte Lebensstilprogramm, bestehend aus einer 10-wöchigen Seminarreihe sowie Workshops und weiteren Aktionen, einer umfangreichen Prüfung unterzogen. Auch der Gesundheitsmarkt zur Teilnehmerrekrutierung, die Gesundheitschecks zur Erhebung des Gesundheitsstatus und das an die Seminarreihe anknüpfende Alumni-Konzept (Planung in Schritt III) wurden auf Praktikabilität untersucht.

Die Planung und anschließende Erarbeitung der Programmmaterialien wurde für jedes Maßnahmenformat (Schritt III) durchgeführt. Dazu zählten z. B. für den Gesundheitsmarkt erstellte Informationsmaterialien über das Projekt sowie Flyer und Anmeldebögen für das Lebensstilprogramm. Zur praxisnahen Vermittlung der Themen der Seminarreihe wurden Präsentationen und didaktisch abgestimmte Arbeitsblätter und Rezepte erstellt. Zudem wurde ein begleitendes Arbeitsbuch mit tiefergehenden Informationen erstellt, um den Teilnehmer/‑innen zu ermöglichen, die besprochenen Inhalte der Seminare anschließend detailliert aufarbeiten und vertiefen zu können.

Schritt V: Planung der Implementierung des Programms

Der Fokus in Schritt I–IV des IMA lag auf der Charakterisierung der Ausgangslage, der Zielentwicklung sowie der Planung der Interventionsmaßnahmen und zugehörigen Materialien. In Schritt V werden diejenigen fokussiert, die das Programm anwenden und anschließend aufrechterhalten sollen [14].

Zunächst wurde analysiert, welche Personen(gruppen) die einzelnen Maßnahmenformate aktiv durchführen könnten. Das erarbeitete Programm in Billerbeck wurde von der Projektgruppe der FH Münster, gemeinsam mit dem gebildeten Gesundheitszirkel geplant und unter Beteiligung von ehrenamtlichen Mitarbeitern, Akteuren und Bürgern umgesetzt. Ressourcen wurden einerseits durch das Projektteam der FH Münster, z. B. durch Personal und die Erstellung von Materialien gestellt.

Andererseits haben Gesundheitsakteure und die Kommune Billerbeck, z. B. durch Bereitstellung von Materialien, Kompetenzen und eines Tagungsraums, vielfältige Ressourcen und Netzwerkmöglichkeiten zur Verfügung gestellt.

Um alle Maßnahmenformate zeitlich und personell koordinieren zu können, wurde ein chronologischer Ablaufplan des Projekts erstellt, wobei den jeweiligen Interventionsmaßnahmen die beteiligten Personen und eingesetzten Materialien zugeordnet wurden.

Schritt VI: Evaluationsplanung

Der letzte Schritt des IMA umfasst die Entwicklung eines Evaluationsplans unter Berücksichtigung des ausgewählten Evaluationsdesigns sowie -fragestellungen und Erhebungsmöglichkeiten [14].

Für die Evaluation wurde eine Kombination der Effekt- und Prozessevaluation fokussiert, die sowohl den Verlauf als auch die Umsetzung der Intervention aufzeigen, begutachten und dokumentieren kann. Für die individuelle Ebene wurde eine Effektevaluation geplant, indem als primäre Frage formuliert wurde, inwiefern das Projekt geeignet ist, um die körperliche, mentale und soziale Gesundheit der Bürger effektiv, nachhaltig und nachweislich zu verbessern. Die Prozessevaluation wurde hingegen vornehmlich für die Umweltebene genutzt. Dabei wurden z. B. Fragen über die Gesundheitsparameter der Kommune, Erfolgsfaktoren und Herausforderungen des Projekts sowie den Wirkungskreis der Intervention formuliert.

Die Spezifizierung des Evaluationsdesigns nahm eine wichtige Rolle in diesem Schritt ein. Dabei wurde die Lebensstilintervention als kontrollierte Interventionsstudie zur Prävention und Behandlung lebensstilabhängiger Erkrankungen klassifiziert. Als erste Phase wurde eine 10-wöchige Interventionsphase festgelegt, in der die Seminarreihe sowie Workshops und Aktionen stattfanden. Anschließend wurde eine 22-monatige Beobachtungsphase zur Bewertung der Nachhaltigkeit des Programms anberaumt, woraus sich eine Gesamtdauer von ca. 2 Jahren ergibt. Darüber hinaus wurde eine Kontrollgruppe zur Objektivierung der zu erwartenden Risikoverbesserung der Probanden der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe, mit jeweils 6 Befragungszeitpunkten, eingeplant (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Studienverlauf der Interventions- (dunkelblaue Rechtecke) und Kontrollgruppe (hellblaue Rechtecke); Datenerhebung zu Zeitpunkt t0 (Baseline), t1 (nach 10 Wochen), t2 (Follow-up nach 6 Monaten), t3 (Follow-up nach 12 Monaten), t4 (Follow-up nach 18 Monaten), t5 (Follow-up nach 24 Monaten)

Anschließend wurde der Evaluationsplan abgerundet, indem weitere Informationen, wie die Spezifizierung der Studienpopulation und die Ergebnisse einer durchgeführten Poweranalyse, ergänzt wurden.

In der folgenden Evaluation wurde abgeglichen, inwiefern das entstandene Interventionsprogramm die zentralen Ansatzpunkte und Gesundheitsprobleme abdecken konnte. Bei der Überarbeitung des Programms, die nach der ersten Implementation des Lebensstilprogramms folgte, wurden anschließend weitere, bisher unbeleuchtet Bedarfe und Zielsetzungen miteinbezogen, um zu einer umfassenden community-basierten Prävention und Gesundheitsförderung beizutragen.

Diskussion

Der IMA wurde zur Planung und Strukturierung für das Projekt „Gemeinsam Gesund“ genutzt. Auf die Planung des Lebensstilinterventionsprogramms folgte die Implementierung und schließlich die Evaluation. Das Programm wurde daraufhin angepasst und 2019 bereits zum dritten Mal in der Kommune Billerbeck durchgeführt.

Grundsätzlich bietet der IMA eine effektive Möglichkeit zur umfassenden und strukturierten Planung eines Interventionsprogramms. Das Unterteilen der Programmentwicklung in kleinere Schritte trägt zu einer maßgeblichen Erleichterung der Projektplanung und -strukturierung bei. Durch die iterativen Planungsschritte wird das Projektteam nach und nach durch die Projektplanung geleitet, ohne die Community zu übergehen [15]. Die vom IMA empfohlene Ausarbeitung theoretischer Rahmenmodelle und Umsetzungsstrategien, die evidenzbasierte Bezüge zur Wissenschaft in die Projektplanung etablieren sollen, kann die Effizienz der Intervention positiv beeinflussen [16, 17].

Im Rahmen der Projektentwicklung wurden jedoch nicht alle Schritte durch detailliert aufgearbeitete Modelle unterstützt. Vielmehr erfolgte eine parallele Bearbeitung mehrere Schritte und Ansatzpunkte, sodass das Interventionsprogramm recht zeiteffektiv entwickelt werden konnte. Bei der Überarbeitung des Programms konnten die Modelle, insbesondere das PRECEDE-Modell zur Darstellung der Ausgangssituation, jedoch noch einmal Aufschluss über die zentralen Bedürfnisse der Community geben.

Der IMA ist insgesamt sehr zeit- und personalintensiv, wodurch allein die Planung eines Interventionsprogramms mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. In diesem Zeitraum werden kontinuierlich finanzielle Mittel zur Planung und Entwicklung von Materialien benötigt, die nicht immer für einen derart langen Zeitraum zur Verfügung stehen [18]. Im Rahmen der Projektentwicklung wurde jedoch ein Fokus auf den Einbezug von ehrenamtlichen Helfern gelegt.

Dabei wurden sowohl Akteure des Gesundheitszirkels als auch Teilnehmer/‑innen in die aktive Durchführung des Projekts, z. B. durch Gastbeiträge, das Angebot von Workshops oder die organisatorische Mithilfe vor Ort bei Veranstaltungen, miteinbezogen. Dadurch konnten nicht nur die Kosten gesenkt, sondern auch inhaltlich mit der Community gearbeitet werden.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ab wann eine Handlung oder Aktion als Intervention angesehen werden kann. Eine Intervention im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung umfasst das gezielte Eingreifen von zumeist öffentlich und/oder professionell autorisierten Akteuren oder Institutionen, um potentielle Gesundheitsprobleme von Einzelpersonen oder Bevölkerungsgruppen zu beeinflussen [19]. Demnach könnten die Bildung und Etablierung des Gesundheitszirkels bereits als erste Intervention angesehen werden. Werden derartige Aktivitäten als Interventionen bezeichnet, lief der größte Anteil der Programmplanung gleichzeitig mit der Umsetzung erster Bestandteile in Billerbeck ab. Somit konnte bereits viel vor Ort gearbeitet und die Community besser kennengelernt werden.

Im Laufe der Interventionsentwicklung hat sich gezeigt, dass die persönliche Ansprache sehr wichtig ist, um Personen nachhaltig in eine Arbeitsgruppe zu etablieren und die Popularität des Projekts zu steigern. Der Erstkontakt mit Akteuren per E‑Mail oder Post zeigte lediglich eine geringe Rücklaufquote. Die Präsenz vor Ort, z. B. in Form von persönlichen Gesprächen, vereinfachte die Gründung des Gesundheitszirkels und die Bekanntmachung des Projekts maßgeblich.

Wichtig ist außerdem, zunächst alle potentiell relevanten Akteure einer Community zu identifizieren und anschließend gleichermaßen in die Projektplanung miteinzubeziehen. Andernfalls könnte sich eine Konkurrenzsituation zu den anderen beteiligten Akteuren ergeben. Besonders Ärzte unterliegen in der Regel einer großen Konkurrenzsituation, die durch ein derartiges Vorgehen weiter gestärkt werden würde [20].

Insgesamt konnte der IMA eine gute Grundlage zur Entwicklung und Strukturierung des Projekts bieten. Wichtig ist dabei, von Anfang an zu bedenken, welche Aspekte und Handlungen sich zur eigentlichen Intervention zuordnen lassen und inwiefern einige Teilbereiche lediglich der Vorbereitung dienen. Durch die Bearbeitung der einzelnen Schritte wurde das Programm kontinuierlich neu durchdacht und durch facettenreiche Perspektiven ergänzt. Die anschließende Durchführung und Evaluation konnte zudem Hinweise geben, an welchen Stellschrauben langfristig noch gedreht werden könnte, um die Prävention und Gesundheitsförderung in der Community nachhaltig zu verankern und das Risikoprofil für Adipositas und NCD zu senken.

Ausblick

Im Anschluss an die erste, zweite und dritte Durchführung des Projekts in Billerbeck wurde der erarbeitete Projektplan jeweils zunächst evaluiert, Transferhemmnisse identifiziert und anschließend kontinuierlich überarbeitet. Dabei konnte das Veränderungspotential bestimmt und die Interventionsplanung entsprechend angepasst werden. Zukünftig soll das Programm zur Gesundheitsförderung und Prävention in weiteren Kommunen in NRW etabliert werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Berücksichtigung von theoriebasierten Planungsmodellen (z. B. IMA) kann zu einer wissenschaftlich fundierten Planung und Strukturierung eines Programmes zur Prävention und Gesundheitsförderung beitragen.

  • Der gezielte Fokus auf die Bedarfe, Bedürfnisse und Bestände einer Community können der Entwicklung einer zielgruppenorientierten Intervention dienen.

  • Die Zusammenarbeit mit lokalen (Gesundheits)akteuren kann einen großen Beitrag zur Interventionsplanung und -durchführung leisten.

  • Die Entwicklung einer komplexen Gesundheitsintervention ist sehr ressourcenintensiv (u. a. materielle und finanzielle Ressourcen, Zeit) und sollte frühzeitig kalkuliert werden.